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Eberhard Gothein (1853-1923)
(2003)
„Keiner von uns und keiner, der auf uns folgt, wird je wieder ein solcher Polyhistor zu werden vermögen wie es der alte Gothein war als einer der letzten Zeugen des Jahrhunderts Goethes, als einer der großen, Humanisten, deren Reihe nördlich der Alpen mit Erasmus beginnt und die wohl mit Burckhardt, Gothein, Gundolf zu Ende gegangen ist". Das schrieb Edgar Salin 1954 über seinen Lehrer und dessen fazettenreiches Leben. Doch Gothein war nicht nur Kulturhistoriker und Nationalökonom; als einer der Gründer zweier Hochschulen, Organisator und Dozent von Fortbildungsveranstaltungen, Mittler zwischen
Wissenschaft und Praxis, endlich als Politiker wirkte er auf vielen Ebenen originär und motivierend. Er beschritt Wege, die bis in unsere Zeit führen.
Eine badisch-preußische Ehe
(2006)
Vor 150 Jahren, 1856 – war es wirklich eine „gute alte Zeit“? Sechs Jahre zuvor hatte die Revolution das Großherzogtum erschüttert, Soldaten hatten gemeutert, Großherzog Leopold war mit seiner Familie geflüchtet. Die Preußen mußte er um Hilfe bitten, und Wilhelm, Prinz von Preußen, der Bruder des preußischen Königs, sorgte mit seinen Truppen als Zwingherr für die nachfolgende Reaktion. Mit mehr als einem Drittel des Staatshaushalts von 20 Millionen Gulden berechnete man später die Revolutionsschäden, davon allein 1,5 Millionen Gulden für die preußische Besatzung.
„Nun sind wir hier angelangt. Baden ist ein
wahres Paradies der Schönheit. Die gestrige
Eisenbahnfahrt war allerdings furchtbar; die
Hitze war schon des Morgens, als wir abfuhren,
sehr groß, steigerte sich aber noch …. In
Karlsruhe wurde für eine Stunde Aufenthalt
gemacht, und die Königin besuchte die Großherzogin
Mutter. Das Schloss, in dem sie
wohnt, ist sehr schön und wundervoll eingerichtet
… Um 8 Uhr ging es weiter nach
Baden, wo wir nach 9 Uhr anlangten und wo
auf dem Bahnhof großer Empfang war. Dann
fuhren wir nach dem Haus Messmer, in dem
die Königin immer wohnt. Dicht vor demselben
liegt das Konversationshaus und die
Promenade; der Blick aus den Fenstern auf die
Berge ist bezaubernd.“ Das schrieb 1862 Adele
Gräfin zu Dohna[1] in Briefen an ihre Mutter,
gesammelt in einem umfänglichen Band, den
das Generallandesarchiv Karlsruhe 1995 mit
anderen Akten, den sogenannten Augusta-
Koffern, aus markgräflichem Besitz erworben
hat.[2]
Wirken in Wirren
(2006)
Seine schillernde Biographie ist allein schon faszinierend. Mit brillanter Gelehrsamkeit ausgestattet und politischem Ehrgeiz
erfüllt, wußte er zu überzeugen, wenn auch seine Wirkung begrenzt schien. Als badischer Unterrichtsminister war er wohl am erfolgreichsten, sicher auch als Hochschullehrer, der zu allen Zeiten seine Hörer gefangen hielt. Ein demokratischer Liberaler und zugleich kritischer „Antiparlamentarier“, wie einige ihn gescholten haben, mit Mussolini sympathisierend und in skeptisch abwehrender Distanz zu Hitler, drum ein Gegner der Rassenideologie, und doch Promotor einer Völkerpsychologie, die andere für „angepaßt“ hielten, charakterfest mit opportunistischen Zügen, auf jeden Fall eine bemerkenswerte Persönlichkeit.
Die nachstehenden Quellen spiegeln Beobachtungen eines Zeitzeugen, der im 19. Jahrhundert als bedeutender Jurist, ja als »Taufzeuge« des damaligen öffentlichen Rechts galt. Seine grundlegenden Werke wie die Arbeit zum Völkerrecht gehörten zum Literaturfundus von Anwälten und Diplomaten. Weniger bekannt ist Klübers Tätigkeit für den badischen Hof, dem er in einflußreichen Ämtern diente. Man gewinnt Informationen, oft mit einer eigenwilligen Position vorgestellt, über politische
und kulturhistorische Vorgänge aus seinen Briefen, die ein Müllwerker im Abfall vor der Entsorgung gerettet und dem Generallandesarchiv Karlsruhe zugeleitet hat, hier erstmals in der Originalform zitiert.
Die Literatur über Karls Friedrich und seine Zeit füllt Regale. In den letzten Jahren sind zusätzliche Publikationen erschienen, die diese Epoche der Umbrüche noch detaillierter und damit durchsichtiger beschrieben haben. In dieser wissenschaftlichen Arbeit wird nur in Erinnerung an seinen Todestag skizziert, wie sich ein Regent in dieser Periode voller Umbrüche verhalten hat, wohl verhalten musste.
Das Collegium Academicum
(2013)
Ist es nur die faustische Unruhe der Deutschen, dass sie in einem Reformenthusiasmus an Schulen wie an Hochschulen ständig neue Wege suchen, oder zwingt die permanente Veränderungen der Gesellschaft zu neuen Antworten auf alte Fragen, so z. B. zur Bildung junger Menschen an unseren Universitäten? Im Folgenden soll auf einen Versuch nach dem II. Weltkrieg hingewiesen werden, eingebettet in die Universitätsgeschichte, dargestellt an einer Institution der 1945 wieder eröffneten Universität Heidelberg.
1862 beauftragte Großherzog Friedrich I. den Historiker an der Universität Heidelberg Georg Gottfried Gervinus, ein Gutachten für „die Neugestaltung des Gesamtunterrichtswesens im Großherzogtum Baden“ zu erstellen. Unter anderem findet man dort die Klage, daß unter den Erstsemestern viele den Anforderungen der Hochschulen nicht genügen. Der Übergang von Gymnasien zur Universität sei in Deutschland „durchgehend ein ganz unvermittelter; man geht von der Hauszucht zur Ungebundenheit, von der allgemein menschlichen Ausbildung zum besonderen Fachstudium in
plötzlichen Sprüngen über, zur Wahl des Berufs meist durch zufällige Einflüsse getrieben, am wenigsten durch eigene Einsichten in die verschiedenen Berufs- und Wissenszweige orientiert“, wobei dem Gutachter Gervinus angelsächsische Strukturen in vielem vorbildlich erschienen. Darüber hinaus gäbe es Spannungen zwischen dem bürgerlichen Bildungsideal des Humanismus und den „Utilitaristen“, die „dem technischen Fortschritt und finanziellen Gewinn anhingen“. Darum müsse man mit einer realistischen Abteilung an Gymnasien „dem staunenswerten Aufschwung der Naturwissenschaften“ Rechnung tragen. Diese Denkschrift, für Friedrichs Cabinetts-Chef ein „wahrer Hochgenuß“, berührte demnach Probleme, die über Jahrzehnte hinweg bis heute aktuell sind: mangelnde wissenschaftliche Vorbereitung der Abiturienten und unzureichender Umfang der Naturwissenschaften im Lehrplan.
In Schulen nichts Neues?
(2004)
Als einen „kommenden Mann" hatte Willy Hellpach, badischer Minister für Kultus und Unterricht 1922-24, den Leiter des Goethe-Gymnasiums Karlsruhe Karl Ott bezeichnet, „ein junger, zukunftsträchtiger, von reichen Gesichtern erfüllter Erzieher". In der Tat lohnt auch heute noch eine Begegnung mit Otts Schriften angesichts des neuen Bildungsplans des baden-württembergischen Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, von dem es im Vorwort heißt, es sei „ein pädagogischer
Meilenstein in der Entwicklung unserer Schulen".
Der letzte Palatin
(2007)
Die heute Hundertjährigen – und das sind nicht wenige – könnten sich daran erinnern, dass für sie als Elfjährige die Monarchie ihrer Kinderzeit plötzlich verschwunden war und sie als Republikaner in einer grauen Nachkriegszeit aufwuchsen. In ihrem Geburtsjahr 1907 feierte man aber noch, oder wieder einmal die wilhelminische Monarchie in ihrer ganzen
Prachtentfaltung, und die Beerdigung des letzten Palatins diente für ein grandioses pompes funèbres. Als Palatin, als Quasipfalzgraf, so hatte man Moltke (1891 †) und Bismarck (1898 †) als die Getreuen das alten Kaisers empfunden, und nun war auch der letzte „Führer des heroischen Zeitalters“ dahingegangen, so tönte es in den Zeitungen, jener Proklamationsszene im Versailler Schloss Januar 1871, deren Bild in jedem Schulbuch an die Gründung des Deutschen Reiches erinnerte.