060 Allgemeine Organisationen, Museumswissenschaft
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Über den Aufbau einer Lepidopteren-Hauptsammlung im Ressort Macrolepidoptera des Staatlichen Museums für Naturkunde Karlsruhe wurde bereits zweimal in dieser Zeitschrift berichtet (Ebert 1964 und 1977). In diese Hauptsammlung soll im Laufe der Zeit das gesamte wissenschaftlich konservierte Belegmaterial Eingang finden und durch eine sowohl systematisch als auch geografisch übersichtliche Anordnung schnell verfügbar sein. In den Jahren 1963 bis 2003 konnte dieses Material durch Ankauf oder Schenkung von Sammlungen wie auch durch den Zugang von Sammelausbeuten ständig erweitert werden. Im Kapitel „Gesamtübersicht“ wird eine zahlenmässige Bilanz vorgelegt. Ferner wird auf die Entwicklung geografischer Schwerpunkte hingewiesen, die in erster Linie auf unsere eigenen Forschungsarbeiten und die dabei durchgeführten Aufsammlungen in Ländern wie Iran und Afghanistan oder in Indonesien zurückzuführen sind. Unter fortlaufenden Inventarnummern (63-202) werden die einzelnen Akquisitionen nach Herkunft, Stückzahl und Sammler kurz beschrieben. Biografische Angaben und Hinweise auf entsprechende Publikationen werden berücksichtigt.
Die erheblichen Veränderungen im Mitarbeiterkreis hielten an. Im Januar 2003 kam mit Herrn Dr. Markus Scholler erstmals ein Mykologe an ein baden-württembergisches Museum (Abt. Botanik, Nachfolger von Prof. Philippi). Damit wird auch der notwendigen Profilschärfung gegenüber dem Stuttgarter Naturkundemuseum Rechnung getragen und einer grundlegenden Forderung im Zusammenhang mit der Diskussion über die Eigenständigkeit der beiden Naturkundemuseen des Landes entsprochen. Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit sind parasitische Kleinpilze, insbesondere Rost- und Brandpilze. Zu seinen Aufgaben gehört der Aufbau einer repräsentativen Pilzsammlung. In der Entomologie wurde die vakante
Konservatoren-Stelle (Dr. Brechtel) mit Dr. Alexander Riedel besetzt. Mit ihm verfügt das Museum über einen Coleopterologen (Käferkundler). Damit ist die artenreichste Insektengruppe, die der Käfer, im Haus mit einem anerkannten Spezialisten vertreten. Sein Schwerpunkt ist die bedeutende Gruppe der Rüsselkäfer. Nach 24-jähriger Zugehörigkeit zum Naturkundemuseum trat zum 31. August der Mineraloge Dr. Istvan Baranyi in den Ruhestand. Dies bedeutet eine
beklagenswerte Zäsur: Das Fach Mineralogie und Gesteinskunde ist von nun an verwaist. Im Rahmen der Sparmaßnahmen infolge der schlechten Wirtschaftslage muss die Stelle eingespart werden. Frau Dr. Barbara den Brok, Wissenschaftlerin in der Abteilung Geowissenschaften, hat nach einjähriger Tätigkeit das Haus wieder verlassen, um die Leitung des Museums des Kantons Baselland in Liestal zu übernehmen. Im September erhielten wir die bestürzende Nachricht vom Tod unseres Mitarbeiters Dr. Werner Hanagarth , der beim Aufstieg zu den Untersuchungsflächen eines Forschungsprojektes der Abteilung Zoologie in den Allgäuer Alpen einem Herzinfarkt erlag.
Im Naturkundemuseum Karlsruhe hat eine Phase ungewöhnlich starken Wandels im Personalsektor, insbesondere im Wissenschaftlerbereich, begonnen. Innerhalb von nur drei Jahren werden, bedingt durch die Altersstruktur im Haus, die Hälfte der wissenschaftlichen Mitarbeiter ausscheiden und ihre Stellen neu besetzt sein. In den Ruhestand verabschiedet wurde im Frühjahr der langjährige Mitarbeiter und Entomologe G. Ebert, der sich unter anderem durch den Ausbau der Schmetterlingssammlung zu einer international beachteten Sammlung und die Herausgabe des Grundlagenwerkes Schmetterlinge bleibende Verdienste erworben hat. Wieder besetzt wurden die seit langem vakante Geologenstelle (zunächst befristet), eine der beiden frei gewordenen Entomologenstellen und die Abteilungsleiterstelle in der Botanik. Angestellt wurde weiter eine ausgebildete Grafikerin - Voraussetzung für eine professionelle Außendarstellung und Ausstellungsgestaltung. Aus Haushaltsmitteln wurde eine befristete Halbtagstelle für Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere Pressearbeit, eingerichtet, und mit einer weiteren Halbtagskraft wurde die Verwaltung gestärkt.
Das Jahr 2001 war im Naturkundemuseum entscheidend vom Direktorenwechsel geprägt. Zum 31. Mai ging nach 23jähriger Tätigkeit Prof. Dr. Siegfried Rietschel in den Ruhestand, ihm folgte zum 1. August Prof. Dr. Volkmar Wirth, bis dahin stellvertretender und zuletzt kommissarischer Direktor am Stuttgarter Naturkundemuseum. In der Zwischenzeit führte Dr. Adam Hölzer die Geschäfte als kommissarischer Direktor. Die offizielle Verabschiedung von Prof. Rietschel und die Einführung von Prof. Wirth erfolgten am 3. September durch Staatssekretär Michael Sieber in Anwesenheit von Museumsdirektoren und zahlreichen Persönlichkeiten der Karlsruher Öffentlichkeit.
Wie der neue Direktor in seinem Editorial am Anfang des Bandes schreibt, soll zukünftig in der Carolinea ein Bericht zum Vorjahr in kurzer, telegrammartiger Form über Personalstand und Ereignisse im Naturkundemuseum Karlsruhe Auskunft geben. Der Auftrag des Museums ist ein zweifacher: Erstens allgemeines und neu erarbeitetes naturkundliches Wissen der Öffentlichkeit, den Bürgern, zu vermitteln durch Ausstellungen, Führungen, Vorträge und Berichte in den Medien - der Bildungsauftrag; zweitens naturkundliches Wissen in den Bereichen Taxonomie, Systematik, Faunistik und Floristik, Ökologie und Naturgeschichte auf den Gebieten der Geologie und Paläontologie, Botanik und Zoologie zu erarbeiten sowie durch Sammeln, Ordnen und Konservieren von Organismen, Naturobjekten und Daten zu belegen - der Forschungs- und Sammlungsauftrag. Für den ersten Auftrag steht der Name „Naturkundemuseum“, für den zweiten der Beiname „Bio- und Geowissenschaftliches Forschungsinstitut“ Entsprechend gliedert sich auch der Jahresrückblick. Zuerst werden - Kapitel 2 - die Personen genannt, die längerfristig auf Planstellen oder kurzfristig auf Zeit- und Drittmittelstellen die Öffentlichkeitsarbeit und die wissenschaftlichen Tätigkeiten tragen oder verwalten. Daran schließt sich - Kapitel 3 - ein kurzer Abriss der Tätigkeiten und Ereignisse im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit an, in der vor allem der Bildungsauftrag des
Museums zur Geltung kommt. Der Forschungs- und Sammlungsauftrag wird von den Wissenschaftlichen Abteilungen getragen. Hier ist stichwortartig - Kapitel 4 - über die wissenschaftliche Tätigkeit, die Sammlungen, über Forschungs- und Sammelreisen, Exkursionen, Grabungen, über die Teilnahme an Tagungen, über allgemeine und akademische Lehr- und Vortragstätigkeit zu berichten. Ein Verzeichnis der Veröffentlichungen, die die wissenschaftliche Tätigkeit, aber auch Teile der Öffentlichkeitsarbeit dokumentieren, bilden - Kapitel 5 - den Abschluss des kurzen Rückblicks auf das Jahr 2000.
Ein Direktor geht, ein neuer kommt - ein normales, aber auch heutzutage ein prägendes Ereignis in der Geschichte eines Museums. Nach 23 Jahren schied zum 31. Mai 2001 der bisherige Direktor, Prof. Dr. Siegfried Rietschel, aus dem aktiven Dienst aus. Am 1. August übernahm ich das neue Amt im Bewusstsein, ein traditionsreiches und renommiertes Haus
führen zu dürfen. In einer Periode, in der die beiden Naturkundemuseen des Landes eine unruhige Zeit mitmachen und in das Blickfeld einer Politik geraten sind, die bemüht ist, Strukturen zu verändern, erschien mir wichtig, nicht unnötig durch Aktionismus weitere Unruhe ins Haus zu tragen. Meine Absicht war, die Leitung behutsam zu übernehmen und mich kundig zu
machen, bevor Neues Altes ablösen würde.
Antrittsrede
(2001)
Da steht er nun vor Ihnen, der neue Direktor, liebe Karlsruher, leibhaftig, man könnte meinen der Leibhaftige, der angetreten ist, das Karlsruher Naturkundemuseum für Stuttgart zu vereinnahmen, wahrscheinlich im Auftrag von Teufel selbst. So könnte man beinahe manche Kommentare interpretieren. Vom Abgeordneten bis hin zum sich spontan äußernden Busfahrer
schien vielen dies fast zwangsläufig der Weisheit letzter Schluss. Höllisch war am ganzen Transfer nur eines, ganz Banales: die Temperatur in meinem neuen Arbeitszimmer. Am 1. August, meinem ersten Arbeitstag, maßen wir sage und schreibe 32°C an meinem Schreibtisch, wohlgemerkt im Schatten.
Abschiedsrede
(2001)
Soll ich es kurz machen, indem ich einfach „Danke“ sage? - Ich würde es mir und Ihnen leicht machen, aber es bliebe dann offen, wem dieses „Danke“ gilt und für was es ausgesprochen ist. Nach 41 Jahren Berufstätigkeit in und für Museen fragt
man sich schon, was dieses Berufsleben lebenswert gemacht hat. Am Anfang stand die starke Prägung durch das
Elternhaus, die Familie, die auch meine beiden Brüder, die unter Ihnen sind, intensiv erlebt haben. Sie hat erste, entscheidende Weichen gestellt und ihr gilt mein tiefster Dank. Dass ich im Senckenbergischen Bürgerhospital zu Frankfurt am Main geboren wurde, war sicher kein Omen. Aber vor 46 Jahren begann ich, mir mein Studium der Geo- und Biowissenschaften durch Führungen, Pforten- und Aufsichtsdienst im Senckenbergmuseum mitzufinanzieren. Den studentischen Schwur, nie in einem Museum (und erst recht nicht im Senckenberg) zu arbeiten, habe ich allerdings bereits 1960 gebrochen. Die 18 Jahre von 1960 bis 1978 unter dem herausragenden Museumsdirektor Wilhelm Schäfer waren Lehrjahre, für die ich noch heute dankbar bin - Lehrjahre in jeder Hinsicht. Sie haben mir vielfach gezeigt, dass ein Museum mehr sein kann, mehr sein muss als ein Ausstellungsgebäude, mehr sein muss als ein - wie es damals hieß - „Tempel der Wissenschaft“, mehr sein muss als eine Schatzkammer kultureller Güter, wobei ich selbstverständlich die zu erforschenden und erforschten Schätze der Natur als Kulturgüter ansehe. Waren sie doch das Erste, was unsere frühen Vorfahren sammelten und befragten! Museum als Bildungseinrichtung, Museum als Forschungsinstitut, Museum als materialbezogenes
Dokumentationszentrum von Vergänglichem und Vergangenem aus dem wir für die Zukunft zu lernen haben. Museum dann aber auch als Gemeinschaft von Aufsehern, Handwerkern, Präparatoren, Reinemachefrauen, Technikern, Verwaltungsleuten, Volontären, Wissenschaftlern etc. - finanziert von der Gesellschaft mit der Pflicht, ihre Kulturgüter zu bewahren, zu erforschen und zu pflegen und dieser Gesellschaft möglichst viele Kenntnisse und Erkenntnisse in anschaulicher Weise zurück zu geben. Im Senckenbergmuseum waren diese Ziele getragen von Bürgersinn und Mäzenatentum - nicht von Sponsoren.
Kunst im Naturmuseum
(2001)
Heute ist es eine rechte Seltenheit, dass Natur und Kultur zusammenfinden, in diesem Fall das Naturmuseum und die Kunst. Während einstens diese beiden tragenden geistigen Lebensbereiche, allerdings bei Dominanz der Geisteswissenschaften, miteinander verwoben waren, sind sie inzwischen so etwas wie gegensätzliche, bis zu einem gewissen Grade verfeindete Brüder geworden. Selbstredend war das noch weitgehend anders bei Altmeister Goethe, dem derzeit vielerorten gefeierten
Jubilar. Bei einer profunden humanistischen Bildung (schon mit zehn Jahren führte er lateinische Gespräche mit seinem Vater) waren für ihn die Bereiche Kunst mit der Bildenen Kunst, Literatur, Dichtung, Theater und Musik einerseits und die Natur einschließlich der damaligen Naturwissenschaften andererseits zwei mächtige, einander gegenüberstehende, aber
nicht bekämpfende Größen, die bis zu einem gewissen Grade die beiden Seiten ein und derselben Medaille bildeten. “Wer Kunst und Wissenschaft fördert darf sich sagen, dass er gränzenlose Folgen vorbereitet,” schrieb Goethe 1822 der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt am Main, Kunst als Synonym für die Kultur und Wissenschaft für die Naturwissenschaften. Beide Komplexe wurden somit als gleichwertige Elemente nebeneinander gestellt.
Seit fast 25 Jahren leitet Prof. Dr. Siegfried Rietschel als Direktor das Staatliche Museum für Naturkunde Karlsruhe. Als er 1978 an die damaligen Landessammlungen für Naturkunde berufen wurde, lag die Vollendung des Wiederaufbaus des Museumsgebäudes nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg erst wenige Jahre zurück. Die Ausstellungen stellten sozusagen die „Erstausstattung” dar, auch im Erscheinungsbild ein „Wieder”-Aufbau, der nur wenig Raum und Mittel für einen großzügigen Stilwechsel ließ. Aber die Ausstellungen, die aus dem Nichts heraus geschaffen wurden, bargen unter der kargen Schale eine Menge von Kostbarkeiten, die nur ins rechte Licht gerückt werden mussten, etwa die zahlreichen „Kleinlebensgruppen” einheimischer Vögel und Säugetiere, die Präparator Kurt Silber in Vitrinen von 1-2 m2 Grundfläche geschaffen hatte, oder das Hipparion und weitere Fundstücke der erfolgreichen Nachkriegsgrabungen unter Dr. Erwin Jörg, dem Vorgänger im Amt des Direktors. Einem Museologen wie Rietschel, der bei einem der großen naturkundlichen Ausstellungsgestalter der Nachkriegszeit, Prof. Dr. Wilhelm Schäfer am Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main in die Lehre gegangen war, blieben diese Schätze nicht verborgen, und die Um- und Neugestaltung des Schaumuseums nahm er nicht nur als erste große Herausforderung an seiner neuen Wirkungsstätte an, sie blieb auch bis heute eine sich immer wieder neu stellende Aufgabe.