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Fides Heidelbergensis
(2015)
Ob Luther tatsächlich die 95 Ablassthesen an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen hat, wie Melanchthon 1546 in seiner Historia Lutheri beschreibt, oder ob man aus der Tatsache, dass Luther diese Thesen auch an Erzbischof Albrecht von
Mainz und Magdeburg als für Wittenberg zuständigen Ortsbischof gesandt hat, schließen kann, der „Thesenanschlag“ sei eine spätere Legendenbildung, kann hier auf sich beruhen bleiben. Ich würde aus der Aufforderung an diejenigen, die nicht
anwesend sein und mündlich mit uns debattieren können, dieses in Abwesenheit schriftlich zu tun, schließen, dass Luther von Anfang an zweigleisig fuhr, um eine möglichst breite Diskussionslage zu schaffen; denn die Angelegenheit war ihm offensichtlich so wichtig, dass er um der Kirche willen, amore et studio elucidande veritatis, die strittigen Fragen nicht auf sich beruhen lassen konnte, sie aber auch nicht im Alleingang beantworten wollte.
„Drei Töchter kann man verheiraten, die anderen sollen ins Kloster gehen", wird Otto I. von Mosbach (reg. 1410-1461) zitiert – konnte doch mehrfache Ausgabe standesgemäßer Mitgift die Stammfamilie gefährden. Die Aufnahme in ein Kloster war ehrenhaft für Person und Familie – Verhandlungssache – und ohnehin stand jede ledige Frau in der Munt des Familienpräses. Dass sich Frauen ins Kloster gesehnt hätten, weil sie dort, und nur dort, die Kulturtechniken lesen, schreiben, rechnen lernen konnten, ist ein Postulat, das für die Frauenklöster der Region jedenfalls nicht bezeugt ist.
Im Jahr 2001 hat der Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden einen Sammelband mit dem Titel Reformierte Spuren in Baden veröffentlicht. Dieser Band widmet sich vor allem dem Versuch Markgraf Ernst Friedrichs,
1599 ein reformiertes Bekenntnis in der lutherischen Markgrafschaft Baden-Durlach einzuführen. Zwei Beiträge gehen auf die Frage ein, ob es auch heute noch reformierte Spuren in der Evangelischen Landeskirche in Baden gibt. Johannes Calvin wird in
diesem Band nur selten erwähnt. Er scheint weder im 16. Jahrhundert noch im 20. Jahrhundert eine nennenswerte Rolle in Baden gespielt zu haben.
Die finanziellen Leistungen des Staates an die Kirchen stehen immer wieder in der Kritik der Öffentlichkeit, weil die Ursachen und Voraussetzungen für die Zuweisung sog. Staatsleistungen an die Kirchen häufig nicht bekannt sind. Zu unterscheiden sind dabei einerseits „Staatsleistungen“, die der Staat der Kirche für bestimmte vertraglich vereinbarte Leistungen zugesteht, die andernfalls vom Staat erbracht werden müssten, die aber die Kirchen übernommen haben, etwa im Bereich der Schulen, der Diakonie etc. Andererseits beziehen sich „Staatsleistungen“ auf Ansprüche der Kirchen, die sich aufgrund der Inkamerierung oder Säkularisation von Kirchengut seit der Reformation ergeben haben, die also gewissermaßen als Entschädigungsleistung für vom Staat entfremdetes Kirchengut zu verstehen sind. Über diese historisch begründeten Staatsleistungen kursieren in der evangelischen Kirche auch in Fachkreisen zum Teil unrichtige Vorstellungen, so etwa wenn diese Leistungen einseitig aus der „Säkularisation“ der Jahre 1802/03 hergeleitet werden, die die evangelische Kirche vermögensrechtlich nur in geringem Maße betraf. Für die evangelischen Kirchen muss man hierbei vielmehr vor allem auf die Säkularisationen der Reformationszeit zurückblicken und auch die „verdeckten“ Säkularisationen durch politische Entscheidungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit berücksichtigen.
Die autonome Bürgergemeinde mit ihrem spezifischen Stadtrecht machte zusammen mit der Konzentration von Handel und Gewerbe die mittelalterliche Stadt aus. Jede Stadt hatte ihre eigene Form der Selbstverwaltung mit eigenen Privilegien. Die Entstehung der Kommune, der Stadtgemeinde, unterschied sich durch Rechtsqualität und Topographie deutlich vom Umland. Die Konzentration von Handel und Gewerbe, das Marktrecht, die Verdichtung von Wohn- und Gewerbebau auf
relativ kleinem Raum gegenüber dem weiträumigen Dorf, die Stadtmauer als Schutzinstrument, die besondere Rechtsstellung der Bürger in einem besonderen Status und die städtische Verfassung waren weitere Merkmale der Stadt.
Der Augsburger Religionsfrieden fiel sowohl in der Kurpfalz als auch in Baden in eine konfessionelle Übergangssituation: Beide Territorien durchliefen seit Jahrzehnten eine Phase der Vorreformation mit spontaner Konfessionsveränderung auf der Gemeindeebene. In der Kurpfalz wie in Baden-Pforzheim ging die Entwicklung 1556, das heißt in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Religionsfrieden, in eine offene, obrigkeitlich gelenkte Reformation über. Von daher drängt sich ein Vergleich auf, und die Frage liegt nahe, ob die Reformationen in den beiden Nachbarterritorien nur in einem chronologischen oder auch in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Religionsfrieden standen.
Ein wichtiges Ereignis für die historische Entwicklung des rheinfränkischen Raumes war zweifellos die Gründung der Benediktinerabtei Lorsch im Jahre 764. Diese Abtei wurde damals als Eigenkloster von Cancor, dem Grafen im Oberrheingau, zusammen mit seiner Mutter Williswinda gestiftet. Der Klosterort lag auf einer Insel, die sich zwischen zwei Armen der Weschnitz befand. Diese Niederung stellte einen alten Nebenarm des Neckars dar und war daher
ein relativ tiefes Feuchtgelände. Die Stifter übergaben das Kloster ihrem prominenten Verwandten, dem Erzbischof Chrodegang von Metz, dem Primas der fränkischen Reichskirche. Dessen Bruder Gundeland besetzte als erster Abt das neue Kloster mit Mönchen aus Gorze, wo er zuvor Abt gewesen war. Chrodegang erhielt 765 die Reliquien des hl. Nazarius und ließ diese nach Lorsch übertragen, wo sie die Bedeutung der Neugründung steigerten. Im Jahre 774 wurde das Kloster von Altenmünster, das sich ungefähr 500 Meter westlich der späteren
Abtei befand, in feierlicher Inszenierung auf die neue Stelle verlegt. Bei diesem Akt waren Karl der Große, der Mainzer Erzbischof Lul und weitere vier Bischöfe anwesend, was ohne Zweifel auf die hohe Bedeutung dieses Vorgangs und die Ausstrahlung der neuen Abtei hinweist. Karl der Große entschied 772 auch einen Streit zwischen Cancors Sohn und Abt Gundeland um Besitzrechte zugunsten des Klosters. Im gleichen Jahr übergab Abt Gundeland sein Kloster dem mächtigen Frankenkönig und erhielt dafür Immunität und Königsschutz. Damit war Lorsch in die Reihe der Reichsklöster aufgestiegen und Teil der
karolingischen Klosterpolitik geworden.
Eher randständig war der Gebrauch des Heidelberger Katechismus im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in den meisten reformierten volkskirchlichen Gemeinden in Deutschland. Zur Konfirmation Palmarum 1981 mussten wir Konfirmanden einer kleinen ostfriesischen Gemeinde die Frage 1 gemeinsam vorlesen (!) – von den Inhalten vorangegangener katechetischer Erklärungen des Post-68er-Pfarrers ist mir nichts mehr erinnerlich geblieben. „Form und Maß“ hatte dieser kirchliche Unterricht jedenfalls nicht durch den „Heidelberger“ bekommen, wie es laut kurpfälzischer Kirchenordnung von 1563/64 ursprünglich Zweck gewesen war. Als ich im Wintersemester 1986 Theologie zu studieren begann, war die erste Dogmatik-Vorlesung eine zweisemestrige Auslegung des Heidelbergers durch Jürgen Fangmeier in Wuppertal – gewiss ein Privileg für einen angehenden reformierten Theologen. Kaum etwas anderes hat seit dem meinen reformierten Glaubensstil und meine Theologie geprägt wie der Heidelberger. Ob mein Wechsel ins Pfarramt der Heidelberger Universitätskirche drei Jahre vor dem Jubiläum des Heidelbergers hominum confusione oder providentiae Dei geschah, ist dagegen nicht so klar zu identifizieren. In mehrfacher Hinsicht schreibt hier also ein „Heidelberger“.
Am 4. April 1556 machte Kurfürst Ottheinrich, soeben mit dem Ableben seines Vorgängers und Onkels Kurfürst Friedrich II. in die pfälzische Kurwürde eingerückt, durch einen zu Alzey gezeichneten Erlass die Reformation lutherischer Prägung für
die Kurpfalz verbindlich. Wenig später, am 1. Juni desselben Jahres, schloss sich die Markgrafschaft Baden-Pforzheim, die spätere Markgrafschaft Baden-Durlach, durch einen entsprechenden Erlass von Markgraf Karl II. an. Damit war die reformatorische Entwicklung im deutschen Südwesten gewissermaßen vervollständigt und zu einem ersten vorläufigen Abschluss gebracht. Grundlage reformatorischer Maßnahmen in beiden Territorien war die von dem Stuttgarter Propst Johannes Brenz erarbeitete württembergische Kirchenordnung des Jahres 1553, die Herzog Christoph im Jahr
1555 mit einer Anzahl weiterer reformatorischer Gesetzestexte für den Gebrauch seines kurfürstlichen Nachbarn, des damals noch regierenden Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz, hatte zusammenstellen lassen, ein Corpus, das den Kern der späteren
Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 bildet.
Phänomen und Begriff der Vermittlungstheologie sind Teil der Kirchen- und Theologiegeschichte des 19. Jahrhunderts. Schon klassisch ist die Charakterisierung Emanuel Hirschs: „Die vornehmsten Verkörperungen des allgemeinen Typus dieser Theologie sind der Schleiermacher befreundet gewesene Carl Immanuel Nitzsch […], wohl der angesehenste Theologe und Kirchenmann der altpreußischen Union im zweiten Drittel des Jahrhunderts, und dann Karl Ullmann […], der angesehenste süddeutsche Theologe. Nitzsch‘ […] ‚System der christlichen Lehre‘ (1829, 1851) ist die beliebteste Dogmatik ihres Menschenalters. Ullmanns Schriften ‚Die Sündlosigkeit Jesu (1828, 1863) und ‚Das Wesen des Christenthums‘ (1845, 1865) gehören zu den meist gelesenen theologischen Büchern jener Jahre.“ Fasst man das Anliegen der genannten Werke zusammen, so konkretisiert sich, was mit den die Theologie prägenden Vermittlungen gemeint ist: Es geht um die Vermittlungen des konfessionellen Erbes innerhalb des Protestantismus, von Luthertum und Reformiertentum. Darin steckt die Nähe der Vermittlungstheologie zur systematischen Begründung und Ausgestaltung der Union. Es geht aber auch um die Vermittlung der Subjektivität des religiösen Bewusstseins im Gefühl mit der Objektivität der Lehre im Begriff, also um nichts Geringeres als die Vermittlung von Schleiermacher und Hegel. Es geht weiter um die Vermittlung von Wissenschaft und Glaube in der Theologie selbst und (sich daraus entwickelnd) um die Vermittlung von Glaube und Kultur, wie sie den Liberalismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte. Carl Ullmann steht selbst und persönlich für die schmerzhafte Ablösung der neuen liberalen „Vermittlungen“ von der alten Vermittlungstheologie.
In keinem Territorium des Heiligen Römischen Reiches waren Politik und Religion derart eng miteinander verknüpft wie in der Kurpfalz, und kein anderes Territorium litt bis zum Ende des Alten Reiches in ähnlichem Maße unter Konfessionskonflikten wie die Kurpfalz. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Religion und Politik wie zwischen den verschiedenen Konfessionen prägte den Alltag der Menschen in der Region, formte auch Mentalitäten, bestimmte die Erfahrung der Lebenswirklichkeit und ihrer Auswirkungen. Ein Gradmesser der Empfindungen einer Zeit und ihrer
Reaktionen auf die Zumutungen der Gegenwart können auch Gesangbücher und Kirchenlieder sein, zumal in Krisen- und Konfliktsituationen. Gesangbuch und Kirchenlied werden damit zur historischen Quelle. Für die Fragestellung des Historikers
ist das Gesangbuch daher zunächst einmal Ausgangspunkt eines weiter gehenden Erkenntnisinteresses, so etwa beim Blick auf die konfessionellen oder politischen Verhältnisse einer Zeit und einer Region. Voraussetzungen und Auswirkungen der konfessionellen Spannungen und ihr Niederschlag bzw. ihre Transformation im Gesangbuch der Kurpfalz im Zeitalter der
Aufklärung sollen im Folgenden näher untersucht werden. Den zeitlichen Rahmen – und damit die Pole – markieren der Konflikt um die Heiliggeistkirche in Heidelberg 1718/20 und die Union der Reformierten und Lutheraner, nunmehr im Großherzogtum Baden, im Jahre 1821.
Die Kurpfalz hatte nach dem 30jährigen Krieg über viele Jahrzehnte hinweg wie kein anderes Territorium - von Preußen
abgesehen - eine gewaltige Einwanderung, nicht nur aus vielen Teilen Deutschlands, sondern aus nahezu ganz Europa erlebt. Sie gehörte zu den durch den Krieg am schlimmsten heimgesuchten Territorien und hatte Bevölkerungsverluste zwischen 50 und 70 % hinnehmen müssen; die Bevölkerung war entweder umgebracht worden oder verhungert, an Seuchen gestorben oder geflüchtet. Ganze Landstriche waren verwüstet - Heidelberg zählte bei Kriegsende noch 300 Bürger. In der linksrheinischen Pfalz nahm der Bevölkerungsschwund ähnliche, zum Teil sogar noch katastrophalere Dimensionen an. In
Bretten lebten im Jahre 1650 von den ursprünglich 340 Bürgern und Wittweibern noch 173; in den Städten und Dörfern der Umgebung war es kaum anders.
In der spätmittelalterlichen Geschichte von Stadt und Amt Marbach gibt es eine
eigentümliche, rund vierzigjährige Periode. In dieser Zeit, genauer zwischen 1463
und 1504, empfingen die württembergischen Herrscher die genannte Amtsstadt,
die ja bereits 1302 an Württemberg gelangt war, mit mehr als einem Dutzend zugehöriger Dörfer und Weiler [1] vom Pfalzgrafen bei Rhein zu Lehen. Dies ist ein
bemerkenswerter Vorgang, hatte doch zuvor noch kein württembergischer Graf in
einem Lehensverhältnis zur Kurpfalz gestanden. Die neuere Forschung sieht in
dieser »Lehensauftragung« folglich einen Vorgang, der für die württembergisch-pfälzischen Beziehungen von »enormem politischen Symbolwert« gewesen sei. [2]
Als Thomas Jefferson im Jahre 1788 als Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Paris diente, brauchte er nicht lange, sich eine Meinung über die europäischen Staaten zu bilden: Über die Deutschen als Volk hatte Jefferson widersprüchliche Eindrücke gewonnen. Die Gelegenheit, seine Neugierde über die Deutschen und das Rheinland zu befriedigen, ergab sich im Frühjahr 1788, als Jefferson, zusammen mit John Adams, nach Amsterdam reisen musste, um von holländischen Banken eine amerikanische Anleihe von zwei Millionen Dollar zu erhalten.
Einen signifikanten Baustein zur Geschichte der jüdischen Medizin im Spätmittelalter stellt der im Generallandesarchiv Karlsruhe unter der Signatur 67 Nr. 830 Bl. 147r –150v tradierte Vertrag dar, in dem die Territorialherren der Grafschaft Sponheim, der Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein, Ludwig V., der Pfalzgraf bei Rhein Johann und der Markgraf von Baden Philipp I., dem Juden Mayer Leui das Recht zusichern, zusammen mit seiner Familie zwölf Jahre unter ihrem Schutz und Schirm in der Stadt Kreuznach zu wohnen und Handel zu treiben.
Der in Mauer lebende Autor arbeitet seit einigen Jahren daran, die über seinen Wohnort vorhandenen Dokumente in lateinische Schrift zu übertragen, um sie den Mitbürgern und anderen Interessenten zugänglich zu machen. Eine große Quelle beherbergt das Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA KA). Für Mauer sind die verfilmten Dokumente in der Abteilung 22_9, Nummern 64414 bis 65534 wichtig. In den Dokumenten lässt sich im Hintergrund vieles über das Leben in Mauer in den vergangenen Jahrhunderten erfahren. In der hier beschriebenen Akte, die weit über 200 Seiten hat, geht es vordergründig um eine Geldstrafe gegen den von Zyllnhardtischen Verwalter. Eigentlich handelt es sich aber um eine Auseinandersetzung zwischen Ortsadel und dem Kurfürstlichen Unteramt Dilsberg über die Rechte in Zivilsachen.
In der kleinen verpfändeten ehemals Freien Reichsstadt Waibstadt im Fürstbistum Speyer beobachtete der Schultheiß Salomon Meckesheimer seit Jahren mit zunehmender Sorge die Regierungstätigkeit seines Landesvaters Bischof Eberhard
von Dienheim (1581-1610). Er konnte nicht ahnen, was die kritischen Geschichtsschreiber des 20. und 21. Jahrhunderts nach 400 Jahren über seinen Fürstbischof schreiben würden. Er kannte
nur das, was er selbst erlebte und in Erfahrung brachte, weil er gewöhnt war, über seinen Waibstadter Tellerrand hinauszublicken.
Am 23. Dezember 1572 wurde Johannes Sylvanus vor dem Heidelberger Rathaus enthauptet. Begründet wurde seine Hinrichtung mit seiner Hinwendung zum Antitrinitarismus, die sich in einem – leider nicht überlieferten – antitrinitarischen Bekenntnismanuskript zeigte. Aufgrund vorheriger Vorkommnisse in Heidelberg und der Reformationsgeschichte der Kurpfalz ist es sinnvoll, die Hinrichtung des Sylvanus einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Hierbei ist einerseits die reichsrechtliche Stellung der Kurpfalz, die aufgrund ihres Bekenntnisses „das erste deutsche evangelisch-reformierte Territorium“ war, bedeutsam. Andererseits ist das Schicksal Sylvans für eine kirchenpolitische Frage der Reformationszeit bedeutsam, nämlich die Frage der Ordnung der Kirche und der Reinhaltung der Gemeinde, der sogenannten Kirchenzucht. Daher sollen in diesem Aufsatz die Vorgänge um die Hinrichtung des Sylvanus unter reichs- und religionspolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Es wird aufgezeigt, dass die Motive für die Hinrichtung des Sylvanus nicht nur in
seiner Häresie des antitrinitarischen Bekenntnisses zu finden sind, sondern ein Cluster verschiedener Interessen diverser Personen beziehungsweise unterschiedlicher Personengruppen zu Grunde liegt. Der Fokus dieses Aufsatzes wird dabei auf die Vorgänge um die Kirchenzucht gerichtet. Die ebenfalls bedeutsame Entwicklung der Reformation in der Kurpfalz wird nur schlaglichtartig beleuchtet. Der Sprachgebrauch bei Beschreibungen von Lehrmeinungen, besonders bis zur Ausbildung offensichtlicher Glaubensgruppen, orientiert sich an der jeweiligen Belegliteratur, so dass der attributive Gebrauch der Begriffe nicht definitorisch gesichert ist.
Im vorletzten James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“, dem zweiten mit Daniel Craig als 007, sucht James Bond, Rache für den Tod seiner Freundin Vesper zu nehmen. Dabei muss er eine Geheimorganisation namens „Quantum“ ausschalten; aus der Rache erhofft sich Bond ein Quäntchen Trost – „A Quantum of Solice“. Am Ende, als Quantum vernichtet ist und Bond verletzlicher denn je aus seinem Auftrag hervorgeht, wirft er das Andenken an Vesper, ein Silberkettchen, das er stets bei sich trug, in den Schnee. Mit dieser Geste verabschiedet er auch die Rache: Er ist frei geworden. Der wahre Trost in dieser Geschichte liegt nicht im Ausschalten von Quantum (bloß ein weiterer Sieg des englischen Geheimdienstes über einen weiteren Feind), sondern im Wegwerfen der Ketten des persönlichen Rachefeldzuges. Dieser Sieg ist weitaus größer. Um es mit Johnny Cash zu sagen: „I´m free from the Chain Gang now“. Über eine solche innere Freiheit von Rache, Hass und dem Elend des Menschen spricht auch der Heidelberger Katechismus. Auch er ist ein Bekenntnis zur Freiheit. Üblicherweise unterscheidet man zwischen dem Bekenntnis eines Einzelnen (ein Krimineller „bekennt“ sich zu seiner Tat, berühmte Menschen nennen ihre Autobiografien zuweilen „Bekenntnisse“) und dem Bekenntnis einer Kirche, in dem der
Glaube ausformuliert ist, wie z.B. dem Apostolischen oder Nizänischen Glaubensbekenntnis. Der Heidelberger Katechismus fällt auf den ersten Blick in die zweite Kategorie. Der 450. Geburtstag ist Anlass, einen zweiten Blick zu riskieren: Könnten wir in diesem historischen kirchlichen Dokument nicht auch ein Quantum Trost durch das persönliche Bekenntnis zur Freiheit finden? Schafft der Heidelberger Katechismus vielleicht genau die Verbindung zwischen dem gemeinschaftlichen Bekennen einer kirchlichen Tradition und dem Bekenntnis eines Einzelnen? Dann wäre das Jubiläum dieses Dokumentes auch ein Anlass für unseren eigenen Jubel aus Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns befreit.