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Rudern am Bodensee
(2011)
Als der Ruderverein Neptun in Konstanz im März 1885 gegründet wurde, gab es in
Deutschland bereits an die 100 Rudervereine. Der erste war 1836 nach englischem Vorbild in Hamburg gegründet worden. Gleichzeitig mit Konstanz wurde auch in Arbon ein
Ruderverein gegründet, der aber nach wenigen Jahren wieder einschlief und erst 1910
neu gegründet wurde. Somit ist Konstanz mit Abstand der älteste Ruderclub am See,
gefolgt von Bregenz (1900), Rorschach (1907), Lindau (1908), Arbon (1910), Friedrichshafen (1912), Radolfzell (1920).
Gegründet wurde der Konstanzer Verein von Mitgliedern des Turnvereins, sieben
Handwerkern und zwei Kaufleuten unter der Führung eines Fotografen.
Wilhelm von Scholz
(2010)
Als der Reformpädagoge Paul Geheeb am 18. April 1910 mit 15 Schülern die heute
noch bestehende Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim eröffnete, befanden sich unter diesen ersten Schülern auch die Kinder des Dichters Wilhelm von Scholz
(1874-1969), Irmgard (1897-1969) und Wilhelm (1899-1917). Der Dichter war 1890 als
16-Jähriger von Berlin nach Konstanz gekommen, nachdem sein Vater, der ehemalige
preußische Finanzminister Adolf von Scholz, dort seinen Ruhesitz erworben und umgebaut hatte, das direkt am See gelegene Schloss Seeheim. Nach Studium, eingeschobenem Militärdienst und Promotion in München zog Wilhelm von Scholz mit seiner
jungen Familie im Jahre 1900 von München nach Weimar und von dort 1907 wieder nach
Hohenschäftlarn bei München. Scholz machte sich bald einen Namen als Dramatiker,
Lyriker und Herausgeber von literarischen Werken. Nachdem ein Projekt in Hellerau bei
Dresden nicht zustande gekommen war, fand Geheeb beim Ehepaar Scholz Unterstützung bei seiner Suche nach einem Standort für eine neue Schule im Isartal, im Gespräch
war Ebenhausen. Ein gemeinsamer Bekannter von ihnen in Weimar war der belgische
Architekt Henry van de Velde. Als Geheeb jedoch die Zulassung im hessischen Oberhambach
erhielt, schickten sie ihre Kinder, die bis dahin Privatunterricht erhielten, dorthin,
zunächst auf Probe, da sie noch nie eine öffentliche Schule besucht hatten. Dem allgemeinen
Drill einer Staatsschule in München wollten sie ihre Kinder nicht aussetzen, die einen
bisher wenig organisierten Unterricht hatten, wie Scholz Geheeb kurz nach der Eröffnung
der Schule mitteilte. Geheeb hatte zuvor am Landerziehungsheim von Hermann Lietz in
Haubinda und danach an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf von Gustav Wyneken
unterrichtet.
Das Tägermoos
(2019)
Das Thema Tägermoos, ein Konstanzer Grundstück auf Schweizer Hoheitsgebiet,
hat eine lange Vorgeschichte, die man nicht ganz ausblenden kann und zumindest ab
1831 einbeziehen muss. Der Tägermoos-Vertrag von 1831 zwischen dem Großherzogtum
Baden und dem Kanton Thurgau regelt mehrere Dinge. Er ist zunächst auch ein Grenzvertrag, der bei Konstanz die Grenze zwischen Baden und dem Thurgau festlegt. Im Prinzip wird die Grenze durch vier Worte definiert,
dem ehemaligen äußeren Festungsgraben folgend, und so wurde sie auch markiert. Dieser
Grenzverlauf hatte nur knapp 50 Jahre Bestand, er gilt heute noch so ungefähr vom Seerhein bis zum Anfang des Döbeles. Warum diese Grenzziehung später immer wieder
verändert wurde, soll auch gleich geklärt werden. Mit der Zuführung der Eisenbahnlinien von Romanshorn nach Konstanz und von Winterthur über Etzwilen nach Konstanz
in den 1870er Jahren benötigte der Konstanzer Kopfbahnhof ein Rangiergelände in Richtung Schweiz. Geklärt werden musste auch, wie und von wem das Ufer vor Kreuzlingen
genutzt werden durfte.
Die Konstanzer Gruppe der Zeugen Jehovas, damals Ernste Bibelforscher genannt,
bildete sich 1921 mit etwa 15 Personen. In den unruhigen Zeiten der Weimarer Republik
hatten die Zeugen Jehovas zeitweise großen Zuspruch. Bei Werbeveranstaltungen in Konstanz ab 1920 waren die Säle des Konzilsgebäudes gut gefüllt. Eine Veranstaltung hieß:
Die Welt ist am Ende – Millionen jetzt Lebender werden nie sterben! Eine andere hieß: Die Zeit ist
herbeigekommen! [1] Reisende Bibelforscher betreuten die ersten Anhänger in der Region. Ihr
Auftreten war fromm erscheinend, würdevoll und ernst. Ihren Bartschnitt ahmten sie Christus nach.
Sie trugen einen schwarzen Rock, versehen mit einer Anstecknadel, die Kreuz und Krone darstellte. Die
einheimischen Anhänger missionierten wiederum sonntags mit dem Fahrrad bis in den
Hegau und in den Linzgau hinein, und sie hielten Kontakt zu Schweizer Zeugen Jehovas.
Die Versammlungen der 20er Jahre wurden von einem Erntewerkvorsteher und gewählten Ältesten geleitet. Ab 1932 sprach man von Dienstleitern und Brüdern, ab 1936 von
Gruppendienern, die nicht mehr gewählt, sondern ernannt wurden. Außer öffentlichen
Vorträgen wurden regelmäßige wöchentliche Zusammenkünfte abgehalten, sei es Gruppen-Wachtturm-Studium oder Lobpreisungs- und Gebetsversammlungen.
In der Schweiz lebten 1914 etwa 220.000 Deutsche, etwas weniger als heute, 1918
waren es 70.000 weniger, 1945 waren es noch 65.000, heute sind es 280.000. Die Schweiz
vor 1914 war durch ein Netz von Niederlassungsabkommen gegenüber Ausländern freizügiger als die heutige Schweiz der bilateralen Verträge. Diese Deutschen ergriffen 1914
Partei, wollten nicht abseits stehen. Bereits am 2. August rief das Deutsche Generalkonsulat in Zürich alle gedienten und beurlaubten Militärpersonen auf, möglichst rasch
nach Deutschland auszureisen und sich dort beim nächsten Bezirkskommando zu
melden.
Fort mit der 5. Kolonne! Raus mit den deutschen Nazis! hieß es Anfang Juni 1945 auf
öffentlichen Kundgebungen der Schweizer Sozialdemokraten und Kommunisten (PdA)
in Arbon, Kreuzlingen und Winterthur. In Schaffhausen kam es zu einem Schaufenstersturm gegen Schweizer Frontisten und deutsche Nationalsozialisten. Demonstriert
wurde auch in Zürich, Davos und im Tessin. Massiv wurden die Thurgauer Behörden
wegen ihrer Langsamkeit bei der Ausweisung deutscher Nationalsozialisten kritisiert,
der Kreuzlinger Bezirksstatthalter Otto Raggenbass musste sich öffentlich rechtfertigen.
Das Thurgauer Kantonsparlament forderte die Kantonsregierung auf, streng durchzugreifen. Es befasste sich zudem mit der Forderung, wie man deutsche Wehrmachtssoldaten, die ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten, an der Rückkehr in die Schweiz hindern könnte. In den Ausweisungen sah m an hier wie auch in der übrigen Schweiz die
Chance, das heikle Thema »Nationalsozialismus und Schweiz« rasch zu bewältigen und
abzuschließen. Bestraft wurden auch aktive Schweizer Nationalsozialisten, die sich für
den Anschluss der Schweiz an Deutschland ausgesprochen hatten. Wenn sie sich nach
Deutschland abgesetzt hatten, wurden sie ausgebürgert.
Das Leben des Schauspielers Willy Schürmann-Horster (1900-1943) ist bis auf die
12 Monate seines Aufenthalts in Konstanz eigentlich ganz gut bekannt. Nach Schulzeit
und Besuch der Schauspielschule von Luise Dumont in Düsseldorf, an der auch Gustav
Gründgens Schüler war, spielte und inszenierte er ab 1920 im Rheinland politisch-revolutionäres Theater mit zeitgenössischen Autoren wie Maxim Gorki, Ernst Toller, Georg
Kaiser, Erich Mühsam, Bert Brecht und Friedrich Wolf, aber auch Georg Büchner. Daneben befasste er sich stets mit den Klassikern. Vorübergehend war er 1923 sogar Mitglied
der KPD, wurde aber nach seinen Aussagen im Prozess von 1943 wegen politischen Differenzen ausgeschlossen. Seine Theatergruppen trugen Namen wie »Jungaktivistenbund«
(1920), »Junge Aktion«, »Freie Volksbühne«, »Notgemeinschaft Düsseldorfer Schauspieler« und besonders erfolgreich die »Truppe im Westen«, ein 1930 entstandenes Schauspielerkollektiv. Die Witwe erinnerte sich später an ihn: Deutlich sehe ich Willy Schürmann
noch vor mir, den mitreißenden Regisseur bei der Gestaltung eines Aktschlusses: Die revolutionären Arbeitersehen dem Tode entgegen, schließen sich eng zusammen und singen: "Brüder in eins nun..."
Ernst S. stammte aus dem Toggenburg und lebte seit 1938 mit seinen Eltern in Arbon, wo er bei der Firma Saurer eine Lehre als Dreher anfing. Sein Vater war Verwalter des Altersheims (Bürgerheim), vorher Aufseher in einer Strafanstalt. Mit dem Vater gab es wegen dessen strenger Erziehung immer wieder Streit, manchmal Schläge, es ging um das Geld, um das Nachhausekommen. Gelegentlich übernachtete er bei seinem Freund Max. Am Pfingstmontag 1941 erreichten die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt. Anstatt mit den Eltern spazierenzugehen, schrie der 18jährige: „Ich habe jetzt genug, ich wollte lieber dem Teufel zugehen“ und verließ aus Angst vor Prügeln fluchtartig das Haus. Nach einer anderen Version schrie er: „Lieber will ich sterben als unter deiner Zucht bleiben“, worauf sein Vater gesagt haben soll: „So stirb doch!“