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J. P. Hebel und Lörrach
(2002)
Seit der Eingemeindung Hauingens zur Stadt Lörrach 1975 beginnt dieses Thema bereits am 30. Juli 1759 mit der Trauung der Eltern Johann Peter Hebels in der Hauinger Kirche. Hier fand aber nicht nur die Hochzeit der Eltern in der Kirche und anschließend im Gasthaus „Zum Bad" statt, hier im „Bad" kam nach Pfarrer Richard Nutzingers Erzählung und Recherchen „Das Hanspeterli" von 1938 am 10. Mai 1760 auch Johann Peter Hebel zur Welt. Zahlreiche Belege dieser Wahrscheinlichkeit habe ich in der „Hauinger Chronik" von 2002 festgehalten. Ein weiteres Indiz liefert auch Gustav Oberholzer in seinem Artikel „Die Rechtsverhältnisse des Johann Jakob Hebel" (,,Das Markgräflerland" 1/1985), als der Vater J. P. Hebels beim Oberamt Lörrach 1759 zwecks Heirat mit Ursula Örtlin sich als Hintersass in Hausen bewarb. Dort heißt es wörtlich: ,,Jakob Hebels Heirat pressierte". Denn eine eheliche Verlobung sollte damals nur ein halbes Jahr dauern.
Geboren ist Max Rieple am 13. Februar 1902 in Donaueschingen und zwar „in dem traditionsreichen Zimmer, in dem Josef Viktor von Scheffel Studien zu seinem nie vollendeten Wartburg - Roman gemacht hatte" (Scheffel wohnte dort von 1857 bis 1859). So schrieb Rieple selbst in seinen Lebenserinnerungen - mit liebevollen Texten, die zurückblenden auf das „Fürstenschloß inmitten eines eichendorffschönen Parks", auf die Schätze der Hofbibliothek, die der „Ekkehard" - Dichter einmal betreut hatte, an die „Fasnet" seiner Kindertage: Der 13. Februar 1902, der "schmutzige Dunschdig" - an diesem alemannischen Festtag ist Max Rieple geboren. 1911 erhielt die Firma des Vaters Timotheus Rieple den Titel „Lieferant seiner Durchlaucht des Fürsten von Fürstenberg" - Textilien, Kurzwaren, Haushaltswaren, Spielwaren kaufte man u. a. bei „Rieple's". Aber 1912 verlor der 10-jährige seine Mutter, die noch mit viel Freude hatte erleben dürfen, wie der kleine Max seine musischen Talente entwickelte. Sich für eine bestimmte Studien- bzw. Berufsrichtung zu entscheiden, fiel dem 20-jährigen schwer; aber er hatte gar keine Wahl, er hatte letztlich das väterliche Geschäft zu übernehmen - und durfte hoffen auf einen Anteil an allem, was das kulturelle Leben Donaueschingens zu bieten hatte.
Andreas Anton Ignaz Felner wurde am 17. August 1754 in Freiburg im Breisgau geboren. Er war der Sohn des Buchdruckers Johann Georg Felner und dessen Ehegattin Maria Catharina, geb. Haag. Als Taufpaten sind zwei hochgestellte Persönlichkeiten eingetragen: Andreas Haas, Doktor beider Rechte, Ordinarius an der Universität Freiburg, und Maria Theresia Montfort (11. Juli 1728 – ca. 1790), Tochter des Freiburger Bürgermeisters Charles-François Montfort (aus Savoyen; 1686–1769) und der Maria Magdalena Litschgi (1680–1736). Der Vater stammte aus Landshut (Bayern) und war Faktor (Werkmeister) in der Freiburger Druckerei von Franz Xaver Schaal. Felner wird schon 1750 auf Titelseiten von Publikationen als Drucker der Witwe Maria Lucia Schaal angeführt und übernahm von ihr 1752 Verlag und Druckerei. Die in Freiburg geborene Mutter Maria Catharina Clara war die Tochter eines Freiburger Bildhauers. Felners Eltern sind am 22. April 1752 im Freiburger Münster getraut worden.
Hugo Damian von Schönborn, Erbauer der Residenz von Bruchsal, Fürstbischof von Speyer und Konstanz
(2002)
Es ist schon erstaunlich, was eine Familiensippe an Persönlichkeiten hervorzubringen imstande ist. Die v. Schönborn sind dafür ein besonders prägnantes Beispiel. Mehr als 7 Bischöfe in relativ kurzer Zeit verzeichnet das Lexikon, 4 davon entstammen dem gleichen Elternpaar, sind untereinander Brüder. Man ist allzu gern bereit, Nepotismus und verwandtschaftliche Hilfen zu unterstellen, Prunk- und Bausucht auf Kosten der Bauern zu kritisieren, - das alles ist gewiß auch nicht zu leugnen, - aber wenn man die Leistungen dieser mächtigen kirchlichen Potentaten und Fürstbischöfe betrachtet, ihren Kunstsinn und ihr Gespür für
den Einsatz der richtigen Männer am richtigen Ort, auch ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten, ihre oft musische und gute theologische Ausbildung näher untersucht, so kann man nicht umhin, staunend anzuerkennen, daß sich hohe Intelligenz, Durchsetzungsvermögen und Sachverstand in ganz ungewöhnlicher Weise in einer Familie zusammen geballt haben.
Himmlische Verwandtschaft - Großherzog Friedrich I. und der selige Markgraf Bernhard von Baden
(2002)
Als am 2. Juli 1999 der Fusionsversuch der Landeswohlfahrtsverbände von Baden und Württemberg scheiterte, kommentierte dies ein Landtagsabgeordneter der CDU mit den Worten: ,,Landesidentität ist kein Wert an sich". In der Landesregierung scheint man heute anderer Meinung zu sein, sonst würde kaum nach der auf Außenwirkung abzielenden Imagekampagne nun in diesem, dem 50. Jahr nach der Gründung des Landes, ein auf Binnenresonanz spekulierendes Jubiläumsprogramm veranstaltet werden. Der Trennstrich zwischen Baden und Württemberg soll zum Bindestrich werden. Die Jubiläumsmaskottchen Greif und Hirsch führen ein Freudentänzchen auf, das wohl deshalb eher einem Ringelpiez als einem Walzer ähnelt, damit nicht der Eindruck eines Führungsanspruchs des einen entstehen kann. In Werbung und Veranstaltungen würden kaum viele Millionen fließen, wenn die Landesregierung nicht der Meinung wäre, der erhoffte Zugewinn an corporate identity und Bindung an das Bundesland werde sich früher oder später politisch und wirtschaftlich auszahlen. Landesidentität erscheint also als etwas Erstrebenswertes, gleichzeitig auch als etwas durch Marketingstrategien Herstellbares.
Hieronymus Bock (1498-1554)
(2002)
Hieronymus Bock ist insbesondere als Botaniker und Herausgeber eines Kräuterbuches in Erscheinung getreten. Um seine wissenschaftliche Leistung in ihrer Zeit richtig einordnen zu können, soll deshalb zuerst allgemein auf die Entwicklung der Botanik eingegangen werden. Diese ist lange Zeit mit der Medizin verbunden, stellen doch (Heil-)Pflanzen über viele Jahrhunderte das wichtigste Material für Arzneien dar, um das Jahr 1600 noch zu über 50 Prozent.
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, rationalistischer Bibelexeget und Theologe, der in Heidelberg den Vortrag zum Reformationsjubiläum am 31.10.1817 zu M. Luthers „Heidelberger Disputation“ (26.4.1518) hielt, zeichnete in sein Verständnis von „Denkgläubigkeit“ Luthers Disputationsthesen und sein Bild von Luther und der Reformation ein.
Nach (1.) einem Überblick über Paulus’ Leben und Werk, wird (2.) sein Säkularvortrag „Auch zu Heidelberg war Doktor Martin Luther“ dargestellt mit (2.1.) dem Blick auf Luthers „Heidelberger Disputation“ und (2.2.) Paulus’ Bild von Luther und
der Reformation. Es folgt (3.) eine Einordnung in den geistesgeschichtlichen Zusammenhang und eine kritische Wertung von Paulus’ denkgläubiger Interpretation von Luthers reformatorischem Rechtfertigungsglauben.
In der einst vorderösterreichischen Stadt Waldshut pflegten die Bürger schon in vergangenen Jahrhunderten ein reges Kunst- und Kulturleben. Dies trat bei den neuesten Forschungen zur Stadtgeschichte zutage. So läßt sich heute berichten, daß zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert zwölf Geigenbauer noch heute vorhandene Instrumente schufen und während über 150 Jahre eine Glockengießerei wirkte, deren Erzeugnisse noch derzeit in vielen Kirchen des Landes die Gläubigen zum
Gebet rufen. 2 Bisher unbekannt gewesene Altarbauer und Bildschnitzer hinterließen uns herausragende Werke, Orgelbauer waren bis über die Landesgrenze hinaus gefragt, und umfangreiche Arbeiten von Waldshuter Kirchenmalern lassen sich nun auflisten. Dazu sind vom Waldshuter Baumeister Ferdinand Weitzenegger, einem Schüler des berühmten
Deutschordensbaumeisters Johann Caspar Bagnato, beachtliche Kirchen- und Profanbauten in der Region nachzuweisen. Schon weit zurück spielte man Theater, feierte historische und kirchliche Feste und sorgte für den Erhalt von Fasnachts- und anderen Bräuchen. 1562 bestand schon ein „Tanzhaus“.
Im 18. Jahrhundert wurden die Mönche moderner. Angeregt von den französischen Maurinern und infrage gestellt von Aufklärern verschiedener Couleur, verschoben vor allem die Prälatenorden, allen voran die Benediktiner, die Rechtfertigung ihres Daseins von weltabgewandter Frömmigkeit hin zu intellektueller Leistung für die Welt. Die neuere Forschung zu diesem Thema hebt unter Leitbegriffen wie „benediktinische Gelehrtenrepublik“ und „monastische Aufklärung“ eine von Mönchen getragene eigenständige Geisteskultur hervor, die im Humanismus und sogar noch im Mittelalter wurzelt und zugleich wesentliche Ansätze der Aufklärung aufnimmt. Durch die klösterlichen Netzwerke verbreitet sie sich über die höfischen und urbanen Zentren hinaus auch in den ländlichen Regionen Oberdeutschlands. Allenthalben sehen wir „enlightened monks“ am Lese- und Schreibpult, die sich die Ideen der Epoche anverwandeln. Sie sammeln Quellen und verfassen Kloster-, Bistums- und Landesgeschichten, die zu den bedeutenden Werken der Geschichtswissenschaft des 18. Jahrhunderts gehören; ihre Theologie lässt die jesuitische Scholastik hinter sich und wendet sich historisierend den
Kirchenvätern zu; sie bringen die Mathematik voran und konstruieren Maschinen und astronomische Uhren; die Äbte treiben Aufwand für Bibliotheken und Naturalienkabinette. Im Zusammenhang damit ergriff nach der Jahrhunderthälfte ein Geist der Kritik und der „Verdiesseitigung“ viele Benediktiner und verwandelte mancherorts die Konvente fast schon in bürgerliche Gelehrtenzirkel. Das Dilemma des Aufklärungskatholizismus zwischen Freisetzung schöpferischer Kräfte und
Verlust an religiöser Tiefe und konfessionellem Profil wird auch hier sichtbar.
Sie war fromm, sie war tätig und sie war mächtig. Großherzogin Luise von Baden, Prinzessin von Preußen war eine der herausragenden Persönlichkeiten der badischen Landesgeschichte im „langen“ 19. Jahrhundert. Ihre exzeptionelle Bedeutung ist von mehreren Faktoren gefördert worden. Beispielsweise ist ihre preußische Herkunft als Tochter des ersten deutschen Kaiserpaares Augusta und Wilhelm I. von Hohenzollern zu nennen. Mit ihrer Alleinstellung als einzige Kaisertochter, spätere Kaiserschwester und nicht zuletzt als agnatische Tante des letzten Kaisers Wilhelm II., war die familiäre Verbundenheit und Vertrautheit zwischen dem badischen und preußischen Hof gewährleistet. Gerade in den Anfangsjahren ihrer Ehe, nur sieben Jahre nachdem von Luises Vater in Baden die Revolution von 1848/49 blutig niedergeschlagenen worden war, förderte die familiäre Nähe das bilaterale Verhältnis der Herrscherhäuser zueinander. Schließlich war es die Aufgabe der jungen Landesfürstin, andere Töne aus Preußen als die von Kanonen mitzubringen. So verwundert es nicht, dass es Großherzog Friedrich I. von Baden, Schwiegersohn des preußischen Königs, war, der 1871 am Ende des Deutsch-Französischen Krieges im Versailler Schloss den legendären Toast „Es lebe unser Kaiser Wilhelm“ als Konsensformel für die deutsche Kaiserproklamation ausrief.
Der Gemeinderat der Doppelstadt Villingen-Schwenningen entschied am 16. 01. 2016 (bei einigen Gegenstimmen und mehreren Enthaltungen) die Straßen im Baugebiet Friedrichspark gemäß dem Vorschlag des Bauträgers Topbau nach der Familie Großherzog Friedrichs I. von Baden zu benennen. Eine dieser Straßen erhielt den Namen Luise-von-Preußen-Straße nach der Gemahlin Friedrichs. Außerdem errichtet das Villinger Familienheim seit 2021 auf der gegenüberliegenden Straßenseite das LuisenQuartier, das ebenfalls das Andenken an die Großherzogin ehrt. Wer war Prinzessin Luise von Preußen, durch Heirat Großherzogin von Baden, derer noch im 21. Jahrhundert in der Doppelstadt, von der einst nur ein Teil zum Großherzogtum Baden gehörte, gedacht wird?
Im Jahre 1232 teilte sich das Grafenhaus der Habsburger in zwei Linien, die albertinische, später herzoglich-österreichische und zu Macht und Ansehen aufsteigende und die weniger erfolgreiche, die rudolfinische oder Laufenburger Linie. Die unterschiedliche Entwicklung wurde eingeleitet durch die überragende Persönlichkeit des späteren Königs Rudolf I. von der älteren albertinischen Linie, dem es gelang, sich und seinen Nachkommen eine dominierende neue Basis im Südosten und an der Spitze des Reiches zu sichern. Obwohl auch Phasen kontroverser und gegensätzlicher Beziehungen zwischen beiden
Habsburg-Stämmen bestanden, ist ihr Verhältnis lange Zeit durch ein Empfinden der Familieneinheit bestimmt. Dazu muß auch die bisher nicht als solche erkannte Übertragung der Landgrafenfunktion und der Klostervogtei über das Rheininselkloster Rheinau durch König Rudolf an einen Vertreter der Nebenlinie der Grafen von Habsburg-Laufenburg im Jahre 1288 gezählt werden. König Rudolf fällte diese Entscheidung im Zuge seiner Revindikationspolitik zur Wiedergewinnung der im Interregnum dem Reich verloren gegangenen Gebiete und Rechte. Darunter zählt auch die Schaffung neuer Rechtsbezirke, in denen in königlichem Auftrag ein Landgraf die Hochgerichtsbarkeit auszuüben
hat, welche seit dem Verschwinden der alten Gaugrafschaftsverfassung vielfach ungeregelt praktiziert worden war. So ist die Entstehung der seit Ende des 13. Jahrh. in Erscheinung tretenden Landgrafschaften Nellenburg (Hegau), Stühlingen und Klettgau zu erklären. Die in zwei Teile getrennte frühere Baar wurde durch Verzicht des Grafen Hermann von Sulz und
nachfolgender Belehnung des Grafen Heinrich von Fürstenberg mit der ganzen Landgrafschaft durch König Rudolf von Habsburg am 13. Jan. 1283 vereinigt, bzw. neu geschaffen. Dieser Vorgang geschah aufgrund des vorausgehenden
Ehnheimer Reichsspruches vom Dez. 1282, wonach keine Grafschaft geteilt oder veräußert werden durfte.
Glauben malen
(2018)
Die bis heute grundlegende Arbeit zu Johann Pfunner ist Hermann Ginter zu verdanken, der 1926 in seiner Freiburger Dissertation auf das Leben und Werk des Künstlers ausführlich eingeht und ein Werkverzeichnis aufführt. Es folgte im Jahr 1976 eine an der Universität Freiburg eingereichte Magisterarbeit von Irene Streit. Ansonsten gab es in den 70er- bis 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts eine Reihe von Aufsätzen in einschlägigen Zeitschriften wie z.B. in der Vierteljahresschrift „Badische Heimat“ oder dem Jahrbuch „Schau-ins-Land“ des Breisgau-Geschichtsvereins, hauptsächlich von Professor Hermann Brommer und Pfarrer Manfred Hermann verfasst. Insbesondere Brommer hat sich intensiv mit Johann Pfunner
beschäftigt und hätte – wie er selbst sagte – gerne eine zusammenfassende Darstellung über dessen Lebenswerk geschrieben, was ihm jedoch aufgrund seines Alters und Todes nicht mehr vergönnt war. Brommers gesammelte Informationen und Unterlagen bildeten die Basis zu weiteren Nachforschungen über Johann Pfunner. Dennoch sollte es Jahre dauern bis das Gesamtwerk des Künstlers erstmals umfassend ermittelt, fotografiert, beschrieben, chronologisch geordnet und interpretiert werden konnte. Die vorliegende Kurzfassung präsentiert die Ergebnisse in Wort und Bild.
Vor einigen Monaten rief Gustav Löffler bei mir an. Es war ihm zur Kenntnis gekommen, dass ich mich schon seit etwa 1994/95 mit Gertrud Herrmann beschäftigt habe. Ihr Leben bewegt mich bis heute. Ich habe darum mehrfach über sie geschrieben und für meine Arbeiten Einsicht genommen in einschlägigen Archiven. Eigentlich wäre dazu die Genehmigung von Rechtsnachfolgern nötig gewesen. Ich habe zehn Jahre nach solchen gesucht; auch noch weiterhin, als das sogenannte „Lexikon“ bereits erschienen war. Aber irgendwann habe ich meine Suche, die sich bis nach USA erstreckt hatte, doch aufgegeben. Da erhielt ich 2008 überraschend Kontakt zu Gertrud Herrmanns Neffen, Harald Herrmann. Ihn hatte sie zu ihrem Erben eingesetzt, er war ihr Rechtsnachfolger. Zum Glück war er auch im Nachhinein einverstanden mit meinen Recherchen. Es besteht noch immer loser Kontakt mit ihm. – Und letztes Jahr berichtete mir Gustav Löffler, dass die Familien Löffler und Herrmann familiäre Bindungen haben!
Bei der Frage von Pfarrer Markus Wittig, welche Frau im 20. Jahrhundert als eine Reformatorin der Moderne gelten könne, kam mir vor einigen Monaten direkt Gerta Scharffenorth in den Sinn. Was braucht es, um als Reformatorin der Moderne zu
gelten? Der Titel der Vortragsreihe bringt es auf den Punkt: neue Impulse in Kirche und Theologie. Gerta Scharffenorth hat in ihrem langen Leben ihre Erfahrung, ihren Glauben und ihre Theologie miteinander verwoben und dies auf nachhaltig wirksame Weise in der Kirche fruchtbar gemacht. Nicht umsonst wurde sie als erste Frau in den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt. Sie hat die längste Zeit ihres Lebens in Heidelberg gelebt und war dem Theologischen Studienhaus Heidelberg eng verbunden. Auch deswegen, weil das nach ihrer Ankunft in Heidelberg nach dem Ende des Krieges ihre erste Arbeitsstelle war. Wer war diese beherzte und mutige Kirchenfrau des 20. Jahrhunderts, die vor fast auf den Tag genau drei Jahren kurz vor ihrem 103. Geburtstag starb? Lassen Sie mich mit zwei Schlaglichtern beginnen: Als Gerta Scharffenorth ihren 100. Geburtstag mit einem Empfang im Gemeindehaus in Heidelberg-Schlierbach beging, versammelte sich ein bunter Reigen eindrücklicher Gratulantinnen und Gratulanten. Mit Wolfgang Huber und Klaus Engelhardt waren gleich zwei ehemalige Ratsvorsitzende der EKD anwesend. Auf einen bewegenden Gottesdienst folgte eine Reihe von Grußworten – sieben an der Zahl. Jedes ein Zeugnis von den nachhaltigen Spuren, die Gerta Scharffenorth während ihres langen Lebens gelegt hatte. Am Ende dieses Reigens stand die Jubilarin auf und ging selbst ans Mikrofon.
Ohne Manuskript. Mit Klarheit und Charme ging sie auf jedes der Grußworte ein, substantiell, treffend und gewitzt. Am Ende schloss sie nachdenklich, dankbar und schmunzelnd: Jetzt bin ich also 100. Was das bedeutet, kann ich selbst am allerwenigsten fassen. Dass ich einmal so alt würde, hätte ich nie gedacht […]. Das hat mich seinerzeit sehr beeindruckt.
Fürstliches Vorbild?
(2006)
Wer die Rastatter Hofkirche betritt, stößt direkt hinter dem Eingang auf eine in den Fußboden eingelassene Inschrift; sie lautet: „Bettet für die grose Sünderin Augusta MDCCXXXIII“. Diese Worte wurden auf Verlangen der Markgräfin Franziska Sibylla Augusta von Baden (1675-1733) in der Kirche angebracht, in der sie sich bestatten ließ. Immer wieder sind sie Anlass gewesen, über die bemerkenswerte, schillernde und für viele rätselhafte Person der Markgräfin Näheres zu erfahren. Einige Autoren begaben sich angesichts dieser Formulierung auf die Suche nach jenen „großen Sünden“, auf die sie angeblich hinweist. Das Ergebnis waren mehr oder weniger wilde Spekulationen, die in Romanen vor allem des 19. Jahrhunderts nachgelesen werden können. Darin sagte man Sibylla Augusta Lüsternheit und Herrschsucht, amouröse Abenteuer und Machtgier nach und suchte nach Hinweisen auf Intrigen und Missgunst am Rastatter Hof. Diesen Vorwürfen ist mehrfach vehement entgegengetreten worden. Für die folgenden Überlegungen hat dabei ein Argument besondere Bedeutung: Wer die Grabinschrift als Hinweis auf ein durch besondere Sünden oder Verfehlungen belastetes Leben der Markgräfin lese, missverstehe ihre Frömmigkeit und die barocke Religiosität insgesamt. Vielmehr geben diese Worte gerade Zeugnis von einer innigen Gläubigkeit und von ihrem ängstlichen Bemühen, den religiösen und kirchlichen Vorschriften zu genügen.
Für Freiburg (zu) großartig?
(2012)
„Freiburg war durch Franz Philipps Wirken auf dem besten Wege, ein Mittelpunkt höchster Kunst zu werden, eine Pflegestätte der Kirchenmusik [...] wie kaum eine andere Stadt in Deutschland. Eine Entwicklung schien anzuheben, die an den Glanz Salzburgs unter seinen kunstliebenden Erzbischöfen oder an die Zeiten des großen Thomas-Kantors zu Leipzig hätte erinnern können.“ Der Verfasser dieses Leserbriefs, den die „Breisgauer Zeitung“ Ende Juni 1924 abdruckte, nimmt, so scheint es, mit seinem Lob den Mund ziemlich voll: Immerhin vergleicht er Franz Philipp, ohne die Namen zu nennen, mit Mozart und Bach. Ist das nicht ein wenig übertrieben? Vielleicht — aber es ist keineswegs außerwöhnlich, denn Philipp wurde von seinen Zeitgenossen immer wieder in einem Atemzug mit großen Namen der deutschen Musikgeschichte genannt — Brahms, Bruckner, Reger, um nur drei weitere zu nennen. Aber er wurde auch als Gegenentwurf zu modernen Entwicklungen gesehen: Franz Philipp, so heißt es in einer gut zehn Jahre später publizierten Eloge, „erbrachte auch in einer Zeit der herrschenden Atonalität, des Hindemithismus, der Honegger, Bartok usw. den Beweis, dass Tonalität und melodische Charakteristik sich nicht ausschließen.“
In Karlsruhe, der Residenz des Großherzogtums Baden, waren im 19. Jahrhundert zahlreiche bedeutende Druckereien angesiedelt, unter denen die Hasper’sche, was den Fortschritt - nicht die Größe - anbelangt, eindeutig herausragt. Der Druck des ersten badischen Papiergeldes, aller badischen Briefmarken sowie vieler anderer fälschungssicherer Druckerzeugnisse stammen von Wilhelm Hasper. F. Wilhelm Hasper wurde am 31. Juli 1796 in Annaberg in Sachsen geboren, wo bereits sein Vater eine kleine Druckerei betrieb. Er besuchte vier Klassen des dortigen Lyzeums und mußte seinem unbemittelten Vater nach Beendigung der Schulstunden schon ab dem zehnten Lebensjahr bei der Arbeit zur Hand gehen. Seine Lehre trat er
1810 bei dem Buchdrucker C. Tauchnitz in Leipzig an, den Hasper später selbst als „Vater der teutschen Typographie“ bezeichnet.
Friedrich Adler, Professor für ornamentische Gestaltung in Hamburg (1926-33), galt in seiner Zeit bereits als bedeutender Künstler in vielfältigen Arbeitsgebieten des Kunstgewerbes und der Glaskunst. Wenngleich die Mehrzahl seiner Entwürfe und Kunstwerke profaner Art sind, so stellte er, jüdischen Glaubens, doch auch eine große Anzahl sakraler Kunstwerke her, die im privaten Bereich und in Synagogen ihren Platz fanden. Mehrfach griff er das biblische Thema „die 12 Stämme Israels“ in Glasfenstern auf: in der Synagoge von Hamburg, in der Synagoge der „Werkbund-Ausstellung“ in Köln-Deutz (1914) und für die kleine Markenhof-Synagoge in Burg bei Kirchzarten (s. auch vorstehenden Beitrag!), deren Fenster als einzige erhalten sind. Die breite Palette seines Schaffens zeigen Museumsstücke in Karlsruhe, Berlin, Stuttgart, Philadelphia und Chicago. 1994/ 95 wurde eine Ausstellung mit dem Titel: „Friedrich Adler - zwischen Jugendstil und Art Deco“ von Laupheim aus in vielen Städten Deutschlands und in den USA präsentiert. Sie machte die Vielfalt seiner künstlerischen Gestaltungskraft sichtbar. In seinem Geburtsort, dem oberschwäbischen Groß-Laupheim, sind Werke seiner Kunst in einer ständigen Ausstellung zu betrachten.
Franz Xaver Spiegelhalder
(2002)
Am 21. Februar 1900 geboren, wäre er vor 2 Jahren einhundert Jahre alt geworden. Seine Heimatgemeinde Bernau im Schwarzwald veranstaltete aus diesem Anlass eine Spiegelhalder-Ausstellung im Hans-Thoma-Museum vom 10. Dezember 2000 bis 21. Januar 2001. Gezeigt wurden vor allem Bilder aus seiner Breisacher Zeit und den späten Jahren in Bernau, den beiden Schwerpunkten seines malerischen Schaffens. Die Werke befinden sich heute überwiegend im Familien- bzw. sonstigen Privatbesitz, so dass ein Gesamtüberblick über sein Schaffen leider nicht möglich ist. Aus demselben Grund wird der bei der Vernissage geäußerte Wunsch nach einem Werkskatalog kaum zu realisieren sein. Interessant waren auch die als Ergänzung ausgestellten Arbeiten der beiden Zwillingssöhne, Andreas und Markus Spiegelhalder. Beide, die im letzten Jahr 50 Jahre alt wurden, folgen sowohl in der Berufswahl als Lehrer als auch in der künstlerischen Freizeitbeschäftigung den Spuren des
Vaters, in der Malerei besonders auch denen des noch bekannteren Großvaters mütterlicherseits, Alfred Mez.
„Freiburg hat, was alle suchen“. Mit diesem nicht gerade zurückhaltenden Slogan machte die Stadt Freiburg vor einigen Jahren Tourismuswerbung. Ich weiß nicht, ob der Spruch noch offiziell in Gebrauch ist, aber mit seiner Anwendung auf die Freiburger Musikgeschichte gäbe es ohnehin gewisse Schwierigkeiten. Was Freiburg nämlich, anders als von dieser Werbung verheißen, nicht zu bieten hat, sind die ganz bedeutenden Ereignisse oder die ganz großen Namen in seiner Musikgeschichte. Allerdings dürften hiernach wohl auch kaum alle suchen, sondern höchstens ein paar Spezialisten — was die Glaubwürdigkeit des zitierten Werbespruchs zusätzlich in Frage stellt. Daß es in dieser ansonsten in vielerlei Hinsicht sehr begünstigten Stadt an großen Musikerpersönlichkeiten und bedeutenden Ereignissen mangelt, hat die örtliche Geschichtsschreibung schon längst dazu veranlaßt, ihr Augenmerk auf die „sekundären Bedeutsamkeitsmerkmale“ zu richten. Und hier gibt es denn doch manches Interessante zu erzählen. Zum Beispiel, daß Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1837 auf seiner Hochzeitsreise ein paar Tage in Freiburg logierte — in einem Hotel am Münsterplatz, nur ein paar Schritte von hier — und sogar ein bißchen komponiert hat.
Steinbeis – Das ist ein Name, der im Gedächtnis bleibt. Aber wer verbirgt sich hinter der Person, in der die Begriffe „Stein“ und „beißen“ scheinbar aufeinanderprallen? Hinter dem Namensgeber für den weltweiten Steinbeis-Verbund für Wissens- und Technologietransfer und dessen Niederlassung in Villingen? Ferdinand von Steinbeis ließ sich von Widerständen nicht beirren, eckte an, revolutionierte mit seinen Ideen. Er gilt als „Wegbereiter der Wirtschaft“ in Württemberg. Dabei hätte er eigentlich Pfarrer werden sollen.
August 1947: »Es wird beantragt, den Betroffenen in die Gruppe der Hauptschuldigen einzureihen«; Juni 1948: »Der Betroffene ist Belasteter«; Juni 1949: »Der Betroffene ist Minderbelasteter«. Was war das für ein Trümmerfeld, in das
Ferdinand Ostertag 1946 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte: Deutschland, zugrunde gerichtet von ihm
und seinesgleichen. In seiner eigenen Wahrnehmung hatte er alles erdenkliche Gute für dieses Land getan. Das Bild, das er von sich selbst zeichnete, zeigt einen fortschrittlichen, pflichtbewussten, korrekten, fairen, selbstlosen Mann, einen Diener des Gemeinwohls. Und eben Deutschlands. Um das er sich besonders in der Stadt bemühte, in die sein Lebensweg ihn geführt hatte – in Ludwigsburg: als Direktor der Bausparkasse GdF Wüstenrot, als Fraktionsvorsitzender der NSDAP im Gemeinderat, als ehrenamtlicher Bürgermeister.
Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der badischen Geschichte in der Weimarer Republik ist der langjährige Landtagspräsident, Vorsitzende der Badischen Zentrumspartei und badische Kultusminister Eugen Baumgartner. Als Abgeordneter und Landtagspräsident stand er neben Joseph Schofer in den 1920er-Jahren an der Spitze der Badischen Zentrumspartei und führte diese im Rahmen einer Weimarer Koalition mit SPD und DDP auf einem streng republikanischen Kurs. Zugleich hat er sich intensiv in die in der Weimarer Zeit unablässig geführte Diskussion über das Reich-Länder Verhältnis eingeschaltet und ist dabei in zahlreichen Denkschriften und Referaten nachdrücklich für den Erhalt möglichst weitgehender Länderrechte eingetreten. Auf diese Weise wurde Baumgartner zu einem zumindest innerhalb des föderal süddeutsch-katholischen Lagers überaus anerkannten Fachmann in Fragen der Reichsreformdiskussion. Als Kultusminister war er schließlich maßgeblich für das Zustandekommen des Badischen Konkordats vom 12. Oktober 1932 verantwortlich — ein Verdienst, das ihm überaus großes Ansehen innerhalb des katholischen Deutschlands sicherte: Nachdem Baumgartner bereits 1926 zum stellvertretenden Präsidenten des Dortmunder Katholikentages gewählt worden und auch in den folgenden Jahren wiederholt als Redner auf den Generalversammlungen der deutschen Katholiken hervorgetreten war, erfolgte schließlich im Herbst 1932 nur wenige Wochen nach der Paraphierung des Badischen Konkordats die Wahl zum Präsidenten des Deutschen Katholikentages in Essen. Im März 1933 wurde Baumgartner noch von Papst Pius mit dem Ritterkreuz des St.-Gregorius-Ordens ausgezeichnet.
Auch im digitalen Zeitalter liegen sie in Buchhandlungen aus: Werbekataloge, die das Lesepublikum über Neuerscheinungen und das lieferbare Programm eines Verlags informieren. Das Angebot allein sagt bereits viel über das werbende Unternehmen aus, Käuferansprache und Gestaltgebung ergänzen gezielt die Außenwirkung. Der vorliegende Beitrag stellt den ehemaligen Baden-Badener Herbert Stuffer Verlag anhand seines Prospektarchivs vor und zeigt, dass Verlagskataloge mehr als nur eine Produktpalette abbilden.
Eine "Sehstadt"?
(2002)
Bruchsal geht mit seiner Geschichte als bedeutende „Gerichtsstadt" des 19. Jahrhunderts eigentlich recht stiefmütterlich um. In den stadtgeschichtlichen Annalen ist dies nur in Fragmenten vermerkt, die lediglich einzelne Hinweise enthalten. Für das Jahr 1846 ist beispielsweise festgehalten: ,,Verlegung des Hofgerichts von Rastatt nach Bruchsal". In den Beschreibungen der folgenden Jahre sind drei weitere Hinweise vorzufinden: „Am 09. Dezember 1851 trat Josef Viktor
von Scheffel beim Hofgericht Bruchsal als Sekretär ein, wo er bis 09. Mai 1852 tätig war. Hier lernte Scheffel den Kater ,Hiddigeigei' kennen, dessen Besitzer Hofgerichtsrat Preuschen war" (erstens). Unter dem Datum 23. September 1861 ist nachzulesen, dass „das im Kammerflügel des Schlosses untergebrachte Hofgericht den Leipziger Studenten Oskar Becker, der in der Lichtenthaler Allee in Baden-Baden einen Mordversuch auf König Wilhelm von Preußen unternommen hatte, zu
20 Jahren Zuchthaus verurteilte" (zweitens). Schließlich ist unter dem 6. Mai 1864 erwähnt: ,,Verlegung des Hofgerichts nach Karlsruhe." Dies wird durch die Feststellung ergänzt, dass „an seiner Stelle 1871 der neugebildete Verwaltungshof in den Kammerflügel des Schlosses" gekommen sei (drittens). Kein Wort ist darüber aufzufinden, dass in Bruchsal nach der Einverleibung des Fürstbistums Speyer nach Baden im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts das höchste Gericht des Landes residierte und die Barockstadt damals so etwas wie eine „Residenz des Rechts" war.
Ein streitbarer Professor
(2019)
Seit Gründung der Universität Freiburg im Jahr 1457 waren Abertausende von Studenten immatrikuliert, unzählige akademische Lehrer haben regelmäßig ihre Vorlesungen gehalten. Die Beschaulichkeit, die trotz dieser hektischen Betriebsamkeit den Universitätsalltag bestimmte, wurde aber gelegentlich durch unerwartete Zwischenfälle gestört. Augenfälliges Beispiel bietet das Verhalten eines Professors, der sich mit Obrigkeit und Episkopat anlegte, um zürnend an
eine andere Universität zu wechseln. Es geht um Alexander Reichlin von Meldegg (Abb. 1).
„Ich wurde am 3. September 1896 in Gutenstein, jetzt Sigmaringen 4, geboren als Ältester von noch folgenden fünf Geschwistern“, beginnt Alfons Beil im Alter von 93 Jahren den zwei Seiten umfassenden kursorischen Überblick „Mein Lebenslauf“, der dem Manuskript „Aus meinem Leben. Erfahrungen, Zeugnisse und Fragen“ (Mai 1989) vorangestellt ist. Als 29-jähriger Vikar hatte er bereits am 7. April 1926 in Mosbach ein handschriftliches „Curriculum vitae“ mit seinen biografischen
Grunddaten angefertigt, ein Dreivierteljahr nach seinem dortigen Dienstantritt. Seine Unterschrift auf diesem Blatt versah er mit dem Zusatz „jr.“, der fortan in den Personalakten des Öfteren vermerkt ist zur Unterscheidung vom gleichnamigen Vetter, einem Sohn seines Onkels Philipp Jakob Beil.
Ein Führer der Provinz
(2019)
Seinen Aufstieg vollzog Gustav Zirlewagen (Abb. 1), der am 7. April 1900 in Heitersheim geborene Sohn eines Weinhändlers, nach einer bei der Firma Mez in Freiburg absolvierten Kaufmannslehre sowie dem ‚vaterländischen‘ Hilfs- und dem Kriegsdienst schnell und zielstrebig: Neben dem Realgymnasium, das er mit dem Einjährigen abschloss, besuchte er Handelshochschulkurse an der Universität Freiburg. Als Kommissionär schuf er sich ein Startkapital. Interessehalber beschäftigte er sich nebenbei mit dem Feld der Elektrotechnik. Auf der Suche nach einem damit verbundenen Betätigungsfeld stieß er auf eine Zeitungsannonce, nach der ein Teilhaber für die geplante Firmengründung Franka – Frankfurter Akkumulatorenbau AG gesucht wurde. Zweck der 1923 in Frankfurt a. M. gegründeten Firma waren die Herstellung und der Handel mit Akkumulatoren. Aufgrund des Missmanagements der Direktoren waren die flüssigen Geldmittel bald aufgebraucht. Zirlewagen, der die kaufmännischen Aufgaben erledigte, beteiligte sich mit einer von seinem Vater Hugo Zirlewagen gedeckten Bürgschaft in Höhe von 20.000 Goldmark. Nach dem Konkurs ging die Firma 1924 daher im Rahmen eines Zwangsvergleichs an Zirlewagen über. Er verlegte den Firmensitz 1925 nach Heitersheim. Platz für die in Franka – Süddeutsche Akkumulatorenbau AG umbenannte Firma war durch Gelände in Familienbesitz vorhanden. Die Betriebsmittel streckte sein Vater vor. Zirlewagen fing auf dieser Basis klein an und nahm weitere Kredite auf, um die Firma langsam zu entwickeln. Er errichtete neue Gebäude und erwarb Maschinen und Rohstoffe. Eine firmeneigene Schreinerei fertigte Holzkisten zur Umhüllung der Akkumulatoren an, bis hierfür Hartgummikästen Verwendung fanden. Später wandelte sie sich zur Möbel- und Fensterschreinerei. Selbst in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise machte die Franka recht gute Geschäfte. Nachdem diese in geregelten Bahnen liefen, engagierte sich Zirlewagen für die NSDAP.
Der im Schwarzwald geborene Erwin Mülhaupt (1905‒1996) hat von seinen mehr als 90 Lebensjahren, von kurzen vorübergehenden Arbeitsaufträgen vorher und nachher abgesehen, nur zehn Jahre, und zwar von 1933 bis 1943, als Pfarrer in einer Gemeinde verbracht: als Pfarrer des Kirchspiels Haag im Kirchenbezirk Neckargemünd mit den drei Filialen Schönbrunn, Moosbrunn und Allemühl und mit drei Kirchen. Mehr als doppelt so lange, nämlich 21 Jahre, von 1949 bis 1970, war Mülhaupt Professor für Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Es liegen drei verschieden lange autobiographische Texte von ihm vor: ein kurzer von 1949, verfasst zum Dienstantritt in Wuppertal; ein langer von 1975 als Rückblick auf 50 Jahre theologische Existenz; und ein aus Anlass der Diamantenen Hochzeit geschriebener von 1993.
"Heimat zum Anfassen" hat sich der "Arbeitskreis Heimatpflege Nordbaden/Regierungsbezirk Karlsruhe" zur Devise gewählt, als am 25. Juni 1984 in Leimen-St. Ilgen Vertreter mehrerer Vereine und Institutionen der Heimatpflege zusammenkamen, um ihre Arbeit besser zu koordinieren, Erfahrungen auszutauschen und dem allgemeinen Anliegen neue Impulse zu geben. Vorausgegangen waren schon seit 1983 Überlegungen in einem Gesprächskreis beim Regierungspräsidium Karlsruhe, treibende Kraft: Regierungspräsident Dr. Trudpert Müller. Der gebürtige Karlsruher (16.12.1920) musste am Zweiten Weltkrieg in seiner ganzen Länge teilnehmen. Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft entschloss er sich zum Jurastudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, promovierte zum Dr. jur. und begann 1953 seine Beamtenlaufbahn als Referent in
der Innenverwaltung des Landes Baden-Württemberg.
„Meine Liebe zur Geschichte ist ein Erbstück von meinem Vater sel., der in den [18]60er Jahren als Drechslergeselle, um den
Meister zu erhalten, auf die Wanderschaft ging, in Augsburg, München, Darmstadt, Mainz und Heidelberg arbeitete und dann als Sohn eines Erbbauers, auf dessen Hof heute noch die gleichen Ebner sind wie im 30-jährigen Krieg, meine Mutter heiratete, die die einzige Tochter auf der Wirtschaft zum Bierhaus war. Aus der Ehe gingen 10 Kinder hervor, 5 Buben und 5 Mädchen. Mein Vater hat oft erzählt, daß er an seinen Arbeitsplätzen und auf der Walz ein Kolpinger gewesen, viele Vorträge gehört und aus den Bibliotheken Bücher zu lesen geholt habe. Mein Vater galt in Unteralpfen als ein belesener Mann. Auf sein Urteil wurde viel gegeben.
Georg Hänlin wurde 1556 im vorderösterreichischen Bußmannshausen (bei Laupheim, südl. von Ulm) geboren und hat eine erstaunliche Karriere gemacht. 1569 begann er in Freiburg zu studieren, wobei ihm durch die Stiftungen Bär und Neuburger geholfen wurde. 1572 schloß er die Philosophie mit dem Magistergrad ab und begann mit der Theologie. 1574 empfing er die Priesterweihe und setzte sein Studium in Freiburg fort. 1576 bis 1578 krönte er seine Ausbildung durch einen Lehrgang in scholastischer Theologie am Collegium Germanicum-Hungaricum in Rom. Als er zurückkam, nahm er im Sommer 1578 die Stellung eines Kollegiat-Dekans und Predigers im Stift St. Martin in Kolmar an und begann gleichzeitig in Freiburg mit seinem Doktorat. In Freiburg war alles gut katholisch gewesen, von Bußmannshausen und Rom ganz zu schweigen. Kolmar aber war seit Jahrzehnten zwischen Katholiken und Anhängern der neuen evangelischen Lehre zerrissen. Der dortige Magistrat war immer stärker auf deren Seite getreten, hatte z.B. ohne den Bischof zu fragen, in St. Martin zahlreiche Nebenaltäre abbrechen lassen, hatte 1575 den ersten evangelischen Prediger in der Stadt angestellt und im gleichen Jahr jedem Bürger die Wahl der Konfession freigestellt. Die Stimmung war erregt. Ordensleute und Priester gerieten beim Volk immer mehr in den Verdacht der Unzucht.
Die Verweigerung der Moderne
(2002)
Die Beschäftigung mit der Architektur Albert Speers (1905-1981) führt zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung mit seinem Bauen im Dritten Reich. In einer Veröffentlichung der Arbeiten Speers, für die er selbst das Vorwort schrieb, werden seine Arbeiten erst ab 1933, dem Jahr der Machtergreifung Hitlers aufgeführt. Karl Arndts Aussage, daß Speers „Bauaufträge [...] so gut wie ausschließlich mit dem nationalsozialistischen Regime verbunden" seien, ist zu bestätigen. Allerdings wären da nicht wenige Indizien für ein architektonisches Schaffen vor 1933, könnte es den Eindruck erwecken, Albert Speer sei als Chefarchitekt und Handlanger Hitlers wie ein Phönix aus der Asche gestiegen. Um ein differenziertes Bild seiner architektonischen Entwicklung zu erhalten, ist es notwendig den Fokus auf seine frühen Entwürfe, die nicht im nationalsozialistischen Kontext entstanden sind, zu richten. Neben den Entwürfen eines Siedlungshauses (um 1931) und
einer evangelischen Kirche in Berlin-Zehlendorf (vor 1933), beziehen sich zwei der raren Entwürfe aus der frühen Schaffensperiode interessanterweise auf Heidelberg: Es handelt sich um ein Zweifamilienhaus, das er 1929 für seine Schwiegereltern in Heidelberg-Schlierbach realisiert und um den Entwurf eines Gärtnerhauses, das nicht ausgeführt worden ist.
Am 9. Juli 2003 hat der designierte Erzbischof von Freiburg, Dr. Robert Zolltisch in der Villa Reitzenstein, dem Sitz des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg in Stuttgart den in den Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche festgelegten Eid abgelegt. Die Voraussetzungen dazu sind im Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, Artikel 16 gegeben, und lauten: „Bevor die Bischöfe von ihrer Diözese Besitz ergreifen, leisten sie in die Hand des Reichsstatthalters in dem zuständigen Lande bzw. des Reichspräsidenten einen Treueeid“. Die Bischofswahl für die Erzdiözese Freiburg selber ist im Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932 damals mit knappster Mehrheit vom Badischen Landtag verabschiedet geregelt, und wurde am 10. März 1933, wenige Stunden vor der Absetzung der Badischen Staatsregierung durch die Nationalsozialisten nach jahrelangen Verhandlungen und gleichzeitig mit dem Vertrag mit der evangelisch/protestantischen Landeskirche Badens, ratifiziert. Das Ereignis fand wenige Tage nach dem „großen“ Sieg der Nationalsozialisten in der Reichstagswahl vom 5. März 1933 statt, war die letzte Amtshandlung der legalen Badischen Staatsregierung.
Am Sonntag, den 31. Oktober 1909, morgens um 11 Uhr, also am Reformationstag und also fünf Jahre vor Ausbruch des Ersten und 30 Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bot sich in der Heidelberger Peterskirche ein merkwürdiges und zugleich bedrückendes Schauspiel: der akademische Trauergottesdienst für die Theologen Adolf Hausrath († 2. August), Adalbert Merx († 4. August) und Heinrich Bassermann († 29. August). Mit ihnen verabschiedete sich ein erheblicher Teil der prägenden Theologen, die nach der Krise der Fakultät in den 1870er Jahren den liberalen Ruf der Heidelberger Theologie hatten begründen helfen; liberal und fürstlich hochdekoriert, und (insbesondere Hausrath) von einer preußenkritischen zu einer propreußisch-nationalen Option sich durchringend. Vor allem Bassermann und Hausrath gehörten dabei durch Geburt oder Heirat Milieus an, die mit Kriegsbeginn zerbrachen. Die nationalliberale Bindung war das eine, die am Handel orientierte und kosmopolitische Herkunft ein anderes. Man denke nur – jetzt erneut Hausrath als Beispiel genommen
– an die Familienbeziehungen des Theologen zu den Familien Weber oder auch Baumgarten. Nun war Max Weber kein Theologe und der mit ihm verbundene Ernst Troeltsch Theologe nur bis 1915, und der dem gleichen Dunstkreis entsprungene badische Theologe Otto Baumgarten – auch er sprach 1915 vom Krieg als Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Volkes – wirkte in Kiel. Das vielleicht aufreizende „name dropping“ soll ein methodisches Problem spiegeln, nämlich: Auch die im Folgenden zu nennenden Heidelberger Theologen standen als Individuen in weiten und weiteren Kontexten, die keineswegs innerhalb des Vortrags erhellt werden können. Und sie standen in Kontexten, die wohl wirkmächtiger waren als das Biotop Theologische Fakultät.
„So wie die Kirche Heilsanstalt ist, um der Welt, der Schöpfung, das Heil zu bringen, so auch die Pfarrei für ihren Teil. Ja wir können sogar sagen, dass gerade die Pfarrei der Ort ist, an dem die Kirche mit Vorzug auf die Welt trifft, soweit es sich um das Alltagsleben der Menschen handelt, angefangen vom Eintritt des Menschen in die Welt bis zum letzten Hauch, vom Leben in der Familie, der Unterweisung der Kinder bis zur Durchdringung des großen und kleinen Alltags, von Handel und Wandel mit christlichem Geist.“ Diese Aussage steht als pastorale und theologische Herausforderung im Zentrum eines Büchleins des aus dem Erzbistum Freiburg stammenden Jesuiten Constantin Noppel (1883-1945), der sich ausgehend vom zeitgenössisch populären Leib-Christi-Motiv um eine Vermittlung von Theologie und Pastoral und näherhin um eine ekklesiologische Grundlegung der Pfarrei und des kirchlichen Lebens bemühte.
Wer heute das Hauptgebäude des Regierungspräsidiums Karlsruhe am Schlossplatz aufsucht, ist sich meist nicht bewusst, welch' architekturgeschichtlich interessanten Bau er betritt und wer der Baumeister desselben ist. Sein Erbauer ist der spätere badische Baudirektor Heinrich Hübsch (1795-1863), "Der grosse badische Baumeister der Romantik", wie er im Titel des Katalogs zur Jubiläumsausstellung 1983/ 1984 genannt wird. Werfen wir zunächst einen Blick auf Leben und Werk des bedeutenden Architekten, Theoretikers und Bauforschers. Heinrich Hübsch wird 1795 als Sohn eines großherzoglich badischen und fürstlich Thurn- und Taxischen Postmeisters in Weinheim an der Bergstrasse geboren. Dort verbringt er seine Kindheit und erste Schulzeit, ab 1811 besucht er das Gymnasium in Darmstadt. Im Frühjahr 1813 - achtzehnjährig - geht er nach Heidelberg, um für zwei Jahre Mathematik und Philosophie zu studieren. Vielleicht durch den Darmstädter Architekten und Weinbrenner-Schüler Georg Moller, die romantische, der Kunst zugetane Atmosphäre Heidelbergs und die Bekanntschaft mit der berühmten altdeutschen Gemäldesammlung der Gebrüder Boisseree angeregt, wendet er sich 1815 der Architektur zu und bezieht in Karlsruhe die angesehene und bekannte Bauschule Friedrich Weinbrenners, der zu den bedeutendsten Architekten des Klassizismus zählt und damals die Geschicke des badischen Bauwesens lenkt.
Die bleibende Spur
(2002)
Reinhold Schneider zählt zu den großen Literaten des 20. Jahrhunderts. Sein schier unübersehbares Werk ist gefügt aus Novellen, Essays, historiographischen Betrachtungen, Geschichtsdeutungen, Erzählungen, Dramen, einem Roman, religionsphilosophischen Schriften, hagiographischen Lebensbildern, Interpretationen von Dichtungen der Weltliteratur, in
die sich eigene Poesie, zumeist in Form meisterhafter Sonette, einreiht. Bei all dem verschanzte sich Schneider keineswegs in seiner Dichterstube, sondern er erhob seine Stimme im politischen Raum. Während der braunen Diktatur veröffentlichte er das Buch über Las Casas, das von den grausamen Übergriffen der spanischen Eroberer gegen die südamerikanischen Indios berichtet. Viele erkannten da ein verborgenes Gleichnis, das die menschenverachtende Nazidiktatur anprangern wollte. Sein fortgesetzter mutiger Widerstand hat dem Schriftsteller schon bald Verfolgung durch die Gestapo eingetragen. Nach dem Kriege erhob Reinhold Schneider aus christlicher Gewissensnot neuerlichen Protest. Er wandte sich gegen
eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Ein geteiltes Volk, das in der Gefahr des Bruderkrieges stehe, dürfe nimmermehr an Kampf denken. Diesmal sah sich der unbequeme Friedensmahner gar von nahestehenden Menschen
ausgegrenzt, so dass er in wirtschaftliche Bedrängnis geriet. Und in seinem letzten Werk, während eines Aufenthalts in der traditionsreichen Hauptstadt Wien niedergeschrieben, tritt Schneider als denkgewaltiger Gottsucher vor uns.
Der vergessene Philosoph
(2018)
Als vor einiger Zeit das Grab des Ehepaars Husserl auf dem Friedhof in Freiburg-Günterstal in den Blick der Öffentlichkeit geriet, blieb eine nur wenige Meter entfernte andere Grabstätte unerwähnt und wohl auch unbemerkt: Diejenige des Philosophen, Psychologen und Pädagogen Jonas Cohn und seiner Ehefrau Elise. Wie der zehn Jahre früher (1859) geborene Edmund Husserl war Jonas Cohn (Abb. 1) jüdischer Herkunft. Er wuchs in Görlitz auf und studierte in Berlin Botanik. In diesem Fach wurde er auch 1892 promoviert und beschloss, sich zunächst (1892-1894) in der experimentellen Psychologie auszubilden. Ab 1896 studierte er bei Heinrich Rickert in Freiburg. Wilhelm Windelband und Rickert waren die Hauptvertreter der südwestdeutschen (bzw. badischen), werttheoretischen Richtung des Neukantianismus. Mit den „Beiträgen zu der Lehre von den Wertungen” war Cohn 1897 der erste Habilitand Rickerts. Seither lehrte er in Freiburg als Privatdozent. 1901 wurde er nichtbeamteter, außerordentlicher planmäßiger Professor für Philosophie und Psychologie. Im gleichen Jahr erschien als erste größere Veröffentlichung seine „Allgemeine Ästhetik”, aufbauend auf „kritischer Wertwissenschaft”. Cohn nutzt in diesem Werk seine umfassende Kenntnis der Kunst- und Literaturgeschichte. Allerdings muss er einräumen, dass er die Musik weit seltener zu Beispielen herangezogen hat als die übrige Kultur, da er völlig unmusikalisch sei.
Martin Heidegger (1889-1976) studierte in Freiburg im Breisgau als Alumne des erzbischöflichen ,Collegium Borromaeum‘ ab dem Wintersemester 1909/1910 vier Semester katholische Theologie, verließ dann aber das Collegium und wechselte im WS 1911/12 zum Studium der Mathematik, Geschichte und Philosophie. Fünfzig Jahre später ruft der sonst nur spärlich aus seiner Biographie erzählende Philosoph gleich zweimal seinen Dogmatikprofessor Carl Braig (1853-1923) in Erinnerung. Dem Theologen Eugen Biser empfiehlt er etwa zur selben Zeit: „Lesen Sie Braig!“ Im letzten Jahr seiner Freiburger Gymnasialzeit stieß Heidegger auf Braigs Lehrbuch „ Vom Sein. Abriß der Ontologie“ (Freiburg 1896), im Wintersemester 1910/1911 hörte er erstmals eine dogmatische Vorlesung bei Braig. Von ihm ging, sagt der alte Heidegger, „die entscheidende und darum in Worten nicht faßbare Bestimmung für die spätere eigene akademische Lehrtätigkeit“ aus. Jede Vorlesungsstunde Braigs wirkte die langen Semesterferien hindurch auf Heidegger, die er „stets und ununterbrochen bei der Arbeit im Elternhaus (s)einer Heimatstadt Meßkirch verbrachte.“
Am 10. April 1943 übersandte der Psychiater Gustav Ehrismann dem Oberstaatsanwalt beim Landgericht Mannheim, der eine Anklage gegen den Sinto Friedrich Spindler vor dem Sondergericht Mannheim vertrat, ein amtsärztliches Gutachten. Dieses wurde dem Urteil des Sondergerichtes zu Grunde gelegt und sollte noch weitere Folgen haben. Es stellt die einzige Verbindung
zwischen Spindler und Ehrismann dar und dient als Scharnier, um die Biografien der beiden zu rekonstruieren. Exemplarisch werden damit Einblicke in Lebensverhältnisse, Verstrickungen und gesellschaftliche Bedingungen im nationalsozialistischen Herrschaftssystem möglich.
1923: im Ruhrgebiet herrscht Elend. Der Bischof von Münster, Johannes Poggenburg, schreibt im kirchlichen Amtsblatt von Münster vom 21. 2. 1923: „Die Not im besetzten Gebiete erheischt von neuem und besonders dringlich die Unterbringung unterernährter Kinder in ländlichen Familien. Die übermäßige Steigerung der Lebensmittelpreise, die wachsenden Schwierigkeiten der Zufuhr, vor allem der große Mangel an Milch gefährden Gesundheit und Leben vieler Kinder. Die Unterernährung nimmt in erschreckendem Masse zu. In einer Stadt des neu besetzten Gebietes ist ermittelt worden, dass 35% der Schulkinder unterernährt sind ( ... ) [Daher] richte ich an die ländliche Gemeinden die dringende väterliche Mahnung und Bitte, mit erneuter Bereitwilligkeit unterernährte Kinder bei sich aufzunehmen.“ In der gleichen Ausgabe wird gemeldet: „Im Jahre 1922 [sind] einige tausend Kinder aus Stadt und Industrie in den ländlichen Gemeinden des Bistums untergebracht worden.“ Gleichartige Berichte und bischöfliche Aufrufe findet man in diesen Jahren in den Amtsblättern der Bistümer Paderborn und Köln. In 1922 hört Kaplan Josef Merk - ein junger, lungenkranker Priester, der als Hausgeistlicher im Krankenhaus zu St. Blasien arbeitet - zum ersten Mal durch seine Kontakte mit den Kranken von Rhein und Ruhr von dem großen Elend und der Kindernot im Ruhrgebiet und wird nach Horst-Emscher (bei Gelsenkirchen) eingeladen.
Kleine Landgemeinden hoben in der Vergangenheit nur sehr selten einzelne Persönlichkeiten durch Ehrungen hervor, zu eng war man im Leben miteinander verbunden und kannte gemeinhin persönliche Stärken wie auch die vielfältigen menschlichen Schwächen. Das trifft auch auf Liggeringen zu, eine bis weit ins 20. Jahrhundert rein agrarisch geprägte Gemeinde - am Bodensee gelegen zwischen Radolfzell und Bodman auf dem höchsten Punkt der bis Konstanz reichenden Landzunge namens Bodanrück. Es war daher kein gewöhnlicher Anlass, als am 19. Januar 2013 - dem 100. Todestag des einzigen Ehrenbürgers - des langjährigen „Pastor rusticus“ Georg Braun (1835-1913) gedacht wurde. Zum einen zelebrierte der emeritierte Weihbischof Paul Wehrle, seit Dezember 2012 neuer „Pfarrherr“ in Liggeringen, zusammen mit dem Leiter der Seelsorgeeinheit St. Radolt, Pfarrer Michael Hauser, sowie dem Subsidiar Pfarrer Karl Hermanns einen festlichen Gedenkgottesdienst in der von Georg Braun 1905 erweiterten und grundlegend umgestalteten Kirche St. Georg. Zum anderen erinnerte anschließend die politische Gemeinde mit einem Vortrag des stellvertretenden Ortsvorstehers Jürgen Klöckler an den ehemaligen Seelsorger, zu dessen ehrendem Gedenken in den frühen 1970er-Jahren auch eine parallel zu Pfarrhaus und Pfarrgarten verlaufende Straße benannt worden war („Pfarrer-Braun-Straße“). Der Zeitpunkt der Straßenbenennung ist Ausweis dafür, dass Georg Braun rund 60 Jahre nach seinem Tod im kollektiven Gedächtnis der Gemeinde präsent war.
Der Bestand D. Hermann Maas hat einen Umfang von 1,90 lfd. Metern und eine Laufzeit von 1861 bis 2011 mit 210 Verzeichnungseinheiten. Er setzt sich wie folgt zusammen: 1. Aus dem eigentlichen Nachlass in Gestalt von Handakten und Originaldokumenten, einer umfangreichen Sammlung von Gegenständen, von denen sich einige als
Ausstellungsexponate zurzeit im Adolf-Schmitthenner-Haus in Heidelberg befiden und einer umfangreichen Bibliothek, die in der Landeskirchlichen Bibliothek in Karlsruhe untergebracht ist. 2. Ferner zählt zum Bestand das Archiv der Hermann-Maas-Stiftung mit Studienzentrum und Gedenkstätte sowie 3. die Sammlung von Unterlagen von Schuldekan i. R. Albrecht Lohrbächer, welche am 18. November 2010 dem Landeskirchlichen Archiv übergeben worden ist und
einen Umfang von ca. 0,30 lfd. Metern hat. 4. Am 30. April 2014 folgte der Zugang der Verwaltung der Hermann-Maas-Stiftung vom Evangelischen Dekanat Heidelberg. Auf Initiative von Walter E. Norton (London) wurde im Jahr 1988 zum Gedenken an Prälat D. Hermann Maas die Hermann-Maas-Stiftung ins Leben gerufen und ein „Archiv“ angelegt, das wesentlich von Pfarrer i. R. Werner Keller aufgebaut und betreut worden ist und in den Räumen des Adolf-Schmitthenner-Hauses in Heidelberg untergebracht war. Während den Renovierungsarbeiten wurde das Archiv in das Hermann-Maas-Haus nach Heidelberg-Kirchheim ausgelagert.
Als Sproß einer bedeutenden Familie Offenburger Demokraten ursprünglich römisch-katholischen, dann altkatholischen
Glaubens wurde Oskar Geck am 8. August 1867 in Offenburg geboren. Sein Onkel, der Verleger Adolf Geck (1854-1942), ein Freund August Bebels, wandte sich unter dem von 1878 bis 1890 geltenden Sozialistengesetz der Sozialdemokratie zu und fungierte seit dessen Auslaufen als erster Landesvorsitzender seiner Partei in Baden, die er später auch im badischen
Landtag und im Reichstag vertrat. Oskar Geck selbst trat nach dem Studium der Volkswirtschaft und der Staatswissenschaften in Freiburg, Zürich, Straßburg und Heidelberg im Jahre 1901 in die Redaktion der Tageszeitung „Volksstimme“ ein, die 1890 als Organ der Mannheimer Sozialdemokratie gegründet worden war. Er galt als begabter und politisch maßvoller Journalist in einer Stadt die ein blühendes Zeitungswesen aufwies, und entwickelte die „Volksstimme“ zu einem auch außerhalb der Partei angesehenen Organ.