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Beziehungen zwischen Städten und Landschaften gestalten sich auf mannigfacher
Grundlage und nach verschiedenen Richtungen hin. Sicherlich ist
dabei die Tatsache der Entfernung oder der Nachbarschaft von besonderer
Bedeutung. Auch die Sprach- und Stammeszugehörigkeit bildet eine natürliche
Voraussetzung zur Gestaltung besonders enger Verhältnisse. In manchen
Fällen aber sind jene Grundlagen maßgeblich beteiligt, die mit Willensäußerungen
oder Zufälligkeiten verknüpft sind. Vor allem aber bieten Geist und
Religion, wie die Erfahrung zur Genüge lehrt, den sichersten Boden, auf dem
enge Beziehungen aufgebaut werden können. Beziehungen zwischen den eingangs
erwähnten Partnern finden sich äußerst zahlreiche, in allen möglichen
Färbungen und Schattierungen. Im folgenden sollen einige unter ihnen einer
näheren Darlegung gewürdigt werden. Es wird sich daraus die aufschlußreiche
Tatsache ergeben, daß Solothurn in vorzüglicher Weise den empfangenden
Teil darstellt. Man möchte gerne versucht sein, dies dem Umstande zuzuschreiben,
daß Solothurn unter den beiden Städten doch von jeher nur als
Städtchen gelten konnte. Mag dies auch zutreffen, so war es doch in seiner
politischen Stellung ein recht ansehnlicher Ort - in eidgenössischen Belangen
und als Vermittler mächtigen französischen Einflusses. Es waren aber zu
Solothurn weder das Gewerbe und Handwerk so gut entwickelt, daß es eine
besondere Anziehungskraft ausgestrahlt, noch bildete sich hier ein solches
geistiges Zentrum, daß es fremde in seinen Bann gezogen hätte.
Die gewaltigen Walmdachhäuser des zentralen schweizerischen Mittellandes
gehören zu den auffälligen und schon früh beachteten bäuerlichen Hausbauten unseres Landes. Verschiedene Merkmale trugen ihnen die bisherigen
Bezeichnungen ein: die äußere Erscheinung ergab den Begriff »Dachhaus
«, das Deckungsmaterial »Strohdachhaus«, »Strohhaus« , eine irrtümlich
angenommene Stammesabhängigkeit »alemannisches Haus«, die wirtschaftlichen
Funktionen den Ausdruck »Ackerbauernhaus«.
Ohne diese Begriffe weiter zu diskutieren, möchten wir versuchen, diese Häuser
in ihrer Hauptkonstruktion abzuklären und so dazu beitragen, das Wesen
des Baues bekanntzumachen. Wir stützen uns vorwiegend auf eingehende technische Unterlagen (vor allem bisher unveröffentlichte Planaufnahmen im »Archiv für Bauernhausforschung« in Basel) und ziehen die bisherige Literatur
in ergänzendem Sinne bei.
Die erste schriftliche Erwähnung des Kanderner Eisens finden wir im
Codex Laureshamensis, also im Verzeichnis der Schenkungen an das
nahe der Bergstraße gelegene Kloster Lorsch. 776 geben Lantsuint und seine
Söhne Richbertus und Zenzo diesem Kloster Wiesen und Ackerfeld »in
Cancer«, womit Kandern gemeint ist. In weiteren Schenkungen in den Jahren
778, 786 und 790 wird der Ort »in pago Brisgowe in villa Cantara« genannt.
Dazu tritt ein Eintrag in den Hubenlisten Nr. 3657, der für unsere Untersuchung
wichtiger ist. Er lautet: »De villa que dicitur Cantero. In Cantero est
huba I que solvit de ferro IV solidos valens«. Das Eisen in Kandern ist also
bekannt. Ob schon die Kelten hier Bergbau trieben, ob die Römer hier einen
Teil ihres Eisenbedarfs zu decken suchten, wird kaum mit Sicherheit bewiesen
werden können.
Der schweizerische Kanton Freiburg ist aus einer Stadt hervorgegangen, die
mit der Stadt Freiburg im Breisgau durch mancherlei geschichtliche Beziehungen
verbunden ist. Beide verdanken dem gleichen Fürstengeschlecht Entstehung
und Stadtrecht. Sie gehören zur gleichen Städtefamilie und tragen den
gleichen Namen. Beide sind Bischofsstädte, beide sind stolz auf ihre Hochschule,
hier auf eine altehrwürdige, dort auf eine junge. Früh jedoch sind beide Städte
in ihrer Entwicklung eigene Wege gegangen, so daß sie heute nicht mehr viel
Gemeinsames haben. Durch nichts unterscheidet sich Freiburg im Üchtland
mehr von Freiburg im Breisgau - wie übrigens von allen andern Städten
namens Freiburg (Freiburg in Lothringen, Freiburg an der Unstrut in Thüringen,
Freiburg an der Polsnitz in Schlesien und Freiburg nahe der Elbemündung)
- als durch die eigenartigen Sprachverhältnisse, die manchem fremd und
sonderbar erscheinen mögen. Ähnlich wie das Verhalten eines Menschen durch
sein Erbgut und seine Umwelt weitgehend begreiflich erscheint, werden diese
Eigentümlichkeiten erst aus der Geschichte dieses Staatswesens, eines Schweizer
Kantons, verständlich. Wir müssen deshalb zu den gemeinsamen Anfängen
hinabsteigen und diesem Bericht eine kurze geschichtliche Einführung vorausschicken.
Wer heutigentags von Besancon aus das malerische Tal des Doubs hinauffährt
und dann bei Voujeaucourt den Fluß verläßt, um in das flache
Mömpelgarder Hügelland einzubiegen, wird rasch gewahr, daß sich nicht nur
die natürliche Landschaft ändert. Auch die Kulturlandschaft zeigt fast unvermittelt
ein anderes Gesicht. Wenn eben in Burgund noch altertümliche Städtchen,
stille Dörfer, zerfallende Burgruinen den Weg säumten, so drängen sich
jetzt die größer gewordenen Siedlungen dicht an dicht. Kaum kann man zuweilen
unterscheiden, wo die eine endet, die andere beginnt. [...] Das Mömpelgarder Land ist im Lauf der letzten hundert Jahre einer der bedeutendsten
Industriebezirke Ostfrankreichs geworden. Inmitten all des
Neuen, vielfach rasch und unorganisch Gewachsenen, unter der Masse der von
auswärts zugezogenen Arbeiterbevölkerung, fällt es heute nicht leicht, die
geschichtliche Eigenart dieser Landschaft und ihrer eingesessenen Bewohner
aufzuspüren.
Wenn man vom Wirken der Zähringer im Gebiet der heutigen Schweiz
spricht, so denkt man in erster Linie an die beiden Gründungsstädte
Freiburg und Bern, die später zu politischer Bedeutung heranwuchsen und Mittelpunkte
von Territorialstaaten geworden sind. Dabei übersieht man leicht die
Rolle, welche die Zähringer in der östlichen Schweiz im voralpinen Raum gespielt
haben. Man beachtete sie deshalb zu wenig, weil sie nicht in Stadtgründungen
ohne weiteres in die Augen springt; sie ist unauffälliger und muß
weitgehend erst indirekt erschlossen werden. Es ist indes von größter Bedeutung,
daß wir im westlichen, burgundischen Raum festere Anhaltspunkte besitzen
und vor allem auch, wie in Freiburg im Breisgau, die städtegründerische
Tätigkeit deutlicher fassen können. Gerade von hier aus fällt Licht auf ihre
Wirksamkeit in Zürich, die man bis in neueste Zeit sehr stark unterschätzt
hat, weil man glaubte, die Zähringer hätten neben den Grafen von Lenzburg
keine eigentlichen Reichsvogtrechte ausüben können.
Im Jahre 1886 erschien zur fünften Säkularfeier der Schlacht bei Sempach
ein umfangreiches Werk, das im Auftrage der Luzerner Regierung der Staatsarchivar Theodor von Liebenau herausbrachte. Das umfangreiche Werk
schildert vorerst knapp auf 97 Seiten die Schlacht, die sich am 9. Juli 1386
ob Sempach abspielte. Was aber den Wert dieser Arbeit ausmacht, das sind
die über 200 edierten Chronikstellen und Annalen, die über die Schlacht und
vor allem über die Gefallenen Aufschluß geben. Darauf folgen 70 einschlägige
Stellen aus Jahrzeitbüchern, 20 Lieder und Gedichte zur Schlacht und noch
eine große Menge weiterer wichtiger Materialien. P. X. WEBER hat 1936 eine
Bibliographie der Literatur über die Sempacher Schlacht mit hunderten von
Titeln zusammengestellt. Mir ist keine Schlacht des Mittelalters bekannt, die
ein so umfangreiches und maßgebliches Material zu Tage gefördert hätte.
Aus einer zähen Überlieferung an Ort und Stelle, aus chronikalischen und
urkundlichen Nachrichten des Mittelalters über den Bergbau im Kinzigtal
und seiner weiteren Umgebung hat sich die landesgeschichtliche Literatur des
18. und frühen 19. Jahrhunderts die Meinung gebildet, daß sich in dem
kleinen Tal des Prinzbaches, einem linksseitigen Zufluß der Kinzig, im Mittelalter
eine reiche Bergstadt befunden habe. Davon berichten 1766 REINHARD, 1816 KOLB. Wahrheit und Dichtung gehen wie in den meisten historischen
Darstellungen jener Zeit dabei bunt durcheinander. [...] Solche handgreiflichen Irrtümer und Obertreibungen
haben der Überlieferung vom Bestand einer Stadt Prinzbach in den Augen einer kritischen historischen Forschung der Folgezeit ebenfalls jede
Glaubwürdigkeit entzogen.
In großen Zügen ist der Gang der alemannischen Besiedlung der Nordostschweiz
aus der bereits bestehenden Literatur bekannt. Wenn daher versucht
werden soll, im Folgenden diesen Vorgang nochmals zu schildern, hat
dies verschiedene Gründe.
Zusammen mit der Verarbeitung der vorhandenen Literatur möchten wir
von der geographischen Seite her und unter Berücksichtigung der geographischen
Faktoren zur Lösung der zahlreichen Probleme beitragen, die sich in
einer alten Kulturlandschaft ergeben. Das Studium der Entwicklung der
Kulturfandschaft ist eine der vornehmsten Aufgaben der Geographie. Sie hat
sich dabei auf die Ergebnisse zahlreicher Spezialgebiete zu stützen, die sehr
oft unsicher sind und sich noch häufiger widersprechen. Gleichzeitig wird eine Übersicht über den heutigen Stand der Kenntnisse möglich sein. Andererseits
sind wir uns bewußt, daß auch unsere Darlegungen nicht vollständig sein
können und wohl auch in einzelnen Punkten Widerspruch finden werden.
Wenn aber dadurch die Problematik des alemannischen Siedlungsvorganges
neu ins Blickfeld gerückt wird oder gar Nachbarwissenschaften angeregt
werden, die Verhältnisse genauer abzuklären, ist bereits viel gewonnen.
1. Im Jahre 774 schenkte Karl der Große seinem Hofkaplan F ulrad
von St. Denis aus dem königlichen Fiskus Kinzheim eine große Waldmark in den Vogesen zu beiden Seiten des Lebertals, und zwar
für die von Fulrad „in sua proprietate ... infra finis Audaldovillare" gegründete cella Fulradovillare; entsprechend der
Waldnatur der Schenkung sind Fisch- und Vogelfang und Weiderecht die
besonders herausgestellten Nutzungsrechte. [...] In der Folgezeit erscheint die Schenkung Karls stets im Besitz von
Leberau und dann in dem des Herzogs von Lothringen, nachdem dieser
die Klostervogtei über Leberau gewonnen hatte. Die Cella St. Pilt wird
zum Anhängsel von Leberau und war wohl zeitweise in dieses inkorporiert.
Jedenfalls ist so St. Pilt, nicht aber Orschweiler, auf dessen Bann es bis ins
18. Jh. lag, mit dem Herzogtum Lothringen vereint gewesen, obwohl es
nicht im Bereich der Schenkung von 774 errichtet worden war.