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Wehrhaftes Lahr-Mahlberg
(2019)
Der Herrschaftsbereich der Geroldsecker wurde im Jahr 1277 geteilt. Aus der Teilungsurkunde vom 14. September 1277 entnimmt man, dass Heinrich, dem Grafen von Veldenz, die Vogtei zu Münster (außer Wallburg) zufiel, dazu Hohentann und alles, was östlich der zwischen Lahr und Kuhbach gelegenen Bischofsmühle (Standort heute westlich der Firma Padberg bis Willy-Brandt-Straße) lag, außerdem Zunsweier, Berghaupten sowie Güter in Richtung Schwaben und in Schwaben. Die Brüder Heinrich und Walther erbten hingegen den Besitz der westlich der Bischofsmühle lag (mitt allem Rechten bey Bischoffs-Mühlen unndt was von deroselben Mühlenn heraus gegen dem Rhin lit): Lahr, Mahlberg, Burgheim, Dinglingen, Hugsweier, Mietersheim, Sulz, den Hoff zue Langenhardt, Kippenheim, Kippenheimweiler, Schmieheim, Wallburg, Broggingen, Wagenstadt, Orschweier, Wittenweier, Allmannsweier, Nonnenweier, Kürzell, Schutterzell, Ichenheim, Dundenheim und Altenheim. Sie erhielten auch die Burg Landeck im Breisgau und Güter im Elsass. Die Reichsgüter Friesenheim und Oberschopfheim, das Dorf Ottenheim sowie die elsässische Burg Schwanau am Rhein galten als gemeinsamer geroldseckischer Besitz.
Am Abend, wenn das Licht kurz vor Sonnenuntergang diffus ist, könnte man wirklich meinen, an der Winkelstraße 28 in Meißenheim haben Außerirdische ihr Gefährt abgestellt: Vierschrägstehende Betonpfeiler halten den futuristischen, silberglänzenden Körper. Darüber in der gläsernen „Kommandozentrale“ könnte man vielleicht den Blick auf ein grünes Männchen hinter den Fenstern erhaschen - oder steigt eines von ihnen direkt aus der runden Ausstiegsschleuse? Seit 2010 ist Meißenheim um eine Attraktion reicher. Nein, die Ufos sind nicht sesshaft geworden. Das Gebäude ist einfach sehr modern und super innovativ - nicht nur in Sachen Optik, sondern auch in Sachen Tragwerkskonstruktion und Energieeffizienz.
Bereits im 18. Jahrhundert gab es Freimaurer im mittelbadischen Raum. Der „Musikbaron“ Freiherr Franz Friedrich Sigmund August Böcklin von Böcklinsau war bereits 1783 in Wien in eine Loge aufgenommen worden, ein Spross einer bekannten Lahrer Bürgerfamilie wurde 1805 in die (deutschsprachige) „Pilger Loge“ in London aufgenommen. Die Verbindungen untereinander waren aber sehr locker, zumal die Freimaurerei in Baden (im Gegensatz z. B. zu Preußen) in den Jahren 1813 bis 1845/46 verboten war. Am 18. Oktober 1868 war es dann aber soweit: Die Freimaurerloge „Allvater zum freien Gedanken“ in Lahr wurde gegründet. In ihr fanden sich Brüder zusammen, die das „freimaurerische Licht“ meist in Freiburg, manchmal aber auch in Straßburg, Mühlhausen oder Marseille empfangen hatten. Die Freiburger Loge „Zur Edlen Aussicht“, gegründet 1784 mit einem Patent der Großloge von Österreich (Freiburg und der Breisgau gehörten damals zu Vorderösterreich), wurde zur Mutterloge der Lahrer Bruderschaft.
In verschiedenem Grün leuchten die Blätter der Buchen, Eichen und Linden. Vögel zwitschern und ein Specht klopft mit seinem schnellen „Tock-tock“ an einem Baumstamm. Vom Waldrand aus kann man den Blick schweifen lassen über - jetzt im Spätsommer - abgeerntete Getreidefelder und blühende Wiesen. Der Ort strahlt Ruhe aus. Wer weiß, dass dieser Wald beim Ottenweier Hof schon vor Jahrhunderten ein spiritueller Ort war, spürt diese Ruhe umso mehr. Die Geschichte des Täuferwaldes war mit ein Grund, warum sich die Gemeinde Neuried dafür entschied, hier einen Bestattungswald einzurichten. Seinen Namen hat er von den Täufern, einer evangelischen Religionsgemeinschaft, die im Zuge der Reformation entstanden ist. Schon vor über 250 Jahren nutzten sie den Wald für Gottesdienste und Taufen. Zwei runde Sandsteintische sind heute noch Zeugnisse dieser Vergangenheit. Einer der Tische steht neben einer Senke im Boden, die sich bei Regen mit Wasser füllt. Sie könnte in jenen Zeiten den Täufern als Taufbecken gedient haben. Die Gemeinde Neuried führt den Bestattungswald innerhalb des Eigenbetriebs Forst. Revierförster Gunter Hepfer erhält beim Betrieb des Bestattungswaldes Unterstützung von der Friedhofsverwaltung der Gemeinde und von Tom Jacob, ebenfalls gelernter Förster, der derzeit eine Zusatzausbildung zum Seelsorger und Trauerredner im evangelischen Kirchenbezirk Emmendingen absolviert. Jacob hilft dem Revierförster auch bei den angebotenen monatlichen Führungen durch den Bestattungswald. Bei einer dieser Führungen erwähnte Jacob, dass er früher einmal das Glück gehabt habe, für zwei Jahre im Ottenweier Hof zu wohnen. So sei er mit der Geschichte der Täufer in Berührung gekommen und habe begonnen, nachzuforschen.
In den „Archives départementales du Bas-Rhin“ in Straßburg fand ich eine Akte (1 G 144/49) mit Angaben über den Brand des Ettenheimer Spitals am 9. Dezember 1617, die für die Geschichte Ettenheims wertvoll ist, denn über die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg haben sich nur wenige schriftliche Zeugnisse zu unserer Stadtgeschichte erhalten. Die Akten der damals zuständigen fürstbischöflichen Landesregierung gelangten während der Französischen Revolution vom Regierungssitz Zabern (Saverne) zum Teil nach Straßburg. Sie wurden bis heute hinsichtlich der Stadt Ettenheim noch nicht vollständig erforscht beziehungsweise ausgewertet. Dies hat verschiedene Gründe: unter anderem der dazu notwendige Zeit- und Kostenaufwand, aber auch die schlechte Lesbarkeit mancher Schriftstücke. Soweit ich bisher erkennen konnte, sind manche Vorgänge nur bruchstückhaft, das heißt unvollständig überliefert, sodass es nicht möglich ist, sich „ein genaues Bild“ zu machen. Bei der Korrespondenz zwischen der Zaberner Regierung und den Ettenheimer Dienststellen fehlen oft die Akten der Ettenheimer Seite. Ausnahmen sind einzelne Schreiben, die später in das Generallandesarchiv Karlsruhe gelangt sind. So blieben im Einzelfall nur schlecht lesbare Briefentwürfe der Zaberner Regierungsbeamten übrig. Im Straßburger Archiv befinden sich auch umfangreiche Protokollbücher der Zaberner Regierung, die unsererseits noch nicht ausgewertet wurden. Ein Register dazu habe ich nicht gesehen, ist aber verzeichnet. Viele Inhalte haben vermutlich keinerlei Beziehung zu Ettenheim. Man muss auch damit rechnen, dass Schriften verloren gingen oder vernichtet wurden. Große Entdeckungen sind wohl nicht zu erwarten. Die Ettenheim betreffenden Akten aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind, soweit ich sie nutzen konnte, fast sämtlich in deutscher Schrift verfasst.
Majestätisch steht es da am Anfang der Hauptstraße, das Pfarrhaus. Manche halten es für ein ehemaliges Schlösschen, für andere ist es ein ganz normales Haus, eben das Pfarrhaus. Je älter dieses Haus wird, umso älter der Mythos. Um es vorweg zu nehmen, es handelt sich nicht um ein ehemaliges Schlösschen. Das Haus war schon immer ein Pfarrhaus. Es ist nun schon über 250 Jahre her, als der Ort Wittenweier ein neues Pfarrhaus benötigte. Er benötigte es, da das alte durch den damals noch unbändigen Rheinstrom bedroht war. Dieser wechselte im Laufe der Zeit immer wieder seine Laufrichtung. Zuletzt zielte er direkt auf die Häuser des alten Ortes. Man versuchte - zumeist vergeblich - auf mancherlei Art, das Ufer zu schützen, etwa durch Holzwellen (Faschinen). Der ganze Ort war in Gefahr, vom Rhein weggerissen zu werden. Und so begann man Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Verlegung der Häuser auf sicheren Boden. Das war unmittelbar neben dem alten Ort in östlicher Richtung. Diese „Wanderung“ des Dorfes war schon für die Zeitgenossen auffällig.
Z'dritt odr manchmal au z'viert - denno isch's eweng eng wore - sinn si uff dem griäne Bänkli am Eck g'hockt. Alli hänn si Mandlschirtz anghet, unn jeder het e klei wenig anderscht üsgsehne wie de ander. Morgens hett als d'Nochberi üsm Fenschdr gluegt unn het ä scheener Dag gwunsche: im Nachdhemm, mitm Haarnetz uffm Kopf unn noch ohni Zähn. D' andr Nochberi het als Deppich klopft im Hof un bi Gwiddr het si bi gschlossene Fenschderläde vorere gweihde Kerz s' Vadder Unser beddet.
Landesgartenschau 2018
(2019)
Was will, was kann und was soll Ortsgeschichte? Zum einen: Informieren über charakteristische, singuläre Ereignisse und Entwicklungen, über ansässige Vereine und Institutionen, über Bau- und Kunstdenkmale sowie historisch beachtenswerte Persönlichkeiten einer Gemeinde. Damit vermag Ortsgeschichte einen Aha-Effekt zu erzeugen, etwa wenn sie optisch Vertrautes durch inhaltlich Relevantes erklärt. Oder aber sie ermöglicht, sofern das geschilderte Ereignis noch in die eigene Erinnerungszeit des jeweiligen Lesers fällt, ein erneutes Gewärtigwerden von Selbsterlebtem. Zum anderen aber soll Ortsgeschichte möglichst auch Mosaiksteine liefern für ein größeres Ganzes, lokale Puzzleteile zum Gesamtbild der Regional- oder sogar Landesgeschichte, indem sie Entwicklungen grundsätzlicherer Natur illustriert und aussagekräftige Beispiele für diese bereitstellt.
Der absehbare Ausstieg aus Kernkraft und Kohle, erzwungen durch den menschengemachten Klimawandel, bedeutet nicht nur eine energiewirtschaftliche
Kehrtwende, er hinterlässt auch in der Landschaft seine Spuren, im Landschaftsbild wie in der Ökologie. Ob mit einem Mal Windkraftanlagen den
Horizont verstellen, ob „Vermaisung“ zur Biogasproduktion um sich greift oder
ob plötzlich Wiesen zu Solarfeldern werden: Der Landschaftsfreund, der sich traditionell dem Natur- und Landschaftsschutz verbunden fühlt, sieht sich unweigerlich in Zwiespälte gestürzt, gar
ins Abseits manövriert und vor die Frage gestellt: Was alles an Beeinträchtigungen muss neuerdings hingenommen
werden unterm Vorzeichen des Klimaschutzes, der Fridays for Future und der
Hitzerekorde – und wogegen ist angesichts all der neuartigen Phänomene
überhaupt noch Widerspruch angezeigt? Was gilt es noch zu bewahren,
was ist unveräußerbar an landschaftlichen Werten?
„Dieses ist ein tüchtiges Volk und ein bildschönes, ein liebenswertes Land. Mehr als nur ein Schimmer freien Schweizer
Geistes liegt darüber. Sie schlagen hier wirklich einige Rekorde.“ So war am 18. Oktober 1947 in der „Neuen Zeit“ aus
dem sowjetischen Sektor Berlins über die Menschen rund um den Schwarzwald zu lesen. Ein rundum positives Bild, welches
sich so in den Zeitungen von Sowjetischer Besatzungszone (SBZ) und DDR aber nicht so schnell wieder finden sollte.
Verwundern kann das nicht. Seit nunmehr dreißig Jahren ist Deutschland wiedervereinigt. Grenzen sind Vergangenheit, die Systemkonkurrenz Geschichte. Der Blick über Mauer und Stacheldraht gehörte bis dahin aber zum Grundrepertoire der
Medien in Ost wie West. Gerade für die Presse in der DDR stand die Aufgabe, den vor allem per West-Fernsehen und -Radio vermittelten Bildern ein eigenes „Westbild“ gegenüberzustellen. Die zentral gelenkten Medien als „schärfste Waffe der Partei“ hatten ein bestimmtes, festgefügtes Bild der Bundesrepublik zu vermitteln, gekennzeichnet von Arbeitslosigkeit, rücksichtslosem Konkurrenzkampf, latenter Kriegsvorbereitung und Verlust menschlicher Werte. Den Medien kam so eine Schlüsselfunktion bei der Selbstlegitimation des ostdeutschen Teilstaats zu.
Der monotone Rhythmus der Tage im Kalenderjahr wird gegliedert und mit Spannung geschmückt durch die aus der Bibel stammende Siebentagewoche, durch die Jahreszeiten, die Lebensalter, durch die Wetterlage, durch familiäre Ereignisse, politische Gedenktage und schließlich durch das Kirchenjahr mit seinen Festen und Gedenktagen sowie durch das zugehörige Brauchtum.
Es ist ein äußerst populäres und bekanntes „Volkslied“, das bis in die Gegenwart gesungen wird. Bekannte Schlagersänger
haben es auf ihre jeweils individuelle Weise interpretiert, so etwa Roy Black, Heino, Mireille Mathieu, Nana Mouskouri, Freddy Quinn und sogar Elvis Presley. Komponiert und publiziert hat das Lied Friedrich Silcher (1789–1860), wobei er wohl auf eine traditionelle Melodie zurückgegriffen hat. Erstmals erschienen ist es 1827 in Silchers zweitem Heft der „Volkslieder, gesammelt und für vier Männerstimmen gesetzt“.
Im Kraichgauort Knittlingen hütet das Faust-Museum sorgsam, was man für die Hinterlassenschaften des historischen Dr. Faustus hält: Einen Giftschrank und ein Pergament mit dem alchemistischen „SATOR-AREPO“-Zeichen. Neben einer Melanchthon-Äußerung und der notariell beglaubigten Abschrift eines Knittlinger Kaufbriefs von 1542 stützen Schrank und Pergament die Annahme, der historische Dr. Faustus stamme aus dem Kraichgauort. Diese lokal geschichtliche Verwurzelung ist es nicht zuletzt, die Goethe-Kenner und Touristen in das Knittlinger Faust-Museum zieht. Eine genaue wissenschaftliche Untersuchung des Alters von Giftschrank und Tinte auf dem „SATORAREPO“-Pergament lehnte der frühere Leiter des Faust-Museums, Günther Mahal, jedoch ab. Inzwischen erkennt man in Knittlingen an, dass der Giftschrank aus Expertensicht ungefähr aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt und nicht direkt auf den historischen Dr. Faustus zurückgeht. Soviel Wirklichkeitssinn ist anerkennenswert, besonders weil andere Ortschaften, darunter das im nördlichen Kraichgau gelegene Helmstadt-Bargen, aufgrund wider streitender Indizien auch schon einmal den Anspruch erhoben haben, Geburtsort des Fausts zu sein. Belegt ist seine Tätigkeit als wandernder Wunderheiler, Magier und Alchimist. Bei vielen Zeitgenossen hatte er einen schlechten Ruf, galt als Scharlatan, Herumtreiber und Betrüger. Mehrere Städte haben ihm die Einreise verwehrt oder ihn ausgewiesen. Nachdem er etwa 1540 im breisgauischen Staufen vermutlich bei einer Explosion ums Leben gekommen war, behaupteten manche, ihn habe der Teufel geholt.
Die Regionalbibliotheken Deutschlands sind ein wichtiger
Akteur bei der Sicherung der textlichen Überlieferung. Sie haben sich daher dazu
verpflichtet, Bestandserhaltungsmaßnahmen und Archivierungsgarantien zu
übernehmen und in den Verbundsystemen zu dokumentieren. Dies erfolgt, nach
den Vorgaben eines neuen Datenmodells, im Feld 4233 des PICA-Internformats
bzw. im Feld 583 des MARC-Austauschformats. Die Badische Landesbibliothek
berichtet in diesem Aufsatz über erste Anwendungen bei der Massenentsäuerung regionaler Literatur, bei der Kennzeichnung physischer und elektronischer
Pflichtexemplare und bei der digitalen Langzeitarchivierung.
David Heinz Gumbel hat jahrzehntelang an der New Bezalel Akademie in Jerusalem unterrichtet und dadurch eine ganze
Generation von Silberschmieden in Israel so geprägt, dass er als „Father of Silversmiths“ bezeichnet wurde. Werke von ihm
sind weltweit in Synagogen und berühmten Museen vertreten und erzielen immer noch sehr hohe Preise. Trotzdem ist er in
seiner Heimat praktisch unbekannt. Er – und seine Familie – haben es aber verdient, dass man sich an sie erinnert. Heinz Gumbel wurde am 10. Oktober 1906 in Sinsheim geboren. Eigenartigerweise gaben seine Eltern in der Geburtsanzeige im Landboten keinen Namen für ihn an, sondern schrieben nur: „Der zweite Junge ist heute glücklich angekommen. Dies zeigen hocherfreut an Sigmund Gumbel u. Frau. Im Geburtsregister wird er als Heinz Detlev eingetragen und wurde anscheinend in Deutschland immer Heinz genannt. Nach seiner Emigration nach Jerusalem änderte er seine Vornamen zu David Heinz.
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen ging als Autor des „Simplicissimus“ in das allgemeine Bewusstsein ein; sein sonstiges, umfangreiches Werk ist dagegen weithin in Vergessenheit geraten. (Eine der wenigen Ausnahmen stellt die von Bertolt Brecht wieder aufgegriffene „Landstörzerin Courasche“ dar.) Dabei wäre da und dort noch manches zu entdecken. Im letzten Band der Gesamtausgabe, und in ihm fast an letzter Stelle, findet sich ein im Jahre 1667 erstmals erschienener „Anhang / Etlicher wunderlicher Antiquitäten / so der fliegende Wandersmann zeit seiner wehrenden Reiß / in einer abgelegenen Vestung an dem Meer gelegen / und von den Türcken bewohnet / gesehen und verzeichnet“. Anders als die eigentliche Erzählung vom Wandersmann, die aus dem Französischen übersetzt wurde, scheint dieser Anhang von Grimmelshausen selber zu stammen (der in jenem Jahr erst als Wirt „Zum Silbernen Sternen“ in Gaisbach bei Oberkirch und dann als Schultheiß in Renchen amtierte). In ihm kritisiert er auf nahezu beispiellose Weise den zu seiner Zeit florierenden Reliquienkult: indem er ihn lächerlich macht.
Was immer die Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit gewesen sein mag: auch wenn ihre Selbstbeschreibung als supraterritorial, interkonfessionell, egalitär längst als idealisiert gilt, gibt es genügend Beispiele dafür, wie diese Normen
in der Praxis wirkten: vor allem durch Korrespondenz, oft tatsächlich weite Entfernungen, Territorien und Konfessionen überschreitend. Korrespondenz war Zeichen der Zugehörigkeit und zugleich Motor der Kommunikation. Mit der Weitergabe von Nachrichten und Fragen, mit der Information über Neuerscheinungen, Projekte und Nachlässe, mit der Vermittlung von Auktionskatalogen, Büchern und Abschriften sowie mit der kritischen Diskussion veröffentlichter Schriften und unveröffentlichter Thesen war sie (sekundiert, aber noch nicht abgelöst von gelehrten Journalen oder Akademien) das eigentliche Forum des gelehrten Austauschs. Mit ihren vielfältigen Formen und Abstufungen von Kontakt sorgte sie für dessen Moderation. Eine Sonderform, die indirekte Korrespondenz, soll im Folgenden behandelt werden.
Bruno Schley 1895–1986
(2020)
Jahrelang lagen die Grafiken verborgen im Schrank. Nur die Familie von Bruno Schley wusste um diese Bilder. Immer wieder stand ich vor drei kleinen Miniaturen, die in Martin Schleys Wohnzimmer hingen, und ich war jedes Mal gepackt von der Großartigkeit dieser Bilder. Ich fragte ihn, ob ich denn auch noch mehr von seinem Vater sehen dürfe. »Hejo, die sin alle in
dem Schrank do«, sagte Martin Schley. Es gab einen weiteren Schrank und noch zwei Kisten, die im Keller lagerten. Schon bei den ersten Mappen zeigte sich ein reiches, weit gefächertes Lebenswerk eines Freiburger Grafikers durch das 20. Jahrhundert. Ich begann 2012 mit dem systematischen Abfotografieren der Bilder, damit man einen Überblick über die verschiedenen
Schaffensperioden bekommen konnte. 2018 holte ich den Künstler Jan Blaß zu diesem Editionswerk dazu, und nun war es an der Zeit, dass diese Kunstwerke zum 800-jährigen Jubiläum an die Öffentlichkeit gelangten. Im Karl-Rahner-Haus sollte am 13. März 2020 die große Ausstellung eröffnet werden. Aber es kam anders.
1250 Jahre Kraichgau
(2020)
Landauf, landab, im Kraichgau wie im ganzen Südwesten von Deutschland, begehen 2020 Städte und Gemeinden ihre 1250-Jahr-Feiern: 2015 Bensheim, 2016 Schwetzingen, 2017 Bretten gemeinsam mit seinem Stadtteil Diedelsheim, 2018 Östringen, 2019 Gemmingen, Odenheim, Helmsheim, Richen und Singen bei Remchingen, 2020 schließlich Sinsheim, Walldorf, Heidelsheim, Menzingen und Neibsheim. Die Aufzählung ließe sich für die kommenden Jahre beliebig fortsetzen, ebenso wie sie rückblickend weit entfernt ist von jeder Vollständigkeit. Eine Zeitung sprach unlängst von einer regelrechten „Ballung von 1250-Jahr-Feiern“.