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Es ist Anfang Juni 1949. Auf einer Straße in Sasbachwalden beugt sich in einem offenen Zweisitzer ein Mann, seinem Tonfall nach Amerikaner, über eine Karte, sucht den Weg zum Schloss Ortenau. Er hat Glück. Der Passant, den er fragt, das ist
Ewald Sparre, und der kennt das Schloss - er ist der Ich-Erzähler in „Schloß Ortenau", dem 1955 erschienenen Roman von
Otto Flake.
„Neben seiner Bibel", brauche jeder echte Deutsche im Hause „nur noch ein Buch Scheffels", urteilte ein Biograph kurz nach
dem Tod des Autors. Als Joseph Victor von Scheffel am 9. April 1886 in seinem Elternhaus in der Karlsruher Stephanienstraße verstarb, war die Trauer groß. Hunderte Beileidstelegramme aus ganz Deutschland trafen ein, alle deutschsprachigen Zeitungen berichteten von dem Tod des beliebten Dichters, der in den siebziger und achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts zu den populärsten und meist verkauften deutschsprachigen Schriftstellern zählte, zu vergleichen nur mit den Klassikern Goethe und Schiller. Die Beerdigung drei Tage später wurde zu einer beeindruckenden Trauerbekundung für den badischen Dichter, Tausende begleiteten den Sarg zu seiner letzten Ruhestätte, einem Ehrengrab im „Campo Santo"; in dem Teil des neuen Karlsruher Friedhofes also, der von Josef Durm geplant wurde, dem Architekten, der Scheffels Villa auf der Mettnau am Ufer des Bodensees erbaut hat.
In den Jahren 1896/97, Heinrich Hansjakob war ungefähr sechzig Jahre alt, entstanden die drei Erzählungen „Der Fürst vom
Teufelstein", ,,Theodor der Seifensieder und „Afra", die im Spätjahr 1897 in dem Sammelband „Waldleute" im Verlag Adolf Bonz, Stuttgart, mit Illustrationen des Gutacher Schwarzwaldmalers Prof. Wilhelm Hasemann erschienen. Wie Manfred Hildebrand in der Einleitung zu der Neuauflage im Verlag der Stadt Haslach 1984 schreibt, sind die beschriebenen Personen keineswegs der dichterischen Phantasie Hansjakobs entsprungen, sondern lebten alle um die Mitte und gegen Ende des 19. Jahrhunderts im oberen Kinzigtal, über deren Bewohner er, Hansjakob, bisher so gut wie nichts geschrieben hatte.
Zu den am meisten gelesenen Schriftstellern in Baden gehört Heinrich Hansjakob, der am 19. August 1837 in Haslach im
Kinzigtal geboren wurde und am 23. Juni 1916 auch dort starb. Die 79 Jahre seines Lebens waren ausgefüllt mit vielen Auseinandersetzungen und Kämpfen, aber auch mit großen Erfolgen als Schriftsteller und Publizist. Hansjakob war einer der produktivsten Schriftsteller deutscher Sprache. Sein Werk umfasst 74 Bücher sowie zahlreiche Aufsätze in allen möglichen Publikationen. Ab seinem 28. Lebensjahr hat er jedes Jahr ein Buch veröffentlicht, oft gab er in einem Jahr sogar mehrere heraus. Die Auflagen seiner Bücher erzielten schon zu seinen Lebzeiten über eine Million Exemplare, was zu seiner Zeit nur von wenigen Schriftstellern erreicht wurde.
Wo der Rheinländische Hausfreund ist, ist sein Gehilfe, der Adjunkt, nicht weit. Der Adjunkt ist bekanntlich Christoph
Friedrich Kölle (1781-1848), der 1809 Hebels Freund und Vertrauter wurde, ein etwa dreißigjähriger Diplomat. Er hatte,
als er 1809 Hebel begegnete, schon eine gewisse juristische und diplomatische Karriere hinter sich und war Legationssekretär der württembergischen Gesandtschaft am Hof in Karlsruhe und in gleicher Eigenschaft schon in Den Haag, an den Höfen in München und - vor allem - in Paris gewesen. In Pariser Bibliotheken hatte er Gelegenheit gehabt, mittelhochdeutsche und frühe französische Literatur kennenzulernen. Auch als Schriftsteller war er schon hervorgetreten, unter anderem durch Beiträge in Friedrich Cottas „Morgenblatt für gebildete Stände" und Gedichte in Taschenbüchern und Almanachen. Auch einen „Versuch im alemannischen Dialekt" hatte er schon unternommen. Doch blieben diese Dialektgedichte anonym (womöglich durch die „Alemannischen Gedichte" Hebels angeregt, die 1803 erschienen waren). Er war schon in briefliche Verbindung zu maßgeblichen Literaten gekommen, zu Ludwig Uhland vor allem und zu Berliner Romantikern. Als Literat mit ähnlichen Interessen musste er Hebel willkommen sein. Mindestens ebenso bestimmend war die Übereinstimmung in gesellschaftlichen Neigungen. Beide schätzten die muntere Atmosphäre in den Karlsruher Gasthöfen „Erbprinz" und „Bären" und im „Museum", dem Treffpunkt der etwas anspruchsvolleren Bürger, der Beamtenschaft und der Akademiker.
1316 stiftete die adlige Elisabeth von Bisingen zum Gedächtnis an ihren verstorbenen Ehemann dem Johanniterorden ein Haus in Lenzkirch. Es diente zwanzig Jahre lang als Unterkunft für Angehörige des Ordens und für Frauen in Not. Der
folgende Beitrag beleuchtet die Familienverhältnisse der Stifterin, die materielle Ausstattung des Hauses und seine Funktion für die Bewohner und den Orden. Er eröffnet damit an einem Beispiel aus unserer Region Einblicke in adlige Besitzverhältnisse, Geschlechterrollen und Jenseitsvorstellungen im späten Mittelalter.
Die Villinger Münsterkanzel gehört im weiten Umkreis zu den bedeutendsten Leistungen der altdeutschen Bildhauerkunst um 1500. Vor allem ihre Reliefplastik, die in 7 eindrucksvollen Szenenbildern die Passion Christi vergegenwärtigt, ist von überragender Qualität. Aber auch unter kunsthistorischem Aspekt sind die Kanzelreliefs, die bereits mehr der Frührenaissance als der ausgehenden Spätgotik angehören, ein hochinteressantes Zeitdokument. „Renaissance" ist hier zu verstehen als eine von der Antike und Italien völlig unabhängige ‚Wendung der deutschen Kunst hinweg von der Spätgotik', eine Entwicklung, die allerdings nur von einer ganz kleinen Gruppe von Plastikern jener Zeit vollzogen wurde. Ihr ist der Meister der Villinger Kanzel ohne jeden Zweifel zuzurechnen. Ebenso eindeutig ist seine Herkunft aus dem oberrheinischen Kunstkreis, wobei eine Schulung in Straßburg, wahrscheinlich bereits vor 1480, naheliegt. Auch die Tatsache, dass sich die Kanzel von den in Schwaben üblichen Kanzeltypen unterscheilet, lässt an oberrheinische Herkunft denken.
Die „Eins“ im Betragen und die „Zwei“ für Fleiß und Mitarbeit in allen Halbjahres-Zeugnissen während aller drei Berufsschuljahre: das waren zu Beginn der 20-er Jahre die „Kopfnoten“ von Lehrling Hermann Preiser. Ein Gespräch mit dem 93-jährigen über seine Berufsschulzeit als „Stift“ erinnert ein wenig an früher geübte kaufmännische Tugenden, wenn im Jahre 2001, dem dreifachen Jubiläumsjahr für die Handelsschule, offiziell gefeiert wurde: 40 Jahre eigene Lehranstalt, 80 Jahre Selbständige Handelsschule in Villingen und 100 Jahre kaufmännische Ausbildung in Villingen. Hermann Preiser lernte vor 80 Jahren das Kaufmannswesen im elterlichen Betrieb an der Bahnhofstraße: einer Fabrik für Spirituosen und Essenzen, im Volksmund ganz einfach „de Schnaps-Preiser“.
„Langsam nur und bedächtig ist der Frühling auf den Schwarzwald gekommen, als hätte er sich seinen Einzug auf den Bergen als ein letztes ergötzliches Schauspiel aufbewahrt“. Mit seinem Heimatroman „Das Ratzennest“ machte Hermann Alexander Neugart (1893 bis 1974) eine „Zeit schwerster Heimsuchungen für die Stadt Villingen“ unvergesslich. Und wer das Mittelalter in der Zähringerstadt noch legendärer will, erfasst in einer Zeit des Rittertums, fehde- und raublustig als eine Periode der Landsknechte, der Sündenangst und der existenziellen Nöte, dem kann auch „Der unsterbliche Rebell“ gefallen.
In der so facettenreichen Berufsbiografie Baders hat seine Tätigkeit als Rechtsanwalt einen
eher sekundären Stellenwert. Es ist jedenfalls nicht der Anwalt, mit dem Juristen, Landeshistoriker
und eine interessierte Öffentlichkeit seinen Namen assoziierten und noch immer assoziieren.
Karl Siegfried Bader, das war für viele Nachkriegsdeutsche der gestrenge Generalstaatsanwalt
im französisch besetzten Südbaden, der, wie selbst das Wochenmagazin „Der
Spiegel" anerkennend feststellte,[1] die Hauptverantwortlichen des beschönigend „Euthanasie"
genannten Behindertenmordes in Baden noch dann mit der Härte des Gesetzes konfrontierte,
als andernorts längst die „Gnade der späten Verurteilung" (Christian Meier) grassierte. Bader,
das war der Chefankläger in einem der spektakulärsten Strafprozesse nach 1945 gegen einen
der beiden Mörder des Weimarer Reichsfinanzministers Matthias Erzberger. Neben dem großen
Nürnberger Prozess, so Baders Wahrnehmung, hat kein anderes Gerichtsverfahren unserer
Nachkriegszeit mehr Aufsehen erregt und ... ein stärkeres Echo gefunden als das im Sommer
1946 eingeleitete Strafverfahren,[2] das bekanntlich mit einem Skandal endete: Dem Freispruch
des Täters, der Urteilskassation durch die Besatzungsmacht, dem Rücktritt des quasi Justizministers
Paul Zürcher aus Differenz nicht etwa in der Sache, aber in der Form - des für den
Wiederaufbau des Rechtsstaats für schädlich erachteten Eingriffs in die Justiz. Baders Plädoyer
in jenem ersten, in Offenburg verhandelten Verfahren hielt die Nachkriegspublizistik für so bedeutsam,
dass es Dolf Sternberger im vollem Wortlaut in seine Monatsschrift „Die Wandlung"
aufnahm.
Erst nach einem Intervall von zwei Jahrzehnten nach der Aufgabe der Freiburger Druckerei von
Friedrich Riederer im Jahr 1500 und nach einem kurzen Intermezzo des Straßburger Druckers
Johann Schott, der 1503 in Freiburg die Erstausgabe der „Margarita philosophica" seines Lehrers Gregor Reisch druckte, etablierte Johann Wörlin in der Breisgauhauptstadt wieder eine
Druckerwerkstatt. Johann Wörlin wird 1517 als Mitglied der Freiburger Krämerzunft „Zum
Falkenberg" erwähnt. Der Name ist auch heute noch im südalemannischen Raum verbreitet und
bedeutet einen verkürzten Kosenamen von Werner. Eine akademische Vorbildung wie bei seinen Vorgängern Kilian Fischer und Friedrich Riederer oder wie bei dem berühmten, aus Freiburg stammenden Kartografen Waldseemüller ist in den Matrikeln der Universitäten von Freiburg und Basel nicht nachweisbar. Er handelte wohl zunächst als Buchführer. Im Jahr 1522 erschienen in seiner Werkstatt zwei Werke von Jakob Mennel, dem Freiburger Stadtschreiber und
späteren Hofhistoriografen Kaiser Maximilians. Zu den Autoren seiner Schriften zählten der
Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg, dessen Generalvikar Johann Fabri, der Straßburger Augustinerprior Konrad Treger, der Augsburger Stadtprediger Mathias Kretz sowie der
Zürcher Unterstadtschreiber Joachim vorn Grüdt und der päpstliche Legat Lorenzo Carnpeggio. Erasmus von Rotterdarn ist bei ihm mit vier Traktaten vertreten. ,,Neüwe Zeytungen" Wörlins berichten über den Bauernkrieg, die Schlacht von Pavia und von den Türkenkriegen. Seine
Flugschriften enthalten Liedertexte und Gesundheitsratgeber. Insgesamt lassen sich im „Verzeichnis der im deutschen Sprachgebiet im 16. Jahrhundert erschienenen Drucke" (VD 16) 32
Titel aus der Werkstatt Wörlins nachweisen. Dazu kommt eine schlecht zu schätzende Anzahl
von heutzutage nicht mehr vorhandenen Drucken. Aus einem Vergleich eines Katalogs des 18.
Jahrhunderts mit heutigen Bibliotheksbeständen beziffert Engelsing den Schwund auf 30 bis
50 %.[1]
Anton Weber
(2011)
Am 30. Januar 1933 beruft in Berlin der 85-jährige Paul von Hindenburg den „Schriftsteller"
und „Regierungsrat im Braunschweigischen Staatsdienste, München" Adolf Hitler zum
Reichskanzler. Das Resultat dieser folgenschweren Entscheidung wird bald „Machtergreifung" genannt werden. Am 27. Februar 1933 brennt das Reichstagsgebäude aus bis heute nicht
einwandfrei geklärten Gründen. Vorwand genug, politische Gegner massiv auszuschalten. Zum
Boykott jüdischer Geschäfte wird am 1. April 193 3 aufgerufen. Sechs Monate später findet in
Nürnberg der „6. Reichsparteitag - Sieg des Glaubens" statt, und der Agitations-Spielfilm
„Hitlerjunge Quex. Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend" wird in die Kinos
geschickt: "Die Ufa sowohl wie alle an diesem Film Mitwirkenden haben sich nicht nur um die
Entwicklung der deutschen Filmkunst, sondern auch um die künstlerische Gestaltung nationalsozialistischen Ideengutes ein großes Verdienst erworben."[1] Am 2. August 1934 stirbt Reichspräsident Hindenburg auf dem ostpreußischen Familienlandsitz Gut Neudeck. Eigentlich soll er
dort auch begraben werden, das NS-Regime organisiert jedoch eine theatralische Beisetzung im
Denkmal für die Schlacht bei Tannenberg.
Adelheid Steinmann
(2011)
Adelheid Steinmann wurde am 26. April 1866 in Heidelberg in ein großbürgerliches Elternhaus hineingeboren. Ihr Vater Heinrich Holtzmann war Professor für Theologie zunächst in
Heidelberg, später in Straßburg. Auch den Kindern wurde selbstredend die höchstmögliche Bildung zuteil. Bruder Robert studierte Geschichte, Bruder Friedrich Medizin, beide schlugen
ebenfalls die akademische Laufbahn ein, beide brachten es wie der Vater zu einer Professur. So
war es nur natürlich, dass auch Adelheid 1886 mit 20 Jahren standesgemäß ins Bildungsbürgertum einheiratete. Ihr Ehemann war der hoch gebildete und zehn Jahre ältere Gustav Steinmann,
Geologieprofessor zuerst in Jena, später in Freiburg. Adelheid Steinmann war eine Politikerin, welcher die Stadt Freiburg ebenso wie die Universität viel zu verdanken hat, die aber im kollektiven Gedächtnis der Stadt nur wenige Spuren hinterlassen hat. Ein erster Schritt, dies zu ändern, war die Benennung einer Straße im Rieselfeld.
Straßenschilder sind kleine Denkmäler, und sie bergen ebenso wie diese eine Gefahr, nämlich
die, dass man zwar den Namen kennt, vielleicht auch täglich an ihnen vorbeigeht, sie aber
eigentlich gar nicht richtig wahrnimmt. Kaum jemand verspürt den Wunsch, mehr dahinter entdecken zu wollen als eben die Kennzeichnung einer Straße, was im Alltag ja in erster Linie dazu
dient, dass sie vom Briefträger oder von der Paketzustellerin gefunden wird.[1]
Der Frauenbeauftragten Frau Ursula Knöpfte ist dafür zu danken, dass sie die vermeintlich
zwingende Logik von kurzer Denkmalehrung und schnellem Vergessen aufgebrochen hat -
zunächst 2006 mit dem Frauengeschichtsplan der Stadt Freiburg, dann mit einer Vortragsreihe,
bei der im Januar 2007 Adelheid Steinmann genauer vorgestellt werden konnte (Abb. 1)[2]
500 Jahre nach dem Tode Konrad Stürtzels, des Erbauers des repräsentativen Gebäudes, das
nachmals „Basler Hof' genannt wurde und in dem heute der Freiburger Regierungspräsident
residiert, sich Stürtzels zu erinnern und dies in eben diesem Gebäude zu tun, ist zweifellos
angemessen.[1] Der Zerstörung am 27. November 1944, als der Bau völlig ausbrannte, folgte
glücklicherweise sechs Jahre später der Wiederaufbau durch das südbadische Staatliche
Hochbauamt - ,,dank dem für Baudenkmalpflege und jegliche geschichtlichen Werte so aufgeschlossenen badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb", wie Joseph Schlippe schrieb. [2] Für
den von der Zerstörung besonders stark betroffenen nördlichen Teil der Altstadt hat die Wiederherstellung des historischen Baues eine konstitutive Bedeutung. Wenn man auf dem sogenannten „Großen" oder „Kleinen Sickingerplan" von 1589 die Bebauung der „Großen Gaß"
oder „Hauptgaß" auf der Strecke zwischen dem Christophstor im Norden und dem Martinstor
im Süden, also auf der heutigen Kaiser-Joseph-Straße, verfolgt, fällt die hervorragende Bedeutung des Stürtzelschen Palais noch mehr ins Auge als heute, wo es mit langen Kaufhausfassaden konkurriert.[3] Nach seiner Errichtung um 1500 übertraf die der „Großen Gaß" zugekehrte Westfassade des Stürtzelschen Baues allein schon aufgrund ihrer Ausmaße - sie ist 32 m lang
- sogar die Westfassade des Heilig-Geist-Spitals mit ihrer vorgesetzten doppelten Freitreppe; sie
deklassierte die gesamte übrige Bebauung der Straße ohnehin - oder andersherum ausgedrückt:
Stürtzels Palais wertete die zwar breite, aber bis dahin nicht repräsentativ gestaltete „Hauptgaß"
städtebaulich auf.
Sibilla von Bondorf lebte am Ende des 15. Jahrhunderts in den Klarissenklöstern in Freiburg
im Breisgau und auf dem Wörth in Straßburg, wo sie etwa 1524 verstarb. Sie stammte vermutlich aus der Familie von Bondorf, die an verschiedenen Orten im Südwesten Deutschlands
beheimatet war. In den Unterlagen, die es über diese Familie gibt, wird eine Sibilla jedoch nicht
genannt. Es ist natürlich möglich, dass sie den Namen Sibilla als Nonne angenommen hat. Die
meisten Bilder hat Sibilla für Heiligenlegenden gemalt, die im Freiburger Klarissenkloster oder
in Straßburg in alemannisch geschrieben wurden. Es sind dies die Legenden des hl. Franziskus
von Assisi nach Bonaventura, der hl. Klara von Assisi nach Thomas von Celano und die der hl.
Elisabeth, Landgräfin von Thüringen nach Dietrich von Apolda. Weitere Bilder finden sich in
der Klarissenregel aus dem Bickenkloster in Villingen, dem ursprünglichen Beginenkonvent,
und in „Gesangbüchern" anderer Freiburger Klöster. Die Bücher sind zum Teil von dem
,,besten" Buchbinder der Zeit, Rolet Stos aus Freiburg im Uechtland, gebunden. Die Bilder,
Miniaturen, sind auf Pergament gemalt, die dann in die jeweiligen Texte eingebunden sind. Die
Größe der Bilder in den Legendenbüchern ist einheitlich 7 cm x 10 cm. Ein Bild hat Sibilla
selbst mit ihrem Namen signiert: hec pictura est a sorore sibilla de bondorff orate
deum per ea. Dieses Bild ist von der Schwester Sibilla von Bondorf - betet zu Gott für sie. Ihre
übrigen Bilder „signierte" sie sehr oft mit dem Bild einer knienden Nonne - wie Graffiti-Sprayer mit ihrem take. Ihr Stil ist allerdings so einmalig, dass ihre Bilder sehr leicht erkennbar sind. Sie zeichnen sich gegenüber zeitgenössischen Bildern, anderen Miniaturen oder
Altarbilder durch ihre Farbigkeit und Heiterkeit aus. Die Details sind sehr fein ausgemalt, wie
etwa die Augen, die im Original nur 1 mm Durchmesser haben, sind mit Iris und Pupille ausgeführt. Der Kunsthistoriker und Museumsmann des vorigen Jahrhunderts, Ludwig Justi,
schrieb über die Miniaturen der Elisabeth-Legende: [. . .} darin eingeheftet viele kostbare farbige Bilder auf Pergament - es waren starke Eindrücke meiner Kindheit, wenn mich mein Vater
dies wundersame Buch betrachten ließ.
Im Januar 2004 gewährte mir das Ehepaar Cäcilia und Walter Müller (Merdingen) Einsicht in
eine verhältnismäßig gut erhaltene, auf den ersten Blick allerdings eher unscheinbare Archivalie, die sich gemäß Auskunft der aktuellen Eigentümer von alters her in Familienbesitz befunden hat und sich aufgrund zahlreicher handschriftlicher Einträge, die von verschiedenen
Händen herrührten, zwanglos in die Geschichte der erstmals vor rund einem halben Jahrhundert durch Hermann Brommer erforschten Merdinger Familie(n) Selinger einordnen lässt. Wie
eine vor Ort vorgenommene Autopsie des kleinformatigen Notizbuchs - denn um ein solches
handelt es sich im vorliegenden Fall - alsbald ergab, stammen die frühesten Einträge, also quasi
der ,Grundstock' der Notizen, von einem nicht mit letzter Sicherheit identifizierbaren Herrn
Seefinger, der als Voyageur (Handelsreisender) im Auftrag einer in der französischen Stadt
Reims (Dep. Marne) ansässigen Firma unterwegs war und die im Verlauf einer ausgedehnten
Reise aufgenommenen Bestellungen, die, soweit erkennbar, Spirituosen umfasste, sukzessive
in sein als Livre de Commission betiteltes Auftragsbuch aufnahm ( oder - etwa von einem der französischen Sprache kundigen Bediensteten - aufnehmen ließ).
Als der neu berufene ordentliche Professor für Geschichte, Heinrich Johannes Finke,
im April 1899 nach Freiburg kam, befanden sich die Breisgaumetropole und ihre Universität in
einer Phase des Aufschwungs. Die seit 1888 von Oberbürgermeister Otto Winterer regierte
Stadt zählte an der Schwelle zum 20. Jahrhundert über 60.000 Einwohner. Deutlich wird der
Wandel zur Großstadt z.B. am raschen Aufbau einer neuen Infrastruktur, den der offizielle Betriebsbeginn
der „Elektrischen Tram" 1901 symbolisiert, oder an den zwischen 1890 und 1906
vollzogenen Eingemeindungen der Vororte Günterstal, Haslach und Zähringen. Die Feier aus
Anlass der Immatrikulation des 1.500. Studenten an der Albert-Ludwigs-Universität 1898 und
die Zulassung von fünf Frauen zum Studium im Sommersemester 1900, was eine Neuerung in
der Geschichte der Hochschulen im Kaiserreich darstellte, spiegeln die wachsende Bedeutung
der Freiburger Universität innerhalb der deutschsprachigen akademischen Landschaft wider.
Der Abt als Dorfchronist
(2012)
Philipp Jakob Steyrer, von 1749 bis 1795 Abt des Benediktinerklosters St. Peter auf dem
Schwarzwald, hat während seiner langen Regierungszeit gewissenhaft ein Tagebuch geführt,
von dem allerdings nur die Jahrgänge bis 1772 erhalten sind. Auf den überlieferten knapp
4.000 Seiten hält der Abt in flüssigem Latein alltägliche und besondere Vorkommnisse aus dem
Stift St. Peter fest, aber auch bedeutende politische, militärische, kulturelle und andere Ereignisse
aus Freiburg, aus dem Breisgau, aus der Habsburger Monarchie und aus dem übrigen
Weltgeschehen. Sein Tagebuch ist damit eine wichtige zeit- und geistesgeschichtliche Quelle
für die Abtei St. Peter und ihre historische Epoche.
In der Goldgrubengasse bin ich geboren und aufgewachsen. Damals war die Gasse nicht - wie heute - gepflastert. Der Belag war eine einfache Sanddecke, und bei jedem Regenschauer bildeten sich Drecklachen (Wasserpfützen), in denen wir barfuß herumstampften. Bei Trockenheit konnten wir die Zeit mit „Kigelespiel“ = Murmeln vertreiben. Wollten wir aber die Habergeiß (Tanzknopf) pfitzen, gingen wir auf den Gehweg der Niederen Straße, der hatte schon einen glatten Belag.
Wann und wo wir auch über die große
politische Geschichte informiert werden,
Fakten und Interpretationen uns wichtige
Zusammenhänge erkennen lassen – es drängt
uns, darüber hinaus von menschlichen
Schicksalen zu erfahren: wie erlebte der
Einzelne diese „großen Zeiten“, damals wie
erst gestern.
Darum sind persönliche Zeugnisse wichtig,
und so liest man mit Anteilnahme in einer
Briefsammlung von Georg Richter unter dem
Titel „Liebstes bestes Clärchen“, 1982 erschienen
und wohl kaum mehr greifbar, die Niederschriften
aus den Jahren 1792 bis 94, eine aufregende
Zeit für die Stadt Karlsruhe, in der
durch Badens Nachbarschau „ein Franzosenlärm
nach dem anderen“ verursacht wurde, „so
dass die Karlsruher vielfach flüchteten“. Denn
1792 hatten sich Österreich und Preußen
gegen die Revolution in Frankreich verbündet,
der I. Koalitionakrieg war ausgebrochen, und
da es sich um einen „Reichskrieg“ handelte,
nahm auch die Markgrafschaft Baden daran
teil. Nach der vergeblichen „Kanonade von
Valmy“ und dem Rückzug der Koalitionsarmeen
griffen nun die Franzosen über den
Rhein. Diese Kanonade wurde von „Kriegsberichterstatter“
J. W. Goethe ausführlich
beschrieben, dem Onkel unserer Briefschreiberin.