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August Ruf und Eugen Weiler
(2006)
Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat August Ruf (1869-1944) und Eugen Weiler (1900-1992) viele Jahre nach ihrem Tod den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ verliehen. Überreicht wurde diese höchste Auszeichnung, die der israelische Staat zu vergeben hat, im Rahmen einer Feierstunde in Singen am 24. Juli 2006, eine weitere Feierstunde fand am 25. Juli 2006 in Rufs Heimatstadt Ettenheim statt. Damit wurden die beiden Priester der Erzdiözese Freiburg für etwas ausgezeichnet, das eigentlich selbstverständlich sein sollte: Sie haben einem Menschen das Leben gerettet. Was die Tat so besonders macht, dass ihnen postum diese besondere Anerkennung zugedacht wurde, sind deren Umstände: Sie haben im Jahr 1942 einer deutschen Jüdin zur Flucht in die Schweiz verholfen und sie somit vor der Ermordung in den Gaskammern von Auschwitz bewahrt. Etwas besonderes ist auch die Tatsache, dass es mit August Ruf und Eugen Weiler zwei deutsche Geistliche sind, die mit dieser Ehrung bedacht wurden — sie sind damit die ersten Priester der Erzdiözese Freiburg, denen dies widerfahren ist. Wenn sich auch die Erzdiözese eigentlich keinerlei Verdienste in Zusammenhang mit der Tat der beiden Priester zurechnen kann, und wenn auch die Ehrung selbst ohne Zutun der Bistumsleitung oder -verwaltung zustande gekommen ist, so fällt doch vielleicht ein kleiner Widerschein auf die Erzdiözese Freiburg und ihren Klerus zurück. Der aus Singen stammende Freiburger Weihbischof Prof. Dr. Paul Wehrle hat es sich daher nicht nehmen lassen, im Rahmen der Singener Veranstaltung der beiden Männer ehrend zu gedenken und ihnen nachträglich noch den gebührenden Dank für ihre Leistung abzustatten.
In den Abendstunden des 3. Januar 2008 verstarb in Freiburg Erzbischof emeritus Dr. Dr. Oskar Saier nach längerer Krankheit. Schon einige Wochen zuvor hatte er die Gewissheit erlangt, dass er seine schwere Krebserkrankung nicht würde besiegen können und dass ihm hier auf Erden keine ärztliche Kunst mehr helfen konnte. Das Hochfest der Geburt unseres Herrn und Erlösers durfte er, wenn auch schon sehr geschwächt, noch ein letztes Mal feiern.
(Kein) Ende der Debatte?
(2016)
Bei diesem Thema kann man sehr leicht sehr viel falsch machen – gerade jemand, der als katholischer Kirchenbeamter von vornherein unter dem Verdacht steht, parteiisch zu sein: Der Bistumsarchivar, der über einen Erzbischof spricht, kann doch eigentlich nichts anderes betreiben als Heiligengeschichtsschreibung? Wenn er hingegen versuchen wollte, unparteiisch zu sein, dann liefe er Gefahr, in die andere Richtung zu weit zu gehen, zu kritisch zu urteilen und letztlich das eigene Nest zu beschmutzen. Zumindest könnte dies aus katholisch-kirchlicher Sicht so wahrgenommen werden. Daher habe ich mich dazu entschieden, nicht direkt über Gröbers Verhältnis zum Nationalsozialismus zu sprechen, sondern über die Debatten, die darüber geführt wurden und werden. Das könnte als Drückebergerei verstanden werden, bietet sich so natürlich die Möglichkeit, auf eigene Stellungnahmen zu verzichten und nicht unbedingt die eine oder die andere Sichtweise zu vertreten. Andererseits besteht hierdurch aber die Chance, auch solche Perspektiven vorzustellen, die nicht die eigenen sind: Ich kann also die eine oder andere besonders Gröber-kritische Äußerung wiedergeben, umgekehrt aber auch solche Stimmen zu Gehör
bringen, die Gröber vielleicht sogar zu unkritisch verteidigen.
Bald nach der durch die Französische Revolution und die napoleonischen Kriege ausgelösten politischen „Flurbereinigung" in Mitteleuropa, die in Deutschland mit Säkularisation und Mediatisierung das Ende der Kleinstaaterei und der Geistlichen Territorien brachte und im Wiener Kongress ihren Abschluss fand, kam es auch zu einer grundlegenden kirchlichen Neugliederung. Diese ging vom Gedanken des Staatskirchentums aus und hatte unter anderem das Ziel, die kirchlichen Verwaltungsstrukturen in Übereinstimmung mit den staatlichen zu bringen. Da die Errichtung, Neuumschreibung und Aufhebung von Bistümern in der römisch-katholischen Kirche gemäß Kirchenrecht Sache der höchsten kirchlichen Autorität ist, verständigten sich die Regierungen der neuen Staatsgebilde in der Folgezeit mit dem Heiligen Stuhl über die Anpassung oder Neugründung von Bistümern. Für das heutige Baden-Württemberg waren die „Frankfurter Verhandlungen" ab 1818 relevant, die zur Errichtung der Oberrheinischen oder Freiburger Kirchenprovinz durch die päpstliche Bulle „Provida solersque" vom 16. August 1821 und somit auch zur Gründung des Erzbistums Freiburg und des Bistums Rottenburg führten.
Singet dem Herrn – aber was?
(2011)
Auf dem Papier, oder vielmehr auf dem Pergament, existiert das Erzbistum Freiburg seit nunmehr rund 190 Jahren, in der Praxis sind es gut sechs Jahre weniger. Es ist also nach kirchengeschichtlichen Maßstäben noch recht jung, ganz gleich, welches Datum man als seinen „Geburtstag“ ansieht: Die Bulle „Provida solersque“ von Papst Pius VII., mit der es kirchenrechtlich konstituiert wurde, ist auf den 16. August 1821 datiert, die Weihe und Inthronisation des ersten Erzbischofs Bernhard Boll fand am 21. Oktober 1827 statt. In der Zeit zwischen der, wenn man so will, „Zeugung“ und
der realen „Geburt“ des badisch-hohenzollerischen katholischen Landesbistums fanden langwierige und teils sehr kontroverse Verhandlungen statt, in denen grundsätzliche Festlegungen juristischer, finanzieller und personeller Natur getroffen wurden, die hier freilich allesamt nicht näher thematisiert werden können. Trotzdem – und vielleicht auch deswegen – kam auf die neue Bistumsleitung eine Fülle von Aufgaben zu. Das Erzbistum Freiburg war zunächst ein sehr heterogenes Konglomerat einzelner Teile, die sich in der wirtschaftlichen und sozialen Struktur, in ihrer Geschichte und
in den Erscheinungsformen kirchlichen Lebens und religiöser Praxis deutlich voneinander unterschieden. Den größten Anteil bilden die ehemals konstanzischen Gebiete im Süden und Osten, die entschieden geprägt waren durch die reformerischen Aktivitäten des letzten Generalvikars und Bistumsverwesers Ignaz Heinrich von Wessenberg, eines „aufgeklärten“ Theologen par excellence.
St. Jodokus Immenstaad
(2011)
»Immenstaad ist keine gewöhnliche Landpfarrei.« Das weiß jeder Einheimische selbst,
und es bedarf für diese Feststellung keineswegs des Freiburger Bistumsarchivars. Dass
Immenstaad keine gewöhnliche Pfarrei ist wird beim Blick zurück von Anfang an offensichtlich: Welche Pfarrei kann schon von sich sagen, sie verdanke ihre Existenz einem
Papst, der in der »offiziellen« Kirchengeschichte gar nicht vorkommt?
Dass die Pfarrei Immenstaad im Jahr 2010 auf 600 Jahre ihres Bestehens zurückblicken kann, ist natürlich zunächst das Verdienst ihrer damaligen Bürger. Diese wollten
einen eigenen Seelsorger im Ort haben und nicht mehr auf den bis dahin zuständigen
Pfarrer im zweieinhalb Stunden entfernten Bermatingen angewiesen sein. Sie wandten sich also im Jahr 1410 an Papst Johannes XXIII. und baten ihn um Hilfe - die ihnen
prompt gewährt wurde. Dieser Papst wurde übrigens wenige Jahre danach vom Konstanzer Konzil abgesetzt und später aus der Reihe der »gültigen« Päpste getilgt. Daher konnte
es fünfeinhalb Jahrhunderte später, als der Name Johannes für Päpste wieder salonfähig
geworden war, noch einmal einen dreiundzwanzigsten Johannes geben. Die Pfarrei Immenstaad aber existiert bis heute, und zwar genau ein Mal - dass Immenstaad von Uneingeweihten immer wieder mit Immenstadt verwechselt wird, ist ein anderes Thema.
Lassen Sie mich an den Anfang meines Referats eine Begründung dafür stellen, warum ich ausgerechnet dieses Thema gewählt habe. Nun, dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Ich musste, als ich mich vor mehreren Monaten festgelegt habe, eine Fragestellung finden, die einerseits mit dem Generalthema des Archivtags harmonierte, anderseits zum Thema meines Kollegen von der Evangelischen Landeskirche in Baden passte und schließlich allgemein genug war, mir eine hinreichende Flexibilität und Gestaltungsfreiheit zu erhalten. Keiner Begründung bedarf es wohl, dass ich die Ausländerseelsorge — wir könnten auch, etwas fürnehmer, Migrantenpastoral dazu sagen — überhaupt zum Thema meines Vortrags mache. Immerhin gehört die Sorge für die Fremden — und somit auch deren Seelsorge — zu den zentralen Aufgaben, die uns als Christen gestellt sind: Ich verweise auf das Evangelium nach Matthäus, Kapitel 25, Vers 35. Und wenn wir Archivare uns mit dem Problem der „Überlieferungsbildung und -sicherung für Migranten“ befassen, dann tun wir damit zunächst einmal nicht mehr, als eine unserer zahlreichen Pflichten zu erfüllen.
Am 18. November 2007, abends gegen 22 Uhr, verstarb in Freiburg nach längerer Krankheit Franz Hundsnurscher, rund drei Wochen nach seinem 74. Geburtstag. Einunddreißigeinhalb Jahre hatte er das Erzbischöfliche Archiv Freiburg geleitet, es aus in jeder Hinsicht bescheidenen Anfängen zu einem modernen, in der Fachwelt anerkannten Archiv aufgebaut und die hier verwahrten Quellen zur Bistumsgeschichte der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die neun Jahre seines Ruhestandes waren überwiegend geprägt von zunehmenden, teils schwerwiegenden Beeinträchtigungen seiner Gesundheit — von den großen wissenschaftlichen Plänen, die er für die Zeit nach dem Ende seiner aktiven Dienstzeit gehegt hatte, konnte er nichts mehr verwirklichen. Gleichwohl wird sein Name und sein Schaffen für immer mit der Geschichte des Erzbischöflichen Archivs, aber auch mit der Geschichte der Kirche im Erzbistum Freiburg verbunden bleiben. Franz Hundsnurscher hat ein bewegtes und nicht immer einfaches Leben hinter sich. Geboren wurde er am 26. Oktober 1933 in Planskus im heutigen Tschechien als einer von vier Söhnen einer durch und durch katholischen Familie — der Vater diente lange Jahre als Mesner. Seine böhmische Heimat verlor er durch die Vertreibung im Oktober 1946.
Der Schreck muss Stadtpfarrer Hugo Höfler Ende März 1941 kräftig in die Glieder gefahren sein. So kräftig, dass er selbst im nüchtern-bürokratischen Ton jenes Schreibens noch deutlich nachklingt, das er am 9. April 1941 unter dem Betreff „Reliquien der Breisacher Ortspatrone Gervasius und Protasius“ an das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg richtete: „Dieses Untersuchungsergebnis ist begreiflicherweise für die hiesige Gemeinde von überaus schmerzlicher Bedeutung. Seit Jahrhunderten wird das Fest dieser Ortspatrone in hiesiger Gemeinde gefeiert wie nur wenige kirchliche Volksfeste unserer Erzdiözese. In früheren Jahren kamen Hunderte und Aberhunderte von Pilgern, besonders aus dem benachbarten Elsass, zum Gervasiusfest nach Breisach. […] Diese Tatsachen allein schon genügen, um darzutun von welcher tiefeinschneidender Bedeutung das oben erwähnte Untersuchungsergebnis für die seelsorgerlichen Belange in hiesiger Gemeinde ist.“ Was war geschehen? Am 24. März 1941 hatte P. Timotheus Stumpfl, wie er in einem ausführlichen Bericht am 30. März schrieb, „auf Wunsch des H[ochwürdigen] H[errn] Stadtpfarrers von Breisach“ den Inhalt „des derzeit in Säckingen aufbewahrten Schreines der hhl. Gervasius und Protasius“ untersucht. Das Ergebnis war ebenso eindeutig wie aus Breisacher Sicht unerfreulich.
Unter den drei Buchstaben FDA verstehen Mitglieder und Freunde des Kirchengeschichtlichen Vereins nichts anderes als unsere Vereinszeitschrift „Freiburger Diözesan-Archiv“. In der großen, weiten Welt steht diese Abkürzung für etwas viel Bedeutsameres, nämlich für die US-amerikanische „Food and Drug Administration“, eine einflussreiche Behörde mit rund 13500 Mitarbeitern. Aber das ficht uns nicht an. Als Schriftleiter bin ich natürlich der Ansicht, dass unser FDA das Beste, Schönste und Wichtigste ist, was unser Verein in seinen 150 Lebensjahren hervorgebracht hat. Allerdings ist dies nicht nur meine Privatmeinung: Am 18. August 1862 hatte der provisorische Vorstand „alle Freunde der Geschichte unseres Landes“ und „deßgleichen ganz Schwabens und der deutschen Schweiz“ dazu eingeladen, dem Kirchengeschichtlichen Verein beizutreten. Und schon damals war als wichtigstes Ziel die „Gründung einer ‚Kirchlich-Historischen Zeitschrift für die Erzdiöcese Freiburg‘“ genannt. Zunächst waren die Initiatoren noch vorsichtig gewesen und hatten verlautbart, es solle erst dann „an die Ausführung des Unternehmens geschritten werden“, wenn „sich eine genügende Betheiligung von Seiten des hochwürdigen Klerus und wohlwollender Laien, woran wir nicht glauben zweifeln zu dürfen, gezeigt haben wird“. Der erste Band des FDA erschien im Jahr 1865, 133 weitere folgten. Der bislang letzte, Band 134 für 2014, kam gerade eben erst heraus. Zusammen sind das reichlich drei Regalmeter oder grob geschätzt etwa 45000 Seiten