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Maskenstickerei
(2023)
Auf dem Titelbild des letzten GHV-Jahrbuchs waren die Masken abgebildet, die einst den schweren, roten Vorhang des Theaters am Ring schmückten. Wir wissen, dass diese Artefakte, die Komödie und Tragödie symbolisieren, auf der Grundlage einer zeichnerischen Vorlage des Villinger Kunstmalers Richard Ackermann als Kunststickerei entstanden, die in ihrer filigranen Ausführung Generationen von Theater- und Kinobesucher(innen) in ihren Bann zog, bevor der sie tragende Vorhang sich öffnete und die Vorstellung beginnen konnte.
Textilindustrie in Villingen
(2020)
Die wichtigsten Weichen für die prosperierende Industrie im deutschen Südwesten wurden Mitte des 19. Jahrhunderts gestellt. Im Vergleich zu Württemberg lag das Großherzogtum am Oberrhein beim Übergang von der Manufaktur zur Fabrik eine Nasenspitze vorn. Etwa bei der Textilindustrie: Die erste deutsche mechanische Baumwollspinnerei entstand 1809 in St. Blasien im Schwarzwald. Die entscheidenden Schritte im Prozess der industriellen Revolution gelangen durch den Import von Maschinen (Dampfkraft, mechanische Webstühle) aus England, dem „Mutterland der Industrialisierung", unter privatwirtschaftlichen kapitalistischen Bedingungen. Die Textilindustrie kam bald auch im Wiesental auf volle Touren. Das Schwarzwaldtal zwischen Lörrach und Todtnau war neben dem Ruhrgebiet eine der ersten großen Industrieregionen. 1850 liefen in Baden 110, in Württemberg 52 Textilfabriken. Die Nähe zur Schweiz war von Vorteil, viele Investoren Südbadens stammten aus der Eidgenossenschaft.
Irgendwann, vermutlich Anfang des vergangenen Jahrhunderts, entstanden an den Innenwänden von Villinger Gasthäusern Wandmalereien, deren Anzahl, Orte und Darstellungen allgemein nicht bekannt und nur durch Vermutungen unterlegt sind. Von einem Ort, nämlich dem Gasthaus „Schwert“ in der Färberstraße, sind – durch Zufall – solche Malereien bekannt
geworden. Mit dem folgenden Fundbericht sollen die Umstände deren Entdeckung geschildert werden und im Weiteren die damit zusammenhängenden offenen Fragen dokumentiert werden.
Pestflucht nach Villingen
(2022)
Das Stadtarchiv Villingen brachte im Jahr 1986 den Sonderdruck „Die Pestflucht der Universität Freiburg nach Villingen“ heraus, dessen Text eine gekürzte Fassung der wissenschaftlichen Arbeit von Richard Faller ist. In den Vorbemerkungen zum Sonderdruck erläutert der Herausgeber, Stadtarchivar Josef Fuchs, das für den Titel gewählte Bild mit dem Hinweis auf „den Erbauer des zweiten Kachelofens für den Villinger Ratssaal, Johann Glatz aus Villingen, der 1894/95 die Scene auf der Ofenkachel geformt“ hat. Diese Szene ist untertitelt mit „ERZH[ERZOG] ALBRECHT VI. VERHANDELT ZU VILLG.
MIT MATTHÄUS HUMMEL V HIER ÜBER DIE GRÜNDUNG EINER UNIVERSITÄT Z. FREIBURG I.B. 1455 JUNI.“
Konstanz "Am Gries"
(2001)
Ausgangspunkt der folgenden Studie war eine archäologische Untersuchung auf
einem etwa 2 600 m2 großen Areal, das von der Dammgasse, der Sigismundstraße und der Raueneckgasse umgeben ist. Nach einer Sondierung 1991 erfolgte eine einjährige Grabung in den Jahren 1995 und 1996. Sie ging einer Neubebauung des Quartiers voraus, bei der durch eine Tiefgarage die archäologischen
Kulturdenkmäler vollständig vernichtet wurden. Die dort erzielten Ergebnisse erbrachten erstaunliche Neuigkeiten zur frühen Geschichte der Stadt Konstanz, insbesondere zur Wirtschaftsgeschichte und zur Sozialtopographie, die in diesem in
der Neuzeit eher abgelegenen Quartier nicht zu erwarten waren. Es erschien daher sinnvoll, zusätzlich die Schriftquellen zu sichten, dann die jeweiligen Daten abzugleichen und zu überprüfen, um so auf gemeinsamer Quellenbasis ein Maximum an Informationen zu erreichen. Ziel der folgenden interdisziplinären Studie
ist es, einen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung des Quartiers von den Anfängen bis ins späte 19. Jahrhundert zu liefern. Um 1900 setzte eine intensive
Neubebauung ein, die ältere Strukturen weitgehend ignorierte und damit den bis
dahin in der Parzelleneinteilung festgehaltenen historischen Überlieferungsstrang
abtrennte.
Sein Name klingt ziemlich altertümlich, sein
Aussehen ist es nicht: der schnittige Teil des
„Gutleuthaus“ in der Villinger Gerwigstraße 6 ist
erst zweieinhalb Jahre alt (Abb. 1), und der Rest als
umfangreich sanierter Nachkriegsbau des einstigen
„Maison de France“ auch nur ein paar Jahrzehnte
älter. Das, was im Villinger Gutleuthaus aktuell
getan wird, ist als Handlung aber durchaus als uralt
zu bezeichnen: Der Caritasverband für den
Schwarzwald-Baar-Kreis mit seinen inzwischen
350 haupt- und noch einmal so vielen ehrenamtlichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat dort
seinen zentralen Sitz und er versucht, sogar schriftlich
definiert in seinem Leitbild, als katholischer
Wohlfahrtsverband das umzusetzen, was ein wohltätiger
Nazarener vor 2.000 Jahren mit Herz und
Hand predigte und konkret vorlebte.
Im Frühjahr 2013 ist sie nun immerhin schon
wieder drei Jahre in der Neckarstadt: die Hellmut-Kienzle-Sammlung, eine der wertvollsten Uhrensammlungen, die es in Deutschland gibt. Anfänglich war eine große Begeisterung zu spüren und viele
einheimische und auswärtige Besucher drängten
sich in das Schwenninger Heimat- und Uhrenmuseum (Abb. 1), um die vielen zum Teil spektakulären
Zeitmesser aus fast fünf Jahrhunderten zu
sehen. Immerhin war lange unklar, ob die
Sammlung in Landesbesitz überhaupt jemals wieder
nach Schwenningen kommen würde. Inzwischen sind die Besucherströme merklich zurückgegangen.
Konstant blieb hingegen die Qualität der
Exponate.
Wer in das mittlere Elztal kommt, dem fällt
in Bleibach das weithin sichtbare ziegelrote
Dach der im Jahre 1975 erweiterten und umgebauten
St. Georgskirche auf. An dieses Gotteshaus
lehnt sich die Beinhauskapelle an, die der
Pfarrvikar Martin Schill neben der im Jahre
1514 fertig gestellten spätgotischen Kirche
bauen ließ. Diese war vom Friedhof umgeben,
der seinerseits von einer Mauer umgeben war,
von der heute noch Teile erhalten sind.
Nach zwei Jahrhunderten war der Gottesacker
zu klein geworden.
Zwischen St. Gallen und Freiburg im Breisgau gab es im Laufe der Geschichte und gibt es heute noch verschiedenartige und enge Beziehungen. Zuletzt sei an die Ausstellung „Freiburg baroque“ im Augustinermuseum über den Barockkünstler Johann Christian Wentzinger (1710–1797) im Winter 2010/11 erinnert. Diese Ausstellung konnte danach auch in St. Gallen gezeigt werden. Denn Wentzingers Hauptwerk war die Stiftskirche und heutige Kathedrale von St. Gallen. Im Dienste der St. Galler Fürstäbte verdiente Wentzinger so viel Geld, dass er, als er sich zur Ruhe setzte, damit am Münsterplatz in Freiburg ein prächtiges Privatpalais errichten konnte. Die Beziehungen des Gallusklosters zum Breisgau reichen aber sehr viel weiter zurück, bis in die Anfangszeit der Abtei, als es Freiburg noch lange nicht gab: Das Stichwort ist das Weindorf Ebringen vor den Toren der Stadt. In einer der allerfrühesten überlieferten Urkunden erhielt das Kloster St. Gallen zwischen 716 und 721 Weingüter in Ebringen geschenkt („in Eberingen unum iuchum de vinea“), angeblich aus dem Erbgut des Gründerabtes, des heiligen Otmar (719–759). Diese Urkunde ist die älteste Erwähnung von Weinbau im Markgräfler Land und überhaupt die früheste Erwähnung eines breisgauischen Ortes in einer Urkunde. Damit beginnt eine die Jahrhunderte überdauernde Verbindung St. Gallens zu Ebringen. Hier befanden sich der Verwaltungsmittelpunkt des ausgedehnten Güterbesitzes der Abtei im Breisgau und der Sitz einer Propstei; davon zeugen heute noch das herrschaftliche Schloss und die Pfarrkirche St. Gallus. Hier wirkten St. Galler Mönche als geistliche Statthalter und Pfarrer. Hierher wurden auch zeitweilig unbotmäßige Mönche ins Exil geschickt. So geschehen am Ausgang des 18. Jahrhunderts mit mehreren oppositionellen Mönchen. Unter den Strafversetzten befand sich damals nicht nur der künftige – und letzte – St. Galler Fürstabt Pankraz Vorster (1753–1829, Abt 1796–1805), sondern auch Pater Ildefons von Arx (1753–1833). Dieser war im Exil nicht untätig, er verfasste 1792 die erste „Geschichte der Herrschaft Ebringen“. Später wurde er Stiftsbibliothekar von St. Gallen.
Der Hockey-Club Lahr e. V.
(2016)
Oft wird gefragt wie es dazu gekommen ist, dass schon so viele Jahre in einer kleinen Stadt im Süden der Bundesrepublik eine Randsportart wie Hockey gespielt wird. Dazu ein Rückblick in die Geschichte: 1914 kam Dr. Rudolf Strasser (1874-1954) als Mathematikprofessor an das heutige Scheffel-Gymnasium nach Lahr. Er hatte 1900 den Hockeysport an einer Oberrealschule in Heidelberg eingeführt und war am 15. April 1909 Mitbegründer des Hockey-Club Heidelberg. Ob ab 1914 an dem Gymnasium schon Hockey gespielt wurde, kann nicht belegt werden. Gesichert ist aber, dass während des Ersten Weltkriegs englische Offiziere, die als Kriegsgefangene in der ehemaligen Luisenschule interniert waren, den Hockeysport auf der Stadtparkwiese ausgeübt haben. Lahrer Gymnasiasten haben dies gesehen, haben sich mit den Militärs angefreundet und durften auch einmal einen Schläger in die Hand nehmen. Nach Kriegsende überließen die Engländer den Pennälern die Hockeyutensilien wie Schläger, Tore, Bälle und Torwartausrüstung. Lahrer Sportler, die aus dem Krieg zurückkamen und vor dem Krieg schon irgendwo Hockey kennen
gelernt hatten, und Gymnasiasten nahmen 1919 das Hockeyspiel auf dem Sportplatz bei der Dammenmühle auf und gründeten im Februar 1920 die Hockeyabteilung des Lahrer Fußballvereins. Zumindest ab jetzt nahm sich Professor Dr. Strasser bis zu seiner Versetzung nach Freiburg im Jahr 1924 des Hockeysports an seiner Schule an. Innerhalb der „Sportvereinigung Gymnasium Lahr“ gab es dauernd eine Hockeyschülermannschaft.
Grund genug zum Feiern
(2006)
,,Historische Vereine haben also, wenn sie sich ihres alten Berufes und Rufes bewusst sind, wenn sie weiter in das Ganze unserer Gesellschaft hineinwirken wollen, wenn sie sich verantwortlich für die Erhaltung unseres Erbes fühlen, nicht nur
kulturell bewahrende, sondern eine eminent erzieherische, im allgemeinsten Sinn eine aktuelle politische Aufgabe." Der diesen Satz 1966 geschrieben hat, wusste wovon er sprach. Karl Bosl, mein verehrter akademischer Lehrer, war nicht nur ein hervorragender Historiker, sondern auch über 15 Jahre Vorsitzender des Verbandes bayerischer Geschichtsvereine.
Flora, Vegetation und Fauna (speziell die Avifauna) des Naturschutzgebietes „Silberweidenwald Steinmauern“ bei Rastatt (Oberrheinebene, Baden-Württemberg) werden kurz dargestellt. Das Gebiet mit einer Größe von ca. 69 ha stellt ein Auengebiet am Rhein mit regelmäßiger periodischer Überflutung und Trockenfallen der Standorte im Spätjahr dar. Prägende Waldgesellschaften sind Silberweiden-Wälder und Eichen-Ulmen-Wälder. Ein großes Altwasser durchzieht das Gebiet;
ab September wird es meist von ausgedehnten offenen Schlammflächen gesäumt, auf denen sich kurzlebige
Pioniergesellschaften (z.B. das Cypero-Limoselletum aquaticae) einstellen. Die artenreiche Vogelwelt zeichnet sich durch hohe Siedlungsdichte einzelner Arten aus. Die offenen Schlammflächen haben im Herbst eine besondere Bedeutung für den Vogelzug. Rund 30 Libellenarten wurden im Gebiet nachgewiesen.
Die Riesen-Wollbiene (Anthidium septemspinosum)
wurde aktuell an 16 Fundorten in der Oberrheinebene
zwischen Munchhausen und Erstein gefunden. Die Art
besiedelt hier Feuchtwiesen und trockene Kiesflächen,
oftmals angrenzend an wechselfeuchtes Grünland und
Grünland angrenzend an eine Siedlung. Die Hauptflug- und Beobachtungszeit der Art liegt Anfang Juli bis Mitte
August etwa zur Blütezeit des Weidenblättrigen Alants
(Inula salicina). Aufgrund des anhaltenden Rückgangs
geeigneter Lebensräume und des kleinen und isolierten besiedelten Areals halten wir die Art für hochgradig bedroht. Auf die große und auffällige Wildbiene
sollte bei dem Besuch von Feuchtwiesen besonders
geachtet werden.
Hochmontane bis subalpine Lebensräume prägen das
Frankenthal als Teil des Réserve Naturelle Nationale
Frankenthal-Missheimle (Dep. Haut-Rhin, Frankreich).
Auf 40 ha Fläche wurden 2011 und 2012 insgesamt
187 Schwebfliegenarten und damit 84 % der aktuell
aus den Vogesen bekannten Arten nachgewiesen, wobei für zehn Arten der derzeitige Artstatus klärungsbedürftig ist.
Der Methodenvergleich von Malaise-Fallen und selektiven Handfängen zeigt, dass die Kombination beider
Methoden zur Gesamterfassung einen wesentlichen
Beitrag geleistet hat. Der zusätzliche Einsatz von Malaise-Fallen ist in potenziell sehr artenreichen Gebieten
fachlich sinnvoll.
In der vorliegenden Untersuchung werden 158 Arten aus den Vogesen dokumentiert, davon 156 im Département Haut-Rhin. Die seltenen Arten Spilomyia manicata und Platycheirus perpallidus wurden nur im Département Vosges nachgewiesen. Hammerschmidtia ferruginea wurde wie viele andere äußerst seltene Arten erstmals in den Vogesen gefunden, Platycheirus transfugus war bisher nicht aus Frankreich bekannt. Viele an bestimmte Pfanzenarten gebundene phytophage Arten der Gattung Cheilosia und Merodon entwickeln sich in den untersuchten Lebensräumen. Als Glazialrelikte und nur in höheren Lagen vorkommend wurden Arctophila bombiformis, Cheilosia faucis, Cheilosia himantopus, Cheilosia rhynchops, Eristalis jugorum, Eristalis rupium, Sphaerophoria bankowskae und Xylota jakutorum gefunden. In den Vogesen kommt im Gegensatz zum Schwarzwald Merodon favus als westeuropäische und an Wilde Narzisse (Narcissus pseudonarcissus) gebundene Art vor, xerothermophile Arten wie Merodon avidus und Merodon nigritarsis sind teils häufig. Die Ergebnisse ergänzen die bisherigen Kenntnisse der Artenvielfalt der Schwebfliegen in den Vogesen.
Die Lösslandschaft des Kaiserstuhls ist geprägt von
Terrassen und Böschungen. Die vorliegende Untersuchung versucht, anhand der Kulturgeschichte die Anfänge der Terrassierung zu klären. Diese reichen wahrscheinlich in die fränkische Zeit zurück, markiert durch
die erstmalige urkundliche Erwähnung des Weinbaus
im Jahr 769 n. Chr. Mit Hilfe des digitalen Geländemodells konnte berechnet werden, dass rund 322 ha historische Terrassen heute mit Wald und rund 29 ha mit
Magerrasen bewachsen sind. Die Terrassenlandschaft
war früher wesentlich ausgedehnter als heute, wenngleich rund 73 % aller heute bewaldeten Terrassen
überwiegend auf klimatisch begünstigten, südlichen
und westlichen Hanglagen angelegt wurden. Anhand
der kulturgeschichtlichen Daten und dem Alter der
Bäume konnte gezeigt werden, dass die Nutzungsaufgabe und Wiederbewaldung mit verschiedenen Kriegsereignissen und dem daraus abgeleiteten Mangel an
Arbeitskräften zusammenhängen dürfte.
Auf den Terrassen hat sich ein Wald entwickelt, in
dem 16 Baumarten erfasst werden konnten. Die Rotbuche dominiert die Bestände. Neben der Robinie sind
Esche und Bergahorn besonders häufig, welche auch
die meisten Exemplare mit großem Brusthöhendurchmesser stellen. Nach einem zu erwartenden starken
Rückgang der Esche durch das Eschentriebsterben ist
künftig mit einer weiteren Zunahme der Rotbuche zu
rechnen. Der Kaiserstuhl ist ein herausragendes Beispiel für eine terrassierte Kulturlandschaft in Baden-Württemberg.
Die Pauluskirche
(2021)
Der erste offizielle evangelische Gottesdienst
mit den wenigen protestantischen Einwohnern
in Villingen wurde am Sonntag, dem 12. Februar 1854, vormittags um 10.30 Uhr im Saal des
Strafgerichtsgebäudes von Villingen in der Niederen Straße 94 gefeiert.
Allerdings war 1537 – 1539 während der Pestflucht der Freiburger Universität schon einmal
ganz kurz durch Magister Blasius Müller im
Münster „lutherisch gepredigt“ worden (Heinrich Neu, Bd. 2, S. 422). Wie Isabel Schaeffer
in ihrer Staatsexamensarbeit über die Pestflucht
der Universität Freiburg nach Villingen darlegt,
fielen damals die Reaktionen des Villinger Rates
und des Münsterpfarrers auf Müllers Predigten,
der als Freiburger Hochschullehrer in Villingen
Grammatik unterrichtete, nahezu vernichtend
aus. In den Senatsprotokollen der Universität
Freiburg von 1535 und 1536 kann man lesen,
dass die schriftlich kundgetane Empörung des
Münsterpfarrers Laurentius Hering im Senat
geteilt wurde.
Erinnerungen an Leo Wohleb
(2002)
Wohleb zu einem Oberprimaner 1936 während der Pause im Gang des Gymnasiums Hohenbaden in Baden-Baden; er war immerhin Stammführer des Jungvolkes: „Paulus superbus! wenn ich dich noch emol mit ere Zigarett' in der Gosch am Leopoldsplatz seh', schlag ich der se aus 'm Gsicht! ,Der Führer' braucht Vorbilder für die deutsche Jugend!" Die deutsche Jugend war damals automatisch Mitglied der Hitler-Jugend. Als angenehmsten Dienst fand ich mit zwei Klassenkameraden (wir waren bis zum Abitur Ministranten an der Stiftskirche) die Mitwirkung im Bannorchester. Leiter war ein jüngerer erster Geiger des städtischen Orchesters. Am Montag Nachmittag wurde in Zivil musiziert (ausschließlich Barockmusik). Eines Sonntag-Abends sollten wir auf dem Land bei einer Versammlung den musikalischen Rahmen bilden. Der Dirigent war als
Musiker im Kurhaus, einen Führer hatten wir nicht: wir fuhren nicht nach Haueneberstein und die Musik fiel aus. Wir wurden daraufhin vom HJ-Bannführer (Schneider) einbestellt. Begrüßung: ,,Ah, da kommt sie ja, die schwarze Brut! Auf euch kann der Führer verzichten!" Mit gemischten Gefühlen zogen wir ab.
Zwischen Baden und Kurpfalz
(2002)
Die Anfänge der Stadt Heidelsheim liegen im Dunkeln. Wann genau hatte der deutsche König - wohl zur Zeit der Staufer - die Siedlung zur Stadt erhoben beziehungsweise ausgebaut? 1241 wird der Ort als Reichsstadt sichtbar. Doch das Interesse des Königs an seiner Stadt hielt nicht lange an. 1311 genehmigte nämlich der König die Verpfändung Heidelsheims an Graf Konrad von Vaihingen und an Markgraf Rudolf IV. von Baden. Was bedeutete dies für die Stadt? Heidelsheim hatte nun plötzlich drei Stadtherren oder besser gesagt zwei Pfand- und einen Stadtherrn. Denn der König blieb weiterhin nominell Stadtherr, wenn er auch kaum noch stadtherrliche Funktionen ausübte. Mit der Pfandschaft waren vor allem Nutzungsrechte und genau definierte Einkünfte verbunden. Verpfändungen von Städten, gerade durch den König, waren an der Tagesordnung. Durch die Verpfändung erhielt der König vom Grafen von Vaihingen 800 Pfund und vom Markgrafen von Baden 1000 Pfund - oder Dienste in angemessener Größenordnung. Der König nahm nämlich für die Reichspfandschaften bei der Vergabe normalerweise gar kein Geld des Gläubigers.
Der Existenz von Gerichtsakten liegt ihr pragmatischer Zweck zugrunde. Weder sind sie einer lückenlosen Wiedergabe eines Falles verpflichtet, noch lässt sich aus ihnen zwangsläufig der Hintergrund einer Tat erschließen. Sie dienen einzig dem Ziel, normabweichendes Verhalten zu beurteilen. Für den Historiker, der sich mit Gerichtsakten der Frühen Neuzeit befasst, stellt die Beschäftigung mit dieser Quellengattung eine zweifelsohne reizvolle, jedoch zugleich schwierige Herausforderung dar. Für ihn gilt es nachzuvollziehen, was warum als deviant angesehen wird, und anhand seiner Befunde schließlich das deviante Verhalten zu erklären.