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Brauchtum wurde von der „klassischen" Volkskunde traditionell im ahistorischen Zyklus von Jahres- und Lebenskreis angesiedelt. Die sozialen Kontexte und die historischen Bedingungen gerieten dabei aus dem Blickfeld. Bräuche wurden als Gemeinschaftshandeln verstanden, das vorgeblich in einer überzeitlichen Tradition steht. Dabei haben auch Brauchtumsformen einen kulturhistorisch benennbaren Ausgangspunkt und erfüllen innerhalb eines historisch beschreibbaren Zusammenhangs ihre spezifische Funktion. Das gilt auch für religiöses Brauchtum. Exemplarisch kann das am Beispiel der Nußbacher Wendelinuswallfahrt in den 1950er-Jahren gezeigt werden. Die Wallfahrt zum Vieh- und Bauernheiligen Wendelin kann im Kirchspiel Nußbach bis in das Jahr 1591 zurückverfolgt werden. Sie erreichte nach der Mitte des 18. Jahrhunderts ihren ersten Höhepunkt, als 1756 der Vorarlberger Barockbaumeister Johann Elmenreich die neue, spätbarocke Wallfahrtskapelle errichtet hatte. Um die Wallfahrt entstand ein reiches Brauchtum. Seit 1716 zogen Prozessionen hinter Kreuz und Fahnen von Nußbach hinauf auf den „heiligen Berg" des Renchtals. Im Zusammenhang mit Viehseuchen gelobten Nachbargemeinden wie Ebersweier, Urloffen und Appenweier eine jährliche Gemeindewallfahrt, nachdem sie von Viehseuchen verschont geblieben waren. Zur Wallfahrt gehörte oft ein stundenlanger Fußmarsch der Pilger, die teilweise von weit her aus den entlegenen Tälern des Schwarzwaldes kamen. Sie versuchten durch ein Wachsopfer die Fürbitte des Heiligen zu erlangen. Im 19. Jahrhundert boten Händler, die sogar aus Walldürn kamen, Devotionalien wie Versehgarnituren, Rosenkränze, geweihte Kerzen, Kreuze usw. an. Die Wallfahrt zum hl. Wendelin markierte den Abschluss des bäuerlichen Arbeitsjahres und wurde mit dem Dank für die gesegnete Ernte verbunden.
Dass er einmal in die Landesgeschichte eingeht, war dem noch im 19. Jahrhundert im nahe der Schweizer Grenze gelegenen badischen Stühlingen als Sohn eines Postbeamten geborenen Franz Konstantin Mohr nicht in die Wiege gelegt. Die Palette seiner außergewöhnlichen
Karriere in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts reicht vom Militärdienst in der Kaiserlichen Schutztruppe im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika über seine legendär gewordene Aufgabenwahrnehmung als Führer einer Hundertschaft bei den kasernierten badischen Polizeibereitschaften in der Zeit der Weimarer Republik bis zum Leiter von zwei Strafanstalten für Politisch-Inhaftierte im Dritten Reich. Beim Letzteren ist seine Funktion als »Hauptmann von Kislau« landesgeschichtlich von besonderer Bedeutung.
Die Entwicklung des heutzutage so bemerkenswert vielfältigen Freiburger Musiklebens erlebte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts einen bedeutenden Aufschwung. Zu jener Zeit, als es in
Freiburg weder Konzertagenturen noch ein ständiges Symphonieorchester gab, war man auf
die organisatorische Tätigkeit der Musikvereine angewiesen, welche sowohl durch eigene
Aufführungen wie auch durch Einladung auswärtiger Künstler das hiesige Konzertleben
bestritten. So war es etwa dem Engagement der „Liedertafel" und später des „Philharmonischen
Vereins" zu verdanken, dass Persönlichkeiten wie Felix Mendelssohn Bartholdy oder Franz
Liszt, und später einige seiner bedeutendsten Schüler, in der Breisgaustadt konzertierten und
somit deren Musikleben wesentlich bereicherten. Der am 22. Oktober 1811 im ungarischen Raiding (heute Burgenland/Österreich) geborene
Franz Liszt gilt bis heute als der Inbegriff des Klaviervirtuosen schlechthin. Nachdem er bereits
als „Wunderkind" durch sein Klavierspiel Aufsehen erregt hatte, inspirierte ihn die Begegnung
mit dem Violinvirtuosen Niccolo Paganini im Jahr 1831 dazu, dessen Kunstfertigkeit durch
eine umwälzende Weiterentwicklung der Spieltechnik auf das Klavier zu übertragen.
Franz Kirsch †
(2016)
Wenn ein langjähriger aktiver Mitarbeiter stirbt, sozusagen ein „Mann der ersten Stunde“ wie Franz
Kirsch es war, so bedeutet das für den ehemaligen Projektleiter und Herausgeber der „Schmetterlinge Baden-Württembergs“ eine schmerzliche
Empfindung. In der Rückerinnerung an die jahrelange fruchtbare Zusammenarbeit bleibt sie als
solche bestehen. Zugleich führt sie noch einmal
die Lage vor Augen, in der sich vor etwa vierzig
Jahren die damals noch relativ zahlreichen Freizeitentomologen und Naturbeobachter befanden.
,,Meine Herren, vielleicht der älteste Parlamentarier in diesem Haus, habe ich nicht geglaubt, am neigenden Abend meines öffentlichen Lebens noch bei einem solchen Gesetz auftreten und dagegen meine Überzeugung aussprechen zu müssen." Als Franz Josef Buß (B.) sich mit diesen einleitenden Worten an die Abgeordneten des Reichstags in Berlin wandte, war er 71 Jahre alt. Der Wahlkreis Tauberbischofsheim hatte ihn mittels direkter, gleicher, allgemeiner und geheimer Wahl in die neue Reichshauptstadt entsandt. Mit 13.603 gegen 8.114 ließ der betagte B. als Kandidat der jungen Zentrumspartei seinen liberalen Gegenspieler hinter sich.
Es sind viele Tausende, die 1918 das Elsaß und Lothringen verließen, verlassen mussten, ausgewiesen, vertrieben, "expatriiert" aus dem Land, in dem sie geboren, groß geworden waren - Menschen wie die Architekten Paul Bonatz und Paul Schmitthenner, wie die Schriftsteller Otto Flake und Karl Willy Straub, wie der Philosoph und Pädagoge Georg Picht,
wie der Jurist Wolfgang Hoffmann (der 1945 Freiburgs Oberbürgermeister wurde). Sicher ein ganz besonders gelagerter Fall: Elly Knapp, Tochter des Professors für Nationalökonomie an der Universität Straßburg, 1908 von Albert Schweitzer - damals Vikar in der St. Nikolaus-Kirche in Straßburg - getraut mit dem schwäbischen Journalisten Theodor Heuß (dem späteren deutschen Bundespräsidenten); sie folgte ihrem Mann bereits 1912 nach Heilbronn und 1918 nach Berlin. Einer von diesen Tausenden, denen die politischen Umwälzungen und militärischen Ereignisse die Heimat nahmen, war Dr. Franz Büchler.
„Freiburg hat, was alle suchen“. Mit diesem nicht gerade zurückhaltenden Slogan machte die Stadt Freiburg vor einigen Jahren Tourismuswerbung. Ich weiß nicht, ob der Spruch noch offiziell in Gebrauch ist, aber mit seiner Anwendung auf die Freiburger Musikgeschichte gäbe es ohnehin gewisse Schwierigkeiten. Was Freiburg nämlich, anders als von dieser Werbung verheißen, nicht zu bieten hat, sind die ganz bedeutenden Ereignisse oder die ganz großen Namen in seiner Musikgeschichte. Allerdings dürften hiernach wohl auch kaum alle suchen, sondern höchstens ein paar Spezialisten — was die Glaubwürdigkeit des zitierten Werbespruchs zusätzlich in Frage stellt. Daß es in dieser ansonsten in vielerlei Hinsicht sehr begünstigten Stadt an großen Musikerpersönlichkeiten und bedeutenden Ereignissen mangelt, hat die örtliche Geschichtsschreibung schon längst dazu veranlaßt, ihr Augenmerk auf die „sekundären Bedeutsamkeitsmerkmale“ zu richten. Und hier gibt es denn doch manches Interessante zu erzählen. Zum Beispiel, daß Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1837 auf seiner Hochzeitsreise ein paar Tage in Freiburg logierte — in einem Hotel am Münsterplatz, nur ein paar Schritte von hier — und sogar ein bißchen komponiert hat.
Als Ludwig XIV., der seit 1682 in Versailles residiert hatte, 1715 starb, meldete
der löbliche Stand Zürich diesen »Todesfall Ihrer Königlichen Majestät in Frankreich«
nach St. Gallen. Dass der Tod dieses mächtigen Potentaten und die Übernahme der
Regierung durch den fünf Jahre alten Ludwig XV. (1710 -1774 ) die Stadt und Republik
interessierte, erstaunt nicht, wenn man weiß, dass die französischen Könige - auch
der Sonnenkönig - immer wieder aus St. Gallen Darlehen von Kaufleuten oder Bankiers
bezogen.
Francis Rapp
(2020)
„Ohne Ihren kritischen Geist aufzugeben, bitte ich Sie meine Aussage mit Wohlwollen und ein bisschen Nachsicht entgegen zu nehmen.“ Gemäß seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit beginnt Francis Rapp, Professor an der Universität Straßburg, Mitglied des „Institut“, Primus inter pares im Elsass, seinen Beitrag über die elsässische Geschichtsschreibung zwischen 1945 und 1970 (Revue d’Alsace 2007, S. 49). Dieses sich wiederholende Ritual kündigt aber keine vertrauliche Mitteilung, sondern ein äußerst seltenes Lippengeständnis an die eigene Geschichte an: „Ich gehörte zu denen, die sich an diesen (französischen) Farben erfreuten.“ Hinter dieser Aussage versteckt sich ein Schweigen, eine Zäsur in seinem Leben. Francis Rapp unterlässt es zu sagen, dass er 1926 in Straßburg geboren ist und dass sein Jahrgang, 1944 achtzehn Jahre alt, zur Hälfte in die Wehrmacht und zur anderen Hälfte in die SS eingezogen wurde. Und man wird nur über Umwege erfahren, dass er gehungert hat, um nicht fort zu müssen, dass er davon an bleibenden Schäden litt, die ihn daran hindern werden seinen Lebenstraum zu erfüllen, nämlich Offizier in der französischen Luftwaffe zu werden.
Den Ersten Weltkrieg begleiteten propagandistisch zahlreiche Fotos. Sie sollten einen bildlichen Eindruck der Ereignisse ins
Deutsche Reich, auch ins Kinzigtal vermitteln. Für die politische und militärische Führung des Kaiserreichs war dies sehr
wertvoll, da das moderne Medium Foto im frühen 20. Jahrhundert reges Interesse beim Publikum hervorrief und Zustimmung versprach. Die Gründe für die Faszination Fotografie sind leicht zu beschreiben, deuten allerdings auch gleich auf die Problematik hin: Fotos versprechen Echtheit. Für den Rezipienten entsteht so der Eindruck, dass das auf dem Foto festgehaltene Ereignis so wie abgebildet auch gewesen sein muss. Das ist der Unterschied zu einem gemalten Bild, bei dem der Künstler nach seinen eigenen Vorstellungen oder Vorgaben das Thema gestaltet, sozusagen ausmalen kann. Bei einem Foto
klickt der Fotograf dagegen nur auf den Auslöser, anschließend ist ein Moment festgehalten. Und dieses Bild lässt sich dann
überallhin verbreiten – so bekommen wir alle im wahrsten Wortsinn Einblick in bestimmte Ereignisse weit weg von unserem Lebensumfeld.