020 Bibliotheks- und Informationswissenschaften
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Tagebücher „dienen der Niederschrift von Alltagsbegebenheiten und Erfahrungen, Empfindungen und Gedanken etc., die mit der Person des Tagebuchführenden in einem […] Zusammenhang stehen.“ Die Aufzeichnungen folgen einem chronologischen Fortgang, auch wenn nicht notwendiger Weise Kalenderdaten angegeben werden. Die einzelnen Eintragungen erfolgen i.d.R. schubweise und lassen sich daher deutlich voneinander unterscheiden. Typisch für Tagebücher ist ihre „offene Form“, d.h. sie sind prinzipiell nicht abgeschlossen oder können jederzeit wieder aufleben. Ein Bezug einer Eintragung zu früheren Eintragungen muss nicht bestehen. Die aktuellen und konkreten Aufzeichnungen werden oft durch Reflexionen über die beschriebenen Ereignisse ergänzt. Tagebücher weisen typischerweise einen unsystematischen oder fragmentarischen Charakter auf. Doch können durch nachträgliche Überarbeitungen im Zuge einer Reinschrift für eine Öffentlichkeit Bearbeitungen erfolgen, die den ursprünglichen Inhalt erheblich verändern können, wenn etwa späteres Wissen in Urteile und die Darstellung von Zusammenhängen einfließt. Im Folgenden sollen zwei Tagebücher vorgestellt werden, die von Frauen verfasst wurden, die beide in einem – wenn auch sehr unterschiedlichen – Bezug zur Evangelischen Landeskirche in Baden standen. Diese Tagebücher drängen gewissermaßen die Frage auf, welche Relevanz die Tagebucheintragungen für das Verständnis der Rolle von Frauen in der Landeskirche haben. Das erste Tagebuch stammt von der Karlsruher Künstlerin Clara Faisst und umfasst die Jahre des Ersten Weltkrieges. Das zweite Tagebuch verfasste Gertrud Hammann in der Zeit ihres Aufenthaltes in Gurs im Jahre 1940. Beide Tagebücher befinden sich in den Beständen des Landeskirchlichen Archivs.
Die Gesangbuchsammlung der Landeskirchlichen Bibliothek in Karlsruhe ist mit ihren inzwischen ca. 4.900 Exemplaren eine der großen Sammlungen in Deutschland, so dass es angebracht erscheint, sie näher vorzustellen und ihre Besonderheiten zu
beschreiben. Möglich wird dies u. a. dadurch, dass die Sammlung vergleichsweise gut erschlossen ist, zum einen, weil die „echten“ Gesangbücher in der Bibliographie der deutschsprachigen Gesangbücher der Universität Mainz erfasst sind (und werden), zum anderen da die Katalogisierung im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund zügig voranschreitet. Der der Sammlung zugrunde gelegte Gesangbuchbegriff ist nicht eng zu fassen. So enthält die Sammlung neben den „echten“ Gesangbüchern für den gottesdienstlichen Gebrauch auch Schulgesangbücher, Gesang- und Liederbücher für kirchliche
Gruppen und für spezielle Funktionen, Choral- und Melodienbücher sowie geistliche Liederhefte. In geringem Umfang befinden sich in der Sammlung auch weltliche Gesang- und Liederbücher. Andererseits sind nicht nur Choralbücher oder geistliche Liedersammlungen auch anderen Abteilungen des Bibliotheksbestandes zugeordnet. Die Karlsruher Gesangbuchsammlung ist eine überregional angelegte Sammlung, die natürlich bestrebt ist, die „badischen“ (bezogen auf das heutige Gebiet der badischen Landeskirche) Gesangbücher möglichst vollständig zu erfassen, die übrigen „Gesangbuchlandschaften“ aber auch in einer repräsentativen Auswahl widerzuspiegeln. Auch wenn wir es mit einer Sammlung einer evangelischen Bibliothek zu tun haben, ist der Sammelauftrag nicht konfessionell begrenzt, sondern berücksichtigt prinzipiell alle Konfessionen und auch andere Religionen. Auch unter geografischer, politischer und kultureller Perspektive überschreitet die Sammlung Grenzen, so dass nicht nur deutschsprachige Gesangbücher in ihr enthalten sind, sondern prinzipiell Gesangbücher aus allen Sprachen und Kulturen in ihr aufgenommen sein sollen.
Strukturveränderungen begegnen uns in allen Landeskirchen, von den überall zu registrierenden Zusammenlegungen von Kirchengemeinden oder Pfarrstellen auf der untersten Ebene bis hin zu Fusionen auf der Ebene der Landeskirchen selbst. Vielfältige Strukturveränderungen sind auch in der badischen Landeskirche in den letzten Jahren zu konstatieren. Jede dieser Strukturveränderungen impliziert in der Folge auch mannigfache Anforderungen an das Landeskirchliches Archiv. Das Landeskirchliche Archiv hat sich mit diesen Fragen zu befassen, weil es zum einen eine zentrale Zuständigkeit in Fragen der Archivaufsicht und der Archivpflege in den Gemeinden und Bezirken wahrnimmt, zum anderen weil es im Rahmen der Bezirksvisitationen mit der Prüfung der Verwaltungen der Mittelinstanzen, also der Dekanate, der bezirklichen Bildungsarbeit und der Verwaltungsämter beauftragt ist. Archivpflege und Verwaltungsprüfungen verschaffen dem Archiv genaue Kenntnis der jeweiligen Strukturen und der damit verbundenen Probleme, die ihm die Entwicklung von Lösungsstrategien und deren Umsetzung (wenn auch leider nicht immer zeitnah) ermöglichen.
Wer von oben auf den neu gestalteten Parkhof schaut, kann erahnen, was darunter liegt. Die Fläche des 465m² großen unterirdischen Magazins für Archiv und Bibliothek wird durch die künstlerische Gestaltung der Pflastersteine hervorgehoben. Nach einem Jahr Bauzeit sind das neue Magazin und der Parkhof nun (fast) fertig. In einem Festakt am 30. Juni wurden die Anlagen bereits symbolisch ihrer Bestimmung übergeben. Der Künstler Axel Philipp hat als Motiv für den Parkhof typische Buch- und Aktenrücken in einer in die Horizontale gekippten Regalanlage dargestellt. Im darunter liegenden Magazin, das 650 Kubikmeter Beton und 80 Tonnen Stahl „verschlang“, sind nun 940 Regalmeter frei für Bücher, fast 4.500 Regalmeter, die mit 33.152 Archivschachteln, gefüllt mit Akten, bestückt werden können, sowie 320 Schubladen im Format A1 für Pläne und Karten. Dieser unterirdische Neubau soll zum einen die Magazine der Bibliothek von ihren historischen Buchbeständen entlasten. Zum anderen soll er den Raumbedarf des Archivs langfristig abdecken.
Die Augusta-Maria-Bibel
(2008)
Es sind die „Sternstunden“ eines Archivars und Bibliothekars, wenn durch einen unerwarteten Fund ein verschollen geglaubter Schatz gewissermaßen wieder entdeckt wird. Bei der Durchsicht von älteren Buchbeständen vor Ort im Magazin der Landeskirchlichen Bibliothek – die Arbeit am Regal und die Autopsie sind trotz aller Kataloge noch immer eine unerlässliche Tätigkeit für einen Bibliothekar, der sich mit alten Drucken befasst – konnte so eine der extrem seltenen „Augusta-Maria-Bibeln“ aus dem Jahr 1698 aufgefunden werden.
Archiv und Bibliothek dürfen sich über wertvolle Neuzugänge freuen, von denen einige hier kurz angezeigt sein sollen: Seltener Lutherdruck Ein brieff / D.Mart.Luth. / Von seinem / Buch der Winckel / messen, an einen / guten freund. / Wittenberg / M. D. XXXIIII, Die bei Hans Lufft zu Wittenberg im Jahre 1534 gedruckte Lutherschrift wurde der Landeskirchlichen Bibliothek von der Evang. Kapellengemeinde in Heidelberg überlassen. Wie der Druck in das Pfarramt der Gemeinde kam, ist unbekannt. Ein alter Bibliotheksstempel verweist auf die Herkunft aus einer aufgelösten Hochschulbibliothek (Bibl. Acad. Land.) hin. Das vorliegende Exemplar gehört zur zweiten von Lufft in Wittenberg 1534 publizierten und völlig neu gesetzten Ausgabe der gleichen Schrift. Das Impressum enthält den Druckfehler „Gedruck zu Wittenberg“; dieser Fehler wurde in einem Nachdruck aus dem gleichen Jahr korrigiert. Die bei Josef Benzing / Helmut Claus, Lutherbibliographie. Verzeichnis der gedruckten Schriften Martin Luthers bis zu dessen Tod, Bd. II, Baden-Baden
1994 unter der Nummer 3093, Variante B1 verzeichnete Druck ist identisch mit der Ausgabe VD16 L 4178. Der SWB
weist derzeit nur die Ausgaben VD16 L 4177 (Wittenberg 1534) und nach VD16 L 4176 (Nürnberg 1534) nach.
Der Bayerische Verbundkatalog differenziert bei der Ausgabe B (Benzing 3093) leider nicht zwischen den beiden
Varianten, so dass unklar ist, ob unsere Ausgabe dort erfasst ist.
Die Geschichte einer Kirchen- oder Pfarrgemeinde lässt sich zuverlässig nur mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung schreiben, die im Wesentlichen auf den in einem Pfarrarchiv vorhandenen Akten, Amtsbüchern und Urkunden beruht. Pfarrchroniken, die in vielen Landeskirchen verpflichtend waren bzw. sind, oder persönliche Berichte der Pfarrer sind in Baden eher selten anzutreffen, können aber Teil der pfarramtlichen Überlieferung sein. Auch Printerzeugnisse der Gemeinde wie das Gemeindeblatt sind Teil der amtlichen Überlieferung. Zu den Pfarramtsakten können privatrechtliche Unterlagen von kirchlichen Vereinen, etwa dem Kirchenchor oder dem Diakonieverein, hinzutreten; auf sie hat das Pfarramt nur bedingt einen Zugriff, denn es bedarf der unmittelbaren Entscheidung der rechtlichen Vertreter der Vereine, ob diese Unterlagen zur Verwahrung an ein Pfarrarchiv übergeben werden. In den letzten Jahrzehnten wurden gern auch sog. Zeitzeugen zu Vorgängen in der Gemeinde befragt. So wertvoll Zeitzeugenberichte – wenn sie überhaupt schriftlich fixiert wurden – sein können, so bedürfen sie doch immer der Verifzierung anhand der „amtlichen“ Überlieferung. Für Nachlässe aus privater Hand ist ein Pfarrarchiv in der Regel nicht der geeignete Ort; diese oder auch Predigtsammlungen sollten an ein zentrales Archiv, für den Bereich der badischen Landeskirche ist dies das Landeskirchliche Archiv, gegeben werden.
At the Badische Landesbibliothek Karlsruhe (BLB) we offer a variety of e-resources
with different access requirements. On the one hand, there is free access to open
access material, no matter where you are. On the other hand, there are e-resources
that you can only access when you are in the rooms of the BLB. We also offer eresources
that you can access from anywhere, but you must have a library account
for authentication to gain access. To test the functionality of these access methods,
we have created a project to automatically test the entire process from searching our
catalogue, selecting a hit, logging in to the provider’s site and checking the results.
For this we use the End 2 End Testing Framework CodeceptJS.
Der Artikel geht folgender Frage nach: Inwieweit kann man in einer Bibliothek allein mit Hilfe
der Autopsie NS-Raubgut nachweisen, wenn nach einem Bombenangriff das eigene
Verwaltungsschriftgut nur noch bruchstückhaft vorhanden ist?
Mit der Zerstörung der Badischen Landesbibliothek (BLB) Anfang September 1942 wurden
sowohl die gedruckten Bestände als auch das Verwaltungsschriftgut beinahe vollständig
vernichtet. Die Kostbarkeiten der Bibliothek waren 1939 in verschiedene Depots ausgelagert
worden und überdauerten die Zerstörung des Gebäudes. Die Recherchen nach heute noch
vorhandenem NS-Raubgut erstrecken sich auf den für das Projekt ausgewählten Buchbestand
der Jahre 1942-1945, der sofort nach dem Bombenangriff und mit finanzieller Unterstützung
durch die zuständigen Reichs- und Landesbehörden für den Wiederaufbau erworben wurde.
Bei einem ersten Abgleich der noch vorhandenen Akzessionsjournale und der aktuellen
Katalogdatenbank wurde offensichtlich, dass die Zugangsjournale die tatsächlichen
Neuzugänge seit Ende 1942 nicht vollständig abbilden. Zur Ermittlung von NS-Raubgut muss
der ausgewählte Bestandsbereich daher per Autopsie systematisch auf verdächtige
Provenienzhinweise hin untersucht werden. Um die Erkenntnisse der Autopsie bewerten zu
können, müssen zusätzlich die ab 1942 entstandenen Bibliotheksakten und die Unterlagen
anderer Verwaltungsstellen in Bezug auf Abgabe- und Übernahmevorgänge gesichtet und
ausgewertet werden, da die BLB wie andere Kulturgut verwahrende Institutionen von
Beschlagnahmungen und Entwendungen profitierte.
Nadeln im Heuhaufen
(2020)
Musikalien, insbesondere die für Aufführungen notwendigen Stimmen, waren in der
Vergangenheit in erster Linie Gebrauchsgegenstände, die nach ihrer praktischen Verwendung vielfach als nicht sammel- oder archivwürdig angesehen, sondern oft makuliert oder ganz vernichtet wurden. Anders verhielt es sich mit den Libretti: Sie waren
Sammelobjekte von Privatleuten, fanden aber auch Eingang in höfische Bibliotheken.
Häufig sind schon Einzelexemplare prachtvoll und aufwendig gebunden, nicht selten
aber in Sammelbänden buchbinderisch zusammengefasst.
Der Verlust von fast allen musikalischen Quellen ist für den Fall der Hofmusik in
Rastatt zu beklagen. Nach der Zerstörung Baden-Badens im Pfälzischen Erbfolgekrieg
hatte Markgraf Ludwig Wilhelm hier ein neues Schloss errichten lassen. Mit dem
Rastatter Frieden von 1715 entfaltete sich in der Folge das höfische Leben, zu dem auch
eine bedeutende Hofkapelle zählte. Rastatt blieb bis zum Aussterben der Linie im Jahre
1771 für gut ein halbes Jahrhundert Residenz der katholischen Markgrafen von Baden-Baden.
Wer sang die Euryanthe?
(2017)
Auf gedruckten Zetteln, die deutlich kleiner waren als heutige Plakate, bewarb das Großherzogliche Hoftheater nach dem Vorbild vieler anderer deutscher Bühnen seine abendlichen Aufführungen. Die von Austrägern an Privathaushalte verteilten, später auch im öffentlichen Raum angeschlagenen Zettel informierten die Theaterbesucher vorab über das vorgesehene Theater- oder Musikstück und über die Verteilung der Rollen. Aufgrund dieser und weiterer Angaben geben uns die Theaterzettel Aufschluss über den Spielbetrieb vergangener Zeiten. Sie bilden heute eine wertvolle Quelle, die dank Digitalisierung und Internetpräsentation von allen am Theatergeschehen interessierten frei und komfortabel befragt werden kann.
Nach längerer Pause hat die Arbeitsgruppe Regionalbibliographie ihre jährliche
Sitzung wieder einmal in Hamburg abgehalten; eingeladen hatte die Staats- und
Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky. Gleich zu Beginn konnten die Sitzungsteilnehmer
mit Freude zur Kenntnis nehmen, dass die Virtuelle Deutsche Landesbibliographie
(VDL) nun auf der Startseite des Karlsruher Virtuellen Katalogs
(KVK) in der Rubrik „Deutschland“ ein eigenes Kästchen zum Anhaken bekommen
hat. Damit ging ein lange gehegter Wunsch der Arbeitsgruppe in Erfüllung,
für dessen Umsetzung der KIT-Bibliothek zu danken ist, die bereits im vergangenen
Jahr der Startseite der VDL ein frisches, zeitgemäßes Layout gegeben hatte.
Die VDL ist ein Beleg für die erfolgreiche Vernetzung der Landesbibliographien
und die gemeinsame Präsentation ihrer Datenbestände im Internet. Unter
einer einheitlichen Rechercheoberfläche können alle internetbasierten Landesbibliographien
gleichzeitig abgefragt werden. Damit ist die VDL insbesondere für
länderübergreifende Fragestellungen ein überaus nützliches Suchinstrument.
Die Platzierung auf der KVK-Hauptseite erhöht die Präsenz der VDL als einer wichtigen
länderübergreifenden Rechercheplattform zur Landesgeschichte und Landeskunde.
Schon in den ersten Tagen belegten die Zahlen der Nutzungsstatistik
(Anfragen, Volltitelabrufe) den Wert dieser Maßnahme. Auch für den KVK ergibt
sich dadurch ein Mehrwert, weil deutlich mehr unselbständig erschienene Literatur
in die Suche des Nutzers einbezogen werden kann, denn rund zwei Drittel
der in den Landesbibliographien nachgewiesenen Literaturstellen sind Aufsätze
und Artikel.
Neben den Berichten aus allen Bundesländern, die vollzählig in Hamburg
vertreten waren, wurden zahlreiche Einzelaspekte aus der praktischen Arbeit
behandelt.
Die Bibliothek, um die es im Folgenden geht, ist gut 500 Jahre alt. Ebenso alt ist die Benutzung der Bücher dieser Bibliothek. Wie allgemein bekannt, ist das Merkmal der Benutzung bzw. Benutzbarkeit geradezu konstitutiv für den Begriff „Bibliothek“, oder anders gesagt: Ein mit Büchern und Bücherregalen vollgestopfter Raum ist keine Bibliothek. Gerade einmal halb
so alt ist indessen das Statut, in dem zum ersten Mal die Benutzung der Bibliotheksbestände geregelt wurde, nämlich 250 Jahre. In der folgenden Darstellung werden die 1771 in Kraft getretenen Regelungen den Ausgangspunkt bilden für die Betrachtung der Hofbibliothek und ihrer Benutzung von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. War die Ordnung von 1771 noch sehr kurz gehalten, stieg der Umfang der nachfolgenden Statuten deutlich an. Die Bestimmungen wurden teils differenzierter und ausführlicher, was angesichts der sich ständig erweiternden Benutzungsmöglichkeiten nicht weiter verwundern kann; teils wurden sie aber auch so unverhältnismäßig bürokratisch und kleinteilig, dass sich in ihnen – so ließe sich interpretieren – ein tiefes Misstrauen gegenüber den Nutzern offenbarte.
Ende 2015 konnte die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe
auf fünf Jahre Kulturgutdigitalisierung zurückblicken. Mit einem Scanner
und einem Buchtisch sowie dem Digitalisierungssystem Visual Library gestartet,
konnte die hauseigene Werkstatt in der Folgezeit ihre Erstausstattung um weitere
Scantechnik und zusätzliche Softwaremodule aufrüsten. Mit Hilfe von Drittmittel-
finanzierten Projekten gelang es, die Digitalisierungsstrategie des Hauses, die
auf mittelalterliche Handschriften, Musikalien und regionales Schrifttum gerichtet
ist, erfolgreich umzusetzen. Der Aufsatz benennt die Inhalte der wichtigsten
Digitalisierungsprojekte, die zwischen 2011 und 2015 durchgeführt wurden.
Erste Vorbemerkung: Der Verfasser ist in den zurückliegenden Jahren immer
wieder mit der Frage nach der modernen Landesbibliographie und ihren Dienstleistungen
für die Nutzer konfrontiert worden. Zu verschiedenen Anlässen hat er
seine Thesen als Einstieg in die Diskussion vorgetragen, meist vor Bibliographen,
manchmal auch vor Bibliothekaren und anderen Informationsspezialisten oder
vor Wissenschaftlern. Im Zentrum der Überlegungen stand dabei stets das Endprodukt,
so wie es der Nutzer als Internetangebot in Form eines webbasierten
OPAC vorfindet. Herstellungsverfahren und Arbeitsabläufe standen also nicht im
Fokus der Betrachtung und spielen im Folgenden auch nur insoweit eine Rolle,
wie sie das Rechercheangebot beeinflussen.
In den Protokollen der Großherzoglichen Ständeversammlung bzw. des Badischen Landtags spiegelt sich die erfolgreiche parlamentarische Tradition des Landes seit Verkündung der Verfassung 1818 und dem Zusammentritt der ersten Volksvertretung 1819. Die Badische Landesbibliothek hat deshalb diese zentrale historische Quelle digitalisiert und 2012 als ihren Beitrag zum Landesjubiläum ins Internet gestellt. Das über 600 Bände umfassende Werk, das in vollständiger Form nur in wenigen großen wissenschaftlichen Bibliotheken einsehbar ist, steht nun unabhängig von Ort und Zeit allen Fachleuten und geschichtsinteressierten Laien zur Verfügung. Die Sitzungsprotokolle dokumentieren zum einen die Geschichte des Badischen Landtags, die 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu Ende ging; zum anderen sind sie für zahlreiche Einzelfragen der Geschichte Badens eine ergiebige historische Quelle.
Im April 2014 erstand die Badische Landesbibliothek bei einer Auktion des Hauses Stargardt ein kleines Konvolut von eigenhändigen Briefen Karl von Rottecks, die dieser zwischen 1820 und 1829 aus Karlsruhe und Freiburg an den Leipziger Verleger Friedrich Arnold Brockhaus (1772–1823) bzw. dessen Söhne Friedrich (1800–1865) und Heinrich (1804–1874) schrieb.1 Sie betreff en Rottecks Mitarbeit an Brockhaus’schen Zeitschriften, Buchbestellungen, Abrechnungen und Zahlungen, werfen aber auch ein paar Schlaglichter auf Rottecks politisches Amt und seine kritische Sicht der politischen Verhältnisse in Baden.
Als die Badische Landesbibliothek 22 Jahre nach ihrem Untergang endlich ein eigenes Gebäude beziehen konnte, um ihren Lesern in komfortabler Weise Literatur und Informationen zur Verfügung zu stellen, zählte der Bibliotheksbestand
immerhin wieder 327 000 Werke. Damit hatte er das Vorkriegsniveau beinahe wieder erreicht: Als die Bibliothek in der
Nacht vom 2. auf den 3. September 1942 im Bombenhagel auf Karlsruhe untergegangen war, hatte sie bei einem Verlust von 365 000 gedruckten Bänden nahezu einen Totalschaden erlitten. Allein die rechtzeitig an sichere Orte ausgelagerten Handschriften, Inkunabeln und sonstigen wertvollen Stücke waren gerettet worden, außerdem die zufällig gerade ausgeliehenen Titel und schätzungsweise 13 000 Bücher, die den Brand überstanden hatten.
In den sieben Jahrzehnten zwischen dem Auszug aus dem Schloss und der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, in denen die Großherzogliche Hof- und Landesbibliothek im Sammlungsgebäude am Friedrichsplatz ansässig war, entwickelte sie sich von einer Hof ibliothek mit begrenztem Nutzerkreis zu einer öffentlich zugänglichen wissenschaftlichen Gebrauchsbibliothek
modernen Zuschnitts. In der badischen Bibliothekslandschaf rangierte sie hinter den Universitätsbibliotheken Heidelberg und Freiburg als drittgrößte Bibliothek; aufgrund der Ausübung regionaler Aufgaben nahm sie die Funktion der Landesbibliothek ein. Im deutschen Bibliothekswesen etablierte sie sich als eine Einrichtung, die sich gegenüber bibliothekarischen
Neuerungen und Reformen aufgeschlossen zeigte und sich an der überregionalen Zusammenarbeit beteiligte.