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Die Wurzeln des Widerstandes
(2007)
Wenn Theodor Haecker heute aus historischer Perspektive überhaupt noch Beachtung findet, dann als kompromissloser Gegner des nationalsozialistischen Regimes, als Mentor der jungen Leute, welche die „Weiße Rose“ bildeten, und die ihren Mut allzu oft mit dem Leben bezahlten. Diese Feststellung korrespondiert mit der Tatsache, dass er als Autor in der Gegenwart beinahe nur noch durch die „Tag- und Nachtbücher“ präsent ist, also mit seiner insgeheim und in vehementester Form verfassten Abrechung mit der NS-Herrschaft, deren Erstveröffentlichung im Jahre 1947 rund zwei Jahre nach Haeckers Tod erfolgte. Die „Tag- und Nachtbücher“ verdanken ihren — wenigstens im Vergleich zu Haeckers sonstigem literarischem Schaffen — noch erheblichen Bekanntheitsgrad vor allem der verdienstvollen Neuausgabe, die von Hinrich Siefken 1989 besorgt wurde. Indessen sind etwa die Tagebücher des Dresdner Romanisten Viktor Klemperer, die aus der Sicht des Historikers als „Primärquelle“ gewisse Parallelen zu den „Tag- und Nachtbüchern“ aufweisend, zweifellos heute ungleich mehr Menschen bekannt als Haeckers Notate. Dies hat sicherlich nicht zuletzt damit zu tun, dass Klemperers Schilderungen zumeist eine direkte Spiegelung der alltäglichen Lebenswelt in einer totalitären Diktatur darstellen, also für historisch interessierte Laien ohne große Schwierigkeiten zugänglich sind.
Da steht man jahrelang im Zentrum Freiburgs am Bertoldsbrunnen, wartet auf die Straßenbahn, schaut den vorbeieilenden Menschen zu, prüft die Auslagen der Geschäfte, achtet auf das Stimmengewirr der vielen ausländischen Studenten – und übersieht über so lange Zeit eine an der Hausmauer des Kapfererhauses in der Salzstraße angebrachte Tafel, auf der es heißt:
In diesem Hause verbrachte seine Jugend Georg Hauger (1792–1859), ein Mitkämpfer von Andreas Hofer, dessen Gebeine er 1823 aus Mantua nach Innsbruck entführte, wo er in der Hofkirche heute neben ihm ruht.
Mit dem Frieden von Baden und Rastatt endete 1714 am Oberrhein eine fast hundertjährige Periode von Kriegen, die 1618 mit dem Böhmisch-Pfälzischen Krieg begonnen hatte. Vor allem die „Devastierungspolitik“ Ludwigs XIV. im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) hatte am Oberrhein eine systematische Zerstörung von Dörfern, Städten, Kirchen und Herrschaftssitzen zur Folge. Das 18. Jahrhundert wurde zu einer Zeit des Wiederaufbaus. Im Bereich der Sakralarchitektur
waren es vor allem Architekten und Bauhandwerker aus Vorarlberg, die tätig wurden und die barocke Kulturlandschaft um
Rhein und Schwarzwald prägten.
Kein Kriminalfall hat im badischen Großherzogtum jemals mehr Aufsehen erregt: Vor hundert Jahren, am 6. November 1906, war die Medizinalratswitwe Josefine Molitor auf der nachtdunklen Kaiser-Wilhelm-Straße in Baden-Baden hinterrücks erschossen worden. Ihre begleitende Tochter Olga hatte nur eine dunkle Gestalt mit flatterndem Mantel davoneilen sehen, ansonsten gab es keine Tatzeugen. Verdacht richtete sich bald gegen den Schwiegersohn der Getöteten, den in Amerika lebenden 25-jährigen Rechtsanwalt Karl Hau. Er konnte in London festgenommen und ausgeliefert werden. Im Zuge der Vernehmungen bestritt Hau mit Nachdruck jegliche Beteiligung an dem Verbrechen. In der Öffentlichkeit entbrannte ein lange währender Meinungsstreit, ob der Angeklagte schuldig oder aber Opfer eines Justizirrtums sei.
Hellmut Gnändinger war Leiter des ehemaligen Staatlichen Forstamts Ottenhöfen von 1954 bis 1974. Das Geschlecht der Gnändingers stammt aus der Landschaft um die Quellen der Oder, dem ehemaligen Österreichisch-Schlesien mit den einstigen Herzogtümern Troppau, Jägerndorf und Teschen, einem Gebiet im Altvatergebirge, das nach den Schlesischen Kriegen dem Hause Österreich noch verblieben war. Nach dem für Österreich und Deutschland verlorenen Krieg wurde 1918 dieser Teil Schlesiens durch den Versailler Vertrag der neu gegründeten Tschechoslowakei angeschlossen. Versuche der deutschen Bevölkerungsteile, sich anlässlich der Nationalratswahlen am 4. März 1919 noch politischen Einfluss zu bewahren, wurden mit der Erschießung von 400 deutschstämmigen Männern, Frauen und Kindern durch Tschechen verhindert. Der deutsche Bevölkerungsteil war damit eingeschüchtert und die Jugend teilweise auch bereit, ins Reich auszuwandern.
Wenn man das Datum der Einweihung des Denkmals 1907 zum Maßstab nimmt, dann hat sich Willstätt etwas spät auf seinen bekanntesten Bürger besonnen. Moscherosch und Grimmelshausen sind ungefähr zur gleichen Zeit gestorben, 1669 und 1676. Ihre Hauptschriften sind 250 Jahre später ungefähr zur gleichen Zeit in Neuauflagen zugänglich geworden, die ersten vier „Gesichte" Moscheroschs durch die Ausgabe von Heinrich Dittmar, die in Berlin 1830 verlegt wurde, der „Simplicissimus" von Grimmelshausen durch Karl Eduard von Bülow in Leipzig 1836. Es war der romantischen Bewegung zu verdanken, insbesondere dem erfolgreichen Romantiker Ludwig Tieck, dass man sich für so alte deutsche Erzählungen populärer Art interessierte. Auf dem politischen Feld war es der Auftrieb des nationalen Gedankens, der, durch die Befreiungsbewegung verstärkt, sich für Zeugnisse deutscher Vergangenheit erwärmte. Vor dieser Zeit waren nur einzelne Textauszüge aus den Satiren Moscheroschs und - zahlreicher noch - modernisierte Nacherzählungen bekannt. Das gleiche Bild im Fall von Grimmelshausen. Die Schicksale des Simplicissimus waren zwar in Umrissen bekannt, aber ein wortgetreuer Nachdruck fehlte. Nun waren die Professoren der ersten Generation der Germanistik, die ja eine späte Wissenschaft ist, und ein Teil des Lesepublikums mit solchem Behelf nicht mehr zufrieden. Man wünschte die Vollständigkeit eines Werkes im Nachdruck und die Zuverlässigkeit seiner Textgestalt. Grimmelshausen war da eigentlich im Nachteil: sein wahrer Name war zunächst nicht bekannt. Man wusste nicht, welche Schriften ihm sonst noch zuzuordnen seien und wo er landschaftlich einzuordnen sei. Bei Moscherosch lagen die Dinge einfacher. Sein Name ließ sich hinter dem Decknamen Philander von Sittewalt leicht erraten. Man kannte Familie und Abstammung aus Willstätt und wusste auch, welche Werktitel ihm zugehörten.
Reinhold Schneider nannte Lichtenthal sein „Heimatkloster“ in einem Sinn, der weit über die Gemeinschaft der Schwestern hinaus in der Geschichte der zu badischen Markgrafen berufenen Zähringer gründet. Unsere Abtei ist deren „Hauskloster“ im Osten der Stadt Baden-Baden. „Maison Messmer“, Reinhold Schneiders Elternhaus, war noch in seiner Jugend das Quartier und der Verhandlungsort europäischer Fürsten und Staatsmänner. Er erlebte die Beziehung von Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria zur Fürstenkapelle des Klosters. Als religiöse „Heimat“ empfand er Lichtenthal unbewusst in der Jugend durch seine Mutter. Sie war Erbin des katholischen Hauses Messmer. Ihrem Ehevertrag gemäß wurden er und sein Bruder katholisch getauft und lernten so auch das Kloster kennen. Nach dem Verlassen des Elternhauses in jungen Jahren wurde der Glaube in Reinhold Schneider „verschüttet“ und brach erst zwanzig Jahre später in Erkenntnis der nationalsozialistischen Verführung wieder in ihm auf. Er erkannte im gekreuzigten und verherrlichten Jesus Christus den Herrn der Geschichte. Dies zog ihn wieder nach Lichtenthal, das sich ihm nun für sein im Glauben gefundenes neues Leben als geistige „Heimat“ erwies. Zum 50. Todestag des Dichters, am 6. April 2008, der bei seinem jähen Heimgang 1958 der Ostersonntag war, soll seine Beziehung zu unserem Kloster Lichtenthal der Öffentlichkeit erschlossen werden. Er schrieb seit 1944 Briefe an uns Zisterzienserinnen und kam zu Besuchen und Arbeitsaufenthalten.
Um die Bedeutung von Orten, Städten, Landschaften für Hausensteins biographischliterarischen Haushalt richtig einschätzen zu können, ist es sinnvoll, von einem Beispiel der heutigen „Ortseinschätzung“ auszugehen. Exemplarisch bieten sich dazu Stellen an aus dem Roman von Richard Ford „Unabhängigkeitstag“ von 19951. Als Frank Bascombe, ein
geschiedener Immobilienmakler, das Strandhaus seiner Freundin Sally besuchte, hatte er das Gefühl, „schon einmal hier gewesen zu sein“. „Bloß dass nichts mir ein Zeichen gab, nichts mir zunickt. Das Meer bleibt verschlossen und das Land auch“. Und Frank Bascombe fährt in seinen Betrachtungen fort: „Ich weiß nicht genau, was mir die Kehle zuschnürt, die Vertrautheit des Ortes oder die halsstarrige Weigerung, sich erkennen zu geben“.
Im 19. Jahrhundert verfassten zahlreiche Pfarrer Autobiographien sowohl für den engeren Familienkreis als auch für eine mögliche Publikation. Diese Memoiren bieten oft schillernde Einblicke in das Leben einer Pfarrfamilie, lassen aber nicht
selten einen Blick über die Mauern des Pfarrgartens vermissen. Bei solchen Pfarrern indes, die durch sittlich-moralische oder politische Gründe in Konflikte mit der weltlichen und kirchlichen Obrigkeit kamen, war dies gelegentlich anders und politische
sowie soziale Verhältnisse traten durchaus in den Blick. Das ist beispielsweise bei solchen Pfarrern der Fall, die in den Jahren 1848/49 politisch durch freisinnige Gedanken auffielen und deshalb Konsequenzen, wie etwa Strafversetzungen, zu erleiden
hatten. Bei allen Selbstzeugnissen ist freilich der subjektive Blickwinkel zu berücksichtigen und zu fragen: Welche Erinnerungen erscheinen dem Verfasser berichtenswert und wie hat er sein Leben beschrieben? Folgt er religiös-literarischen Schablonen, wie sie etwa die pietistische Autobiographie prägen, oder zeichnen sich seine Aufzeichnungen durch Originalität aus?
In diesem Jahr hätte Oskar Wickert seinen hundertsten Geburtstag feiern können. 1906 in
Forchheim geboren, verbrachte er seine Kindheit
und Schulzeit in Karlsruhe. Am dortigen Goethegymnasium machte er das Abitur und studierte
anschließend an der Badischen Landeskunstschule,
der heutigen Kunstakademie.
Im Jahr 1929 legte er die Staatsprüfung für das
künstlerische Lehramt an höheren Lehranstalten
ab. Zwei Jahre später folgte das Assessorexamen.
Eine besondere musikalische Begabung befähigte
ihn als junger Lehrer in Baden-Baden an der
Richard-Wagner-Schule vorwiegend Musikunterricht zu erteilen und in Karlsruhe ein renommiertes Doppelquartett zu leiten. Sein Instrument war
das Klavier.
Bildung war im Mittelalter und auch noch zu Beginn der Neuzeit ein Privileg der
begüterten Schichten. Nur der Adel und das wohlhabende städtische Bürgertum
konnten es sich leisten, ihre Nachkommenschaft von der täglich anstehenden
Arbeit freizustellen. Längst hatte man in diesen Kreisen erkannt, dass die schulische
Bildung in einer immer komplizierter werdenden Welt das Fundament für ein
Studium oder eine spätere berufliche Laufbahn darstellte.
Die Funktion der als Lateinschulen angelegten Bildungseinrichtungen bestand in
erster Linie darin, den Nachwuchs für die Kirche und die Verwaltung des Staates
heranzuziehen. Ihre Zöglinge bildeten eine Elite in einer ansonsten des Lesens und
Schreibens unkundigen Bevölkerung.
Die Vergangenheit ist für uns Nachfahren der Familie Gomer, der Auswanderer
von einst, die aus Adelshofen, dem neippergischen Reichsritterschaftsort im
Kraichgau, stammen, besonders wichtig.
Die Geschichte der deutschen Auswanderung nach Russland reicht viele Jahrhunderte
zurück.
In der Geschichte der russischen Zaren wird schon im 17. Jahrhundert die sog.
Deutsche Vorstadt als Stadtteil von Moskau erwähnt. In ihr wohnten deutsche
Fachkräfte. Diese geschlossene Ausländersiedlung hatte später für die russische
Geschichte eine weit größere Bedeutung als die der übrigen Ausländer. In ihr fand
der zukünftige Zar Peter der Große auch seine große Liebe Anna Mons, die Tochter
eines deutschen Goldschmiedemeisters.
Fluchtpunkt Jerusalem
(2007)
Die Forschung zur Kirchlichen Zeitgeschichte Badens hat in den letzten drei Jahrzehnten eine bemerkenswerte Blüte erlebt. Die besonderen Entwicklungen in Baden mit einerseits seiner liberalen politischen Tradition, die sich auch auf innerkirchliche
Demokratisierungs- bzw. Partizipationsprozesse auswirkte, und andererseits seiner religionspolitisch-theologischen Gemengelage nach der Verbindung aus fortschrittlichen, konservativ-positiven, pietistisch-erwecklichen, religiös-sozialistischen und auch deutsch-christlichen Kräften, die je eigene und doch auch gemeinsame Mentalitäten herausbildeten, sind für Historiker ein reizvolles Forschungsfeld. Neben diversen Einzelstudien zum 19. und 20. Jahrhundert stellt ohne Zweifel die sechsbändige Quellensammlung zur badischen Landeskirche im Dritten Reich einen editorischen Meilenstein der badischen Kirchengeschichte dar.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird gegenwärtig von demokratischen Parteien gestellt, die sich als christlich oder sozial oder als beides bezeichnen. Die christlichen Parteien vertreten programmatisch ein christliches Menschenbild, das
sie den anderen absprechen, aber dennoch von ihnen einfordern, sogar von Nichtchristen, die Bürger der BRD sein oder werden wollen. Was diese programmatische Forderung inhaltlich bedeutet, wird zumeist nicht erläutert, sondern als bekannt vorausgesetzt.
Als „Zeitzeuge“ soll ich erzählen, wie ich die Kriegs- und Nachkriegszeit und die Kirche in dieser Zeit erlebt habe. Ich will es versuchen. Es ist allerdings für mich gewöhnungsbedürftig, Zeitzeuge für Nachgeborene zu sein. Es ist ein deutliches
Zeichen des Alters! Allzu viel darf man von mir nicht erwarten, wenn es um die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit geht. Ich bin 1934 in Freiburg geboren und in Lahr in einem kleinbürgerlichen Elternhaus aufgewachsen. Am Kriegsende war ich 11 Jahre, gehöre also zu der bevorzugten Generation, die am Kriegsgeschehen nicht mehr aktiv beteiligt war. Es sind darum nur Kindheitserinnerungen, die ich aus der Kriegszeit weitergeben kann. Auch in den ersten Jahren der Nachkriegszeit war ich noch ein Junge, dann Heranwachsender, der allerdings in der kirchlichen Jugendarbeit, vor allem durch die Schülerarbeit, als Jugendleiter und als Helfer im Kindergottesdienst entscheidend geprägt worden ist und intensive Erfahrungen mit Kirche gemacht hat. Als ich 1953 mit dem Theologiestudium begonnen habe, waren immer noch Nachwirkungen des Krieges zu spüren. Man freute sich, wenn man am Studienort ein nahrhaftes Paket von zu Hause bekommen hat. Man begegnete noch Kommilitonen, die spät aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden waren oder als Flakhelfer die letzte Kriegszeit erlebt und in dieser Zeit sich dann für den Beruf des Pfarrers entschieden hatten. In die Studienzeit fallen auch die ersten Begegnungen mit der Landeskirche – durch den damaligen Ausbildungsreferenten Heidland, später mit Oberkirchenrat Hof.
An Allerheiligen (1. November) 1007, vor genau 1000 Jahren, wird in einer zu Frankfurt am Main ausgestellten Urkunde König Heinrichs II. (reg. 1002-1024) mit dem darin erwähnten Sülchgaugrafen »Hessinus« der erste Angehörige der in Südwestdeutschland weit verbreiteten, wohlhabenden und einflussreichen, von der Mittelalterforschung nach ihrem Leitnamen bezeichneten Hochadelssippe der »Hessonen« fassbar. Als in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Zeit der Einnamigkeit zu Ende ging und beim Adel die Zubenennung nach den damals aufkommenden Burgsitzen in Mode kam, begannen diese Hessonen sich nach und nach u. a. von Rimsingen, von Blansingen, von Eichstetten, von Üsenberg, von Nimburg, von First, von Sülchen, von Backnang, von Wolfsölden, von Winnenden, von Beilstein und von Schauenburg zu nennen. Wohl im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts fiel der für die Hessonen des mittleren Neckarraumes zunächst namengebende Burgberg von Backnang durch die Verheiratung einer Hessonentochter namens Judith an die (Veroneser) Markgrafen von Lintburg (= Limburg bei Weilheim/Teck), die nachmaligen Markgrafen von Baden, denen die Backnanger Stiftskirche St. Pankratius bis weit ins 13. Jahrhundert hinein als Grablege diente.
Migration ist kein auf die Moderne beschränktes
Phänomen. Gerade die spätmittelalterliche Gesellschaft war – gemessen an ihrer Verkehrs- und
Transportinfrastruktur – außerordentlich mobil.
Und heutigen Verhältnissen ganz ähnlich folgten
die Wanderungsbewegungen primär wirtschaftlichen Überlegungen. Namentlich Handwerker
und Gesellen waren in großer Zahl zwischen den
Städten des Reichs unterwegs und dank ihrem
Spezialwissen begehrte Fachkräfte und gleichzeitig
aus demographischen sowie militärischen und fiskalischen Gründen willkommen. Während große
Reichsstädte entsprechend ihren weit gespannten
Beziehungen über ein ausgedehntes Einzugsgebiet
von Zuwanderern verfügten, beschränkte sich dieses
im Fall einer vorderösterreichischen Landstadt wie
Villingen auf einen Umkreis von 30 bis 40 Kilometer. Konkret zogen also Leute beispielsweise von
Schwenningen, Kirnach oder Hüfingen nach Villingen,1 während Leute von Villingen beispielsweise
nach Straßburg, Basel oder Zürich auswanderten.
In den Rheinischen Beiträgen zur Gelehrsamkeit, einer in Mannheim verlegten wissenschaftlichen Zeitschrift, erschienen 1781 unter der Überschrift „Briefwechsel eines pfälzischen Blinden“ in mehreren Folgen Schreiben eines blinden Mannheimers. Von diesen Briefen wurde versichert, sie seien eigenhändig niedergeschrieben und nicht etwa diktiert worden, was mehr als vier Jahrzehnte vor Entwicklung der Braille-Blindenschrift verständlicherweise für Aufsehen und Bewunderung sorgte: „Wie!
ein Brief … von Ihrer eigenen Hand? noch dazu … mit aller orthographischen Genauigkeit? Wer sollte das von einem Blinden
glauben?“
Maria Rigel
(2007)
Maria Rigel wurde 11. 9. 1869 in Adelsheim geboren, wo ihr Vater als Notar tätig war. Sie besuchte von 1876–1883 die Volksschule zu Adelsheim, ab 1883–1884 die Höhere Mädchenschule in Mannheim und von 1884–1887 das Klosterinstitut in Offenburg. Der Besuch der höheren Schule gab ihr die Möglichkeit, das Lehrerinnenseminar in Karlsruhe zu besuchen. Hier legte Maria Rigel 1889 die 1. Lehrerinnenprüfung ab und wurde am 5. 8.1889 als Volkschulkandidatin in den badischen
Schuldienst aufgenommen. 1890 bestand sie die 2. (höhere) Lehrerinnenprüfung. Die erste planmäßige Anstellung als Hauptlehrerin erfolgte 1902 in Mannheim, 1924 wurde sie hier als Oberlehrerin und am 1. 10.1927 als Rektorin in der K-5 Schule ernannt.
Das politische Wirken von Friedrich Daniel Bassermann, einem der führenden liberalen Politiker im Vormärz und während der Revolution 1848/49, Abgeordneten der Zweiten Badischen Kammer, Mitglied des Vorparlaments und der Paulskirche und schließlich Reichsminister, ist in der biographischen Literatur ausführlich gewürdigt worden. Aus der darin weniger dokumentierten frühen Lebensphase haben sich in Privatbesitz einige Schriftstücke erhalten, die die Abgeltung der
Militärpflicht des 21jährigen Friedrich Daniel Bassermann betreffen und die jüngst dem Mannheimer Altertumsverein für seine archivalischen Sammlungen überlassen wurden. Die vier Dokumente aus dem Jahr 1832 sind geeignet, seine Biographie um einen bisher nicht bekannten Aspekt zu ergänzen.