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Das Ausmaß der Verbrechen, die im Nationalsozialismus begangen wurden, übersteigt die Vorstellungskraft jedes Einzelnen. Mit Hilfe von Zahlen versucht man das Leid zu quantifizieren, aber letztendlich sind es hilflose Versuche, das Unfassbare zu begreifen. Anhand von Einzelschicksalen lässt sich natürlich nicht das gesamte Unrechtssystem erklären, aber Einzelschicksale ermöglichen zumindest einen Einblick in ein zutiefst menschenverachtendes und im wahrsten Sinne
gnadenloses Justizsystem. Am Beispiel des Schicksals von Raimund Faller aus Unadingen und seiner Ehefrau Ida wird dargestellt, wie sich die politische Justiz in Deutschland in den letzten Kriegsjahren dramatisch verschärfte und zu einer Rechtsprechung führte, die bei geringsten Vergehen die Todesstrafe verhängte und vollstreckte. Die sehr gute Quellenlage ermöglicht eine detaillierte Beschreibung der letzten Monate Fallers, bevor er am 23. März 1944 wegen Verstoß gegen das Rundfunkgesetz im Gefängnis Brandenburg (Havel)-Görden hingerichtet wurde. Für den Autor selbst hat das Schicksal Raimund Fallers eine besondere Bedeutung, da seine Urgroßmutter Lucia Marx eine Schwester von Raimund war. Sie war mit dem damaligen Bürgermeister Emil Marx verheiratet, der bei der Verhaftung Raimund Fallers auch in Erscheinung trat. Die Forschungen zu dessen Schicksal sind somit nicht nur von akademischer Bedeutung, sondern es stellt sich auch die Frage, ob die eigene Verwandtschaft eine Mitschuld am Tode Fallers hatte. Diese Fragen konnten durch das Einsehen der Gerichtsakten im Bundesarchiv in Berlin geklärt werden.
Dr. med. Hans Foerster (Förster) (5. Juni 1894–30. April 1970), geboren in Barmen, Wuppertal, als Sohn des Chemikers und Dendrologen Dr. phil. Hans Foerster (1864– 1917) und seiner Frau Elise Mayer (1871–1963). Aufgewachsen und Abitur in Barmen. 1914 freiwillige Meldung zum Kriegsdienst, Feldhilfsarzt 1918. Auszeichnungen: EK II (1916), Verwundetenabzeichen in Schwarz (1915). Nach 1918 Mitglied des Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten und Parteimitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). 1912 Beginn des Studiums der Humanmedizin in Heidelberg und Marburg. Im Sommersemester 1920 ärztliche Hauptprüfung (Examen) in Heidelberg, Approbation 1920; Promotion zum Dr. med. bei Prof. Carl Menge, Universitätsfrauenklinik Heidelberg. 1922 Eheschließung, Umzug von Heidelberg nach Radolfzell und Gründung einer Arztpraxis, seit 1926 Wohnräume und Praxis in der Seestraße 57. In zweiter Ehe 1928 verheiratet mit Charlotte Peters (1903–1980) aus Abtlöbnitz, Kreis Naumburg a. d. Saale. Am 5. Dezember 1928 Geburt des Sohnes Wolf-Dietrich Foerster in Radolfzell; bis 1944 bekommt das Paar sechs weitere Kinder. 1934 Bezug des eigenen Hauses in der Walther-Köhler-Str. (heute: Mettnaustr.) 23; 1938 Erwerb des angrenzenden Baugrundstücks Scheffelstr. 42. Arztpraxis weiter in der Seestr. 57 (seit 1933, nach Umbenennung und Neunummerierung, Schlageterstr. 27). Ab 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1933 auch im Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund (NSDÄB).
Nachdem bereits 1927 unter Vorsitz des Nazivordenkers Alfred Rosenberg der „Kampfbund für Deutsche Kultur“ gegründet worden war, begann mit dem Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) Anfang der 1930er-Jahre, die Intoleranz gegenüber avantgardistischen Künstlern einen zunehmend repressiven Charakter anzunehmen. Gleich nach der sogenannten „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde der gesamte Kulturbereich zentralisiert und im Interesse der neuen Machthaber durchstrukturiert. Dem im März 1933 eingerichteten Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Leitung von Joseph Goebbels kam dabei eine zentrale Rolle zu. Durch das wenige Wochen später erlassene Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurden zahlreiche jüdische und nicht systemkonforme Lehrende an den Akademien sowie Mitarbeiter von Museen in ganz Deutschland entlassen. Schließlich wurden im Juli auf Erlass des Reichsministeriums alle Künstlervereinigungen und Kunstvereine gleichgeschaltet und in das Reichskartell der bildenden Künste überführt. Wenige Wochen später erfolgte die Gründung der Reichskulturkammer. Sieben Einzelkammern erfassten sämtliche kulturellen Bereiche: Musik, Theater, Schrifttum, Presse, Rundfunk, Film und auch die bildenden Künste. Wer der Reichskulturkammer bis zum 15. Dezember 1933 nicht beitreten wollte oder konnte, hatte fortan keine Möglichkeit mehr, seinen Beruf auszuüben. Voraussetzung für die Aufnahme war die deutsche Staatsangehörigkeit und der Nachweis einer „arischen“ Abstammung, doch auch aus politischen oder anderen Gründen „unerwünschte“ Künstler konnten mit dieser perfiden Maßnahme auf Einfachste ausgegrenzt werden.
Dieser Beitrag befasst sich mit der Person Richard Kuenzers, eines eher weniger bekannten Beteiligten des aktiven Widerstands gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime. Ausgewertet wurde dabei seine umfangreiche Privatkorrespondenz aus den Jahren 1888 bis 1945, die die Familie dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat. Beim Lesen dieses schriftlichen Nachlasses ist ein Bild entstanden, das seine herausragende Persönlichkeit verdeutlicht. Nach einem unter verschiedenen thematischen Gesichtspunkten gewährten Einblick in die Briefe Kuenzers insbesondere aus der Haftzeit wird allgemein der Frage nachgegangen, wie der Widerstand gegen das NS-Regime aus christlicher Überzeugung zu verstehen ist, wie er sich in die Gesamtbetrachtung über den Widerstand einordnet, welche Beweggründe die Betreffenden zu ihrem Handeln motiviert haben, ja auch, welche Rolle das Verhalten dieser christlichen Männer und Frauen für die Beurteilung der Rolle der Kirche in der Zeit des NS spielt. Im Anschluss hieran soll in einem weiteren Abschnitt der christliche Widerstand unter juristischen Gesichtspunkten vertiefend betrachtet werden. Dabei wird der Anklageschrift gegen Richard Kuenzer in dem Verfahren vor dem Volksgerichtshof besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Die Haltung des Freiburger Pastoraltheologen Linus Bopp (1887-1971) zum und im Nationalsozialismus
(2007)
Die Freiburger Albert-Ludwigs-Universität, zu deren historischen Kernfächern die (Katholische) Theologie gehört, kann 2007 auf ihr 550-jähriges Bestehen zurückblicken. Ein Jubiläum dieser Art ist immer auch ein Anlass zum historischen Rückblick. Dabei hängt die Qualität eines solchen Rückblicks wesentlich von der Bereitschaft ab, sich auch kritischen Phasen und Ereignissen zu stellen, zu denen zweifelsohne die Zeit des Nationalsozialismus gehört. Dieser Aufsatz richtet den Blick auf Linus Bopp, der in diesen Jahren Professor für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg war. Zunächst soll ein kurzer Überblick über seine Person und sein Werk gegeben werden (1). Danach wird Bopps Haltung zum Nationalsozialismus im Kontext der gegenwärtigen kirchengeschichtlichen Forschung thesenartig umschrieben (2). In einem dritten Schritt ist darauf zu schauen, in welche Richtung die Weichen in Bopps pastoraltheologischem Denken vor 1933 gestellt waren (3). Anschließend wird geschildert, wie der Freiburger Pastoraltheologe im „Dritten Reich“ zu einem „Brückenbauer“ wurde, aber auch, wie er zum nationalsozialistischen Regime zunehmend auf Distanz gegangen ist (4). Überlegungen, wie sich der Freiburger Theologieprofessor Bopp nach Ende des Zweiten Weltkriegs über den Nationalsozialismus geäußert hat und wie diese Erfahrungen sein (pastoraltheologisches) Denken beeinflusst und verändert haben, schließen diesen Beitrag ab (5).
Der im Schwarzwald geborene Erwin Mülhaupt (1905‒1996) hat von seinen mehr als 90 Lebensjahren, von kurzen vorübergehenden Arbeitsaufträgen vorher und nachher abgesehen, nur zehn Jahre, und zwar von 1933 bis 1943, als Pfarrer in einer Gemeinde verbracht: als Pfarrer des Kirchspiels Haag im Kirchenbezirk Neckargemünd mit den drei Filialen Schönbrunn, Moosbrunn und Allemühl und mit drei Kirchen. Mehr als doppelt so lange, nämlich 21 Jahre, von 1949 bis 1970, war Mülhaupt Professor für Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Es liegen drei verschieden lange autobiographische Texte von ihm vor: ein kurzer von 1949, verfasst zum Dienstantritt in Wuppertal; ein langer von 1975 als Rückblick auf 50 Jahre theologische Existenz; und ein aus Anlass der Diamantenen Hochzeit geschriebener von 1993.
Für die Darstellung der Biographie von Wilhelm Holzwarth kann nicht nur auf die überlieferte Spruchkammerakte zurückgegriffen werden, sondern auch auf persönliche Dokumente, die sowohl das Privatleben als auch die Parteifunktionen
widerspiegeln. Diese Dokumente gelangten bei Kriegsende im Zuge einer Hausdurchsuchung vor der Verhaftung von Wilhelm Holzwarth am 8. September 1945 an die amerikanische Besatzungsmacht und wurden später an die zuständige Spruchkammer Ludwigsburg übergeben. Nach der Aufösung der Spruchkammer wurden die Unterlagen dem Staatsarchiv Ludwigsburg
abgeliefert und stehen dort heute der Forschung zur Verfügung. Wilhelm Holzwarth wurde am 27. März 1889 in Oberderdingen geboren, wuchs dort unter »kleinbäuerlichen Verhältnissen« auf und besuchte die Volksschule. Das eigene Elternhaus beschrieb er als »pflichtgetreu« und »vaterländisch gesinnt«.
Auf einer Tagung im März 2010 in Bad Herrenalb, bei der der „Fall“ des „nichtarischen“ Pfarrers Kurt Lehmann (er zählte nach den Gesetzen des NS-Staates als „Halbjude“) eine besondere Rolle spielte, kam es immer wieder zur Frage der Kontinuität im Verhalten der Badischen Landeskirche in ihrer Haltung zum NS-Staat bis 1945 und, damit in unmittelbarem Zusammenhang stehend, der anschließenden Auseinandersetzung der Landeskirche mit ihrem Verhalten (und ggf. einem etwaigen Versagen) gegenüber den Übergriffen des NS-Staates. Symptomatisch für das Verhältnis der Kirche zu einer etwaigen Schuld schien dabei ihre Handlungsweise gegenüber den „nichtarischen“ Pfarrern Ernst (Vater) und Kurt Lehmann (Sohn) zu sein.
Im ersten Band des Jahrbuchs für badische Kirchen- und Religionsgeschichte hat Prälat Gerd Schmoll als Zeitzeuge berichtet, wie er Krieg und Nachkriegszeit und die Kirche in dieser Zeit erlebt hat. Wie schon oft stellte sich mir die Frage: Wie habe eigentlich ich dies alles erlebt, 1929 in Mannheim geboren und dort aufgewachsen, zuerst als Kind, dann als Mädchen, und noch später als Heranwachsende, als Frau? Wie vermag ich heute in der Rückschau dies zu sehen? Ich bin viereinhalb Jahre älter als Gerd Schmoll und habe fast immer in Mannheim gelebt und auch gearbeitet, wobei allerdings die nicht einmal zwei Jahre, die ich aus Kriegsgründen in St. Blasien verbringen musste, von nachhaltiger Bedeutung für mich waren. Viereinhalb Jahre Altersunterschied kommen für die Zeit des „Dritten Reiches“ und der Nachkriegszeit geradezu einem Generationen-Unterschied gleich. So will ich es wagen, will einiges von meinem Erleben oder Erspüren versuchen zu benennen.
Sehr geehrte Frau Lehmann, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass die Evangelische Stadtkirchengemeinde Durlach gemeinsam mit der Evangelischen Erwachsenenbildung Karlsruhe und Durlach und dem Freundeskreis Pfinzgaumuseum/Historischer Verein Durlach des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht mit einer außerordentlich eindrucksvollen Veranstaltungsreihe gedenkt. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe bin ich gern heute zu Ihnen nach Durlach gekommen. Dies gibt mir die Gelegenheit, öffentlich und im Namen unserer Evangelischen Landeskirche in Baden zu jener schweren Schuld zu stehen, die unsere Kirche in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft auf sich geladen hat. Darum ist es mir ein besonderes und persönliches Anliegen, Ihnen, verehrte Frau Lehmann, die Grüße unserer
Kirchenleitung zu überbringen und sie in ihrem Namen um Vergebung zu bitten für das, was die badische Kirchenleitung Ihrem Vater an schwerem Unrecht zugefügt hat.