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Die erste Jahreshälfte 1974 dürfte vielen vor allem durch die politischen Skandale auf internationaler und nationaler Ebene in Erinnerung geblieben sein: dem Rücktritt des spionagegeschädigten Bundeskanzlers Willy Brandt im Mai des Jahres und der Watergate-Affäre mit der anschließenden Abdankung des US-Präsidenten Nixon. Manch einer mag sich auch nostalgisch an Deutschlands Auftritt als große Fußballnation zurückerinnern, als man Anfang Juli 1974 die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land gewinnen konnte. Doch noch zu Anfang jenes Jahres rauschten andere Themen durch den Blätterwald der Boulevardpresse: Da gab es einen smarten jungen Israeli namens Uri Geller, der in Wim Thoelkes Sendung „3 x 9" auftrat, auf ungewöhnliche Art und Weise Uhren reparierte, Schlüssel unbrauchbar machte und dafür sorgte, dass sich in Deutschlands Küchenkommoden die Gabeln verbogen. Und es trat ein Mann ins Rampenlicht, der Tausende von Leuten
dazu brachte, in ein Dorf am Rande des Schwarzwalds zu fahren und ihn zu konsultieren: Josef Weber, der „Wunderheiler von Schutterwald".
Das Jahr 1954 ist in der bundesdeutschen Kollektiverinnerung unweigerlich mit dem sogenannten „Wunder von Bern" verbunden: dem unerwarteten Gewinn der Weltmeisterschaft durch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Längst besteht Einigkeit darin, dass dieses Turnier mehr als nur ein Sportereignis war: Es steht beispielhaft für die weitreichenden kulturellen und gesellschaftlichen Auswirkungen eines sportlichen Triumphes. Im Jahr, als die deutsche Fußballnationalmannschaft um die Gebrüder Walter und „Boss" Rahn mit ihrem Endspielsieg gegen die favorisierten
Ungarn Sportgeschichte schrieben, begann für einen Ortenauer Fußballverein ebenfalls ein kleines Wunder: Die zuvor nur begrenzt erfolgreichen und in der Region oft nur durch ihr streitbares Verhalten aufgefallenen Fußballer des Sportclubs Friesenheirn katapultierten sich innerhalb von vier Jahren mit drei Meisterschaften in die II. Amateurliga Südbaden und
befanden sich dadurch in der damals vierthöchsten deutschen Spielklasse. Wie kam es zu diesem plötzlichen Aufschwung? Der folgende Beitrag möchte die Gründe für diesen überraschenden Erfolg nachzeichnen und klären, weshalb er nur eine begrenzte Zeit andauerte. Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, ob und in welcher Weise sich diese sportliche Erfolgsgeschichte auf das dörfliche Miteinander ausgewirkt hat und wie sie im Nachhinein erinnert wurde.
Am 23. April 1920 verstarb der Stoffhändler Jakob Gross aus der jüdischen Gemeinde Altdorf im Alter von 79 Jahren. Über seine Bestattung berichtete viele Jahre später ein christlicher Zeitzeuge in seinen Erinnerungen: ,,Bei der Beerdigung oder der ,Lafaiä' saß ich mit noch ein paar Kindern auf der Treppe des Nachbarhauses [...] und schaute zu. Zur Beerdigung kamen die Verwandten, Bekannten, Geschäftspartner und Nachbarn des Verstorbenen. In besonderer Erinnerung sind mir die Zylinder der jüdischen Trauergäste. [...] Nachdem die Trauergemeinde vollzählig war, wurde der Sarg auf eine mir unvergessliche Weise die steile Treppe herunter transportiert. Draußen hörten wir regelmäßige dumpfe Schläge. Der Sarg
wurde nämlich nur auf einer Seite gezogen. Auf der anderen Seite polterte der Sarg mit dem Verstorbenen Stufe für Stufe die Treppe herunter. Auch dies entsprach, wie ich später gehört habe, einem jüdischen Ritus. Es sollte verhindert werden, einen Scheintoten lebendig zu begraben. [...] Dieses unheimliche dumpfe Poltern hat mich damals als kleiner Bub verängstigt, weshalb ich es bis heute nicht vergessen habe. [...] Jedenfalls erschienen nach dem Poltern die Leichenträger mit dem einfachen Sarg - es war eine einfache ungestrichene Holzkiste ohne Griffe - in der Haustür und trugen ihn auf die Straße. Dort wurde der Sarg auf zwei bereitstehende ,Böckle' gestellt. Dann trat der Ruster Rabbiner an den Sarg und sprach ein paar wenige Worte. Der von zwei Pferden gezogene und aus Rust stammende Totenwagen fuhr vor. Gelenkt wurde er von Christian Hunn, dem auch die beiden Pferde gehörten. Nachdem man den Sarg aufgeladen hatte, startete der Leichenzug Richtung Schmieheim. Ein Großteil der christlichen Gemeinde und auch der Juden trat zur Seite und machte dem Leichenzug Platz. Ein kleinerer Teil der Christen, direkte Nachbarn oder nähere Bekannte, begleiteten den Zug bis zum Ortsausgang, dem Umrank. Ein Teil der Juden fuhr in Pferdekutschen und ein kleinerer Teil ging zu Fuß bis zum Judenfriedhof in Schmieheim. Vor der eigentlichen Bestattung, so hat man mir erzählt, wurden die Verstorbenen in dem Häuschen am Friedhofseingang noch einmal symbolisch gewaschen."
Innerhalb der Geschichtswissenschaft hat seit geraumer Zeit
die Beschäftigung mit den Fragestellungen und Problemen der
sogenannten „historischen Authentizität“ eine enorme Bedeutung erlangt. Insbesondere das Museumswesen und die Gedenkstättenarbeit sind davon in besonderer Weise berührt.
Woher rührt das Bedürfnis nach dem historischen Echten und
Realen und wie lässt sich diese Authentizität feststellen oder
festschreiben? Wie geht man andererseits mit nur inzenierten
oder konstruierten vermeintlich historischen Orten um? [1]
Lassen sich beide Kategorien – der authentische oder der inszenierte Ort – immer klar voneinander trennen?
Diese Fragestellungen zur „historischen Authentizität“ lassen sich exemplarisch auf einen Ort jüdischer Regionalgeschichte beziehen, der inzwischen aus dem Schuttertal bekannt geworden ist: das sogenannte „Judewegle“ bei Dörlinbach.