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Rolf Seuser aus Wehr/Baden
(2010)
Zu den vernachlässigten Themen der Katholizismusforschung gehören u. a. die Kriegserfahrungen junger Katholiken. Zudem fehlt es bisher an lokalen oder zumindest regionalen „Tiefenbohrungen“, die „etwa anhand von Ego-Dokumenten den Stellenwert des Antisemitismus bzw. Antijudaismus im Alltagsleben des katholischen Milieus ausloten“ könnten. Das Forschungsfeld „Katholische Kirche und Krieg“ ist erst in Ansätzen bearbeitet. Bezüglich der aktiven katholischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg fehlt nicht nur eine zuverlässige Quellenedition von Ego-Dokumenten aus der Akteursebene, sondern auch eine breit angelegte Studie. Im folgenden Beitrag soll das zuerst genannte Desiderat aufgegriffen werden, wohingegen zum zweiten zumindest Spurenelemente nachgewiesen werden können. Im Mittelpunkt des Beitrages steht Rolf Seuser, der am 8. Oktober 1920 in Wehr im südlichen Schwarzwald geboren wurde, am Sonntag, dem 18. August 1935 in das Fidelis-Kolleg Bensheim eintrat und Ostern 1940 die Reifeprüfung am Gymnasium Bensheim ablegte. Am 6. Juli 1940 begann er sein Noviziat im Kapuzinerkloster Stühlingen (Frater Gerbert). Er wurde am 10. Oktober 1940 zur deutschen Wehrmacht einberufen und fiel am Montag, dem 28. Juli 1941, an der Ostfront.
Der offizielle Hurrapatriotismus des Kaiserreichs und die fast einhellige Kriegsbegeisterung im städtischen Bildungsbürgertum, anfängliche Siegesmeldungen von der Front, bald aber auch Nachrichten von vielen Verwundeten und Gefallenen versetzten die Pfarrer in den Heimatgemeinden bereits vom August 1914 an unter einen besonderen Erwartungsdruck ihrer Gemeindeglieder. Die Kriegsstimmung musste aufgenommen werden; bei den meisten Predigern geschah es bis zuletzt mit überzeugtem Nationalismus. Andererseits galt es, Verantwortungsträger zu ermutigen und Leidtragende zu trösten sowie eine Deutung des Geschehens und Weisung zu geben. Die Predigten waren somit meist weniger Bibeltextauslegungen als Thema- oder Mottopredigten, eben „Zeitpredigten“ (Ernst Lehmann). Die älteren Pfarrer an der „Heimatfront“ wurden, trotz immer wieder neuer Mobilmachungsaktionen, durchweg als unabkömmlich eingestuft, jedoch neben ihrem eigentlichen Gemeindedienst als Garnison- oder Lazarettpfarrer eingesetzt. Ihre Kriegspredigten und Kriegsandachten ließen sie oft drucken, damit sie auch ihren Gemeindegliedern im Felde zugesandt werden konnten oder um mit dem Verkaufserlös Hilfsmaßnahmen zu unterstützen.
Über Leben und Wirken Johann Laurentius Höltzlins ist bisher wenig bekannt, obwohl die Zahl der mit seinem Namen verbundenen und erhaltenen, gleichwohl noch
weitgehend unbeachteten Druckschriften nicht klein ist.
Geplant sind drei Teilaufsätze, aufgeteilt anhand dieses Schrifttums, in welchen Leben und Wirken Höltzlins in
geschichtlicher Folge näher dargestellt werden.
Dabei wird die bisher meist ganz in den Vordergrund gerückte Frage, wie sich
Höltzlin als Oberhofprediger und Beichtvater Karl Wilhelms zu den erotischen
Eskapaden des Landesherrn und Karlsruher Stadtgründers verhalten hat und ob er
wegen seiner angeblichen Stellungnahme zur Bigamie des Fürsten vom Hof entfernt
wurde, nur gestreift.
Der Hurrapatriotismus des Kaiserreichs und die fast einhellige Kriegsbegeisterung, anfängliche Siegesmeldungen von der Front, bald aber Nachrichten von Verwundeten und Gefallenen versetzten die Pfarrer in den Heimatgemeinden vom August 1914 an unter einen besonderen Erwartungsdruck ihrer Gemeindeglieder. Die Kriegsbegeisterung im Volk musste aufgenommen werden; bei den meisten Predigern geschah es aus Überzeugung. Andererseits galt es zu ermutigen und zu trösten, eine Deutung des Geschehens und Weisung zu bieten. Die Predigten waren somit meistens weniger Text- als Thema- oder Mottopredigten. Die älteren Pfarrer an der „Heimatfront“ wurden, trotz immer wieder neuer Mobilmachungsaktionen, entweder als unabkömmlich eingestuft oder neben ihrem eigentlichen Gemeindedienst als Garnison- oder Lazarettpfarrer eingesetzt. Ihre Kriegspredigten und Kriegsandachten ließen sie oft drucken, damit sie auch ihren Gemeindegliedern im Felde zugesandt werden konnten oder um mit dem Erlös des Druckschriftenverkaufs Hilfsmaßnahmen zu unterstützen.
Ende 1719 wurde Höltzlin, weiterhin Oberhofprediger und in Karlsruhe wohnen bleibend, erster Stadtpfarrer in Pforzheim, der zu der Zeit größten Stadt der Markgrafschaft und ehemaligen Residenzstadt, und zugleich Superintendent, 1720 dann
Spezialsuperintendent einer großen um Karlsruhe herum gelegenen Region, von Langensteinbach bis Staffort. In der Historia vitae von Anfang 17224 findet sich nichts von dem, was ihn im Herbst 1721 betraf: seine Anhörung am 17. Oktober 1721 (eine amicale Unterredung) zur Frage der Polygamie des Landesherrn, also zu Höltzlins Verhalten angesichts des ausschweifenden „Lebenswandels“ des Markgrafens. Erst im Februar 1722 folgte dann seine Entlassung aus den Pflichten des Oberhofpredigers, obwohl bereits am 18. Dezember eine Dienstveränderung mit unserm bißherigen OberHofPrediger Laurentio Hölzlin (sic) auf das Spezialat Auggen besoldungsmäßig geregelt worden war.
Am Mittwoch, dem 14. Februar 1880 verfasste der Dossenheimer Ortsgendarm Schumacher folgende an den Bezirk Heidelberg des Großherzoglichen Gendarmerie-Corps gerichtete Meldung: „Angeblicher Straßenraub“ – Dem Bezirk melde ich gehorsamst, daß mir der 65 Jahre alte evangelische Pfarrer Jakob Theodor Plitt von Dossenheim die Anzeige gemacht hat [vermutlich mündlich am 12. d. M.], er sei am 11. d. M. Abends zwischen 7 und 8 Uhr auf der Straße zwischen Handschuhsheim und Dossenheim von einem ihm unbekannten Manne angefallen und seiner Baarschaft bestehend in 37 Mark, sowie seines Stockes beraubt worden. Nähere Erhebungen haben jedoch durch Zeugen ergeben, daß Pfarrer Plitt sehr stark betrunken gewesen sei und kaum den Weg von Heidelberg nach Dossenheim hat zu Fuß zurücklegen können. Es ist daher eher möglich, Pfarrer Plitt hat unter solchen Umständen vorbesagte Gegenstände verloren und können solche von irgend einer Person aufgefunden worden sein, da auf dieser Strasse immer ein sehr lebhafter Verkehr stattfindet. Es ist umso mehr anzunehmen, da Pfarrer Plitt eine goldene Uhr bei sich getragen
und solche nicht entwendet wurde und ebenso dessen Perücke, die er getragen, etwa 40 Schritte oberhalb der Stelle, wo er angefallen worden sein will, auf der Strasse gefunden wurde. – Auch hat bis jetzt trotz genauer Nachforschung keine Spur entdeckt werden können und kann auch Pfarrer Plitt nicht das geringste Signalement des Thäters angeben, um irgend eine Spur bekommen zu können, überhaupt glaubt in Dossenheim sowie Umgegend Niemand, daß hier ein Raubanfall stattgefunden hat. – (gez.) Schumacher Gendarm
Der im Schwarzwald geborene Erwin Mülhaupt (1905‒1996) hat von seinen mehr als 90 Lebensjahren, von kurzen vorübergehenden Arbeitsaufträgen vorher und nachher abgesehen, nur zehn Jahre, und zwar von 1933 bis 1943, als Pfarrer in einer Gemeinde verbracht: als Pfarrer des Kirchspiels Haag im Kirchenbezirk Neckargemünd mit den drei Filialen Schönbrunn, Moosbrunn und Allemühl und mit drei Kirchen. Mehr als doppelt so lange, nämlich 21 Jahre, von 1949 bis 1970, war Mülhaupt Professor für Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Es liegen drei verschieden lange autobiographische Texte von ihm vor: ein kurzer von 1949, verfasst zum Dienstantritt in Wuppertal; ein langer von 1975 als Rückblick auf 50 Jahre theologische Existenz; und ein aus Anlass der Diamantenen Hochzeit geschriebener von 1993.
Der Volksschullehrer Julius Hauck (1875-1966) hielt es während des 1. Weltkriegs für seine vaterländische Pflicht, der hungernden Bevölkerung eine neue, bisher meist misstrauisch betrachtete Nahrungsquelle zu erschließen, nämlich die Pilze. Dazu war er bereit, sein ganzes pilzkundliches Wissen einzubringen. Diese Aktivitäten wurden recherchiert und dokumentiert. Er veranstaltete in Eberbach am Neckar eine Aufklärungskampagne mit Vorträgen, Ausstellungen, Wanderungen und Beratungen. Um den Teilnehmern die Vertiefung der erworbenen Kenntnisse zu ermöglichen, schrieb er in den Jahren 1916-1917 mehrere populärwissenschaftliche Büchlein. Seine Schriften enthalten wenig Eigenständiges; er exzerpierte im Wesentlichen verbreitete populärwissenschaftliche Werke seiner Zeit. So verfiel auch er, wie einige der von ihm zitierten Autoren, dem Irrtum, dass der Pantherpilz ein guter Speisepilz sei. Diese falsche Angabe geht vermutlich auf die fehlerhafte Abbildung des Pilzes durch J. Ch. Schaeffer zurück. Hierauf wird im Detail eingegangen.
Der äußere Radius seines Lebens war auch nach damaligen Verhältnissen bemessen klein; er erstreckte sich vom Bodensee und der schwäbischen Ostalb bis an den Neckar und den Südschwarzwald im Breisgau, wo er in Freiburg fast drei Jahrzehnte lang als Professor für Moraltheologie und Katechetik sowie später als Domkapitular und Domdekan wirkte. Hinzu kamen während einiger Jahre, in denen er von seiner Freiburger Universität als Abgeordneter in den Badischen Landtag entsandt wurde, regelmäßige Besuche in der Residenzstadt Karlsruhe. Johann Baptist Hirscher wurde am 20. Januar 1788 als erstes von sechs Kindern einer einfachen Bauernfamilie in der Nähe von Bodnegg im heutigen Kreis Ravensburg geboren. Seine schulische Bildung erhielt er auf Anregung des örtlichen Geistlichen in der Prämonstratenserabtei Weissenau. Nach deren Aufhebung im Jahr 1803 wechselte er an das Konstanzer Lyzeum, wo er dem Generalvikar der damaligen Diözese Konstanz Ignaz Heinrich von Wessenberg begegnete, der ihn nachhaltig prägte und schon früh auf seine Begabung aufmerksam wurde. Das sich anschließende Theologiestudium in Freiburg war freilich nur von kurzer Dauer, da der junge Hirscher aus finanziellen Gründen die Universität nach zwei Jahren verlassen musste. Seine ultramontanen Gegner haben ihm später, als er längst zu den führenden katholischen Theologen in Deutschland zählte und als viel gelesener religiöser Schriftsteller anerkannt war, oft seine angeblich lückenhafte wissenschaftliche Ausbildung und seine nur oberflächliche Kenntnis der scholastischen Autoren vorgehalten. Nach dem Besuch des Meersburger Priesterseminars erhielt Hirscher am 22. September 1810 im Konstanzer Münster die Priesterweihe.
Anton Dichtel, Südbadens populärer Regierungspräsident der Jahre 1957 bis 1967, ist am 18. 9. 1901, d. h. vor fast genau 100 Jahren geboren. Seinem vierten Nachfolger, dem derzeitigen Regierungspräsidenten Dr. Sven von Ungern-Sternberg, gebührt daher besonderer Dank dafür, dass er diesen runden Geburtstag zum Anlass genommen hat, zu einer festlichen Gedenkstunde einzuladen, um die mit den Jahren etwas verblasste Erinnerung an Anton Dichtel wieder lebendig werden zu lassen. Ich danke ihm auch für die Ehre, hier zusammen mit Herrn Ministerpräsident a. D. Prof Dr. Hans Karl Filbinger in
memoriam Dichtels sprechen zu dürfen.
Werner Kornhas (1910-1992)
(2001)
Am 16. August des Jahres 2000 jährte sich der Geburtstag des Karlsruher Künstlers Werner Kornhas zum 90. Mal. Dieses Jubiläum war der willkommene Anlaß, Malerei und Zeichnung der letzten beiden Lebensjahrzehnte durch eine Ausstellung des Bezirksverbandes Bildender Künstler und Künstlerinnen im Künstlerhaus Karlsruhe zu präsentieren. Begleitend erschien hierzu ein Katalog, der das Lebenswerk von Werner Kornhas eingehend würdigt.
Der Bestand D. Hermann Maas hat einen Umfang von 1,90 lfd. Metern und eine Laufzeit von 1861 bis 2011 mit 210 Verzeichnungseinheiten. Er setzt sich wie folgt zusammen: 1. Aus dem eigentlichen Nachlass in Gestalt von Handakten und Originaldokumenten, einer umfangreichen Sammlung von Gegenständen, von denen sich einige als
Ausstellungsexponate zurzeit im Adolf-Schmitthenner-Haus in Heidelberg befiden und einer umfangreichen Bibliothek, die in der Landeskirchlichen Bibliothek in Karlsruhe untergebracht ist. 2. Ferner zählt zum Bestand das Archiv der Hermann-Maas-Stiftung mit Studienzentrum und Gedenkstätte sowie 3. die Sammlung von Unterlagen von Schuldekan i. R. Albrecht Lohrbächer, welche am 18. November 2010 dem Landeskirchlichen Archiv übergeben worden ist und
einen Umfang von ca. 0,30 lfd. Metern hat. 4. Am 30. April 2014 folgte der Zugang der Verwaltung der Hermann-Maas-Stiftung vom Evangelischen Dekanat Heidelberg. Auf Initiative von Walter E. Norton (London) wurde im Jahr 1988 zum Gedenken an Prälat D. Hermann Maas die Hermann-Maas-Stiftung ins Leben gerufen und ein „Archiv“ angelegt, das wesentlich von Pfarrer i. R. Werner Keller aufgebaut und betreut worden ist und in den Räumen des Adolf-Schmitthenner-Hauses in Heidelberg untergebracht war. Während den Renovierungsarbeiten wurde das Archiv in das Hermann-Maas-Haus nach Heidelberg-Kirchheim ausgelagert.
Die Verweigerung der Moderne
(2002)
Die Beschäftigung mit der Architektur Albert Speers (1905-1981) führt zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung mit seinem Bauen im Dritten Reich. In einer Veröffentlichung der Arbeiten Speers, für die er selbst das Vorwort schrieb, werden seine Arbeiten erst ab 1933, dem Jahr der Machtergreifung Hitlers aufgeführt. Karl Arndts Aussage, daß Speers „Bauaufträge [...] so gut wie ausschließlich mit dem nationalsozialistischen Regime verbunden" seien, ist zu bestätigen. Allerdings wären da nicht wenige Indizien für ein architektonisches Schaffen vor 1933, könnte es den Eindruck erwecken, Albert Speer sei als Chefarchitekt und Handlanger Hitlers wie ein Phönix aus der Asche gestiegen. Um ein differenziertes Bild seiner architektonischen Entwicklung zu erhalten, ist es notwendig den Fokus auf seine frühen Entwürfe, die nicht im nationalsozialistischen Kontext entstanden sind, zu richten. Neben den Entwürfen eines Siedlungshauses (um 1931) und
einer evangelischen Kirche in Berlin-Zehlendorf (vor 1933), beziehen sich zwei der raren Entwürfe aus der frühen Schaffensperiode interessanterweise auf Heidelberg: Es handelt sich um ein Zweifamilienhaus, das er 1929 für seine Schwiegereltern in Heidelberg-Schlierbach realisiert und um den Entwurf eines Gärtnerhauses, das nicht ausgeführt worden ist.
Himmlische Verwandtschaft - Großherzog Friedrich I. und der selige Markgraf Bernhard von Baden
(2002)
Als am 2. Juli 1999 der Fusionsversuch der Landeswohlfahrtsverbände von Baden und Württemberg scheiterte, kommentierte dies ein Landtagsabgeordneter der CDU mit den Worten: ,,Landesidentität ist kein Wert an sich". In der Landesregierung scheint man heute anderer Meinung zu sein, sonst würde kaum nach der auf Außenwirkung abzielenden Imagekampagne nun in diesem, dem 50. Jahr nach der Gründung des Landes, ein auf Binnenresonanz spekulierendes Jubiläumsprogramm veranstaltet werden. Der Trennstrich zwischen Baden und Württemberg soll zum Bindestrich werden. Die Jubiläumsmaskottchen Greif und Hirsch führen ein Freudentänzchen auf, das wohl deshalb eher einem Ringelpiez als einem Walzer ähnelt, damit nicht der Eindruck eines Führungsanspruchs des einen entstehen kann. In Werbung und Veranstaltungen würden kaum viele Millionen fließen, wenn die Landesregierung nicht der Meinung wäre, der erhoffte Zugewinn an corporate identity und Bindung an das Bundesland werde sich früher oder später politisch und wirtschaftlich auszahlen. Landesidentität erscheint also als etwas Erstrebenswertes, gleichzeitig auch als etwas durch Marketingstrategien Herstellbares.
"Ein badischer Aloisius"
(2004)
Im Jahr 1950 erschien ein Büchlein mit dem Titel „Leuchtende Schar. Ein kleines Heiligenbrevier für junge Menschen“ von Albert Krautheimer und Karl Becker. Unter dem 21. Juni findet sich ein Brief an den heiligen Aloysius von Gonzaga. Darin klagt der Verfasser dem Heiligen sein Leid: Er sei durch seine Erzieher frühzeitig auf ihn aufmerksam gemacht worden, habe an den Aloysianischen Sonntagen teilgenommen und ihn so kennen, aber nicht lieben gelernt. Sechsmal habe er angefangen, die Lebensbeschreibung zu lesen, sei aber nie über das erste Fünftel hinausgekommen, denn: „Wenn man sich gerade einmal
freuen wollte, dass du auch ein ‚Mensch aus Erde' warst, dann wurde diese Tatsache vom Verfasser umgehend bedauert. Deine harmlosesten Bubenstreiche wurden als beweinenswerte Sünden hingestellt. Hätten wir dem Autor geglaubt, dann wären wir Buben insgesamt schon damals Schwerverbrecher gewesen. [...] Hätte man uns die Freude über dein echt jungenhaftes Verhalten im Feldlager gelassen, wir wären bestimmt deine besten Kameraden geworden. [...] Aber man ließ uns nicht Kameraden werden [...] man paukte uns ,die Moral von der Geschicht' ein, bis wir nicht mehr wussten, ob du oder wir oder unsere Erzieher einen Knacks hätten. Kurzum: man trieb einen Keil zwischen uns, anstatt uns zusammenzuführen.‘“ Und später heißt es in dem fiktiven Brief: „Überhaupt, man wollte aus dir einen Schmachtlappen machen, einen Trottel,
der weltflüchtig wurde, weil er mit der Welt nicht fertig wurde.“ Der Verfasser des Briefs solidarisiert sich also mit Aloysius.
August Ruf und Eugen Weiler
(2006)
Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat August Ruf (1869-1944) und Eugen Weiler (1900-1992) viele Jahre nach ihrem Tod den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ verliehen. Überreicht wurde diese höchste Auszeichnung, die der israelische Staat zu vergeben hat, im Rahmen einer Feierstunde in Singen am 24. Juli 2006, eine weitere Feierstunde fand am 25. Juli 2006 in Rufs Heimatstadt Ettenheim statt. Damit wurden die beiden Priester der Erzdiözese Freiburg für etwas ausgezeichnet, das eigentlich selbstverständlich sein sollte: Sie haben einem Menschen das Leben gerettet. Was die Tat so besonders macht, dass ihnen postum diese besondere Anerkennung zugedacht wurde, sind deren Umstände: Sie haben im Jahr 1942 einer deutschen Jüdin zur Flucht in die Schweiz verholfen und sie somit vor der Ermordung in den Gaskammern von Auschwitz bewahrt. Etwas besonderes ist auch die Tatsache, dass es mit August Ruf und Eugen Weiler zwei deutsche Geistliche sind, die mit dieser Ehrung bedacht wurden — sie sind damit die ersten Priester der Erzdiözese Freiburg, denen dies widerfahren ist. Wenn sich auch die Erzdiözese eigentlich keinerlei Verdienste in Zusammenhang mit der Tat der beiden Priester zurechnen kann, und wenn auch die Ehrung selbst ohne Zutun der Bistumsleitung oder -verwaltung zustande gekommen ist, so fällt doch vielleicht ein kleiner Widerschein auf die Erzdiözese Freiburg und ihren Klerus zurück. Der aus Singen stammende Freiburger Weihbischof Prof. Dr. Paul Wehrle hat es sich daher nicht nehmen lassen, im Rahmen der Singener Veranstaltung der beiden Männer ehrend zu gedenken und ihnen nachträglich noch den gebührenden Dank für ihre Leistung abzustatten.
(Kein) Ende der Debatte?
(2016)
Bei diesem Thema kann man sehr leicht sehr viel falsch machen – gerade jemand, der als katholischer Kirchenbeamter von vornherein unter dem Verdacht steht, parteiisch zu sein: Der Bistumsarchivar, der über einen Erzbischof spricht, kann doch eigentlich nichts anderes betreiben als Heiligengeschichtsschreibung? Wenn er hingegen versuchen wollte, unparteiisch zu sein, dann liefe er Gefahr, in die andere Richtung zu weit zu gehen, zu kritisch zu urteilen und letztlich das eigene Nest zu beschmutzen. Zumindest könnte dies aus katholisch-kirchlicher Sicht so wahrgenommen werden. Daher habe ich mich dazu entschieden, nicht direkt über Gröbers Verhältnis zum Nationalsozialismus zu sprechen, sondern über die Debatten, die darüber geführt wurden und werden. Das könnte als Drückebergerei verstanden werden, bietet sich so natürlich die Möglichkeit, auf eigene Stellungnahmen zu verzichten und nicht unbedingt die eine oder die andere Sichtweise zu vertreten. Andererseits besteht hierdurch aber die Chance, auch solche Perspektiven vorzustellen, die nicht die eigenen sind: Ich kann also die eine oder andere besonders Gröber-kritische Äußerung wiedergeben, umgekehrt aber auch solche Stimmen zu Gehör
bringen, die Gröber vielleicht sogar zu unkritisch verteidigen.
„Meine Liebe zur Geschichte ist ein Erbstück von meinem Vater sel., der in den [18]60er Jahren als Drechslergeselle, um den
Meister zu erhalten, auf die Wanderschaft ging, in Augsburg, München, Darmstadt, Mainz und Heidelberg arbeitete und dann als Sohn eines Erbbauers, auf dessen Hof heute noch die gleichen Ebner sind wie im 30-jährigen Krieg, meine Mutter heiratete, die die einzige Tochter auf der Wirtschaft zum Bierhaus war. Aus der Ehe gingen 10 Kinder hervor, 5 Buben und 5 Mädchen. Mein Vater hat oft erzählt, daß er an seinen Arbeitsplätzen und auf der Walz ein Kolpinger gewesen, viele Vorträge gehört und aus den Bibliotheken Bücher zu lesen geholt habe. Mein Vater galt in Unteralpfen als ein belesener Mann. Auf sein Urteil wurde viel gegeben.
„Freiburg hat, was alle suchen“. Mit diesem nicht gerade zurückhaltenden Slogan machte die Stadt Freiburg vor einigen Jahren Tourismuswerbung. Ich weiß nicht, ob der Spruch noch offiziell in Gebrauch ist, aber mit seiner Anwendung auf die Freiburger Musikgeschichte gäbe es ohnehin gewisse Schwierigkeiten. Was Freiburg nämlich, anders als von dieser Werbung verheißen, nicht zu bieten hat, sind die ganz bedeutenden Ereignisse oder die ganz großen Namen in seiner Musikgeschichte. Allerdings dürften hiernach wohl auch kaum alle suchen, sondern höchstens ein paar Spezialisten — was die Glaubwürdigkeit des zitierten Werbespruchs zusätzlich in Frage stellt. Daß es in dieser ansonsten in vielerlei Hinsicht sehr begünstigten Stadt an großen Musikerpersönlichkeiten und bedeutenden Ereignissen mangelt, hat die örtliche Geschichtsschreibung schon längst dazu veranlaßt, ihr Augenmerk auf die „sekundären Bedeutsamkeitsmerkmale“ zu richten. Und hier gibt es denn doch manches Interessante zu erzählen. Zum Beispiel, daß Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1837 auf seiner Hochzeitsreise ein paar Tage in Freiburg logierte — in einem Hotel am Münsterplatz, nur ein paar Schritte von hier — und sogar ein bißchen komponiert hat.