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Ein Name als Programm
(2021)
Wir feiern heute den 100. Namenstag des Kurpfälzischen Museums Heidelberg, eines Hauses, das heute zum Kunst- und Kulturleben der Stadt Heidelberg ganz selbstverständlich dazu gehört. Ganz selbstverständlich gehen wir heute ins „Kurpfälzische“ Museum. Dabei ist vermutlich nur den wenigsten der vielen tausend Touristen und Heidelberger Stammgästen, die das Palais Morass über den stimmungsvollen Innenhof oder gar den Neubau betreten, bewusst, dass diese Bezeichnung eigentlich keineswegs selbstverständlich ist und dass hinter dem Namen „Kurpfälzisches Museum“ ein museumspolitisches Gesamtkonzept steht, das auf den ersten hauptamtlichen Leiter der Einrichtung Karl Lohmeyer zurückgeht – einen Mann, der zu Unrecht heute in Heidelberg weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Das Leben der Kamilla Knopf
(2021)
Kamilla Knopf (1911−1996) ist mutmaßlich die erste Frau aus Dielheim, einer Gemeinde im südlichen Rhein-Neckar-Kreis, die das Abitur machte. Sie studierte in England und unterrichtete nach dem 2. Weltkrieg an der Universität Heidelberg viele Generationen angehender Gymnasiallehrer in englischer Phonetik und Literatur, Übersetzung und Sprechtraining im Sprachlabor. Am 22. Januar 2021 wäre sie 110 Jahre alt geworden. Nach einem Aufruf in der Rhein-Neckar-Zeitung meldeten sich Dutzende von Zeitzeugen, die zur Vita dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit etwas beizutragen hatten.
Camilla Jellinek
(2021)
Vier Straßen in einer der schönsten Wohngegenden Heidelbergs tragen die Namen preußischer Generäle aus dem Deutsch-Französischen Krieg: Leonhard Blumenthal, August Werder, Albrecht von Roon und Helmuth von Moltke. Seit den zwanziger Jahren lebten in diesen Straßen mit den martialischen Namen aber auch Heidelberger Bürgerinnen, deren Andenken gewahrt werden sollte: In der Moltkestraße praktizierte die beliebte Kinderärztin Johanna Geißmar, unter dem Druck des nationalsozialistischen Boykotts zog sie 1935 nach Saig im
Schwarzwald, von dort wurde sie im Oktober 1940 nach Gurs deportiert – 1942 wurde Johanna Geißmar in Auschwitz ermordet. Die Psychoanalytikerin Frieda Fromm-Reichmann eröffnete 1923 Ecke Werderstraße ihr „Therapeuticum“, 1933 floh sie nach Palästina, später emigrierte sie in die USA. In der Werderstraße wohnten Paula und Salomon Deutsch mit ihren Kindern. Es gelang ihnen, die Kinder ins Ausland zu retten, sie selbst wurden 1940 nach Ungarn abgeschoben; 1944/45 wurden Paula Deutsch und ihr Mann Salomon in Auschwitz ermordet. In der Roonstraße fand die Modedirectrice Frieda Mayer kurzfristig Zuflucht im Haus von Ida Rothschild bis diese 1939 zur Ausreise gezwungen wurde. Auch Frieda Mayer wurde 1940 nach Gurs deportiert. Im „Judenhaus“ in der Moltkestraße lebten seit 1939 die Schwestern Clara und Anna Hamburger. Beide gehörten zu den ersten Doktorandinnen der Ruperto Carola, in den zwanziger Jahren finanzierten sie mit ihrem geringen Gehalt studentische Freitische und Stipendien. Am 22. Oktober 1940 wurden Anna und Clara Hamburger nach Gurs deportiert, gemeinsam mit der pazifistischen Literaturwissenschaftlerin Elise Dosenheimer aus der Blumenthalstraße. In der Moltkestraße wurde am 10. April 1942 Violetta von Waldberg von der Gestapo in den Tod getrieben. Das Ehepaar Waldberg hatte
seine wertvolle Bibliothek in den dreißiger Jahren der Universität geschenkt – die Bücher gehören noch heute zu den wertvollsten der Universitätsbibliothek. Im Nachbarhaus starb am 5. Oktober 1940 Camilla Jellinek, die fünfzig Jahre lang in Heidelberg lebte und mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit das rechtliche und soziale Leben über die Grenzen Heidelbergs hinaus prägte.
„Mensch, höre meine Worte: kämpfe und vertraue!“ Blickt man auf die Geschichte der knapp ein halbes Jahrhundert in Heidelberg beheimateten und damals fest im kulturellen Erlebnisraum der Stadtgesellschaft verankerten Familie Romhányi, ist es dieser Schlussvers aus dem von Goethes „Faust“ beeinflussten und berühmten Werk „Die Tragödie des Menschen“ des ungarischen Dichters und Dramatikers Imre Madách (1823–1864), welches sich als mögliches Credo dieser Familie betrachten ließe. Es war die Liebe zu den Künsten, welche den Juden Jenő Reich und die Christin Erna Sauer, zwei Menschen ungleicher nationaler, ethnischer, sprachlicher sowie religiöser Zugehörigkeit, zusammenführte. Ihre Verbindung sollte durch die Vermählung 1910 und die damit verbundene Konversion Jenős bekräftigt werden. Es folgten Jahre der familiären Harmonie und des beruflichen Erfolgs an ihrem neugewählten Lebensmittelpunkt in der Universitätsstadt am Neckar. Über 23 Jahre hinweg konsolidierte die Familie in Heidelberg ihre auf viel Geschick und Fleiß beruhende Stellung als erfolgreiche Unternehmer – zunächst in der Möbelfabrikation, später in der Kino-Branche – bis sie schließlich 1933 nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Zuge der systematischen Zwangsenteignungen und Verdrängung jüdischer Bürger aus dem deutschen Wirtschaftsleben sowie des gezielten Boykotts ihrer Geschäfte („Arisierung“) schlagartig der gewohnten Lebenswelt entrissen wurden. Knapp ein ganzes Jahrzehnt war die kleine, zwischenzeitlich auseinandergerissene und sich erst 1935 in Romhányi umbenannte Familie den nicht enden wollenden Verfolgungen und Repressalien des NS-Regimes ausgesetzt. Diesem Druck konnte sie letzten Endes nicht mehr standhalten. Es folgte die unwiderrufliche Ausweisung nach Ungarn im Frühjahr 1943, welche im tragischen Höhepunkt jener verhängnisvollen Jahre endete, dem durch das Zwangsexil verursachten, gewaltsamen Verlust der beiden Söhne Rudolf und Ludo. Doch auch der Lebensabend des Ehepaares Romhányi, welches das Kriegsende in Budapest erlebte, sollte im Deutschland der Nachkriegszeit von abermaligen Schwierigkeiten und Konflikten nicht verschont bleiben.
"Ein wunderlicher Mann"
(2021)
„Spazierte früh … Es war ein herrlicher Herbstmorgen. Ein wunderlicher Mann redete mich an … Loos … Ich erfuhr allerley von ihm.“ Was Johann Wolfgang von Goethe am 30. September 1814, vom Karlstor her in Richtung Palais Boisserée schlendernd, von jenem „wunderlichen Mann“ erfuhr und wie das Gespräch mit diesem verlief, schreibt der Dichterfürst seiner Frau Christiane Vulpius leider nicht. Wirklich wichtig wird ihm beides nicht gewesen sein, im anderen Fall er sicherlich ins Detail gegangen wäre. Also bleibt Goethes Bemerkung vage, so vage wie die Person desjenigen, der ihn angesprochen hat: Universitätsprofessor Dr. med. Johann Jacob Loos. Wer war dieser Mann, der Goethe auf offener Straße ansprach und namhafte Dichter, Denker und Gelehrte seiner Zeit zu seinem Freundeskreis zählte? Diese Frage versucht der vorliegende Beitrag zu beantworten. Er befasst sich zunächst mit Loos‘ Herkunft, beschäftigt sich dann mit seinem akademischen Werdegang, bevor er seiner Einbindung in das gesellschaftliche Leben im Heidelberg des frühen 19. Jahrhunderts nachgeht. Schließlich erhellt er, warum Goethes Beschreibung „wunderlich“ – bewusst oder unbewusst – auch das besondere persönliche Schicksal des ihm fremden Professors berührt.
Wien - Shanghai - Heidelberg
(2021)
Als auffälliger Außenseiter war er in den 1950er- bis in die 1970er-Jahre hinein Teil des Heidelberger Stadtbildes, sichtbar vor allem am Bismarckplatz vor den damaligen Arkaden: eine hagere Gestalt, nach vorne gebeugt, nach links gekrümmt, in einen langen schäbigen Mantel gehüllt, einen Packen Zeitungen oder Zeitschriften unter dem Arm. Wollte er diese wirklich verkaufen oder eher Almosen erbetteln? Aus seinem mühevollen langsamen Gang schreckte er nur dann auf, wenn ihn Jugendliche mit dem Wort „Stürmer“ verspotteten. Er drohte ihnen und versuchte vergeblich, sie zu verfolgen, ohne sie je zu erreichen. Ältere Heidelbergerinnen und Heidelberger erinnern sich wohl – wie ich – an diesen bedauernswerten Mann; manche haben durch Erzählungen von ihm gehört. Wenig wusste man von ihm, auch sein Name war nicht bekannt. Hieß er wirklich Jakob, oder war dies nur ein Spottname? Nur wenige schriftliche Zeugnisse erwähnen ihn.
Ernst Kürz in Heidelberg
(2021)
Sein Name ist weitestgehend vergessen. Und doch ist er erst kürzlich in einer englischsprachigen Gesamtdarstellung der Spanischen Grippe erwähnt worden. Um diesen Zusammenhang einordnen zu können, muss man sich ein Bild der gravierendsten Pandemie des 20. Jahrhunderts und deren Rezeption machen. Dieses Bild ähnelte sich 1918 –1920 in ganz Deutschland. Zu berücksichtigen ist, dass die Geschichte der Grippe insgesamt dadurch gekennzeichnet ist, dass Influenza alltäglich sein kann, aber auch desaströs – für einzelne, aber auch für große Gruppen von Menschen. Die erste Welle der Spanischen Grippe im Deutschen Reich, die sich im Frühjahr 1918 ereignete, stand für die Grippe als eher harmlose Erkrankung, die viele befiel, aber relativ wenige tötete. Die zweite Welle, diejenige des Herbstes 1918, entpuppte sich als die eigentliche tödliche Welle. Die dritte Welle, im Frühjahr 1920, wurde von vielen gar nicht mehr als solche wahrgenommen, oder man datierte sie, wie es heute noch viele tun, fälschlicherweise bereits in das Jahr 1919.
Julius Wilhelm Zincgref
(2021)
In allgemeinen Darstellungen zum Dreißigjährigen Krieg kommt der als Herausgeber der Werke von Martin Opitz bekannte Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635) allenfalls als Dichter und Kommentator, nicht aber als Verteidiger Heidelbergs gegen Tillys Liga-Armee vor. Und auch in den allgemeinen Darstellungen zu Heidelberg im Dreißigjährigen Krieg wird Zincgref nur am Rande oder gar nicht erwähnt. Hier soll anlässlich der Wiederkehr der Eroberung und Verwüstung der Stadt vor 400 Jahren Zincgref vorgestellt werden – in seiner Doppelrolle als militanter Calvinist einerseits und als Dichter und damit auch Reflektant seiner Zeit andererseits. Sein „Kriegslied“ „Vermanung zur Dapfferkeit“ soll hier näher betrachtet und als Quelle zur Eroberung Heidelbergs gelesen werden, wenn auch der genaue Zeitpunkt der Entstehung des Textes nach wie vor diskutiert wird. Gleichzeitig versteht sich der Beitrag als ereignisgeschichtliche Synthese zur Belagerung und Einnahme Heidelbergs durch Tillys Liga-Armee im September 1622.
Schon immer war ich interessiert an der Geschichte unserer Region; dies wurde mir wohl von meinem Vater in die Wiege gelegt, der schon viele Jahre seines Lebens sich diesem Thema widmet. Und mit den „Geschichten“ hat alles einmal begonnen: Ich erinnere mich auch noch gut an einen Nachmittag bei meinen Großeltern, die für meine kindlichen Begriffe „ewig weit“ von uns entfernt im kurpfälzischen Nußloch bei Heidelberg wohnten. Eben damals, ich muss höchstens zehn Jahre alt gewesen sein, holte meine Oma, warum auch immer, einen geheimnisvollen Schuhkarton aus der Eckbank,
randvoll gefüllt mit Schwarzweiß-Fotografien. Ich konnte mich gar nicht sattsehen an dem, was für eine Welt sich da vor mir auftat. Bilder meiner Großeltern aus jungen Jahren, meine Mutter als Kommunionkind mit langen Zöpfen, viele große Familienfeste an langen Tischen voller lachender, aber mir unbekannter Leute. Vieles gruselte mich auch irgendwie, besonders das Foto einer jungen Frau im offenen Sarg ließ mich schlucken. Meine Oma hingegen hatte da überhaupt nichts zu schlucken, sie erklärte frei heraus und scheinbar ohne jegliche Regung, welche Verwandte das gewesen und dass sie im Kindsbett gestorben sei. Jedoch der Hauptteil ihrer Erzählung bestand daraus, woher der „Asparagus“ stammte, mit dem der Sarg geschmückt war. Nun, und auch meinen Opa als Soldat zu sehen, in Russland, wie er mir dann verriet – ich war völlig verdattert. Wahrscheinlich begriff ich als kleiner Junge zum ersten Mal, dass meiner Zeit, die mir als die einzig existente vorkam, viele andere Zeiten und Epochen vorausgingen und dass die Gegenwart auch einmal zur Vergangenheit wird.
Friedrich Längle
(2022)
Friedrich Längle wurde am 12. Juni 1860 in Mietersheim geboren. Er war das drittälteste von insgesamt sechzehn Kindern der Eheleute Johann Christian Längle (1825–1897), Bürger und Landwirt in Mietersheim, und Christina Längle, geb. Stahl (1836–1904), aus Mundingen. Die Längles waren schon früh im Ort ansässig. Michel Lenglin, ein direkter Vorfahr, verstarb am 26. Februar 1633 und gilt als „ältester Mann in Mietersheim“. Friedrich besuchte die Volksschule Mietersheim. Der Schulleiter Salomon Stulz hielt ihn für einen der besseren Schüler. Bis zum Jahre 1879 war er im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb tätig. Die erlernten Fähigkeiten sollten ihm später noch von großem Nutzen sein. Friedrich wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Nach seiner Konfirmation besuchte er den Jünglingsverein. Besonders in den
evangelischen Landgemeinden um Lahr war der Einfluss des schwäbischen Pietismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch deutlich. Schon früh las er christliche Literatur, und insbesondere die Missionszeitschriften hatten
es ihm angetan. Er wollte die Not der heidnischen Völker lindern helfen. Dies sollte seinen weiteren Lebensweg dominieren.