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„Nachrichten aus der Heimat“
(2007)
Kann jemand erklären, weshalb der Autor Wolfgang Duffner nicht bekannter ist? Dafür, dass sie nicht viel Wind um sich zu machen verstehen, erhalten andere Autoren mitunter viel Aufmerksamkeit und Sympathie. Daran allein kann es also nicht liegen. Dabei nahm dieser Autor gleich mit seinem ersten Buch für sich ein. Duffner hat es, fast 50jährig, 1985 vorgelegt; es hieß „Das neue Rollwagenbüchlein“ und enthielt Prosaminiaturen, über die es länger nachzudenken lohnt, als es braucht sie zu lesen. In dieser Sammlung springt Duffner in regionaler Geschichte und Geographie umher wie Hebel in seinen Kalendergeschichten, behandelt Merk- und Denkwürdigkeiten, häuft Anekdoten auf Phantasien, ohne sich vor Wunderlichem zu scheuen – vor allem aber leiht er seinen Figuren immer dann all seine List, wenn es darum geht, Aufmüpfigkeit zu proben und Rechte einzufordern.
Am 25. November 2008 jährt sich der
Todestag des Kultur- und Religionsphilosophen
Leopold Ziegler zum 50. mal. Ziegler,
1881 in Karlsruhe als Sohn eines Rahmenhändlers
und -vergolders geboren, war einer
der großen Einzelgänger und Außenseiter
seiner Zunft. Nie habilitiert, vollzog sich seine
literarische und wissenschaftliche Karriere
außerhalb des akademischen Lehrbetriebs –
mehr noch: er trotzte einer mühseligen
Existenz als Privatgelehrter und einer stets
gefährdeten Gesundheit ein beeindruckendes
Lebenswerk ab. Daß ihm dies gelang, begründete
Ziegler selbst mit der Energie, die ihm aus
der Opposition gegen seine Zeit und ihre
innere Verfassung zugewachsen sei. Sein Werk
kann als bedeutender Beitrag zum Versuch
gelten, neuzeitliches Denken mit vorwissenschaftlichen
Erkenntnissen zu verbinden, die
Existenz des heutigen Menschen durch umfassende
Rückgriffe auf die gesamte menschheitliche
Überlieferung zu erneuern.
Der lange Weg zur Moderne
(2004)
Die Erinnerung des Malers Andre Ficus hält im späten Rückblick eine Erfahrung fest,
wie sie in jener Zeit viele gemacht haben. Kultur, eben noch Instrument ideologischer Bevormundung und Einübung in fehlgeleiteten Patriotismus, wurde im Kontext der Nachkriegszeit zum integralen Moment des Neuanfangs und Ausdruck der Umkehr zu einer zivilen und
gesitteten Existenz, ja eine Art Nenner, auf den sich die menschlichen Hoffnungen bringen
ließen. Wenn die unmittelbaren Nachkriegsjahre nicht nur Jahre der Not und Entbehrung,
sondern auch eines neuen Optimismus und der Euphorie waren, so dank eines ungeahnten
kulturellen Aufbruchs. Man war noch einmal davongekommen, und Kultur wurde für viele
zum Träger eines neuen Lebensgefühls. Nicht zuletzt mit Bezug auf sie wurde rückblickend
von einer Zeit der schönen Not gesprochen, und wenn für das Jahr 1945 der Ausspruch »So viel Anfang war nie« bemüht wird, dann meint er vor allem das Erlebnis einer neugeschenkten geistigen Freiheit.
Angesichts einer Vielzahl von literarischen und Erinnerungszeugnissen ehemaliger Schülerinnen und Schüler Salems liegt die Frage nahe, wie sich die pädagogischen
Ziele Kurt Hahns, wie sich die pädagogische Wirklichkeit der Salemer Schulen generell
darin wiederspiegelt. Dabei geht es nicht in erster Linie um prominente Namen, obschon
naturgemäß gerade von dieser Seite autobiographische Aufzeichnungen zu erwarten
sind - die im Folgenden dargebotene Auswahl von Stimmen legt eher Wert auf eine kritische Reflexion der Salemer Erziehungsrealität. Für diese Fragestellung ist wohl kein
anderer Zeitrahmen so geeignet wie die ersten drei Jahrzehnte dieser nach dem Ersten
Weltkrieg gegründeten Schule. Insbesondere die prekären Konstellationen der dreißiger und vierziger Jahre, die eine besondere Herausforderung an die spezifischen Erziehungsgrundsätze darstellten, können heute nachgerade als ein Lackmustest für die Salemer Pädagogik gelten.
Marie Baumgartner
(2002)
Marie Baumgartner entstammte dem Geschlecht der Mühlhauser Textilindustriellen Koechlin. Durch ihre Heirat mit Jakob (Jacques) Baumgartner im Jahre 1851 kam sie zwanzigjährig nach Lörrach. Wie sehr indes die geistreiche und belesene Frau, die einen Teil ihrer Erziehung in Rouen genossen hatte, ihrer Heimat, der französischen Kultur und Lebensart verbunden blieb, beweist die Entschiedenheit, mit der sie nach dem deutsch-französischen Krieg überzeugte Elsässerin blieb. Sie soll sogar Gedichte und Schriften gegen die Germanisierung und Prussifizierung des Elsass' verfasst haben.
In vielen Regionen sind in den letzten Jahrzehnten Weißstörche (Ciconia ciconia) sowohl aus der Landschaft als auch aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden. Mit Hilfe historischer Quellen und Zeitzeugen zeichnet diese Arbeit die ehemalige Verbreitung des Weißstorches im württembergischen Unterland nach, um wichtige naturkundliche Informationen nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Im Untersuchungsgebiet war der Weißstorch seit dem Mittelalter bis 1956 regelmäßiger und weit verbreiteter Brutvogel. Im Stadt- und Landkreis Heilbronn lassen sich für 43 Orte Belege einer Besiedlung nachweisen, hauptsächlich in den Gemeinden entlang der Täler des Neckars und seiner Nebenflüsse. Zwischen 1900 und 1945 existierten Brutvorkommen in 29 Orten. Der landesweite Bestandseinbruch erreicht das Unterland ab ca. 1950 und damit später als andere Regionen im Südwesten. Die letzte Brut fand 1956 in Willsbach statt. Weißstorchnester befanden sich überwiegend auf großen Gebäuden im Ortskern, in denen 3 - 4, maximal 5 Jungvögel aufgezogen wurden. 70 % der Brutplätze lagen in Höhen von 175 - 225 m ü. NN. Als Ursachen des Rückganges bzw. des Aussterbens kommen neben dem Hauptfaktor Landschaftsveränderung in Einzelfällen auch Störungen, Stromtod, Pestizide und Kriegswirren zum Tragen. Die Aussichten auf Wiederansiedlung in der Region werden in der momentanen Situation skeptisch beurteilt.
Das Haus, das Ruhe ist
(2013)
Viele Fragen tun sich auf, sobald man auf diese Überschrift stößt: „Lieder badischer Liedermacher im 20. Jahrhundert“
– Welche Art von Liedern fällt unter diese Rubrik? – Wer ist Badener? Wer nicht? – Was ist ein Liedermacher? – Wer alles gehört zum 20. Jahrhundert? Welche Art Lied? – Da es sich ja hier um eine Tagung zu Gesangbuch und Kirchenlied handelt, erübrigt sich wohl meine erste Frage. Kirchenlieder sind gemeint. Gemeindelieder sind gemeint. Lieder sind gemeint, die in einem Gesangbuch stehen oder stehen könnten. Wer ist Badener? – Ob ein Mensch in Baden geboren ist oder seine Wirkungsstätte hat, ob er in Baden seinen Ruhestand verbracht hat oder gestorben ist – hier möchte ich gern großzügig sein. Ich selbst bin in Westfalen geboren und aufgewachsen, trotzdem fühle ich mich seit langem in der Kurpfalz zu Hause und bin also auch – irgendwie – Badener. Was ist ein Liedermacher? – Wer fällt Ihnen da ein? Zunächst doch wohl eher die
Sänger von Protestsongs, die mit der Gitarre auf der Kleinkunstbühne ihre Lieder vortragen. Reinhard Mey, Wolf Biermann, Hans Dieter Hüsch, Hannes Wader, Konstantin Wecker u.s.w. Obwohl „Über den Wolken“ von Reinhard Mey bei Trauungen
von Flugbegleitern sicher gut passen würde, wüsste ich nicht, dass ein Lied dieser Sänger schon im Gesangbuch gelandet wäre. Natürlich gibt es auch kirchliche Protestsongs und kirchliche Wanderbarden mit Gitarre. Bei meinen Ausführungen möchte ich mich aber beschränken auf Menschen, deren Dichtungen oder deren Weisen Eingang ins Gesangbuch gefunden haben.
Als am 6. Juni des 50. Jahrestages der alliierten Landung in Frankreich gedacht wurde, Auftakt zur Befreiung Europas vom Joch der Hitler-Diktatur, war Deutschland, der damalige Unterdrücker Europas, noch einmal mit der schlimmsten Zeit und schwersten Last seiner Geschichte konfrontiert. Doch es bleibt auch daran zu erinnern, dass zu derselben Zeit eine deutsche Widerstandsbewegung ihren letzten verzweifelten Versuch unternahm, die totalitäre Diktatur Hitlers zu stürzen und den Krieg zu beenden. Tragisch gescheitert am 20. Juli 1944, hat dieser mutige Versuch deutscher Selbstbefreiung dann doch dazu
beigetragen, dass der Mehrheit der Deutschen nach 1945 die Teilnahme am Aufbau eines freien geeinten Europa ermöglicht worden ist.
Die neue Art Micarea kemmleri Brackel wird beschrieben. Der lichenicole, nicht-lichenisierte Pilz wurde im
Herbarium Poll auf einem Beleg von Cladonia squamosa, gesammelt von C. A. Kemmler Mitte des 19.
Jahrhunderts, gefunden. Die neue Art unterscheidet
sich von den bekannten Micarea-Arten durch die Kombination von fehlendem Thallus, einem völlig farblosen
Apothecien-Schnitt und ellipsoiden, einzelligen Ascosporen mit einer Länge von unter 10 µm.
Die Wiedereröffnung der Schlettstädter Humanistenbibliothek (Bibliothèque Humaniste de
Sélestat) im Juni 2018 nach vierjähriger Schließung war ein Ereignis, das weit über das Elsass
hinaus Beachtung fand. In der vom französischen Architekten Rudy Ricciotti (Schöpfer des
Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée 2013) einfühlsam umgestalteten
Architektur wird die Büchersammlung des Humanisten Beatus Rhenanus, eines Freundes von
Erasmus von Rotterdam, zu neuem Leben erweckt. Die von der UNESCO in die Liste des Weltdokumentenerbes
aufgenommene Sammlung ist jetzt dank einer innovativen Museographie
einem breiten Publikum zugänglich. Die Schlettstädter Humanistenbibliothek, die gleichzeitig
Museum ist, bezeugt die außergewöhnliche intellektuelle Fruchtbarkeit des oberrheinischen
Humanismus im 15. und 16. Jahrhundert, für den das kleine Schlettstadt zu einem Brennpunkt
mit enormer Ausstrahlungskraft wurde.
One new species, Holhymenia riegeri nov. spec., is described from Bolivia and Ecuador. Holhymenia intermedia (Burmeister,1835) and H. tibialis Breddin, 1904, are considered junior synonyms of H. clavigera (Herbst, 1784); new records of H. histrio (Fabricius, 1803), H. persimilis Breddin, 1903, H. rubiginosa Breddin, 1904, and H. scenica (Stål, 1865) are given; a key to all known species is included.
Der in den 1920er Jahren wiedererstarkende Realismus in der Bildenden Kunst entwickelte im deutschen Südwesten, und hier vor allem an der Karlsruher Akademie ein Zentrum mit großer Ausstrahlung. Karl Hubbuch, Wilhelm Schnarrenberger und Georg Scholz hießen die dominierenden Künstler. Ihr Einfluß, aber auch andernorts herrührende Tendenzen des künstlerischen Realismus spiegeln sich in den Werken von vier Offenburger Malern und Graphikern: Tell Geck, Grete! Haas-Gerber, Albert Henselmann und Hermann Sprauer. Sie alle gehörten zu einer Generation, deren Leben durch zwei Weltkriege und vor allem durch den Nationalsozialismus tief geprägt und gravierend verändert wurde. Wenn man die Biographien vergleicht, gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch bedeutende Unterschiede. Geboren sind alle in Offenburg im Zeitraum von 1890 bis 1905, Studienorte waren Karlsruhe und München sowie Stuttgart und Düsseldorf. Hermann Sprauer kehrte nach dem Studium nach Offenburg zurück, wo er, nur unterbrochen durch den Kriegsdienst, bis ans Ende seines langen Lebens wirkte. Gretel Haas-Gerber lebte ebenfalls bis zu ihrem Tod in ihrer Heimatstadt, hatte allerdings neben der
ersten Studienzeit eine fast zwei Jahrzehnte währende Zeit in Düsseldorf. Tell Geck war bereits vor dem Krieg nach Stuttgart übergesiedelt, wo er bis an sein Lebensende tätig war. Albert Henselmann blieb Offenburg von allen am wenigsten verbunden, lebte nach der Studienzeit lange in Mannheim, bevor er in die Schweiz und später in die USA auswanderte.
Im Jahr 2017 wurde deutschlandweit das 500-jährige Jubiläum der Reformation gefeiert. Die Junker von Menzingen waren eine der ersten Lehnsherren im Kraichgau, die sich den reformatorischen Ideen Luthers anschlossen. Schon damals hatte Luthers Gedankengut für einen Wandel in der Gesellschaft geführt. Vielerorts brachen Bauernaufstände aus, in denen sich die Aufständischen durch die Bibelübersetzung und Luthers Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen auf göttliches Recht beriefen. Diese Aufstände gingen als Bauernkriege in die Geschichte ein. Ihre Forderungen gegenüber dem Schwäbischen Bund hatten die Aufständischen in Memmingen in den sogenannten 12 Artikeln festgehalten, die sich von dort ausgehend dank der neuen Erfindung des Buchdrucks rasant verbreiteten. Schließlich gelangte dieses Gedankengut auch in den Kraichgau, wo sich die Bauern unter Anton Eisenhut, einem Pfarrer aus Eppingen, zusammenschlossen.
Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht die Familie von Reichskanzler Hermann Müller. Bei keinem anderen Weimarer Regierungschef ist die Diskrepanz zwischen seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte wie für die Geschichte des deutschen Parlamentarismus und diejenige der deutschen Arbeiterbewegung und der Vernachlässigung durch die historische Forschung so eklatant. Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Biographie über den ersten sozialdemokratischen
Außenminister in der deutschen Geschichte, der 1919 den Versailler
Vertrag unterschrieb, den zweimaligen Reichskanzler der Weimarer Republik und den rund zwölf Jahre amtierenden Partei- und Fraktionsvorsitzenden der SPD. Der vorliegende Beitrag soll einen weiteren Baustein zu dieser Biographie liefern. Darüber hinaus spiegeln sich im Schicksal der Familie von Hermann Müller exemplarisch die menschliche Tragödie und die nach 1945 noch jahrzehntelang spürbaren Folgen, die in Deutschland und Europa durch die NS-Diktatur
verursacht wurden.
Der Fall Brüsewitz
(2017)
Kurz nach Mitternacht vom 11. auf den 12. Oktober 1896 ereignete sich in Karlsruhe ein Verbrechen, das nicht nur die badische Hauptstadt wochenlang in Atem hielt, sondern in ganz Deutschland, ja selbst im benachbarten Ausland für Gesprächsstoff sorgte. Der Jahrzehnte später als „der rasende Reporter“ berühmt gewordene Journalist Alfred Kerr wähnte sich am 1. November 1896 in der Reichshauptstadt in einer Ära der Brüsewitze zu leben: Der Fall selbst wird hier noch immer so besprochen, als ob er mitten in Berlin und nicht in Süddeutschland
geschehen wäre. Zweimal debattierte der Deutsche Reichstag über den
Mord des Premierleutnants Henning von Brüsewitz an dem Mechaniker Theodor Siepmann und die dahinter stehenden Fragen, ob der Begriff der soldatischen Ehre über den Bestimmungen des Strafgesetzbuches anzusiedeln sei und inwieweit sich das Militär im Deutschen Kaiserreich als Staat im Staate gerierte. Dieser Grundsatzkonflikt, im Prinzip eine Kontroverse zwischen Moderne und Antimoderne, hätte sich leicht – wie das im Jahr 1913 bei der Zabernaffäre der Fall sein sollte – zu einer Verfassungskrise hochschaukeln können.
Im Jahre 1885 besuchte Amand Goegg aus Renchen – wohlbekannt aus den Darstellungen zum Aufstand in Baden 1849 –
mit seiner Schwester Anna in Mailand die Familie von August
Stigler und fand hier überaus herzliche Aufnahme. August
Stigler? Wer war das?
August Stigler wurde am 26. Juli 1832 in Renchen geboren. [2]
Sein Vater, Jakob Stigler, geboren am 31.3.1795 in Urloffen, [3]
war ein Sohn des dortigen „Kronen“-Wirts Franz Joseph Stigler
und dessen Ehefrau Franziska Geldreich. Die Stiglers sind seit
1650 in Urloffen als Gastwirte nachweisbar – Nachkommen
wurden in vielen Orten der Ortenau als Gastwirte ansässig. Die
Mutter von August Stigler, Katharina, war eine 1796 geborene
Tochter des Renchener „Salmen“-Wirts Franz Joseph Behrle.
In der alten Durlacher Friedhofskapelle gab es aus der Stadtgründungszeit Karlsruhes zehn
Grabsteine für 13 »natürliche« Kinder des regierenden Markgrafen Carl Wilhelm sowie seines
Bruders Christoph. Diese Kinder waren 1718–1722 im Alter von einem Tag bis zu drei Jahren
gestorben. Solch eine Grablege für frühverstorbene uneheliche Kinder der Regenten ist unter
allen Fürstentümern des damaligen Heiligen Römischen Reichs einzigartig.