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Wenn man schnell einige zuverlässige und aussagekräftige Informationen über
die örtlichen Verhältnisse eines württembergischen Dorfes im 19. Jahrhundert
haben möchte, sind bekanntlich die vom einstigen Königlichen statistisch-topographischen Büro herausgegebenen alten Oberamtsbeschreibungen eine
unverzichtbare Quelle und Hilfe. Dies gilt auch für Aldingen.
In der im Jahre 1859 veröffentlichten »Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg« sind der Gemeinde Aldingen neun Seiten gewidmet. Sie begegnet uns
darin als ein Ort, dessen Verhältnisse wohl geordnet sind und im Wesentlichen
jenen in den anderen Dörfern des Oberamtsbezirks entsprechen. Von den Nachbarorten unterschied sich Aldingen freilich dadurch, dass es hier damals noch
eine blühende israelitische Gemeinde gab – ein Erbe der einstigen Ortsherrschaft der Herren von Kaltental, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
einige jüdische Familien aufgenommen hatten. Von den 1250 Einwohnern,
die man 1856 zählte, waren 112 Juden. Die israelitische Gemeinde löste sich
allerdings in der Folgezeit, namentlich infolge von Abwanderungen nach
Ludwigsburg, rasch auf; bereits 1882 gab es in Aldingen keine jüdischen Einwohner mehr.
Ein anderes Erbe der Herren von Kaltental hat sich hingegen bis heute erhalten:
Das 1580 von Heinrich von Kaltental im Stil der Renaissance erbaute Schloss.
Es war nach dem Aussterben der Kaltentaler 1746 in bürgerliche Hände gekommen. In seiner östlichen Hälfte waren dann ab 1836 Rathaus, Schule und die
Wohnung des Schulmeisters untergebracht.
Am 21. Juni 1738 ging in der Kanzlei des herzoglichen Regierungsrats in Stuttgart ein voluminöser Bericht des »fürstlichen Commissarius« Johann Friedrich Geiger ein. Geiger stellte darin auf rund 400 Seiten ausführlich dar, was er über die – wie es im Titel seines Berichts heißt – »zwischen dem Expeditionsrat und Vogt Viktor Stephan Essich zu Besigheim und dem daselbstigen Magistrat obwaltenden Differentien« hat ermitteln können. Geiger war zehn Monate zuvor, im August 1737, auf Befehl Herzog Carl Rudolphs nach Besigheim geschickt worden, nachdem sich Vogt Essich Ende April 1737 beim Regierungsrat »wider die große Unbotmäßigkeit« des Magistrats und der Bürgerschaft beschwert und um Hilfe und Untersuchung der Angelegenheit gebeten hatte. Wer diesen Bericht und die beigelegten Dokumente sowie zwei andere, nicht weniger umfangreiche Kommissionsakten aus den Jahren 1743/44 und 1755/56 liest, kann leicht nachvollziehen, weshalb Friedrich Breining in seinem 1903 herausgegebenen Buch »Alt-Besigheim in guten und bösen Tagen« den Vogt Essich zu den »schlimmen« Vögten rechnete. Breining lieferte für seine Einschätzung zwar keine nähere Begründung, berief sich aber auf eben diese Kommissionsakten, die heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt werden. Sie zeigen das Bild eines Beamten, der zwar durchaus tüchtig und fähig war, dessen Amtsführung jedoch in einem hohen Maß durch Eigennutz, Missbrauch und Überschreitung seiner Befugnisse und nicht zuletzt auch immer wieder durch große Gewalttätigkeit geprägt war.
Vor 40 Jahren, am 1. Januar 1973, traten in Baden-Württemberg an die Stelle von
ehemals 63 Landkreisen 35 neue Landkreise. Nur drei der alten Landkreise – die Kreise
Emmendingen, Göppingen und Heidenheim – blieben nahezu unverändert. Diese
Kreisreform war jahrelang das landespolitische Thema Nummer eins. Sie stieß vielerorts auf strikte Ablehnung und konnte folglich nur gegen erhebliche Widerstände
realisiert werden. Für den Raum des heutigen Landkreises Ludwigsburg bedeutete die
Kreisreform die Auflösung der Kreise Vaihingen, Leonberg und Backnang, Aufteilung
ihrer Gebiete und Vergrößerung des Kreises Ludwigsburg um einige dieser Teile sowie
um einen kleinen Teil des Landkreises Heilbronn. Dabei hat der Landkreis Ludwigsburg einen Zuwachs von 29 Städten und Gemeinden mit insgesamt 97 000 Einwohnern
erhalten.
Die Vorgeschichte der Kreisreform sowie der erfolglose und eigentlich von Anfang
an aussichtslose Kampf der Kreise Leonberg und Vaihingen um ihren Erhalt sind in
den Ludwigsburger Geschichtsblättern (Band 56/2002) bereits ausführlich dargestellt
worden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher ausschließlich darauf,
die Diskussionen, Überlegungen und Ergebnisse der Kreisreform im Nordosten und
Osten des heutigen Landkreises Ludwigsburg vorzustellen.
Am 1. Januar 1973 traten in Baden-Württemberg an die Stelle von ehemals 63 Landkreisen 35 neue Landkreise. Nur drei der alten Landkreise - Emmendingen, Göppingen und Heidenheim - blieben nahezu unverändert. Diese gegen erhebliche
Widerstände realisierte Kreisreform war die größte Verwaltungsreform in Baden-Württemberg nach dem Kriege und jahrelang landespolitisches Thema Nummer eins. Für unseren Raum bedeutete sie die Auflösung der Kreise Vaihingen, Leonberg und Backnang, Aufteilung ihrer Gebiete und Vergrößerung des Landkreises Ludwigsburg um einige dieser Teile sowie um einen kleinen Teil des Landkreises Heilbronn.
1882 hielt der seit einem Jahr in Neckarrems amtierende Pfarrer Dr. Christoph Julius Schwartz in seinem amtlichen Pfarrbericht fest: »Mit der Gemeinde ist seit 10, 20, 30 Jahren eine große Veränderung vor sich gegangen. Während der
kleine Ort durch seine Lage an zwei Flüssen und einer frequenten Landstraße und mit einem großen herrschaftlichen Holzgarten früher von ziemlicher Bedeutung war, ist er, nachdem alle diese Vorteile durch die neuen Verkehrsverhältnisse abhandengekommen sind, auf die Bedeutung eines gewöhnlichen Dorfes herabgesunken, das jetzt wie viele andere einzig auf seine Markung angewiesen ist.« Es war in der Tat ein grundlegender Wandel, der sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Neckarrems vollzogen hatte und im Jahre 1882 noch lange nicht zum Abschluss gekommen war. Der Vergleich mit den Mitteilungen in der Oberamtsbeschreibung von 1850 macht überdeutlich, welch negativen Auswirkungen der Ausbau des württembergischen Eisenbahnnetzes auf die Entwicklung des Dorfes Neckarrems gezeitigt hatte. Denn dort können wir lesen: »Auf der Rems wird der hiesige Holzgarten mit Holz versehen; auf dem Neckar gehen Holzflöße für den Rhein. Am unmittelbaren Ausflusse der Rems finden drei bis vier Schiffe Haltplatz und Schutz. Oberhalb der Neckarbrücke halten
gewöhnlich Schiffe zum Übernachten, manchmal drei bis vier mit je zwei bis drei Beinachen.« Die Flößerei und der Holzgarten waren für Neckarrems von zentraler Bedeutung. Sie garantierten Beschäftigung und brachten Geld ins Dorf. Doch 1862 war plötzlich Schluss mit der Brennholzflößerei auf der Rems und dem Holzgarten; den Holztransport besorgte nun die im Jahr zuvor eröffnete Remstalbahn.
In der 1859 vom »Königlichen statistisch-topographischen Bureau« herausgegebenen amtlichen »Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg« wird Asperg als ein »Pfarrdorf mit Marktrecht« bezeichnet. Das alte Stadtrecht – urkundlich
erstmals 1308 belegt, als Graf Ulrich von Asperg »Burg und Stadt Asperg« an den Grafen Eberhard I. von Württemberg verkaufte – hatte damals schon seit gut einem Jahrhundert seine einstige Bedeutung verloren und war dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch formal aufgehoben worden. In der Oberamtsbeschreibung heißt es, Asperg sei ein »ansehnliches, ziemlich regelmäßig angelegtes Dorf«. Und weiter: »Der Ort ist im Allgemeinen freundlich, gut aussehend und mit breiten, gerade geführten, größtenteils gekandelten Straßen versehen, an denen sich die etwas gedrängt, meist aus Holz erbauten Häuser, die zum Teil ein städtisches Aussehen haben, lagern.«
1250 Jahre Ottmarsheim
(2016)
In der Oberamtsbeschreibung von 1866 heißt es über Ottmarsheim unter anderem: »Der im allgemeinen freundliche, meist aus mittelgroßen Gebäuden bestehende Ort ist reinlich gehalten« und hat auf der Hochebene über dem Neckartal eine »sehr angenehme, freie, jedoch etwas geschützte Lage«. Das Rathaus »mit Türmchen und Glocke auf dem First liegt von allen Seiten frei an der Hauptstraße in der Mitte des Orts und entspricht seiner Bestimmung«. Die 804 Einwohner des Dorfes sind »im allgemeinen kräftige, geordnete Leute, bei denen Sparsamkeit und Fleiß für die höchsten Tugenden gelten«. Ihre Haupterwerbsquellen »bestehen in Feldbau und Viehzucht«. Gutes Trinkwasser liefern »hinlänglich 3 laufende und 8 Pumpbrunnen«. Die Gemeinde ist schuldenfrei. Seit diese Sätze geschrieben wurden, sind 150 Jahre vergangen, und in diesen 150 Jahren hat sich sehr viel verändert: Aus den 804 Einwohnern von einst sind mittlerweile rund 2300 geworden. Die Landwirtschaft spielt heute auch in Ottmarsheim nur noch eine Nebenrolle. Um an gutes Trinkwasser zu kommen, muss man schon lange nicht mehr den mühsamen Weg zu den verschiedenen Brunnen auf sich nehmen, sondern genügt es, einfach den Wasserhahn aufzudrehen. Und Ottmarsheim ist auch nicht mehr schuldenfrei. 1971, bei der Eingemeindung nach Besigheim, lag die Pro-Kopf-Verschuldung bei 211 Mark, also rund 108 Euro, und heute ist sie noch um einiges höher.
Das Oberamt Ludwigsburg hatte im Jahre 1919 etwas über 71 000 Einwohner und war damit, gemessen an der Einwohnerzahl, das nach den Oberämtern Ulm und Heilbronn drittgrößte Oberamt in Württemberg. Auffallend ist, dass das nur 171 Quadratkilometer große Oberamtsgebiet mit 416 Einwohnern pro Quadratkilometer sehr dicht besiedelt war. Zum Vergleich: Die benachbarten Oberämter Besigheim, Leonberg, Marbach, Vaihingen und Waiblingen hatten zwischen 113 (Vaihingen) und 221 (Waiblingen) Einwohner pro Quadratkilometer. Fast ein Drittel der Einwohner des zwanzig Städte und Gemeinden umfassenden Oberamtsbezirks wohnten in Ludwigsburg, das damals 23 300 Einwohner zählte und die nach Stuttgart, Ulm, Heilbronn, Esslingen und Reutlingen sechstgrößte Stadt des Landes war. Zu den 52 württembergischen Städten und Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern gehörten von den Ludwigsburger Bezirksorten außerdem noch
Zuffenhausen (14 500 Einwohner) und Kornwestheim (5650 Einwohner). In Ludwigsburg, Zuffenhausen und Kornwestheim lebten insgesamt 43 450 Menschen oder 61 Prozent der Gesamtbevölkerung des Oberamtsgebiets.
Mühlen sind selten geworden, auch in unserer Gegend. Wo vor wenigen Jahrzehnten noch Müller ihrem Handwerk nachgingen, ist inzwischen in den meisten Fällen der Betrieb längst eingestellt, sind Mühlbäche und Mühlweiher zugeschüttet,
dienen die Mühlengebäude als normale Wohnhäuser. Und nicht selten ist sogar das
Mühlengebäude selbst verschwunden, erinnern nur noch Straßen- oder Flurnamen an die ehemalige Ortsmühle. Mit dem Verschwinden der Mühlen gerät
zugleich mehr und mehr in Vergessenheit, welch elementare Bedeutung sie einst
im Wirtschaftsleben unserer Orte, für die Menschen und ihr tägliches Brot hatten.
Die Erinnerung an Mühlen wird häufig reduziert auf romantisch geprägte Vorstellungen von klappernden Mühlen am rauschenden Bach, wie sie in zahllosen
Gemälden bekannter oder auch weniger bekannter Künstler festgehalten sind oder
auch in alten Volksliedern besungen werden.[1] Doch solche Vorstellungen werden
der historischen Wirklichkeit kaum gerecht. Der Blick auf die Fakten lässt nur
wenig Platz für Nostalgie, zeigt vielmehr, dass der Alltag auf den Mühlen geprägt
war von harter Arbeit und in vielen Fällen auch von einem harten Kampf um ein
wenigstens bescheidenes Auskommen.
Am 13. November 1720, zwei Jahre nach der Stadterhebung Ludwigsburgs, wandte sich der Stadtmagistrat mit der Bitte an Herzog Eberhard Ludwig, in der jungen Stadt eine Lateinschule einzurichten. Es liege ihm, so die Begründung des Magistrats, sehr am Herzen, dass »das gemeine Wesen omni modo und bester Dingen in allhiesiger Stadt reguliert, förderist aber wegen schon ziemlichermaßen sich vermehrter Jugend eine lateinische Schul bestellt werde, damit die Jugend zu mehrerem Eifer und studiis alliciert und die mit dergleichen zu denen studiis tüchtigen Jugend begabten Eltern solche ihre Kinder nicht anderer Orten mit größten Unkosten zur Schul zu schicken gemüßigt oder in Ermanglung der Mittel, ob es gleich die besten subjecta wären, unverantwortlich negligiert und verkürzt werden«. Als Präzeptor wurde der 23 Jahre alte Christian Schoder aus Wien vorgeschlagen, ein ehemaliger Benediktinermönch im Kloster Melk, der sich seit einigen Monaten als »Informator« in der Stadt aufhielt und mit seinem Privatunterricht den Beifall der Eltern erworben hatte.