020 Bibliotheks- und Informationswissenschaften
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Die Kulturgutdigitalisierung gehört seit Jahren zum Kerngeschäft
der Landesbibliotheken wie der BLB. Dabei lag der Fokus lange Zeit auf der
Contentdigitalisierung von unikalem Material. Hinzu kamen regional interessante
Bestände wie Adressbücher oder Landtagsprotokolle. Allerdings stellt sich zunehmend
die Frage, ob die Aufgabe der Bibliotheken mit der reinen Imageproduktion
schon erledigt ist. Am Beispiel der BLB sollen Zukunftsperspektiven aufgezeigt
werden, die über die Contentproduktion hinausgehen. Dazu gehört neben der
Anreicherung der Digitalisate durch Normdaten, Volltexte und Editionen die
Einbindung in überregionale Portale, die Zusammenarbeit mit der Forschung
bei ausgewählten Projekten, die Unterstützung kleinerer Einrichtungen und das
Engagement in Citizen-Science-Projekten.
RegionaliaOpen
(2021)
Am Beispiel der Badischen Landesbibliothek wird aufgezeigt, welche Rolle den Regionalbibliotheken
im Zuge der Open-Access-Transformation zukommt und welche Schritte diese unternehmen, um
den Anforderungen gerecht zu werden. Dabei wird das neue Repositorium der Badischen Landesbibliothek
„RegionaliaOpen – Open-Access-Publikationsserver für den Südwesten“ vorgestellt und
erläutert, wie der Weg bis dahin aussah. Thematisiert werden zudem die Herausforderungen und
Besonderheiten eines Repositoriums an einer Landesbibliothek und es wird erklärt, welche Entscheidungen
hinsichtlich Inhalten und Adressaten, Software, Erschließung und Workflows getroffen
wurden. Zudem wird über die Erfahrungen bei der Gewinnung von Kooperationspartnern und dem
Aufbau von Publikationsservices für die landeskundliche Community berichtet.
Seit Beginn ihrer Digitalisierung 2010 liegt ein Fokus der
Badischen Landesbibliothek auf regionalen Beständen aus und zu Baden. Unter
diesen finden sich auch Reisebeschreibungen und Bildbände aus dem 19. Jahrhundert
mit zahlreichen Ansichten von Städten, Landschaften, Kirchen, Burgen,
Plätzen und weiteren Baudenkmälern aus dem Oberrheingebiet sowie wissenschaftliche
Literatur zum Rhein. Die Abbildungen werden mit angereicherten
Normdaten verknüpft und mittels Zuweisung der entsprechenden Koordinaten
auf einer Landkarte verortet. Dadurch kann die Badische Landesbibliothek ihren
speziell an Bildzeugnissen interessierten Nutzerinnen und Nutzern verschiedene
Rechercheeinstiege anbieten: Zugriff auf die einzelnen Abbildungen bieten ein
alphabetisches Ortsnamenregister, ein Suchschlitz oder die Verortung auf einer
Landkarte.
Wer sang die Euryanthe?
(2017)
Auf gedruckten Zetteln, die deutlich kleiner waren als heutige Plakate, bewarb das Großherzogliche Hoftheater nach dem Vorbild vieler anderer deutscher Bühnen seine abendlichen Aufführungen. Die von Austrägern an Privathaushalte verteilten, später auch im öffentlichen Raum angeschlagenen Zettel informierten die Theaterbesucher vorab über das vorgesehene Theater- oder Musikstück und über die Verteilung der Rollen. Aufgrund dieser und weiterer Angaben geben uns die Theaterzettel Aufschluss über den Spielbetrieb vergangener Zeiten. Sie bilden heute eine wertvolle Quelle, die dank Digitalisierung und Internetpräsentation von allen am Theatergeschehen interessierten frei und komfortabel befragt werden kann.
Ende 2015 konnte die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe
auf fünf Jahre Kulturgutdigitalisierung zurückblicken. Mit einem Scanner
und einem Buchtisch sowie dem Digitalisierungssystem Visual Library gestartet,
konnte die hauseigene Werkstatt in der Folgezeit ihre Erstausstattung um weitere
Scantechnik und zusätzliche Softwaremodule aufrüsten. Mit Hilfe von Drittmittel-
finanzierten Projekten gelang es, die Digitalisierungsstrategie des Hauses, die
auf mittelalterliche Handschriften, Musikalien und regionales Schrifttum gerichtet
ist, erfolgreich umzusetzen. Der Aufsatz benennt die Inhalte der wichtigsten
Digitalisierungsprojekte, die zwischen 2011 und 2015 durchgeführt wurden.
In den Protokollen der Großherzoglichen Ständeversammlung bzw. des Badischen Landtags spiegelt sich die erfolgreiche parlamentarische Tradition des Landes seit Verkündung der Verfassung 1818 und dem Zusammentritt der ersten Volksvertretung 1819. Die Badische Landesbibliothek hat deshalb diese zentrale historische Quelle digitalisiert und 2012 als ihren Beitrag zum Landesjubiläum ins Internet gestellt. Das über 600 Bände umfassende Werk, das in vollständiger Form nur in wenigen großen wissenschaftlichen Bibliotheken einsehbar ist, steht nun unabhängig von Ort und Zeit allen Fachleuten und geschichtsinteressierten Laien zur Verfügung. Die Sitzungsprotokolle dokumentieren zum einen die Geschichte des Badischen Landtags, die 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu Ende ging; zum anderen sind sie für zahlreiche Einzelfragen der Geschichte Badens eine ergiebige historische Quelle.
Im April 2014 erstand die Badische Landesbibliothek bei einer Auktion des Hauses Stargardt ein kleines Konvolut von eigenhändigen Briefen Karl von Rottecks, die dieser zwischen 1820 und 1829 aus Karlsruhe und Freiburg an den Leipziger Verleger Friedrich Arnold Brockhaus (1772–1823) bzw. dessen Söhne Friedrich (1800–1865) und Heinrich (1804–1874) schrieb.1 Sie betreff en Rottecks Mitarbeit an Brockhaus’schen Zeitschriften, Buchbestellungen, Abrechnungen und Zahlungen, werfen aber auch ein paar Schlaglichter auf Rottecks politisches Amt und seine kritische Sicht der politischen Verhältnisse in Baden.
Als die Badische Landesbibliothek 22 Jahre nach ihrem Untergang endlich ein eigenes Gebäude beziehen konnte, um ihren Lesern in komfortabler Weise Literatur und Informationen zur Verfügung zu stellen, zählte der Bibliotheksbestand
immerhin wieder 327 000 Werke. Damit hatte er das Vorkriegsniveau beinahe wieder erreicht: Als die Bibliothek in der
Nacht vom 2. auf den 3. September 1942 im Bombenhagel auf Karlsruhe untergegangen war, hatte sie bei einem Verlust von 365 000 gedruckten Bänden nahezu einen Totalschaden erlitten. Allein die rechtzeitig an sichere Orte ausgelagerten Handschriften, Inkunabeln und sonstigen wertvollen Stücke waren gerettet worden, außerdem die zufällig gerade ausgeliehenen Titel und schätzungsweise 13 000 Bücher, die den Brand überstanden hatten.
Adressbücher sind Abbreviaturen, in denen auf denkbar rationellste Weise Gesellschaft en Wissen von sich selbst organisieren. Es wiegt 1700 Gramm, umfasst 1208 Seiten, weist einen festen Einband im Format ca. 30 × 21 cm auf und kostet 54 Euro: das Adressbuch der Stadt Karlsruhe 2012 mit Wegweiser durch Karlsruhe. Dem elektronischen Trend trotzend hat der Braun Telefonbuchverlag an der Tradition festgehalten und auch in diesem Jahr wieder einen neuen Jahrgang dieses (ge)wichtigen Nachschlagewerks in gedruckter Form auf den Markt gebracht. Nahezu zeitgleich hat die Badische Landesbibliothek weit über einhundert alte Jahrgänge des Adressbuchs digitalisiert und für jeden frei zugänglich ins Internet gestellt. Beide Ereignisse sind Anlass genug, einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Karlsruher Adressbuches zu werfen.