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Melanchthonstadt Bretten
(2007)
Wenn wir eben zum Melanchthongedenken einen ökumenischen Gottesdienst gefeiert haben und jetzt zu dieser weltlichen Festakademie zusammengekommen sind, dann darf niemand daraus schließen, Melanchthon könne in einen Christen
einerseits und einen säkularen Weltmenschen andererseits aufgespalten werden. Auch seine spätere Wirkungsgeschichte
und seine heutige Bedeutung können so nicht zerlegt werden. Was Melanchthon in Wittenberg als Universitätsreformer und
für andere Städte als Schulreformer gewesen ist; was ihn zum Praeceptor Germaniae, zum Briefpartner mit Fürstenhäusern
und Gelehrten in Europa machte; weshalb er im Jahr 1557 bei einem Besuch in Heidelberg als „die Leuchte von ganz
Deutschland“ gefeiert wurde, lässt sich nicht trennen von seiner Rolle als Reformator der Kirche. Melanchthon ist eine der
großen Figuren, bei denen Glaube und säkulare Kultur zusammengehören, ohne dass der Glaube weichgespült oder säkulare Kultur religiös überfremdet worden wäre.
Melanchthon 2010
(2011)
Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren – so hieß das Motto für das Melanchthonjubiläum 1997, ein kraftvoller Satz aus Melanchthons Rede Über die notwendige Verbindung der Schulen mit dem Amt des Evangeliums, der es seit dem
Jubiläum zum 500. Geburtstag zu einer erstaunlichen Verbreitung gebracht hat. 1997 wurde das Motto in einer Auflage von vier Millionen auf dem Revers der Jubiläumsmünze (in Kurzform: Zum Gespräch geboren) ganz handfest unter das Volk gebracht. Auch 2010 behielt dieses Motto in Gottesdiensten, Veranstaltungen, Zeitungsartikeln, Publikationen etc. seine Aussagekraft. So begann der Rundfunkgottesdienst des Deutschlandfunks in der Konstantin-Basilika in Trier zur Eröffnung des Melanchthonjahres am Reformationstag 2010 mit einer Dialogansprache: Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren. So hat Philipp Melanchthon das gesagt, immer wieder. Das war sein Lebensmotto. Dass der Wahlspruch Melanchthons nach Römer 8, 31 vielmehr lautet: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein, gerät zunehmend in Vergessenheit und scheint offenkundig in der zunehmend säkularisierten Welt immer weniger „anschlussfähig“ zu sein, so dass die Einladung, die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Gespräch sich immer mehr zur Signatur Melanchthons ausprägen. 1997 entfaltete sich das Jubiläum in vier thematischen Facetten, nämlich ‚Bildung‘, ‚Ökumene‘, ‚Politik‘ und ‚Europa‘. Mit der Überschrift des Jahres 2010 Reformation und Bildung wurde der Fokus eingeengt, zugleich aber auch die Möglichkeit eröffnet, das Melanchthonjahr 2010 in die Lutherdekade zu integrieren und mit einem historischen und zugleich aktuellen Proprium zu profilieren.
Meine Höri
(2000)
Was bedeutet Ihnen die Höri? Das werde ich immer wieder gefragt. Man nimmt an, wer hier lebt und malt, muß es wissen. Und verweist auf die vielen Maler, die vor Jahrzehnten hier wohnten, eine Litanei inzwischen bekannter Namen, die da genannt werden. In der Welt draußen gepriesene Namen, die auf diese kleine Landschaft einen Glanz werfen. In ihrer Kunst ist die Höri Bild geworden. Und darauf kann man stolz sein. Der Blick auf ihre Besonderheit und Schönheit ist geöffnet, am klarsten, wie ich meine, durch die Bilder des Malers Adolf Dietrich, der drüben in Berlingen schaffte: Er ist der Eigenart von Untersee und Höri wie kaum einer gerecht geworden. Man weiß auch um die Schriftsteller, die die Höri literarisch gemacht haben. Es trifft zu, was Erhart (nicht Erich) Kästner kühn formuliert hat: „Immer muß erst der Dichter kommen und sehen. Wirklich sind nur die bedichteten Dinge.“ Da erst wird das gewöhnlich Übersehene zum Besonderen. Das stimmt so für Hermann Hesse und Ludwig Finckh, für den philosophischen Ernst Bacmeister, für Klaus Nonnenmann, für Werner Dürrson, hier vor allem auch für Jacob Picard aus Wangen, dem bisher einzigen literarisch bedeutenden Schriftsteller, der auf der Höri geboren ist.
Mehrwert für die Region
(2021)
Jens-Arne Buttkereit, Geschäftsführer des staatlich anerkannten Internats & Gymnasium Birklehof, hat sich freundlicherweise bereit erklärt, mit Kathleen Mönicke ein Interview zu führen. Darin kommen sowohl die pädagogische Arbeit der schulischen Einrichtung als auch der historische Altbirklehof, der sich ebenfalls auf dem Schulgelände befindet, zur Sprache. Letzterer steht nach einer aufwändigen Sanierung für die Region als Ort vielfältiger kultureller Veranstaltungen zur Verfügung. Die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen stützte sich neben öffentlichen Fördergeldern auch auf zahlreiche Spenden von Privatpersonen. Das Interview wird im Folgenden wortwörtlich wiedergegeben. Die Fragepassagen sind kursiv, die
Antworten im normalen Schriftgrad abgedruckt.
Mehr Platz für die Musik
(2017)
Das war der Zustand der Orgelempore im Villinger
Münster von 1818 bis 1905. Die da aufgestellte
Orgel von Johann Michael Bieler stammt aus der
säkularisierten Johanniterkirche und wurde mit
vertauschten Gehäuseteilen im Münster aufgestellt
(vgl. Orgelgeschichte der Münsterpfarrei von Prof.
Hans Musch in der Festschrift zur Einweihung
der Sandtner Orgel 1983). Auf dem Bild sind noch
an den Schiffwänden die 14 von Josef Schupp
1720 geschaffenen Apostelfiguren zu sehen (12
Apostel ergänzt durch den Völkerapostel Paulus
und den Villinger Stadtpatron Barnabas).
Mehr Licht für Ludwigsburg
(2015)
Sie werden fragen, war Louis Bührer nicht der erste Kassier der Oberamtssparkasse
Ludwigsburg, nach dem auch der Louis-Bührer-Saal der Kreissparkasse benannt ist?
Was hat er mit der Gasversorgung von Ludwigsburg zu tun? Die Antwort ist einfach,
aber nur wenig bekannt. Es stimmt, Louis Bührer war der erste Kassier der 1852
gegründeten Oberamtssparkasse. Aber er war noch mehr, nämlich ein engagierter
Bürger, der seine Position als Stadtrat konsequent ausnutzte und sich dann überall
aktiv einbrachte, wenn es galt, anstehende Probleme zu lösen oder Verbesserungen
für die Bürger der Stadt in die Tat umzusetzen. Sei es, dass er sich für die Ärmsten
in verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen engagierte, dass er die Kassierstelle der neuen
Sparkasse übernahm oder dass er sich für die Errichtung eines städtischen Wasserwerks, vor allem aber eines städtischen Gaswerks einsetzte.
Louis Bührer griff einen in der Mitte des 19. Jahrhunderts weit verbreiteten Wunsch
der Bevölkerung nach einer besseren und komfortableren Beleuchtung von Wohnungen, Häusern und Straßen auf. Als praktikable Beleuchtungsmittel standen den
Menschen in dieser Zeit neben rußenden Talgkerzen nur Öllampen zur Verfügung, in
denen mit Hilfe eines Dochtes tierische und pflanzliche Öle, vor allem aber Mineralöle
wie Petroleum verbrannt wurden. Insbesondere die billigen Talgkerzen lieferten kein
gleichmäßiges Licht, weil der Docht nicht richtig verbrannte. Er musste mit einer
speziellen Lichtputzschere immer wieder nachgeschnitten werden, was äußerst lästig war
und Goethe zu einem Stoßseufzer in Form eines Zweizeilers veranlasste: »Wüsste nicht,
was sie Besseres erfinden könnten, als wenn die Lichter ohne Putzen brennten«.
Dieser biografische Beitrag befasst sich mit einem Offizier, der in Freiburg u.a. als Kommandant
der Einwohnerwehr, langjähriger Stadtverordneter, Vorsitzender der Kolonialgesellschaft,
Präsident der Museumsgesellschaft und Gauführer des Badischen Kriegerbundes tätig war. Er
beteiligte sich an der Gleichschaltung des Gemeinderats und führte nicht nur Kriegervereine
und Kolonialbewegung dem Nationalsozialismus zu, sondern etablierte umgekehrt auch den
,,Kolonialgedanken" im NS-Staat. Die Entnazifizierungsverfahren gegen den SS-Standartenführer
zeigen beispielhaft auf, wie dennoch später das Bild des völlig unpolitischen Offiziers
gemalt wurde.
Maximilian Otto Konrad Alfred Knecht wurde am 6. April 1874 in Basel (Schweiz) geboren.
Seine Eltern waren Otto Knecht, Oberleutnant im 4. Badischen Infanterie-Regiment Nr.
112 in Hueningen im Elsass, und Marie Knecht, geborene Buri. In Mühlhausen bestand er 1892
das Abitur. Anschließend trat er seinen Militärdienst in Halle an der Saale als „dreijährig Freiwilliger"
bei einem Füsilier-Regiment an. Mittlerweile Berufssoldat, wurde er im Januar 1903
zum Oberleutnant befördert.[1]
Die von 1486 bis 1493 währende Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und
König Maximilians ist maßgeblich geprägt durch den Konflikt des Sohnes mit
den flämischen Städten. Indem der politisch noch recht unerfahrene Maximilian
den englischen Handel protegierte, schädigte er deren wirtschaftliche Prosperität.
Zugleich ignorierte er ihr Mitspracherecht in Fragen der Finanzpolitik und des
Steuerrechts. Auch die militärische Auseinandersetzung mit der französischen
Krone machte den Römischen König in Flandern denkbar unbeliebt. Als sich
Maximilian 1487/1488 in Brügge aufhielt, kam es zu einer dramatischen Zuspitzung
der Lage: Aus Angst vor einer Besetzung der Stadt durch heranrückende
deutsche Landsknechte schlossen die Einwohner ihre Stadttore und nahmen den
König am 5. Februar gefangen. Die königstreuen Magistrate Peter Lanchals und
Jan van Nieuwenhove wurden ihrer Ämter enthoben und wenige Tage später
enthauptet. Weitere Städte schlossen sich dem Aufstand (unter der Führung
Gents) an.
Maxim Gorki im Schwarzwald
(2013)
Am 12. Dezember 1887 sah Alexej Maximowitsch Peschkow keinen Sinn mehr darin, sein
Leben fortzusetzen und schoss sich in die Brust. Die Kugel traf jedoch nicht das Herz, der 19-Jährige überlebte. Der Lungenverletzung gab man später die Schuld an der Tuberkulose, die
sich erstmals 1896 bemerkbar machte. Alexejs Mutter hatte unter der gleichen Krankheit gelitten und war daran mit 35 Jahren gestorben. Nach einer Kindheit unter widrigsten Verhältnissen
(eindringlich geschildert im ersten seiner autobiografischen Romane) wurde Alexej Gelegenheitsarbeiter, er kam in Kontakt mit illegalen Studentenkreisen und wanderte mit den „Barfüßigen" durch Russland. Seine erste Erzählung schrieb er unter dem Pseudonym „Maxim Gorki" (,,der Bittere") und behielt diesen Namen für die Zukunft. Als Journalist konnte er endlich
vom Schreiben leben, seine Erzählungen wurden bald ein großer Publikumserfolg, zur Sensation geriet 1902 in Moskau die Premiere seines Bühnenstücks „Nachtasyl".
Am 14. Juni 1920 starb Max Weber, Professor für Gesellschaftslehre, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie an der Universität München, im Alter von nur 56 Jahren. Schon die Nachricht in der Frankfurter Zeitung gab der allgemeinen Bestürzung Ausdruck, und auch alle späteren Nachrufe beklagten die Schwere des Verlusts, den Wissenschaft und Öffentlichkeit erlitten hatten. Das wissenschaftliche Werk des Toten wurde gewürdigt und gleichzeitig sein tiefes, unaufhebbares Anderssein respektiert.
Die „Wacht am Rhein“ ist die Dichtung eines gebildeten jungen Mannes, der in
seinen politischen Vorstellungen – nicht ohne Widersprüche – von den Ideen des
Vormärz geprägt war. Als 1840 in Frankreich Forderungen nach einer Eroberung
des Rheinufers als einer natürlichen Grenze aufkamen, verfasste er einen Text,
der nach seinem frühen Tod eine ungeheure Konjunktur erlebte und – inzwischen
Lied geworden – im Kaiserreich gleichsam zur inoffiziellen Nationalhymne der
Deutschen aufstieg. Die „Wacht am Rhein“ zog sich wie ein roter Faden durch
den Krieg von 1870/71 und auch durch den schrecklichen Ersten Weltkrieg, und
ihre ersten Töne waren während der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs die
Erkennungsmelodie der Sondermeldungen des Wehrmachtsberichtes. Der Dichter jener Zeilen, Max Schneckenburger, stammte aus unserer Region, nämlich
aus Talheim. Er ist heute, ebenso wie sein einst allbekannter Text, weitgehend
vergessen.
Metzgers Weg zur Friedensarbeit begann 1908 im Alter von 21 Jahren, als er in die „Deutsche Friedensgesellschaft“ eintrat. In der allgemeinen Kriegsbegeisterung meldete sich Metzger zu Beginn des Ersten Weltkrieges sogleich als Kriegsfreiwilliger, weil er diesen Krieg als „gerechten“ bewertete. Bis Sommer 1916 finden sich positive Beurteilungen des Krieges bis hin zu den „Segnungen“ des Krieges. Bei einer „Kaiserfeier“ am 22. August 1916 in Graz hielt er die Festrede zu „Kaiser und Vaterland“. Es ist deshalb Franz Posset zuzustimmen, wenn er feststellt: „Von einem Pazifismus Metzgers in jener Zeit zu sprechen, wäre verfehlt.“ Ausgesprochen pazifistische Gedanken lesen wir bei Metzger in der zweiten Hälfte des Jahres 1916, z.B. „Der Weltkrieg: Bankerott oder Triumph des Christentums?“ Es stellt sich deshalb die Frage: Was hat bei Metzger zu diesem Gesinnungswandel beigetragen? Welche Erfahrungen, Begegnungen, Einflüsse oder Überlegungen führten dazu, dass er zu einer neuen und theologisch begründeten pazifistischen Einstellung gefunden hat?
Wolfgang Himmelmann arbeitet als Architekt, Maler und
Zeichner mit Vorliebe an Projekten, die einen kunsthistorischen oder zeitkritischen Hintergrund haben. Seine Bilder zeigen Vertrautes in oft verblüffend ungewohnter Art. Meist
entstehen ganze Bilderserien, bei denen Betrachtung der thematische Zusammenhang erkennbar wird. Manchmal
werden regelrechte Bildergeschichten erzählt.
Mauer im Jahr 1820
(2015)
Für die Zeitschrift „Palaeos", die der Verein „Homo heidelbergensis von Mauer
e.V." in unregelmäßigen Abständen herausgibt', recherchierte ich 2014 hauptsächlich
im Generallandesarchiv Karlsruhe für einen Beitrag über die Geschichte der
Sandgrube, in der im Jahre 1907 der Unterkiefer des Homo heidelbergensis gefunden
worden war. Heinz Roth, Archivar der Gemeinde Mauer, machte mich darauf aufmerksam, dass im
Archiv des Rathauses in
Mauer die alten „Beilagen"
der Gemeinde-Rechnung
Mauer vorhanden
sind. Gemeinsam
sichteten wir die in
Halbleder gebundenen
Unterlagen (Abb. 1) und
ordneten sie chronologisch.
Bis auf einen Band
waren alle von 1820 bis
1908 in relativ gutem
Zustand erhalten. Deshalb
dehnte ich die Recherchen
zum Sand und
zum Sandabbau in Mauer
auf die Beilagen aus.
Matthäus Hermann exhumiert seinen 1941 in Russland gefallenen Sohn und überführt ihn nach Schiltach
(2020)
Als vielleicht einmalige, persönliche Selbstausführung eines kleinen und unbekannten Menschen während des Kriegs 1939/45 bezeichnete der in Radolfzell lebende Bahnbeamte Matthäus Hermann (1896–1969) eine 1941 getätigte Aktion: Die Heimüberführung des Leichnams seines beim sog. „Russlandfeldzug“ gefallenen Sohnes Ernst. Von einigen Berufskollegen gebeten beschrieb er sie 1963 in einer 17-seitigen Abhandlung unter dem Titel Ein dunkler Ausschnitt aus meinem Leben!. Zugehörige Fotos sind leider nicht erhalten, sodass die Ereignisse in Russland durch Aufnahmen bebildert sind, die der aus Schiltach stammende Franz Bächle (1913–2000) als Wehrmachtssoldat dort 1942 gemacht hat.
Matthäus Greuter arbeitete zunächst in seiner Heimatstadt Straßburg, danach in Lyon und Avignon und schließlich in Rom als Kupferstecher und Verleger. Greuters Kupferstiche wurden von seinen Zeitgenossen sehr geschätzt, Kardinäle, Päpste und Fürsten zählten zu seinen Auftraggebern. Zahlreiche Kunsthistoriker bezeichneten ihn als einen der besten Kupferstecher seiner Zeit und beklagten stets, dass er dennoch wenig bekannt und sein Werk kaum erforscht sei. Diese Situation hat sich insbesondere dank der Beiträge von Robert Zijlma, Maria Barbara Guerrieri Borsoi und Peter J. Bell erheblich verbessert. Dennoch ist der Name Greuter bis heute verhältnismäßig wenig bekannt und zahlreiche Stiche seines umfangreichen und vielseitigen Werkes sind unpubliziert.
Verlag und Herausgeber der Reihe The New Hollstein German entschieden sich daher für eine umfassende Bearbeitung des Werkes dieses Künstlers, die in den nächsten Jahren erscheinen wird.
Das Land am Oberrhein im ausgehenden Mittelalter: Bettlerscharen vor den
Kirchen, Blinde, Lahme, Verstümmelte, Schwangere; Geistesgestörte, die man
vom Teufel besessen glaubt. [...]
Wer hat dieses, pandämonische Bild einer aufgewühlten Gesellschaft am Vorabend
der Reformation überliefert, jene Beschreibung, wie geschaffen als
Motivsammlung zu einem Film von Russel, Pasolini, Fellini und uns heutigen
wieder merkwürdig interessant? Sie findet sich in einem der eigenartigsten
Texte, den die Literaturgeschichtsschreibung zu verzeichnen hat: in dem um
1510 anonym gedruckten „Liber Vagatorum / Der Betler orden", der zur Gattung der „Gaunerbüchlein" rechnet und in der Enthüllung von Betrugspraktiken,
die den Gläubigen und Leichtgläubigen das Geld aus der Tasche ziehen
sollten, das oben gezeichnete Bild zwar in karikierender Überzeichnung entwirft,
doch auch in der Darstellung des Scheins noch das zugrunde liegende
Sein mitabbildet, wo dieses nicht vergleichend direkt zur Sprache kommt.