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Im Jahre 1973 wurden in Baden-Württemberg 12 Regionalverbände gegründet,
um laut Landesplanungsgesetz von 1971 die Trägerschaft der Regionalplanung in
diesem Bundesland zu übernehmen (§§ 7-21 LPlG). Zur Eigentümlichkeit dieser
Übertragung einer primär staatlichen Aufgabe (§ 5 ROG) auf besondere Körperschaften
des öffentlichen Rechts gehört es, daß sie sich auf Planung und Beratung
beschränkt. In Baden-Württemberg besteht somit auf der Ebene der Regionalplanung
im Gegensatz zur Bauleitplanung der Gemeinden und zur staatlichen
Landesplanung keine Zusammenfassung von Planaufstellung, Planverwirklichung
und Finanzierung in einer Hand. Die Realisierung der Grundsätze und Ziele des
Regionalplanes steht allein den Maßnahmeträgern auf seiten der Gemeinden und
Landkreise, des Landes und Bundes sowie sonstiger mit öffentlichen Aufgaben
betrauter Institutionen zu . Dies kann nicht ohne Bedeutung für die Wirkungsmöglichkeiten
der Regionalplanung sein.
Im Jahre 1943 erschien in der Zeitschrift „Raumforschung und Raumordnung"
ein Aufsatz des bekannten Agrarwissenschaftlers A. MÜNZINGER mit dem Titel
„Die württembergische Wirtschaft - Vorbild für den Osten?". Die Antwort auf
diese Frage war ein entschiedenes Nein. Münzinger schloß seine Ausführungen
mit dem Satz: ,,Diese Wirtschaftsstruktur auf andere Länder zu übertragen,
hieße in Wirklichkeit, dem im Osten neu aufzubauenden Bauerntum von
vorneherein das Vorwärtskommen unmöglich machen". Diese Aussage unterschied
sich diametral von der zu Beginn der 30er Jahre weitverbreiteten Meinung,
daß Württemberg in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht die gesündesten
und harmonischsten Strukturen aufweise und deshalb als Vorbild für andere weniger
entwickelte Teile des Deutschen Reiches dienen könne. Es erscheint lohnend,
einmal der Frage nachzugehen, wie es zu diesem Wandel der Bewertung
kommen konnte.
Überall entstehen
auch „Geschichtswerkstätten" oder Arbeitskreise zur Regionalgeschichte,
die beanspruchen, neue Wege der Geschichtsforschung zu begehen. [...]
Die Historikerzunft hat auf diese neue Bewegung wenig begeistert reagiert.
Dabei geht es nicht nur um Bedenken, weil viele „Laien" nun Geschichtsforschung
betreiben (,,können die das überhaupt?"), auch nicht nur darum, daß
erstaunlich viele erwerbslose Lehrer und Privatdozenten unter den Aktiven
sind, sondern darüber hinaus um grundsätzliche Probleme.
Im Zuge der jüngsten Lehrplanrevision sollen landeskundliche und landesgeschichtliche
Stoffe im Schulunterricht wieder eine stärkere Berücksichtigung
erfahren und zwar in Form fächerübergreifender Themenstellungen.
Dabei soll über bloßes Faktenwissen hinaus den Schülern die eigene Kulturtradition
bewußt gemacht und die eigene Identitätsfindung erleichtert werden.
Um diesen Intentionen zu entsprechen und damit auch dem Auftrag der
Landesverfassung (Artikel 12, Abs. 1) gerecht zu werden, steht den Lehrern
in Baden-Württemberg ein umfangreiches Schrifttum zur Verfügung, vor allem
die Publikationen der traditionsreichen amtlichen Landesbeschreibung.
Im folgenden soll in groben Strichen die Geschichte der Südwestdeutschen
Landeskunde und die Entwicklung der Landesbeschreibung dargestellt werden.
Ihre Kenntnis scheint mir nicht nur für Pädagogen, sondern auch für Heimatforscher
und andere landeskundlich interessierte Personen wichtig zu sein.
Die Ortenau
(1988)
Die geographische, kulturelle und geschichtliche Verbundenheit des Elsaß mit
Baden manifestiert sich in der Gleichartigkeit der Mundarten rechts und links
des Rheins. Wenn Theodor Frings von der Korrespondenz der Dialektlandschaften
rechts und links des Rheins spricht (1926, S. 184 ), dann trifft dies
nicht nur auf den Nieder- und Mittelrhein, sondern auch auf den mittelbadischen
Oberrhein zu.
Seit etwa 30 Jahren haben in den westlichen Industrieländern Freizeitparks, d. h.
privatwirtschaftliche Anlagen mit verschiedenen Einrichtungen für Erholung und
Entspannung, eine wachsende Bedeutung gewonnen. Dennoch sind über diese
spezielle Freizeitangebotsform bislang nur wenige wissenschaftliche Arbeiten vorzufinden.
Auf diese Lücke, die u. a. von RUPPERT mit der Bemerkung
umrissen wurde, ,,Die Raumwirksamkeit privatwirtschaftlicher Unternehmen und
Organisationen (ist) von der Geographie noch keineswegs ausreichend erkannt" ,
zielte eine im Jahr 1983 durchgeführte Untersuchung über Einzugsgebiet und
Besucherstruktur des EUROPA-PARK in Rust/Baden.
Der befestigte Wohnsitz des Adels im Mittelalter, das also, was wir gemeinhin
mit dem Wort „Burg" zu bezeichnen pflegen, ist bis heute ein Phänomen geblieben,
das beachtliches und breites Interesse findet, das geradezu „populär"
ist - und das, obwohl die ursprünglichen Funktionen dieses Bautyps bereits
vor etwa fünf Jahrhunderten praktisch entfallen sind. Wenn sich seit dem
19. Jahrhundert der Typus des sogenannten „Burgenfreundes" entwickeln
konnte, also des Nicht-Wissenschaftlers, der aus seiner Begeisterung heraus
verschiedenartige Formen der Auseinandersetzung mit dem Objekt entwickelte,
so hat dies zweifellos vor allem mit jenen Burgen und Burgresten
zu tun, die man noch sehen und erfassen kann.
Grenzgänger, so will jedermann wissen, stellen auf dem Arbeitsmarkt eines
fremden Staates eine Manövriermasse dar, die man nach Belieben auf- oder
abbauen kann. Die Schwankungen in ihrem Zahlenbestand scheinen solche
Vorstellungen zu stützen: Anstieg in Boom-, Rückgang in Rezessionsphasen,
einmal hochwillkommen, dann wieder unbequeme Arbeitsplatzkonkurrenten.
Häufig wirft man den Grenzarbeitnehmern vor, daß sie ihre Arbeitskraft unter
dem orts- und branchenüblichen Niveau anbieten. Erhaltung von strukturschwachen
Wirtschaftszweigen kann die Folge sein, wo Änderungen dringend
notwendig wären.
Mit unserem Thema greifen wir eine Fragestellung auf, welche innerhalb
der geographischen Disziplin nur zaghaft angegangen worden ist. Wenn es
doch geschieht, so ist in den meisten Fällen die Berufung auf Alfred Hettners
Aussage symptomatisch: ,,Die Geographie der Religionen ist der
schwerste und heikelste Teil geographischer Betrachtung". Dem Religiösen in
seinem Bezug auf das Räumliche wird als wissenschaftliche Aufgabe mit einer
gewissen Scheu und methodischen Zurückhaltung begegnet, so, als wäre dieser
„heilige" Gegenstand einer nüchternen Betrachtung entzogen. Dabei verdiente
gerade die umfassende Realität des religiösen Lebens auf der Erde eine besondere
Anteilnahme und Bewußtmachung durch systematische Beobachtung
und interpretierende Denkarbeit.
Nahrung und Wohnung, Kleidung und Heizung, Lebenserwartung und
Krankheiten, Arbeits- und Urlaubszeit, Reisen und Kommunikation haben
sich in den vergangenen hundert Jahren nachhaltiger verändert als in den
tausend Jahren vorher. In Breite und Tiefe liefen die Veränderungen insgesamt
auf eine „Revolution" hinaus, eine Revolution auf leisen Sohlen allerdings;
von den Erlebenden häufig gar nicht wahrgenommen, werden die
Auswirkungen dem Historiker im Rückblick bewußt.
Wie weit wir früheren Generationen verpflichtet sind, ihrem Kampf gegen
die natürlichen Feinde des Menschen, ihrem Einsatz für humanere Lebensbedingungen,
zeigen Quellen, die das Streben von Institutionen und Menschen
brennpunktartig verdichten. Als eine solche Quelle sei hier vorgestellt und
ausgewertet das „Kreisverkündigungsblatt für den Kreis Freiburg. Amtliches
Verkündigungsblatt für die großherzoglichen Amts- und Amtsgerichtsbezirke
Breisach, Emmendingen, Ettenheim, Kenzingen, Staufen und Waldkirch.
Als Pfalzgraf Hugo von Tübingen nach den jahrelangen, erbittert geführten
Kämpfen 1168/70 seinen Anspruch auf das Bregenzer Erbe des Grafen
Rudolf von Pfullendorf durchsetzen konnte, machten die noch nachwirkenden
Kriegsschäden sowie die politische Situation eine Aufwertung von
Bregenz, das schon 802 als castrum genannt ist, notwendig, wollte sich
Bregenz als Zentrum der Grafschaft Bregenz gegenüber der zur gleichen Zeit
staufisch gewordenen Umgebung behaupten. Gerade der regelmäßige, rechteckige
Grundriß der Stadt deutet klar auf eine Neugründung im Bereich der
heutigen Oberstadt - also in Fortsetzung der Tradition der keltischen Ansiedlung,
des antiken Kastells und der frühmittelalterlichen Burgsiedlung - hin.
Wirtschaftliche Grundlage der jungen Stadt war vorerst die Landwirtschaft,
besonders der Weinbau.
Das spätmittelalterliche Scheibenkreuz-Flurdenkmal von Rudenberg bei Neustadt im Schwarzwald.
(1984)
Als Nimbus ist das Scheibenkreuz, der viergeteilte Kreis, ein Christussymbol
und in Anlehnung an das Christus-Wort im Johannesevangelium 8,12 „ich
bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis,
sondern wird das Licht des Lebens haben" damit zugleich ein Zeichen
für das von Christus ausgehende Licht und Leben. Einen Überblick zur Verbreitung
des in Stein gehauenen und in der Art einer Stele aufrecht stehenden
Scheibenkreuzes (französisch: stele discoidale, englisch: disk-headed cross)
vermittelt ein kürzlich erschienenes erstes Inventar. Im deutschsprachigen
Raum muß man die zahlreichen mittelalterlichen Scheibenkreuz-Flurdenkmale
in Südniedersachsen sowie die wenigen gleichartigen Male in Westfalen, Thüringen und Sachsens von den Scheibenkreuz-Grabsteinen in Hessen aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion voneinander trennen.
So ist unbestritten keine
Urkunde erhalten, die als Freiburger Gründungshandfeste der Zeit von 1120/ 1122 zu
bezeichnen wäre und die von einer zeitgenössischen Hand geschrieben wurde. Ebenso
ist der als Alte Handfeste bezeichnete Text nicht einmal in dieser Form kopial überliefert.
Vielmehr ist das, was als Freiburger Gründungsurkunde gilt, das Ergebnis einer
Rekonstruktionsarbeit, die von einem im Tennenbacher Urbar der ersten Hälfte des
14. Jahrhunderts überlieferten Freiburger Stadtrechtstext ausgeht. Diese Stadtrechtsaufzeichnung
enthält insgesamt 55 Rechtssätze, von denen die weitaus größte Zahl
mit Sicherheit nicht aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts stammen kann. Aus dieser
Textmasse heben sich aber einige Sätze ab - nämlich ein Prolog, ein Epilog, der allerdings
im Urbar am Ende des ganzen Stadtrechtstextes steht, und die Artikel 1 bis 6
-und zwar dadurch, daß im Prolog Konrad von Zähringen ohne Nennung des Herzogstitels
als Gründer von Freiburg und Aussteller eines Privilegs genannt wird, während
in den anderen genannten Sätzen der Urkundenaussteller in subjektiver Form stilisiert
ist. In den übrigen Teilen des Tennenbacher Textes wird der Stadtherr nur in objektiver
Form genannt.
Neben der Aufgabe, Fremdes dem eigenen Volk nahezubringen, es ihm vertraut
und liebenswert zu machen, hat Hugo von Hofmannsthal das Verjüngen und
Erneuern der eigenen Sprache als eine der wichtigsten Bestimmungen des Übersetzers
erkannt. Übersetzen nicht nur als ein Übertragen, sondern als ein Anregen,
Stimulieren zu Eigenem, - eine Funktion, die wohl für kaum einen Sprach- und
Literaturbereich von so gravierender Bedeutung gewesen ist wie für den der slavischen
Völker. Hier besonders ist die Orientierung am fremden Vorbild eine der
Quellen eigener schöpferischer Leistung gewesen. Dies gilt auch für die neuere russische
Literatur, deren Entstehung und Konstituierung ohne die Tätigkeit bedeutender
Übersetzer nicht zu denken ist. [...]
Als einer seiner bedeutendsten Repräsentanten
hat der Dichter und Übersetzer Vasilij Andreevic Zukovxkij zu gelten,
dessen Übersetzungen die russische Literatur zu Beginn des 19. Jahrhunderts
wesentlich bereichert haben[...]
Obwohl sich Zukovskij, wie seine Übersetzungen zeigen, über einen recht langen
Zeitraum hinweg mit Hebel beschäftigt hat, fehlen Belege dafür, wann und auf
welche Weise er mit dessen Werk bekannt geworden ist. Mehrere Möglichkeiten
sind zu berücksichtigen: So ist es sehr wahrscheinlich, daß ihm die Dichtungen
Hebels während eines von 1815 -1817 währenden Aufenthaltes in Dorpat nahegebracht
worden sind. Zukovskij hat dort viel bei aus Süddeutschland stammenden
Familien verkehrt und könnte durch diese auf die Allemannischen Gedichte aufmerksam
gemacht worden sein.
Die Adelhauser Urbare stammen aus dem Oberrheingebiet, aus dem bemerkenswert
viele Urbare erhalten sind. Anders als die Germanisten haben die Historiker
noch kaum mit der systematischen Aufarbeitung und Auswertung der umfangreichen
und vielseitigen Urbarbestände des südwestdeutschen Sprachraumes begonnen.
Die meisten mittelalterlichen Grundherrschaften hatten Grundbesitz an einer Vielzahl
von Orten. Sollte solcher Streubesitz vor Entfremdung geschützt werden, so
bot sich die Anlage von Güterverzeichnissen an. Da zahlreiche Orte in mehreren
Urbaren erwähnt werden, wäre es reizvoll, bei der Auswertung oberrheinischer
Urbare von den einzelnen Orten auszugehen: Mehrere Urbare werden danach
befragt, welche Besitztümer, welche darauf ruhenden Rechte und Pflichten an
einem Ort bestanden. Eine derartige, vom einzelnen Ort auf die Region sich aus weitende Untersuchung könnte vielleicht sogar quantitative Daten zur Bevölkerungsgeschichte
liefern. Derartige Analysen stoßen sonst für das Mittelalter infolge
der ungünstigen Quellenlage auf kaum zu überwindende Schwierigkeiten.
Trotz der angedeuteten Vorteile einer auf wenige Orte beschränkten Untersuchung
der Urbare verschiedener Grundherrschaften, sollen in diesem Beitrag zwei
Urbare als ganze in den Mittelpunkt gestellt werden.
Der Landschaftsname Allgäu
(1976)
Der Landschaftsname Allgäu ist durch die neue Regionaleinteilung des Landes
Bayern nunmehr auch ein Begriff der politischen Verwaltung geworden: Es
gibt eine Region Allgäu und drei Landkreise, die seinen Namen tragen: Oberallgäu,
Unterallgäu und Ostallgäu. Damit scheinen die Grenzen dieser Landschaft
fest geworden zu sein, und auch für den Außenstehenden stellt es keine
Schwierigkeit mehr dar, den Umfang dessen, was mit Allgäu bezeichnet wird,
zu bestimmen. Das Allgäu ist eine fest umrissene, juristisch zu definierende
Größe geworden, es ist in geographischer Terminologie zum „Land" geworden.
Als „Landschaft" aber scheint das Allgäu heute noch die gleichen Probleme
zu bieten wie vor bald 40 Jahren, wo die Abgrenzungsschwierigkeiten sich in
Termini wie „unbestimmtes, quellbares Ganzes" und „Wechselbalg" ausdrückten.
Das belehrende und unterhaltende Anliegen spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher
Werke der Literatur bedingte deren Anlage auf Stoffülle, die bis zum
enzyklopädischen Anspruch gehen konnte. So ist etwa Heinrich Wittenwilers
„Ring", dessen Verständnis uns Bruno Boesch wieder erschlossen hat, schon von
seinem Titel her dahin bestimmt, daß das Werk „ze ring umb uns beschait der
welte lauf und lert auch wol was man tuon und lassen schol". Ganz ähnlich
versteht Johannes Pauli sein um mehr als ein Jahrhundert später verfaßtes
Schwankbuch „Schimpf und Ernst", indem er ebenfalls im Titel anzeigt: ,,durchlauft
es der welt handlung mit ernstlichen und kurzweiligen exempeln, parabeln
und historien nützlich und gut zur besserung der menschen". Dieses Programm
einer Erfassung und Beeinflussung menschlichen Lebens umfaßt auch jene Bereiche,
die durch die verbindliche Normativität des Rechts geordnet sind. Gerade
Konfliktsituationen, wie sie das Recht zu lösen hat, erweisen sich immer wieder als geeignetes Material für eine literarische Bearbeitung. Diese Erkenntnis hat die
rechtshistorische Forschung schon seit geraumer Zeit bewogen, auch das nicht spezifisch
rechtlich ausgerichtete Schrifttum auf seine Ergiebigkeit für die rechtsgeschichtliche
Kenntnisgewinnung hin zu prüfen.
Das Lateinische als abendländische Bildungssprache schlechthin, ist von
den Vulgärsprachen erst in einem langwierigen und auch heute noch nicht völlig
abgeschlossenen Prozeß ersetzt worden. Dieser Ablösungs- und Emanzipationsprozeß
lief im romanischen Sprach- und Kulturkreis anders als im germanischen
und slavischen ab, differierte fernerhin je nach Textsorte und Verwendungszusammenhang,
nach Raum und Zeit. Aus dieser skizzierten überaus komplexen
Sachlage ergeben sich einige allgemeine methodische Konsequenzen für die künftige
Arbeit. Ausgangspunkt wird zunächst eine allgemeine Darstellung der Theorie
der lingua vulgaris im Mittelalter sein müssen, wobei die Lehre von den drei
Sakralsprachen im Mittelpunkt zu stehen hat. Einschlägige Zeugnisse sind bisher
lediglich für die Karolingerzeit gesammelt und ausgewertet. Für die Folgezeit
liegen keine systematischen Untersuchungen vor. Auf diesem Hintergrund
haben die Einzelphilologien - in Zusammenarbeit mit den historischen Disziplinen
- empirische Untersuchungen durchzuführen, die wegen der Materialfülle
nur durch strenge Begrenzung des Objektrahmens förderlich sein können.
Drei Wiborada-Handschriften
(1976)
„Sie pflegte auch einigen sehr ehrwürdigen Vätern in diesem Kloster zur
Umhüllung der Bände der heiligen Bücher mit eigenen Händen schöne Tücher
zu weben "- auf so kunstvolle und persönliche Art trat die junge, vornehme
und fromme Wiberat um die Wende vom IX. zum X. Jahrhundert in Verbindung
mit dem Kloster St. Gallen, bei dem sie am 1. Mai 926 als Rekluse und
Martyrin des Ungarneinfalls gestorben ist. Bücher sind ihr teuer gewesen und
in Büchern lebte ihr Andenken fort und verbreitete sich weit über St. Gallen
hinaus in Schwabens Klosterlandschaft, während der Wiboradakult nur in bescheidenem
Maß an der Stelle gepflegt wurde, wo sie zuletzt inkludiert war,
und wo fast das ganze Mittelalter hindurch in ihrer Nachfolge Reklusen
lebten: auf dem Hügel der Magnus-Kirche unweit des Stifts, jetzt einem
Teil der Altstadt von St. Gallen.
Architektonische Konzeption und bildnerischer Schmuck zeichnen den Rottweiler
Kapellenturm als „einen der schönsten gotischen Türme von Prag bis Paris" aus.
Sein kunstgeschichtlicher Rang ist so hoch, daß die Forschung von einem eigenen
Rottweiler Stil sprechen konnte, welcher während der Entstehungszeit des Turmes
entwickelt wurde und nach Augsburg, Schwäbisch Gmünd und Esslingen und
über die Grenzen der Kunstlandschaft Schwaben hinaus weiterwirkte.