020 Bibliotheks- und Informationswissenschaften
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Es brauchte einige Jahrzehnte, und langwierige Planungen waren notwendig, bis sie endlich in Karlsruhe zueinander fanden: badische Residenz und badisches Archiv. Zunächst war es gar nicht sicher, ob sich die Gründung von Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) im Hardtwald tatsächlich als dauerhafter Mittelpunkt der Markgrafschaft durchsetzen
würde. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Weichen zugunsten von Karlsruhe und somit gegen Durlach gestellt. Zu dieser Zeit konnte das badische, d. h. das fürstliche Archiv der Markgrafen von Baden bereits auf eine lange Tradition zurückblicken. Man verwahrte seit dem Hochmittelalter seine wichtigsten Dokumente sorgfältig; 1388 finden wir erstmals das markgräfliche Archiv explizit in den Quellen genannt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren Urkunden und Akten nach einem Brand aus Durlach nach Basel geflüchtet worden. Das Oberrheingebiet – in jenen Jahrzehnten regelmäßig Aufmarschgebiet gegnerischer Truppen – erschien zu unsicher. Basel als neutrale Stadt der Eidgenossenschaft
bot eine Alternative: Der Markgräfler Hof, das repräsentative badische Stadtpalais, wurde zur stattlichen Nebenresidenz mit Archiv und Kanzlei ausgebaut. Der »juristische Staatsschatz« aus Urkunden und Akten war die Rüstkammer, mit der die Herrschaft gegen fremde Ansprüche verteidigt werden konnte. Ihn galt es zu hüten – wenn nötig sogar im Ausland.
Unter der Inventar-Nummer 78/ 167 verfügen die Stadtgeschichtlichen Sammlungen Baden-Baden über einen „Schatz“, der manches Licht in das Alltagsgeschehen der mittelbadischen Region im letzten Jahrhundert bringen kann. Es handelt sich um die Tagebücher bzw. die Aufzeichnungen des Bankiers „Franz Meyer, einziger Sohn des Joseph Meyer + Margaretha, geb. Kapferer aus Freiburg“. Franz Meyer - er benutzt nur selten seinen Namen „Simon“ - hatte Bankniederlassungen in Rastatt, Baden(-Baden) und Karlsruhe. Außerdem besaß er über seinen Vetter, Heinrich Kapferer aus Freiburg, Verbindungen beim internationalen Finanzverkehr nach dem elsässischen Saint Blaise, Paris und London. Franz Meyer selbst bezeichnet seine später als „Tagebuchaufzeichnungen“ titulierten Notizen als „Tag und Familien Buch“. Nach dem Tod des Vaters Joseph am 23. Mai 1871 hatte Herrmann Franz Alois Meyer die beiden Bände geerbt. 1897 gingen diese an die Meyer-Tochter Fanny Goebel von Hassart. Als diese dann am 2. August 1903 starb, wurden die Aufzeichnungen als letztem der lebenden Kinder Franz Meyers, Clementine Freifrau von Villiez übergeben. Der Baron von Villiez, letzter Enkel des Verfassers, kam schließlich 1916 in den Besitz des „Tag- und Familienbuches“. Über weitere Stationen folgte 1975 schließlich die vorläufige Endstation für Meyers Aufzeichnungen, als die Stadt Baden-Baden diese erwerben konnte.
Es scheint passend, den folgenden Aufsatz mit einem bekannten Sprichwort einzuleiten: Habent sua fata libelli. Bücher haben ihr Schicksal und auch mittelalterliche
Handschriften erzählen zuweilen spannende Geschichten. Unter den Beständen der ehemaligen Dombibliothek Konstanz in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart befinden sich zwei Handschriften des frühen 9. Jahrhunderts, welche auf den ersten
Blick nur für wenige Spezialisten für die Überlieferung des lateinischen Bibeltextes relevant scheinen, die aber neue Erkenntnisse zur Präsenz der karolingischen Herrscher im
Bodenseeraum vermitteln.
Das gedruckte Zeugnis für das gesprochene Wort stand im Fokus der Reihe >>Bücherfunde<< an der Badischen Landesbibliothek. Die Veranstaltung mit dem Titel >>Zwei Frauen im Badischen Landtag: Marianne Weber und Marie Bernays<< fand im Rahmenprogramm zur Ausstellung >>Schlaglichter - 100 Bücher des Jahres 1918<< statt und verwies, als Ausblick zum Ende der Ausstellung zum Umsturz im Jahre 1918, auf die Schaffung einer neuen Verfassungsordnung im März 1919. Zusätzlich passten diese »Bücherfunde« auch zum Gedenken an das Jahr 1968 und den mit diesem Jahr verbundenen Emanzipationsbestrebungen. Ein kurzes Wort des französischen Philosophen Michel de Certeau bringt das Anliegen der Veranstaltung auf den Punkt: »En 1968 on a pris la parole comme en 1789 la Bastille.« Das gilt in noch viel größerem
Maße für die Jahre 1918/1919 in Deutschland, als die Frauen erstmals das aktive und das passive Wahlrecht erhielten. Dank dieser Mitspracherechte im Wortsinn war es möglich, dass sie in der Öffentlichkeit das Wort ergriffen und zur Politik Stellung nahmen.
Piaristen als Autoren
(2002)
Habent sua fata libelli. Dass auch Bücher ihre Schicksale haben, hat sich,
seit Terenz diesen Satz niederschrjeb, immer wieder neu gezeigt. Wo kamen die Bücher, die einmal da waren, hin? Und wo kamen die, die da sind,
her? Und wie, und wieso, kamen sie hierher?
Solche Fragen stellt sich jeder, der eine Bjbliothek besucht. Wer die
Hjstorische Bibliothek der Stadt Rastatt besucht, weiß bald Bescheid.
Denn das heutige Ludwig-Wi]helm-Gymnasium, in dem sje sich befindet,
ist aus dem Großherzoglichen Lyzeum hervorgegangen, in dem das Piaristenkolleg von Rastatt und das Lyzeum, vormals Jesuitenkolleg von Baden-Baden aufgegangen sind - einschließlich ihrer jeweiligen Buchbestände;
und denen der Jesuiten waren schon die ihrer elsässischen Mitbrüder zugewachsen, und die der baden-badischen Kapuziner kamen auch noch hinzu.
(Und seither noch mehr.) [1]
Einen gesonderten Bestand zum Ersten Weltkrieg gibt es im Landeskirchlichen Archiv ebenso wenig wie zum Zweiten Weltkrieg, wenn man von den Sammlungen der Feldpostbriefe absieht. In der Regel befinden sich Unterlagen zum Ersten Weltkrieg in entsprechenden Serien der Generalakten, aber auch in Personalakten und diversen Sammlungen.
Durch Vermittlung von OKR i.R. Gerhard Vicktor konnte der Landeskirchlichen Bibliothek durch Dr. Klaus Hommel aus Heidelberg eine wertvolle Bibelausgabe als Geschenk übergeben werden, nämlich eine Bibel des Frankfurter Verlegers Balthasar Christoph Wust (des Älteren) aus dem Jahre 1665. Nach Angaben des Titelblattes handelt es sich aber um eine Wittenberger Bibelausgabe, denn ihr wurde ein Vorwort von 1660 vorangestellt, das die Wittenberger Theologen für eine in Wittenberg im Oktavformat 1661 gedruckte Bibelausgabe verfasst hatten. Woher kam diese Verbindung des Frankfurter Verlegers nach Wittenberg? Balthasar Christoph Wust wurde 1630 als Sohn des Wittenberger Buchhändlers Christian Wust geboren. 1554 heiratete er die Tochter des Frankfurter Buchdruckers Kaspar Rödel; 1656 übernahm er dessen Druckerei. Um seinen Betrieb vor dem Konkurs zu retten, ging er 1668 eine Verlagsgemeinschaft mit Johann David Zunner ein. 1680 beschäftigte er immerhin 24 Setzer und Drucker, stand aber 1684 abermals vor einem Bankrott. Wust starb im Jahre 1704.
Im Frühjahr 2013 konnte die Landeskirchliche Bibliothek die Gesangbuchsammlung von Udo Eisenbeiß (1936-2013) aus Offenburg übernehmen. Der gebürtige Straßburger Eisenbeiß war Verwaltungsleiter und stellvertretender Direktor des Paul-Gerhardt-Werkes in Offenburg und leidenschaftlicher Kirchenmusiker. Zugleich war er auch ein passionierter Sammler u.a. von Gesangbüchern, deren Bestand er noch kurz vor seinem Tode der Gesangbuchsammlung der Landeskirchlichen Bibliothek
antrug. Die Gesangbücher wurden als „Sammlung Eisenbeiß“ in die Gesangbuchsammlung integriert. Das Zugangsbuch verzeichnet, nachdem Dubletten ausgeschieden worden waren, 310 Einträge.
Tagebücher „dienen der Niederschrift von Alltagsbegebenheiten und Erfahrungen, Empfindungen und Gedanken etc., die mit der Person des Tagebuchführenden in einem […] Zusammenhang stehen.“ Die Aufzeichnungen folgen einem chronologischen Fortgang, auch wenn nicht notwendiger Weise Kalenderdaten angegeben werden. Die einzelnen Eintragungen erfolgen i.d.R. schubweise und lassen sich daher deutlich voneinander unterscheiden. Typisch für Tagebücher ist ihre „offene Form“, d.h. sie sind prinzipiell nicht abgeschlossen oder können jederzeit wieder aufleben. Ein Bezug einer Eintragung zu früheren Eintragungen muss nicht bestehen. Die aktuellen und konkreten Aufzeichnungen werden oft durch Reflexionen über die beschriebenen Ereignisse ergänzt. Tagebücher weisen typischerweise einen unsystematischen oder fragmentarischen Charakter auf. Doch können durch nachträgliche Überarbeitungen im Zuge einer Reinschrift für eine Öffentlichkeit Bearbeitungen erfolgen, die den ursprünglichen Inhalt erheblich verändern können, wenn etwa späteres Wissen in Urteile und die Darstellung von Zusammenhängen einfließt. Im Folgenden sollen zwei Tagebücher vorgestellt werden, die von Frauen verfasst wurden, die beide in einem – wenn auch sehr unterschiedlichen – Bezug zur Evangelischen Landeskirche in Baden standen. Diese Tagebücher drängen gewissermaßen die Frage auf, welche Relevanz die Tagebucheintragungen für das Verständnis der Rolle von Frauen in der Landeskirche haben. Das erste Tagebuch stammt von der Karlsruher Künstlerin Clara Faisst und umfasst die Jahre des Ersten Weltkrieges. Das zweite Tagebuch verfasste Gertrud Hammann in der Zeit ihres Aufenthaltes in Gurs im Jahre 1940. Beide Tagebücher befinden sich in den Beständen des Landeskirchlichen Archivs.
Die Gesangbuchsammlung der Landeskirchlichen Bibliothek in Karlsruhe ist mit ihren inzwischen ca. 4.900 Exemplaren eine der großen Sammlungen in Deutschland, so dass es angebracht erscheint, sie näher vorzustellen und ihre Besonderheiten zu
beschreiben. Möglich wird dies u. a. dadurch, dass die Sammlung vergleichsweise gut erschlossen ist, zum einen, weil die „echten“ Gesangbücher in der Bibliographie der deutschsprachigen Gesangbücher der Universität Mainz erfasst sind (und werden), zum anderen da die Katalogisierung im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund zügig voranschreitet. Der der Sammlung zugrunde gelegte Gesangbuchbegriff ist nicht eng zu fassen. So enthält die Sammlung neben den „echten“ Gesangbüchern für den gottesdienstlichen Gebrauch auch Schulgesangbücher, Gesang- und Liederbücher für kirchliche
Gruppen und für spezielle Funktionen, Choral- und Melodienbücher sowie geistliche Liederhefte. In geringem Umfang befinden sich in der Sammlung auch weltliche Gesang- und Liederbücher. Andererseits sind nicht nur Choralbücher oder geistliche Liedersammlungen auch anderen Abteilungen des Bibliotheksbestandes zugeordnet. Die Karlsruher Gesangbuchsammlung ist eine überregional angelegte Sammlung, die natürlich bestrebt ist, die „badischen“ (bezogen auf das heutige Gebiet der badischen Landeskirche) Gesangbücher möglichst vollständig zu erfassen, die übrigen „Gesangbuchlandschaften“ aber auch in einer repräsentativen Auswahl widerzuspiegeln. Auch wenn wir es mit einer Sammlung einer evangelischen Bibliothek zu tun haben, ist der Sammelauftrag nicht konfessionell begrenzt, sondern berücksichtigt prinzipiell alle Konfessionen und auch andere Religionen. Auch unter geografischer, politischer und kultureller Perspektive überschreitet die Sammlung Grenzen, so dass nicht nur deutschsprachige Gesangbücher in ihr enthalten sind, sondern prinzipiell Gesangbücher aus allen Sprachen und Kulturen in ihr aufgenommen sein sollen.