Filtern
Erscheinungsjahr
Dokumenttyp
Sprache
- Deutsch (125)
Gehört zur Bibliographie
- nein (125)
Schlagworte
- Ludwigsburg (125) (entfernen)
Mehr Licht für Ludwigsburg
(2015)
Sie werden fragen, war Louis Bührer nicht der erste Kassier der Oberamtssparkasse
Ludwigsburg, nach dem auch der Louis-Bührer-Saal der Kreissparkasse benannt ist?
Was hat er mit der Gasversorgung von Ludwigsburg zu tun? Die Antwort ist einfach,
aber nur wenig bekannt. Es stimmt, Louis Bührer war der erste Kassier der 1852
gegründeten Oberamtssparkasse. Aber er war noch mehr, nämlich ein engagierter
Bürger, der seine Position als Stadtrat konsequent ausnutzte und sich dann überall
aktiv einbrachte, wenn es galt, anstehende Probleme zu lösen oder Verbesserungen
für die Bürger der Stadt in die Tat umzusetzen. Sei es, dass er sich für die Ärmsten
in verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen engagierte, dass er die Kassierstelle der neuen
Sparkasse übernahm oder dass er sich für die Errichtung eines städtischen Wasserwerks, vor allem aber eines städtischen Gaswerks einsetzte.
Louis Bührer griff einen in der Mitte des 19. Jahrhunderts weit verbreiteten Wunsch
der Bevölkerung nach einer besseren und komfortableren Beleuchtung von Wohnungen, Häusern und Straßen auf. Als praktikable Beleuchtungsmittel standen den
Menschen in dieser Zeit neben rußenden Talgkerzen nur Öllampen zur Verfügung, in
denen mit Hilfe eines Dochtes tierische und pflanzliche Öle, vor allem aber Mineralöle
wie Petroleum verbrannt wurden. Insbesondere die billigen Talgkerzen lieferten kein
gleichmäßiges Licht, weil der Docht nicht richtig verbrannte. Er musste mit einer
speziellen Lichtputzschere immer wieder nachgeschnitten werden, was äußerst lästig war
und Goethe zu einem Stoßseufzer in Form eines Zweizeilers veranlasste: »Wüsste nicht,
was sie Besseres erfinden könnten, als wenn die Lichter ohne Putzen brennten«.
Ludwigsburg unter Strom
(2014)
Nicht einmal eine Randnotiz war den Redakteuren der Ludwigsburger Zeitung in
den ersten Augusttagen des Jahres 1905 das folgenreiche Ereignis wert, geschweige
denn eine Schlagzeile wie zum Beispiel: »Endlich! Ludwigsburg unter Strom!« Stattdessen brach die neue Ära bescheiden in einigen Haushalten der Unteren Stadt an,
als dort eines Abends die ersten elektrischen Glühbirnen in Ludwigsburg eingeschaltet wurden und damit das bisher gebräuchliche Petroleum- bzw. Gaslicht ersetzten.
Nach der Eröffnung des Gaswerks 1858 und des Wasserwerks 1866 markierte der Start
der Ludwigsburger Stromversorgung im Jahr 1905 einen weiteren, in die Zukunft weisenden Schritt in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt. Dessen ungeachtet
berichtete die Zeitung ausführlich und mit blumigen Worten über den Auftritt einer
Liliputaner-Gruppe oder über den Besuch eines österreichischen Gesangvereins.
Selbst in einem Bericht über die aktuelle Bautätigkeit in der Stadt wurde das Elektrizitätswerk nicht erwähnt, wie auch in einem anderen Bericht über die wirtschaftliche
Situation der städtischen Gewerbeunternehmen versäumt wurde, die Chancen, die
mit der Nutzung der elektrischen Energie verbunden sind, zu erläutern.
Vergessen wäre gefährlich! »Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem:
Mord, ethnische Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche
Akte gegen die Zivilbevölkerung oder: Verfolgung aufgrund von rassistischen, politischen und religiösen Motiven; unabhängig davon, ob einzelstaatliches Recht verletzt wurde.« So lautet die Definition der Londoner Charta vom 8. August 1945.
Mit dem Begriff »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« versuchten 1945 die Staaten, deren Armeen das nationalsozialistische Deutschland niedergerungen hatten, die
Verbrechen der Deutschen zu beschreiben und Maßstäbe zu ihrer Verurteilung zu
schaffen. Dass sie einen ganz wichtigen rechtsstaatlichen Grundsatz unterliefen,
indem sie den Straftatbestand erst definierten, nachdem die Taten begangen waren,
war allseits bewusst. Angesichts der jahrelangen, geplanten, massenhaft praktizierten
ungeheuerlichen Brutalität des Terror-Regimes und aller, die es unterstützten, wurde
dieser Verstoß gegen einen formalen Rechtsgrundsatz in Kauf genommen. Unter anderem auch, weil »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zwar eine neue Formulierung war, im Kern aber nur gewachsene Grundlagen des modernen Rechts zusammenfasste – bis hin zu biblischen Grundsätzen wie »Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst« oder eben »Du sollst nicht töten«. Diese und alle darauf aufbauenden Gebote
und Verbote brauchten angesichts der zwölf Millionen Menschen, die von den Nazis
gezielt ermordet worden waren, dringend neue Schubkraft.
Am Brunnen vor dem Tore
(2013)
Als Franz Schubert das Lied vom Lindenbaum am Brunnen vor dem Tore Anfang
des 19. Jahrhunderts durch seine Vertonung in den Rang eines deutschen Volksliedes
erhob, waren Brunnen aus dem dörflichen und städtischen Alltagsleben noch lange
nicht wegzudenken: der einfache Dorfbrunnen, aus dessen Rohr das Wasser in einen
einfachen Steintrog floss, daneben die Viehtränke oder der repräsentative städtische
Marktbrunnen, als Demonstration herrschaftlicher Macht, mit dem Landesherrn in
seiner Mitte, mal gewappnet auf einer Säule, wie in Bietigheim zu Renaissance-Zeiten,
oder elegant auf einem Postament, wie in Ludwigsburg zu Zeiten des Barock.
Aber gleichgültig wie der Brunnen aussah, er versorgte Menschen und Tiere nicht
nur mit dem zum Leben notwendigen Wasser, sondern auch mit Arbeit. Der Beruf
eines herrschaftlichen oder städtischen Brunnenmachers war angesehen und verantwortungsvoll. Ihm zur Seite stand der Brunnenknecht, der für den Betrieb und die
Reinigung der Brunnen zuständig war. Die Reparatur- und Wartungsarbeiten schließlich beschäftigten Handwerker fast aller Zünfte.
In der südöstlichen Ecke des »Alten Friedhofs« von Ludwigsburg befindet sich das
vom ehemaligen Sanitätsverein gestiftete Denkmal für jene deutschen Soldaten bzw.
in der damaligen Diktion »Krieger«, die den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg
von 1870/71 mit ihrem Leben bezahlten und in der württembergischen Garnisonsstadt unterhalb des Monuments bestattet wurden. Das Denkmal, seine Entstehungsgeschichte, Ikonographie sowie seine Einordnung in den Kontext patriotischer
Erinnerungskultur wurden jüngst in einem Beitrag für die Ludwigsburger Geschichtsblätter ausführlich beschrieben. Darin konnte bereits kurz auf das Schicksal der
auf dem deutschen Denkmal genannten 34 Soldaten eingegangen werden. Aus den
hierfür ausgewerteten preußischen, bayerischen und württembergischen Verlustlisten
ließen sich jedoch nur lückenhafte Informationen gewinnen. Weitere Quellenfunde
im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Stadtarchiv Ludwigsburg sowie die Auswertung des »Sanitäts-Berichts über die Deutschen Heere 1870/71«, der Berichte der
behandelnden Ärzte, zahlreicher zeitgenössischer Regimentsgeschichten, des gedruckten »Kirchen-Registers« der Stadt Ludwigsburg für die Jahre 1870 und 1871 und der
Kriegsausgaben des »Ludwigsburger Tagblatts« erlauben jetzt genauere Angaben zu
den deutschen Soldaten, die in Ludwigsburger Spitälern verstorben, auf dem »Alten
Friedhof« begraben und auf dem dortigen Denkmal verzeichnet worden sind.
Den Zauberspruch aus Goethes Gedicht »Der Zauberlehrling« hätten die Ludwigsburger gut gebrauchen können, als sie Mitte des 19. Jahrhunderts daran gingen, in
ihrer Stadt eine moderne Wasserversorgung einzurichten. Floss bei Goethe das Wasser
sofort nach dem Aufsagen des Zauberspruchs zur anfänglichen Freude des Lehrlings
reichlich und unerschöpflich ins Bad, so dauerte es in Ludwigsburg von der ersten
Anregung im Juni 1858 bis zu dem Zeitpunkt, als das Wasser wirklich aus dem Hahn
ins Bad fließen konnte, genau acht Jahre. Gründe dafür, warum alles so lange gedauert
hatte, gab es viele, stichhaltig und einzusehen sind aus heutiger Sicht nur die wenigsten.
Zugegeben, Bau und Betrieb des neuen städtischen Gaswerks belasteten ab Dezember
1858 die Stadtkasse erheblich und die Schulden der Anfang der 1840er Jahre durchgeführten Brunnensanierungen waren noch nicht vollständig bezahlt. Aber wen wundert
es, dass nach Einführung der neuen komfortablen Gasbeleuchtung weitere Begehrlichkeiten geweckt wurden. Engagierte Vertreter der Bürgerschaft wiesen wiederholt auf die
unzureichende und unsichere Wasserversorgung der Stadt hin und forderten Abhilfe.
Sie leisteten in Eigeninitiative wichtige Vorarbeiten zur Erschließung neuer Quellen,
doch Bürgermeister Dr. Karl Friedrich Bunz, nicht gerade als einer der innovativen
und engagierten Bürgermeister der Stadt bekannt – »schwung- und energielos« (Zitat
Belschner), zumindest was die städtischen, nicht aber die eigenen Belange anging –, saß
die »Wasserangelegenheit« bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers Heinrich von Abel
Ende Juni 1864 zum Leidwesen der Stadt erfolgreich aus.
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Zeit nach dem Wiener Kongress 1815, wird gern und oft als »gute alte Zeit« bezeichnet. Mit ihr verbinden sich
die Bilder kleinbürgerlicher Idyllen der Biedermeierzeit, wie sie uns beispielhaft von
den Gemälden Carl Spitzwegs oder Ludwig Richters bekannt und vertraut sind. Aber
war die Zeit wirklich gut?
Es war eine Zeit des Umbruchs und des Aufbruchs. Auf der einen Seite wehte seit
dem Tod König Friedrichs I. ein liberalerer Geist durch das Land Württemberg. Das
Bürgertum erstarkte, entdeckte sich selbst, traf sich in Vereinen. Neue Handwerksbetriebe wurden gegründet, zögerlich begann das Zeitalter der Industrialisierung. Auf
der anderen Seite hatten die gerade überstandenen napoleonischen Kriege die Bevölkerung durch Truppendurchzüge, Einquartierungen, Kriegsdienste, Requirierungen
und zusätzliche Steuerlasten ausgeblutet. Die langsam spürbare Erholung wurde
1816 von katastrophalen Missernten und einer in dieser Höhe noch nie gekannten
Teuerung jäh unterbrochen. Erwerbslosigkeit und Bettel, tiefste Armut, Hungersnöte
sowie Verwahrlosung waren die Folge und lasteten auf dem gerade zehn Jahre jungen
Königreich Württemberg.
In dieser Situation übernahm König Wilhelm I. Ende Oktober 1816 die Regierung
des Landes. Angesichts der bedrückenden Verhältnisse entwickelte die junge Königin
Katharina Ende 1816 einen Plan zur Bekämpfung der allgemeinen Not durch Gründung
eines Wohltätigkeitsvereins mit einer Zentralleitung in Stuttgart und der Aufgabe,
die öffentliche Staatsfürsorge und die freiwillige Privatfürsorge auf dem Gebiet der
Wohlfahrtspflege anzuregen, zu fördern und zu koordinieren.
In der südöstlichen Ecke des Alten Friedhofs von Ludwigsburg befindet sich das vom
ehemaligen Sanitätsverein gestiftete Denkmal für jene deutschen Soldaten, zeitgenössisch als »Krieger« bezeichnet, die den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg von
1870/71 mit ihrem Leben bezahlten und in der württembergischen Garnisonsstadt
bestattet wurden. Man erreicht das Denkmal in wenigen Schritten, wenn man sich,
vom Eingang in der Schorndorfer Straße kommend, nach rechts wendet. Dabei passiert man die neugotische Friedhofskapelle mit dem Mahnmal für die Toten des Zweiten Weltkriegs, die Gräber deutscher Gefallener des Ersten Weltkriegs und das dazugehörige Denkmal. Zwanzig Schritte südlich des Kriegerdenkmals befindet sich ein
Denkmal zur Erinnerung an die in Ludwigsburg verstorbenen französischen Soldaten
der Jahre 1870 und 1871. Ebenfalls in der Nähe des Denkmals, an der Nordseite der
alten Friedhofskapelle, ist eine 1876 von der Stadt gestiftete Erinnerungstafel für sieben in Frankreich gefallene Ludwigsburger zu sehen.
So wie in Ludwigsburg gibt es wohl in fast jeder deutschen Stadt Straßennamen
oder Denkmäler, die an den deutschen Sieg von 1870/71 erinnern. Dennoch ist der
Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 heute, wie die beiden anderen deutschen
Einigungskriege der Jahre 1864 und 1866, im allgemeinen Bewusstsein kaum noch
präsent. Dass uns dieser Krieg heute sehr weit entfernt vorkommt, liegt sicher an der
Fülle an Ereignissen, die ihm folgten und die von noch größerer Bedeutung für
Deutschland und die Welt waren: Der Erste Weltkrieg und der Zweite Weltkrieg haben
den Krieg von 1870/71 weitgehend vergessen machen lassen, wie sich auch am Beispiel der Denkmalgruppe auf dem Alten Friedhof von Ludwigsburg anschaulich zeigen lässt. Neben den beiden Gedenkstätten zu den Weltkriegen wirkt das Denkmal
für die deutschen Toten von 1870/71 trotz seiner Größe an den Rand gedrängt und
in seiner historistischen Stilmischung aus antikisierenden Formen und vaterländischer Symbolik aus der Zeit gefallen. Das französische Denkmal ist sogar hinter Bäumen halb versteckt und nur zu finden, wenn man es gezielt sucht.
Am 13. November 1897 versammelte sich im Ludwigsburger Bahnhotel eine respektable Runde von Honoratioren der Stadt, um den »Historischen Verein für Ludwigsburg und Umgebung« zu gründen. Der neue Verein, der heute »Historischer Verein
für Stadt und Kreis Ludwigsburg« heißt, erhielt natürlich auch eine Satzung. In dieser
Satzung wird als Aufgabe und Zweck des Vereins definiert, »die Geschichte Ludwigsburgs und der Umgebung zu erforschen […] und den Sinn für Altertumskunde zu
wecken und zu pflegen«. Dieses Ziel sollte unter anderem mit öffentlichen Vorträgen
und mit der »Herausgabe einer unter dem Titel ›Ludwigsburger Geschichtsblätter‹ erscheinenden Vereinsschrift« erreicht werden.
Maßgeblicher Initiator und der eigentliche Spiritus rector des neuen Vereins war
Christian Belschner, der dann auch im November 1899 in der Nachfolge von Oberbürgermeister Gustav Hartenstein zum 1. Vorsitzenden des Vereins gewählt wurde.
Christian Belschner war es dann auch, der im Jahre 1900 im Auftrag des Vereins den
ersten Band der »Ludwigsburger Geschichtsblätter« herausgab. Das in der »Kgl. Hofbuchdruckerei Ungeheuer & Ulmer« hergestellte Heft enthält auf 87 Seiten sechs
Beiträge, die sich mit unterschiedlichen Themen aus der Heimatgeschichte befassen.
Drei Beiträge hat Belschner selbst beigesteuert: einen mit dem Titel »Kurze Geschichte
der Entstehung der Stadt Ludwigsburg«, die zwei anderen handeln von der Schulgeschichte Ludwigsburgs und von »Reichsgraf Johann Carl von Zeppelin und sein
Grabmal«. Es ging freilich nicht nur um Ludwigsburger Geschichte. Der Verein nahm
seinen Namenszusatz »für Ludwigsburg und Umgebung« von Anfang an sehr ernst.
Dies verdeutlichen namentlich der Aufsatz von Dr. Karl Weller, der den Lesern des
ersten Ludwigsburger Geschichtsblattes »Die wirtschaftliche Entwicklung der Ludwigsburger Landschaft bis zur Gründung der Stadt« vorstellte, und der Beitrag »Einiges über das Straßenwesen im Herzogtum Wirtemberg und der Bau der Landstraße
Stuttgart–Kornwestheim–Ludwigsburg« von Oberpostsekretär Dr. Friedrich Haaß.
Gleichzeitig mit dem Erstarken des Nationalbewusstseins in Deutschland gegen Ende
des 19. Jahrhunderts stieg auch die Wertschätzung bedeutender Persönlichkeiten aus
Geschichte, Politik, Kunst und den Geisteswissenschaften. Ihr Andenken zu bewahren
wurde deshalb Anliegen und Auftrag. Der Stolz auf ihre Leistungen für das Vaterland oder die eigene Stadt mündete in verschiedensten Formen der Wertschätzung.
Für jede Stadt war es Ehre und Verpflichtung zugleich, an ihre großen Söhne mit
Denkmalen zu erinnern, deren Geburtshäuser mit Gedenktafeln zu schmücken und
die Geburts- und Sterbetage der so Geehrten mit öffentlichen Feiern angemessen zu
begehen.
Ludwigsburg bildete da keine Ausnahme. 1882 wurde die Einweihung des Schiller-Denkmals pompös zelebriert. Aus Anlass des 10. Todestages von David Friedrich
Strauß stiftete ein Kreis von Verehrern des großen Ludwigsburger Theologen und
Philosophen eine aufwendig gestaltete Gedenktafel, die im Januar 1884 an seinem
Geburtshaus in der Marstallstraße angebracht wurde. Friedrich Theodor Vischer
schloss seine bei der feierlichen Enthüllung der Tafel gehaltene Festrede mit den Worten: »Diesem Toten gebührt mehr als eine Gedenktafel, eine künftige Generation wird
es, hoffen wir, ihm weihen: ein Monument.«
Vischers Worte hatten die Wirkung einer Initialzündung, die nächste Generation
setzte den Wunsch in die Tat um. Anlass war wieder ein »rundes Datum«, der 100. Geburtstag von Strauß im Jahr 1908. In pathetisch würdevollen Feierstunden und zahlreichen Zeitungsartikeln wurde das Leben und Werk von David Friedrich Strauß gewürdigt. Einer dieser Artikel erschien am 25. Januar 1908 in der »Frankfurter Zeitung«.
Der Verfasser, der Heidelberger Literaturwissenschaftler und Privatgelehrte Dr. Ernst
Traumann, zitierte darin unter anderem auch die oben erwähnte Passage aus der
Vischer-Rede.
Im Jahr 2010 feiert die Fahrrad-Welt den 225. Geburtstag von Karl Drais, dem badischen Forstbeamten und Tüftler aus Karlsruhe, der zwar nicht das Fahrrad erfunden
hat, von dem aber die Idee stammte, sich zur individuellen Fortbewegung zweier
hintereinander laufender Räder zu bedienen (Bicycle) und diese durch Abdrücken
der Beine auf dem Boden schnell voranzutreiben (Velociped). Drais hatte nicht nur
die Idee, er setzte sie auch in die Tat um, konstruierte und baute sich ein hölzernes,
eisenbeschlagenes Laufrad und fuhr oder besser: lief mit ihm im Sommer 1817 von
Mannheim nach Schwetzingen. Mit seiner Erfindung wurde Drais zum Begründer
des individuellen, von Dritten unabhängigen Verkehrs, dessen Erfolgsgeschichte bis
heute unvermindert anhält.
Bereits 1829 fand in München ein erstes Laufradrennen statt. Die Verwendung
als Sportgerät war dem Fahrrad also bereits vor der Geburt in die Wiege gelegt. 1861
ersetzte der Franzose Pierre Michaux den Laufantrieb durch einen Tretkurbelantrieb
am Vorderrad und erlebte mit seiner »Michauline« bei der Weltausstellung 1867 in
Paris den großen Durchbruch, was zahlreiche Nachahmer zu eigenen Lösungen
inspirierte. Ab 1869 wurde das Laufrad auch in England unter dem sinnigen Namen
»Boneshaker« oder Knochenschüttler in verbesserter Version mit Stahlrohrrahmen,
Drahtspeichen und Vollgummibereifung gebaut.
Zu 300 Jahren Ludwigsburger Stadtgeschichte gehören auch die Geschichten ihrer Kirchen. Konfessionen und Religionen gestalten das Leben in einer Stadt wesentlich mit, da Kultus und Kultur zusammenwirken. Dass sie als Kirchen hier gleich zu
Beginn im Plural genannt werden, ist zwar aus heutiger Sicht selbstverständlich, keineswegs jedoch aus den Anfängen der Ludwigsburger Geschichte. Als Schloss und Stadt Ludwigsburg heranwuchsen, war das Herzogtum Württemberg ein evangelisches Gemeinwesen lutherischer Prägung. Dies hatte die Reformation seit 1534 so entwickelt und wurde in der Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 und dem Landtagsabschied von 1565 festgeschrieben, gültig als das Grundgesetz des evangelischen Württemberg bis zum Königreich 1806 und prägend weit darüber hinaus. So hatten seit der Reformation alle Landesbeamten in sämtlichen Dienstbereichen die so genannte Konkordienformel, die in Tübingen entstandene Bekenntniseinigung der Lutheraner, bei Dienstantritt zu unterzeichnen. Eine Trennung von Staat und Kirche gab es nicht, Bürgergemeinde und Kirchengemeinde waren eines, die Kirchenleitung eine herzogliche Behörde und der Herzog das Oberhaupt seiner Landeskirche, die damit die Form einer Staatskirche besaß. Dazu kam, dass Württemberg seit dem Tübinger Vertrag von 1514 eine ständische Verfassung hatte, was den Vertretern der Landstände, zu denen die Ehrbarkeit, die Städte und die Vorsteher der großen Klöster gehörten, eine große Machtstellung in der Landespolitik einräumte. Auch nach der Reformation waren unter den insgesamt 83 Mitgliedern des württembergischen Landtags 14 evangelische Prälaten als Leiter der Klosterschulen. Somit hatte die Landeskirche auf diesem Weg starken Einfluss auf die Landespolitik, notfalls auch gegen den Herzog, obwohl dieser Kirchenoberhaupt war! Ob diese Machtposition dem Auftrag der Kirche Jesu Christi, die das Evangelium frei und unabhängig auszurichten hat, dienlich war, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.
»1731 war der erste Ross-Markt« – »Ludwigsburger Pferdemarkt: Tradition seit 1768« – »Stadtgründer Eberhard Ludwig initiierte 1715 zum ersten Mal das bunte Treiben« – »Erster Ludwigsburger Pferdemarkt am 8. und 9. März 1920« – »Ludwigsburger Pferdemarkt geht ins dritte Jahrhundert«. Die inhaltliche Vielfalt einiger exemplarischer Überschriften von Zeitungsartikeln, die alle über dasselbe Thema berichten, mag einen ersten Eindruck von dem vermitteln, was den Chronisten erwartet, der über den Ludwigsburger Pferdemarkt berichten will. Eine bunte Mischung aus historischen Fakten, Fehlinterpretationen, Verwechslungen und Legenden, die aber, einzeln oder alle zusammen, den Erfolg und die Bedeutung des Ludwigsburger Pferdemarkts nicht schmälern können. Der Pferdemarkt wäre sicher nicht beliebter, wenn man 2009 den 300. einer laufenden Zählung hätte feiern können, und er wäre auch nicht weniger wert, wenn es 2009 eben erst der 76. gewesen wäre. Es sei aber trotzdem ein Wort zum Thema Zählung erlaubt: Eine exakte Zählung ist erst seit 1920 möglich, als der erste reine Pferdemarkt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veranstaltet wurde, was bedeutet, dass – bedingt durch eine Unterbrechung während des Zweiten Weltkriegs und durch Ausfälle wegen Tierseuchen – im Jahr 2008 der 75. moderne Pferdemarkt in Ludwigsburg gefeiert werden konnte. Alles, was vorher war, ist ungewiss und unsicher. Kriege, Hungersnöte, Bevölkerungsrückgang, An- bzw. Abwesenheit des Hofstaats beeinflussten die Marktentwicklung.
Einzüge – Auszüge – Umzüge
(2009)
Als ich das Thema wählte, schien es eher ein marginales zu sein. Da war der 20. Januar 2009 noch weit – da hatten noch nicht Millionen Menschen auf der ganzen Welt mit wachsender Begeisterung der Parade zur Amtseinführung Barack Obamas zugesehen. Ich wurde zu diesem Thema angeregt durch das für 2009 ausgerufene Ludwigsburger Jubeljahr. Es soll (unter vielem anderen) einen gigantischen Umzug bringen. Die Vorbereitungen werden fleißig und ambitioniert betrieben, und es wurden beachtliche Geldsummen bereitgestellt, um den Zug, wie es der Stadtverwaltung vorschwebt, möglichst lang, attraktiv und vor allem telegen zu gestalten. Schon beim Schlossjubiläum 2004 wollte man anknüpfen an das große Jubiläum von 1954. Darüber gibt es im Stadtarchiv und im Städtischen Museum einschlägiges Material: Broschüren, Fotos, Zeitungsartikel und sogar Original-Aquarelle von den Entwürfen für die Festwagen. Die ausgewählten Themen haben sich von 1954 bis 2004 kaum geändert, die Ambitionen auch nicht. Es scheint sich hier um interessante Konstanten zu handeln, und so kam ich auf den Gedanken, der »Festzugs-Tradition« in Ludwigsburg ein wenig genauer nachzugehen.