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Fürstliches Vorbild?
(2006)
Wer die Rastatter Hofkirche betritt, stößt direkt hinter dem Eingang auf eine in den Fußboden eingelassene Inschrift; sie lautet: „Bettet für die grose Sünderin Augusta MDCCXXXIII“. Diese Worte wurden auf Verlangen der Markgräfin Franziska Sibylla Augusta von Baden (1675-1733) in der Kirche angebracht, in der sie sich bestatten ließ. Immer wieder sind sie Anlass gewesen, über die bemerkenswerte, schillernde und für viele rätselhafte Person der Markgräfin Näheres zu erfahren. Einige Autoren begaben sich angesichts dieser Formulierung auf die Suche nach jenen „großen Sünden“, auf die sie angeblich hinweist. Das Ergebnis waren mehr oder weniger wilde Spekulationen, die in Romanen vor allem des 19. Jahrhunderts nachgelesen werden können. Darin sagte man Sibylla Augusta Lüsternheit und Herrschsucht, amouröse Abenteuer und Machtgier nach und suchte nach Hinweisen auf Intrigen und Missgunst am Rastatter Hof. Diesen Vorwürfen ist mehrfach vehement entgegengetreten worden. Für die folgenden Überlegungen hat dabei ein Argument besondere Bedeutung: Wer die Grabinschrift als Hinweis auf ein durch besondere Sünden oder Verfehlungen belastetes Leben der Markgräfin lese, missverstehe ihre Frömmigkeit und die barocke Religiosität insgesamt. Vielmehr geben diese Worte gerade Zeugnis von einer innigen Gläubigkeit und von ihrem ängstlichen Bemühen, den religiösen und kirchlichen Vorschriften zu genügen.
Mitten während des Deutschen Krieges 1866 (früher: Preußisch-Deutscher Krieg genannt) hatten die Logenbrüder aus Lahr, Gengenbach, Zell am Harmersbach, Kehl, Offenburg und Kippenheim, welche mehrheitlich der Freimaurerloge „Zur Edlen Aussicht“ in Freiburg im Breisgau angehörten, beschlossen, in Offenburg ein freimaurerisches Kränzchen „Zur offenen Burg“ zu gründen. Das Kränzchen wollte sich unter den Schutz der Freiburger Brüder stellen, die „Edle Aussicht“ nahm die Funktion der „Mutterloge“ gerne an. Die Einsetzung des Kränzchens fand am 29. Juli 1866 durch die Ritualbeamten der „Edlen Aussicht“ statt, Vorsitzender wurde der Lahrer Fabrikant Christian Siefert, Schriftführer Max Scheid, Apotheker in Kippenheim. Bei der Einweihungs-Festarbeit sprach als Redner Gustav Ree zum Thema „Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei“. Gustav Ree bekleidete damals das Amt des „Deputierten Meisters“ der „Edlen Aussicht“ in Freiburg. Sein Stiefbruder Alexander Adam sollte später bei der Weihe der Lahrer Loge „Allvater zum freien Gedanken“ die Festrede halten, mit dem Thema „Hier ist gut sein, hier lasst uns Hütten bauen“.
Der nachfolgende Text basiert auf den Ergebnissen eines Seminars, das im Wintersemester 2017/18 im Fach Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg durchgeführt wurde und das sich inhaltlich mit der Studienzeit von Ludwig Marum, in seinen Studienjahren in Heidelberg Mitglied der jüdischen Studentenverbindung Badenia, beschäftigte. Grundlage waren unveröffentlichte Akten des Universitätsarchivs Heidelberg, Ziel eine öffentliche Präsentation zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, an dem die in der PH gezeigte Ausstellung zum Lebensweg Marums „warum marum“ eröffnet wurde. Ein Besuch im Universitätsarchiv mit einer Einführung in die Bestände und die Archivarbeit sowie die Besichtigung des Studentenkarzers waren Teil des Seminars. Die Transkription der Quellen, ihre quellenkritische Auswertung und die historische Einordnung erfolgten in gemeinsamer Arbeit und in ausführlichen Diskussionen durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars. Diese Diskussionen, die Texte der Präsentation vom 29. Januar 2018 und die Überlegungen in den Hausarbeiten, die Studierende zu thematischen Einzelaspekten verfertigten, flossen in die nachfolgende Darstellung ein. Einzelne
Aspekte wurden durch die Seminarleiterin vertieft.
In Freiburg verstarb Richard Gäng im Jahre 1983, in seiner Heimatgemeinde Immeneich, die ihn bereits 1964 mit der Ehrenbürgerwürde auszeichnete, erinnern eine Gedenktafel auf dem Friedhof und eine Tafel an seinem Geburtshaus an den Dichter und Schriftsteller. Zum 100. Geburtstag veranstaltete die Stadt St. Blasien, zu der Immeneich heute gehört, einen Richard-Gäng-Abend. Nach der heimatlichen Dorfschule besuchte Richard Gäng das Gymnasium Waldshut und dann das Rotteck-Gymnasium in Freiburg. Schwer verletzt kam er aus dem 1. Weltkrieg zurück, studierte dann am Lehrerseminar in
Ettlingen und an den Universitäten Freiburg, Berlin und Heidelberg.
Adlige, Begine, Bettlerin
(2013)
Die Verehrung der Heiligen verweist den gläubigen Menschen auf Alternativen zum alltäglichen Leben und macht deren Lebensform als Weg zum Heil konkret, also wahrnehmbar. Ein solches Leitbild verkörperte Elisabeth von Thüringen seit ihrem frühen Tod 1231. Schon wenige Monate, nachdem die junge Landgräfin in der Nacht vom 16. zum 17. November 1231 gestorben war, bemühte sich ihr Beichtvater Konrad von Marburg darum, die singuläre Stellung seiner ihm anvertrauten Beichttochter durch ein offizielles Heiligsprechungsverfahren zum Ausdruck zu bringen. Er entwarf einen kurzen Lebensabriss Elisabeths und schickte ihn an die Kurie, zusammen mit Aufzeichnungen von Wunderberichten, die nach Zeugenverhören notiert wurden. Dieses Beweismaterial wurde in mehreren Schritten noch ergänzt, zumal man an der Kurie einem vorbildhaften Lebenswandel mehr Aufmerksamkeit schenkte als Wundern. Deshalb erhielten die Aussagen von vier Dienerinnen Elisabeths, die sie zum Teil seit ihrer Kindheit begleitet hatten, einen besonderen Stellenwert. „Unter Eid“ berichteten sie ausführlich über Begebenheiten aus dem Leben ihrer Herrin. Alle späteren Lebensbeschreibungen Elisabeths beziehen sich auf diese Befragung der Dienerinnen im Rahmen des Kanonisationsverfahrens.
Der vergessene Philosoph
(2018)
Als vor einiger Zeit das Grab des Ehepaars Husserl auf dem Friedhof in Freiburg-Günterstal in den Blick der Öffentlichkeit geriet, blieb eine nur wenige Meter entfernte andere Grabstätte unerwähnt und wohl auch unbemerkt: Diejenige des Philosophen, Psychologen und Pädagogen Jonas Cohn und seiner Ehefrau Elise. Wie der zehn Jahre früher (1859) geborene Edmund Husserl war Jonas Cohn (Abb. 1) jüdischer Herkunft. Er wuchs in Görlitz auf und studierte in Berlin Botanik. In diesem Fach wurde er auch 1892 promoviert und beschloss, sich zunächst (1892-1894) in der experimentellen Psychologie auszubilden. Ab 1896 studierte er bei Heinrich Rickert in Freiburg. Wilhelm Windelband und Rickert waren die Hauptvertreter der südwestdeutschen (bzw. badischen), werttheoretischen Richtung des Neukantianismus. Mit den „Beiträgen zu der Lehre von den Wertungen” war Cohn 1897 der erste Habilitand Rickerts. Seither lehrte er in Freiburg als Privatdozent. 1901 wurde er nichtbeamteter, außerordentlicher planmäßiger Professor für Philosophie und Psychologie. Im gleichen Jahr erschien als erste größere Veröffentlichung seine „Allgemeine Ästhetik”, aufbauend auf „kritischer Wertwissenschaft”. Cohn nutzt in diesem Werk seine umfassende Kenntnis der Kunst- und Literaturgeschichte. Allerdings muss er einräumen, dass er die Musik weit seltener zu Beispielen herangezogen hat als die übrige Kultur, da er völlig unmusikalisch sei.
Im Jahre 1232 teilte sich das Grafenhaus der Habsburger in zwei Linien, die albertinische, später herzoglich-österreichische und zu Macht und Ansehen aufsteigende und die weniger erfolgreiche, die rudolfinische oder Laufenburger Linie. Die unterschiedliche Entwicklung wurde eingeleitet durch die überragende Persönlichkeit des späteren Königs Rudolf I. von der älteren albertinischen Linie, dem es gelang, sich und seinen Nachkommen eine dominierende neue Basis im Südosten und an der Spitze des Reiches zu sichern. Obwohl auch Phasen kontroverser und gegensätzlicher Beziehungen zwischen beiden
Habsburg-Stämmen bestanden, ist ihr Verhältnis lange Zeit durch ein Empfinden der Familieneinheit bestimmt. Dazu muß auch die bisher nicht als solche erkannte Übertragung der Landgrafenfunktion und der Klostervogtei über das Rheininselkloster Rheinau durch König Rudolf an einen Vertreter der Nebenlinie der Grafen von Habsburg-Laufenburg im Jahre 1288 gezählt werden. König Rudolf fällte diese Entscheidung im Zuge seiner Revindikationspolitik zur Wiedergewinnung der im Interregnum dem Reich verloren gegangenen Gebiete und Rechte. Darunter zählt auch die Schaffung neuer Rechtsbezirke, in denen in königlichem Auftrag ein Landgraf die Hochgerichtsbarkeit auszuüben
hat, welche seit dem Verschwinden der alten Gaugrafschaftsverfassung vielfach ungeregelt praktiziert worden war. So ist die Entstehung der seit Ende des 13. Jahrh. in Erscheinung tretenden Landgrafschaften Nellenburg (Hegau), Stühlingen und Klettgau zu erklären. Die in zwei Teile getrennte frühere Baar wurde durch Verzicht des Grafen Hermann von Sulz und
nachfolgender Belehnung des Grafen Heinrich von Fürstenberg mit der ganzen Landgrafschaft durch König Rudolf von Habsburg am 13. Jan. 1283 vereinigt, bzw. neu geschaffen. Dieser Vorgang geschah aufgrund des vorausgehenden
Ehnheimer Reichsspruches vom Dez. 1282, wonach keine Grafschaft geteilt oder veräußert werden durfte.
Unter den nicht sehr zahlreichen bedeutenden Persönlichkeiten in der Geschichte des Schwarzwaldortes Lenzkirch hat allein ein einziger die Ehre einer eigenen Straßenbenennung erhalten: der fürstlich fürstenbergische Jäger Kolumban Kaiser, dessen Verdienst sich auf die Tat eines einzigen Tages konzentrierte. Am 4. April 1799 stellte er sich im 2. Koalitionskrieg aus eigenem Entschluß und Antrieb den österreichischen Soldaten als wegekundiger Führer zur Verfügung, welche gegen die am
südlichen Hochfirsthang bei Lenzkirch und Kappel lagernden französischen Truppen vorgingen. Er nahm auch an den sich dabei entwickelnden Kämpfen in österreichischer Soldatenmontur teil und führte schließlich eine aus 4 Offizieren und 135 Mann bestehende Infanterieabteilung der Österreicher ohne Verluste aus der entstandenen französischen Einschließung heraus und wieder vor die Front der Franzosen.
Dieser Beitrag befasst sich mit der Person Richard Kuenzers, eines eher weniger bekannten Beteiligten des aktiven Widerstands gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime. Ausgewertet wurde dabei seine umfangreiche Privatkorrespondenz aus den Jahren 1888 bis 1945, die die Familie dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat. Beim Lesen dieses schriftlichen Nachlasses ist ein Bild entstanden, das seine herausragende Persönlichkeit verdeutlicht. Nach einem unter verschiedenen thematischen Gesichtspunkten gewährten Einblick in die Briefe Kuenzers insbesondere aus der Haftzeit wird allgemein der Frage nachgegangen, wie der Widerstand gegen das NS-Regime aus christlicher Überzeugung zu verstehen ist, wie er sich in die Gesamtbetrachtung über den Widerstand einordnet, welche Beweggründe die Betreffenden zu ihrem Handeln motiviert haben, ja auch, welche Rolle das Verhalten dieser christlichen Männer und Frauen für die Beurteilung der Rolle der Kirche in der Zeit des NS spielt. Im Anschluss hieran soll in einem weiteren Abschnitt der christliche Widerstand unter juristischen Gesichtspunkten vertiefend betrachtet werden. Dabei wird der Anklageschrift gegen Richard Kuenzer in dem Verfahren vor dem Volksgerichtshof besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Für die Darstellung der Biographie von Wilhelm Holzwarth kann nicht nur auf die überlieferte Spruchkammerakte zurückgegriffen werden, sondern auch auf persönliche Dokumente, die sowohl das Privatleben als auch die Parteifunktionen
widerspiegeln. Diese Dokumente gelangten bei Kriegsende im Zuge einer Hausdurchsuchung vor der Verhaftung von Wilhelm Holzwarth am 8. September 1945 an die amerikanische Besatzungsmacht und wurden später an die zuständige Spruchkammer Ludwigsburg übergeben. Nach der Aufösung der Spruchkammer wurden die Unterlagen dem Staatsarchiv Ludwigsburg
abgeliefert und stehen dort heute der Forschung zur Verfügung. Wilhelm Holzwarth wurde am 27. März 1889 in Oberderdingen geboren, wuchs dort unter »kleinbäuerlichen Verhältnissen« auf und besuchte die Volksschule. Das eigene Elternhaus beschrieb er als »pflichtgetreu« und »vaterländisch gesinnt«.
Am 26. April 1823 immatrikulierten sich zwei Schleswiger Studenten an der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität. Die Brüder Ernst (1802–1826) und Bernhard Wieck (1803–1824) aus dem unter dänischer Krone stehenden Herzogtum Schleswig hatten zuvor bereits drei Semester an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel studiert. Sie waren Söhne des Schleswiger Großkaufmanns und Senators Bernhard Wieck (1772–1851) und seiner Ehefrau Elise Wieck geb. Westphal (1772–1840), die Familie wohnte im Stadtteil Friedrichsberg und hatte eine elfköpfige Kinderschar.
Georg Hänlin wurde 1556 im vorderösterreichischen Bußmannshausen (bei Laupheim, südl. von Ulm) geboren und hat eine erstaunliche Karriere gemacht. 1569 begann er in Freiburg zu studieren, wobei ihm durch die Stiftungen Bär und Neuburger geholfen wurde. 1572 schloß er die Philosophie mit dem Magistergrad ab und begann mit der Theologie. 1574 empfing er die Priesterweihe und setzte sein Studium in Freiburg fort. 1576 bis 1578 krönte er seine Ausbildung durch einen Lehrgang in scholastischer Theologie am Collegium Germanicum-Hungaricum in Rom. Als er zurückkam, nahm er im Sommer 1578 die Stellung eines Kollegiat-Dekans und Predigers im Stift St. Martin in Kolmar an und begann gleichzeitig in Freiburg mit seinem Doktorat. In Freiburg war alles gut katholisch gewesen, von Bußmannshausen und Rom ganz zu schweigen. Kolmar aber war seit Jahrzehnten zwischen Katholiken und Anhängern der neuen evangelischen Lehre zerrissen. Der dortige Magistrat war immer stärker auf deren Seite getreten, hatte z.B. ohne den Bischof zu fragen, in St. Martin zahlreiche Nebenaltäre abbrechen lassen, hatte 1575 den ersten evangelischen Prediger in der Stadt angestellt und im gleichen Jahr jedem Bürger die Wahl der Konfession freigestellt. Die Stimmung war erregt. Ordensleute und Priester gerieten beim Volk immer mehr in den Verdacht der Unzucht.
Am 7. Mai 1518 schreibt Johannes Reuchlin einen Brief an Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen. Der Kurfürst hatte den 63jährigen Humanisten um Rat gebeten: Er wolle an seiner Landesuniversität in Wittenberg je einen Lehrstuhl für die
Hebräische und die Griechische Sprache schaffen – wen könne Reuchlin empfehlen? Reuchlin antwortet ausführlich – unter anderem Folgendes: Der anndern sprach halb, griechesch genannt, hab ich mich unnderfangen zuo volbrinngen uewer sonnderes getruwen, das ir gnediglich zuo mir haben, unnd bin inn willen, minen gesippten fruent, den ich vonn siner jugent uff soellich sprach unnderwisen unnd gelert hab, ann das ort zuo schicken […] maister Philipps Schwartzerd von Bretten, […] den ich doch der hohenschuol Inngollstatt versagt hab, dann er ist zuo Tuewingen eerlich unnd wol, ouch sines sollds halb nutzlich gehallten unnd fuersenhen, unnd hat daselbst ain erber ußkommen. Die Rede ist von dem Mann, den wir als Philipp Melanchthon kennen – hier begegnet er als Schützling Reuchlins, der versucht, ihn Friedrich dem Weisen unter Berufung
auf drei Gesichtspunkte schmackhaft zu machen: 1. Er selbst, Reuchlin, habe Melanchthon als Kind unter seine Fittiche genommen. 2. Melanchthon ist begehrt: Es gibt schon anderweitige Versuche, ihn zu berufen, sowie 3. in Tübingen weiß man Melanchthons Talente durch eine entsprechend dotierte Stelle zu würdigen. Von einem vor 1518 liegenden Versuch, Melanchthon nach Ingolstadt zu holen, haben wir keine Kenntnis – dafür aber von den anderen beiden Faktoren, die Reuchlin nennt: Die ersten Kontakte zwischen den beiden in Melanchthons Kindheit und Melanchthons Jahre in Tübingen. Beide Berührungspunkte zwischen dem Praeceptor Germaniae und dem Praeceptor seiner Jugend sollen im Folgenden etwas näher dargestellt werden. So wird hoffentlich deutlich werden, warum und in welcher Weise man ihr Verhältnis in der Tat unter die Überschrift der „Begabtenförderung im 16. Jahrhundert“ stellen kann.
Die Geschichte der Kunstmühle in Seelbach, Teil 2, Die Gründung des Elektrizitätswerks Seelbach
(2021)
Im Jahrbuch 62 wurde in Teil I die Geschichte der Kunstmühle in Seelbach beschrieben, wie sie sich bis zum Tode des letzten Müllers der Kunstmühle im Jahre 1900 darstellte. Carl Franz Joseph Bertinet kam in der Nacht zum 5. Dezember 1900 tragisch ums Leben. In einem Zeitungsartikel vom 5. Dezember 1900 wurde berichtet, dass um ½ 6 Uhr im Dinglinger Bahnhofe außerhalb des für die Reisenden bestimmten Bahnsteiges auf dem Geleise Herr Müller B. aus Seelbach tot aufgefunden wurde. Carl Franz Joseph Bertinet hatte das Anwesen, die ehemalige herrschaftliche Obere Mühle in Seelbach, im Jahre 1887 gekauft. Unmittelbar nach dem Kauf stellte er den Antrag auf Abbruch, um ein neues Wohn- und Mühlgebäude sowie ein Ökonomiegebäude mit Wasch- und Backhaus zu errichten. Bereits 1892 wurde die Mühle in Betrieb genommen, im Januar 1893 brannte das Mühlengebäude jedoch vollständig nieder. Die Ursache könnte wegen Hochwasser in der rascheren Bewegung der Fruchtputzmaschine gelegen haben. Eine andere Entstehungsursache könnte auch die Selbstentzündung der Champagner-Gänge (Mahlsteine aus der Champagne) gewesen sein, die laut einem Gutachter „bei Leerlauf gerne Feuer geben“.
Im 17. und 18. Jahrhundert beherrschte südlich von Seelbach das Schloss Dautenstein das Bild des Schuttertals. Der letzte Geroldsecker Graf Jakob kaufte 1584 das Anwesen für 4.000 Gulden. Er ließ das alte Wasserhaus abbrechen, welches während der Bauernkriege im 16. Jahrhundert zerstört wurde, und errichtete Ende des 16. Jahrhunderts einen stattlichen Neubau im Geschmack der Zeit. Nach den Worten seiner Tochter Anna-Maria war es ein „ansehlich Vnd cöstlich gebeuw, so Zue einer fürstlichen residenz genugsam gewesen“.
Manfred Marquardt
(2002)
Manfred Marquardt wurde am 25.12.1927 in Lörrach in eine Handwerkerfamilie (Tapeziermeister) geboren, besuchte dort von 1934-39 die Hebelschule und anschließend bis 1948 das Hans-Thoma-Gymnasium, unterbrochen durch Arbeitsdienst in Böhmen und Kriegsdienst in der Wehrmacht. Nach dem Abitur studierte er ein Semester an der Universität Freiburg „Philosophie des Geistes" bei Prof. H. Müller, ,,Vom Wesen der Erziehung" bei Prof. Fink und „Psychologie der menschlichen
Beziehung" bei Prof. Bender. In einem diskussionsfreudigen Künstler- und Lehrerkreis mit dem Dichtermaler Paul Hübner, dem Keramiker Hermann Messerschmidt, mit Walter Eichin, Heinz Baumgartner und Ulf Schünemann wurde, geprägt durch die Erfahrungen in der Nazizeit, ein neues, optimistisches Menschenbild entworfen, die Entwicklung der modernen Malerei und Musik der Welt außerhalb Deutschlands nachgeholt. Dem Jazz blieb Manfred Marquardt enthusiastisch verbunden bis ans Lebensende. Von 1949-51 studierte er an der Pädagogischen Akademie in Lörrach mit dem Abschluss für das Lehramt an Volksschulen. Seine erste Stelle war in Marzell, im oberen Kandertal, von wo aus er auch die Söhne des Wirts auf dem Hochblauen (1167 m) unterrichtete, im Winter nach anstrengender Tour auf Skiern.
An dieser Stelle wird ein kurzer Abriss über den Stand der Geschichte der Weichtierkunde im deutschsprachigen Raum und
speziell in Baden vorgelegt. Es folgt eine Beschreibung der verschiedenen Rechercheansätze zur Aufklärung des Lebenslaufes des badischen Malakozoologen Hermann Seibert. Sein Lebenslauf und sein wissenschaftliches Werk werden dokumentiert. Anhand von Überresten wird der Umfang seiner Sammlung erörtert.
Der Gemeinderat der Doppelstadt Villingen-Schwenningen entschied am 16. 01. 2016 (bei einigen Gegenstimmen und mehreren Enthaltungen) die Straßen im Baugebiet Friedrichspark gemäß dem Vorschlag des Bauträgers Topbau nach der Familie Großherzog Friedrichs I. von Baden zu benennen. Eine dieser Straßen erhielt den Namen Luise-von-Preußen-Straße nach der Gemahlin Friedrichs. Außerdem errichtet das Villinger Familienheim seit 2021 auf der gegenüberliegenden Straßenseite das LuisenQuartier, das ebenfalls das Andenken an die Großherzogin ehrt. Wer war Prinzessin Luise von Preußen, durch Heirat Großherzogin von Baden, derer noch im 21. Jahrhundert in der Doppelstadt, von der einst nur ein Teil zum Großherzogtum Baden gehörte, gedacht wird?
Am 21. Dezember 1899, wenige Tage vor dem zu Ende gehenden Jahrhundert, wurde in Lahr dem Ehepaar Anton und Olga von Stockhausen die Tochter Juliana geboren. Der Vater, Anton von Stockhausen entstammte einem westfälischen Adelsgeschlecht aus Münster, die Mutter Olga, der Rüdt von Collenberg aus dem Odenwald, einem bereits im 12. Jahrhundert am Main ansässigen Adelsgeschlecht, von dem ein Vorfahre, Eberhard III., genannt der Dicke, 1380 das Schloß Eberstadt im Odenwald errichtete. Anton von Stockhausen wurde im Jahr 1898 als Hauptmann zum Infanterieregiment 169 nach Lahr versetzt. Juliana von Stockhausen hat einen Teil ihrer Kindheit in Lahr verbracht. Es war für sie eine schöne Zeit in Lahr. Sie schildert dies eindrücklich in ihrem 1977 erschienenen Buch „Auf Immerwiedersehen“. Besonders erwähnt sie das Haus am Fuße des Schutterlindenbergs, es war eine zweistöckige geräumige Villa mit einem Mansardendach, einem weit ausgedehnten Garten über den Hang hin, ein Garten, in dem alles in üppiger Fülle wuchs was diese gesegnete Landschaft hervorbrachte.
Andreas Walter
(2021)
Andreas Walter wurde am 6. Mai 1818 in Mahlberg geboren. Er war das jüngste von insgesamt neun Kindern der Eheleute Andreas Walter, Bürger und Bäckermeister aus Lahr, und Salome, geb. Roesch, die ebenfalls Lahrerin war. Die Eltern bewirtschafteten bis 1808 ohne Erfolg das Gasthaus „Salmen“ in Lahr, das unterhalb des heutigen alten AOK-Gebäudes in der Obertorstraße stand und im Zuge des Baues der Nordtangente um die Jahrtausendwende weichen musste. Nachdem das Ehepaar zunächst ein weiteres Gasthaus bei Altenheim führte, betrieb der Vater im Anschluss als Hintersasse eine Ölmühle
in Mahlberg. Andreas jun. erlernte wie sein Vater das Bäckerhandwerk. Nach dessen Tod im Jahre 1844, die Mutter war schon zehn Jahre früher verstorben, entschloss sich der 26-Jährige, mittellos wie er war, nach Nordamerika auszuwandern.
Friedrich Längle
(2022)
Friedrich Längle wurde am 12. Juni 1860 in Mietersheim geboren. Er war das drittälteste von insgesamt sechzehn Kindern der Eheleute Johann Christian Längle (1825–1897), Bürger und Landwirt in Mietersheim, und Christina Längle, geb. Stahl (1836–1904), aus Mundingen. Die Längles waren schon früh im Ort ansässig. Michel Lenglin, ein direkter Vorfahr, verstarb am 26. Februar 1633 und gilt als „ältester Mann in Mietersheim“. Friedrich besuchte die Volksschule Mietersheim. Der Schulleiter Salomon Stulz hielt ihn für einen der besseren Schüler. Bis zum Jahre 1879 war er im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb tätig. Die erlernten Fähigkeiten sollten ihm später noch von großem Nutzen sein. Friedrich wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Nach seiner Konfirmation besuchte er den Jünglingsverein. Besonders in den
evangelischen Landgemeinden um Lahr war der Einfluss des schwäbischen Pietismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch deutlich. Schon früh las er christliche Literatur, und insbesondere die Missionszeitschriften hatten
es ihm angetan. Er wollte die Not der heidnischen Völker lindern helfen. Dies sollte seinen weiteren Lebensweg dominieren.
Schon immer war ich interessiert an der Geschichte unserer Region; dies wurde mir wohl von meinem Vater in die Wiege gelegt, der schon viele Jahre seines Lebens sich diesem Thema widmet. Und mit den „Geschichten“ hat alles einmal begonnen: Ich erinnere mich auch noch gut an einen Nachmittag bei meinen Großeltern, die für meine kindlichen Begriffe „ewig weit“ von uns entfernt im kurpfälzischen Nußloch bei Heidelberg wohnten. Eben damals, ich muss höchstens zehn Jahre alt gewesen sein, holte meine Oma, warum auch immer, einen geheimnisvollen Schuhkarton aus der Eckbank,
randvoll gefüllt mit Schwarzweiß-Fotografien. Ich konnte mich gar nicht sattsehen an dem, was für eine Welt sich da vor mir auftat. Bilder meiner Großeltern aus jungen Jahren, meine Mutter als Kommunionkind mit langen Zöpfen, viele große Familienfeste an langen Tischen voller lachender, aber mir unbekannter Leute. Vieles gruselte mich auch irgendwie, besonders das Foto einer jungen Frau im offenen Sarg ließ mich schlucken. Meine Oma hingegen hatte da überhaupt nichts zu schlucken, sie erklärte frei heraus und scheinbar ohne jegliche Regung, welche Verwandte das gewesen und dass sie im Kindsbett gestorben sei. Jedoch der Hauptteil ihrer Erzählung bestand daraus, woher der „Asparagus“ stammte, mit dem der Sarg geschmückt war. Nun, und auch meinen Opa als Soldat zu sehen, in Russland, wie er mir dann verriet – ich war völlig verdattert. Wahrscheinlich begriff ich als kleiner Junge zum ersten Mal, dass meiner Zeit, die mir als die einzig existente vorkam, viele andere Zeiten und Epochen vorausgingen und dass die Gegenwart auch einmal zur Vergangenheit wird.
Das Ausmaß der Verbrechen, die im Nationalsozialismus begangen wurden, übersteigt die Vorstellungskraft jedes Einzelnen. Mit Hilfe von Zahlen versucht man das Leid zu quantifizieren, aber letztendlich sind es hilflose Versuche, das Unfassbare zu begreifen. Anhand von Einzelschicksalen lässt sich natürlich nicht das gesamte Unrechtssystem erklären, aber Einzelschicksale ermöglichen zumindest einen Einblick in ein zutiefst menschenverachtendes und im wahrsten Sinne
gnadenloses Justizsystem. Am Beispiel des Schicksals von Raimund Faller aus Unadingen und seiner Ehefrau Ida wird dargestellt, wie sich die politische Justiz in Deutschland in den letzten Kriegsjahren dramatisch verschärfte und zu einer Rechtsprechung führte, die bei geringsten Vergehen die Todesstrafe verhängte und vollstreckte. Die sehr gute Quellenlage ermöglicht eine detaillierte Beschreibung der letzten Monate Fallers, bevor er am 23. März 1944 wegen Verstoß gegen das Rundfunkgesetz im Gefängnis Brandenburg (Havel)-Görden hingerichtet wurde. Für den Autor selbst hat das Schicksal Raimund Fallers eine besondere Bedeutung, da seine Urgroßmutter Lucia Marx eine Schwester von Raimund war. Sie war mit dem damaligen Bürgermeister Emil Marx verheiratet, der bei der Verhaftung Raimund Fallers auch in Erscheinung trat. Die Forschungen zu dessen Schicksal sind somit nicht nur von akademischer Bedeutung, sondern es stellt sich auch die Frage, ob die eigene Verwandtschaft eine Mitschuld am Tode Fallers hatte. Diese Fragen konnten durch das Einsehen der Gerichtsakten im Bundesarchiv in Berlin geklärt werden.
J. B. Kißling schreibt in seiner Geschichte des Kulturkampfes: „In der Schulfrage dachte der badische Liberalismus bereits im Jahre 1831 daran, die Schule von der Kirche zu ‚emanzipieren‘, der Antrag fand aber nur in der Zweiten Kammer eine
Majorität.“ Die Regierung habe an der „durch Geistliche geübten Schulaufsicht“ festgehalten. Die freie Schule war ein altes Ideal der Liberalen, während Erzbischof und Regierung am traditionellen Ideal des vertrauensvollen Zusammenwirkens von
Staat und Kirche festhielten. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten „zu einer Aktivierung des Katholizismus“ war der Freiburger Staatswissenschaftler Prof. Franz Joseph Buß. Er wandte sich „gegen Staatskirchentum und alle liberalen und nationalkirchlichen Tendenzen“. Zuerst in Baden entstanden seit 1844 katholische Vereine, 1846 gab es hier die erste „Massenpetition“ gegen die „Deutschkatholiken“, es entstand der „Ultramontanismus als antiliberale Massen-Opposition.
Ebenfalls 1846 hat der Heidelberger Professor der Rechte und Abgeordnete der Zweiten Kammer C.J.A. Mittermaier
„die Lösung der Schule von der Geistlichkeit und der Kirche“ erneut gefordert. „Die Bewegung des Jahres 1848 griff auch auf die beiden großen Glaubensgemeinschaften über“, in der Zweiten Kammer wurde die „Kommunalschule, welche für alle Konfessionen gemeinschaftlich und dem Einfluß der Kirche entzogen sein sollte“ gefordert.
Martin Dibelius (1883–1947) kam in Dresden als „Sohn des späteren Oberhofpredigers und Vizepräsidenten des sächsischen Landeskonsistoriums Franz Dibelius“ zur Welt. Nach dem Studium in Neuchâtel, Leipzig, Tübingen und Berlin wurde er 1905 in Tübingen zum Dr. phil. und 1908 in Berlin zum Lic. theol. promoviert. 1905–1914 war er Lehrer in Berlin und in Berlin-Charlottenburg. Nach der Habilitation 1910 in Berlin und Privatdozentur wurde er „zum SS 1915 auf den Heidelberger neutestamentlichen Lehrstuhl berufen“, den er bis zu seinem Lebensende 1947 bekleidete. Er war ein Cousin des damaligen Berliner Superintendenten und späteren Bischofs Otto Dibelius (1880–1967).
Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der badischen Geschichte in der Weimarer Republik ist der langjährige Landtagspräsident, Vorsitzende der Badischen Zentrumspartei und badische Kultusminister Eugen Baumgartner. Als Abgeordneter und Landtagspräsident stand er neben Joseph Schofer in den 1920er-Jahren an der Spitze der Badischen Zentrumspartei und führte diese im Rahmen einer Weimarer Koalition mit SPD und DDP auf einem streng republikanischen Kurs. Zugleich hat er sich intensiv in die in der Weimarer Zeit unablässig geführte Diskussion über das Reich-Länder Verhältnis eingeschaltet und ist dabei in zahlreichen Denkschriften und Referaten nachdrücklich für den Erhalt möglichst weitgehender Länderrechte eingetreten. Auf diese Weise wurde Baumgartner zu einem zumindest innerhalb des föderal süddeutsch-katholischen Lagers überaus anerkannten Fachmann in Fragen der Reichsreformdiskussion. Als Kultusminister war er schließlich maßgeblich für das Zustandekommen des Badischen Konkordats vom 12. Oktober 1932 verantwortlich — ein Verdienst, das ihm überaus großes Ansehen innerhalb des katholischen Deutschlands sicherte: Nachdem Baumgartner bereits 1926 zum stellvertretenden Präsidenten des Dortmunder Katholikentages gewählt worden und auch in den folgenden Jahren wiederholt als Redner auf den Generalversammlungen der deutschen Katholiken hervorgetreten war, erfolgte schließlich im Herbst 1932 nur wenige Wochen nach der Paraphierung des Badischen Konkordats die Wahl zum Präsidenten des Deutschen Katholikentages in Essen. Im März 1933 wurde Baumgartner noch von Papst Pius mit dem Ritterkreuz des St.-Gregorius-Ordens ausgezeichnet.
Siegfried Rietschel
(2000)
Hoch über der Elbe in Dresden steht auf der Brühlschen Terrasse ein Denkmal des einst namhaften Bildhauers und Kunstprofessors Ernst RietscheI. Bei genauerem Hinsehen kann der Betrachter erstaunt und zugleich fragend feststellen, daß Ihm diese etwas verschmitzt wirkenden Gesichtszüge und dieses angedeutete Lächeln bekannt zu sein scheinen. Natürlich, geht es ihm durch den Kopf, der Siegfried Rietschel aus Karlsruhe. Da haben offensichtlich die von vielen Soziologen, Psychologen und Ideologen noch heute abgelehnten Gene bewirkt, daß beim Nachfahren noch in der 4. Generation signifikante Merkmale der Physiognomie, möglicherweise aber auch der Wesensart, zumindest andeutungsweise erhalten geblieben sind.
Der Heimatforscher Emil Baader richtete im Jahre 1957 im Rathaus des Klosterdorfes Schuttern eine Heimatstube ein. Neben zahlreichem historischem Bildmaterial übergab er der damaligen Verwaltung auch eine Sammlung von Geschichtsberichten über die Gemeinde Schuttern. Die Artikel stammten aus der Heimatbeilage „Altvater“ der Lahrer Zeitung. In der Sammlung, die heute noch im Gemeindearchiv Schuttern aufbewahrt wird, befindet sich auch eine Publikation mit dem Titel: „Der Erfinder des Laufrades war Forstinspektor in Schuttern“. Gleichzeitig hatte Emil Baader auch ein Bild des Fahrraderfinders Drais mitgebracht, das seit dieser Zeit im Bürgermeisterzimmer des Rathauses Schuttern eine Wand ziert. Als der Schutterner Bürgermeister Josef Blattmann sich mit der Geschichte seiner Heimatgemeinde Schuttern befasste, war er natürlich freudig überrascht, dass das alte Klosterdorf Schuttern Verbindungen zur Geschichte des Fahrrades hatte. Was lag daher näher als zu unterstellen, dass Karl Freiherr von Drais-Sauerbronn, der badische Erfinder und Tüftler, sein Laufrad, die Draisine, nicht in Karlsruhe oder in Mannheim erfunden habe, sondern in der Ortschaft Schuttern.
Kleine Landgemeinden hoben in der Vergangenheit nur sehr selten einzelne Persönlichkeiten durch Ehrungen hervor, zu eng war man im Leben miteinander verbunden und kannte gemeinhin persönliche Stärken wie auch die vielfältigen menschlichen Schwächen. Das trifft auch auf Liggeringen zu, eine bis weit ins 20. Jahrhundert rein agrarisch geprägte Gemeinde - am Bodensee gelegen zwischen Radolfzell und Bodman auf dem höchsten Punkt der bis Konstanz reichenden Landzunge namens Bodanrück. Es war daher kein gewöhnlicher Anlass, als am 19. Januar 2013 - dem 100. Todestag des einzigen Ehrenbürgers - des langjährigen „Pastor rusticus“ Georg Braun (1835-1913) gedacht wurde. Zum einen zelebrierte der emeritierte Weihbischof Paul Wehrle, seit Dezember 2012 neuer „Pfarrherr“ in Liggeringen, zusammen mit dem Leiter der Seelsorgeeinheit St. Radolt, Pfarrer Michael Hauser, sowie dem Subsidiar Pfarrer Karl Hermanns einen festlichen Gedenkgottesdienst in der von Georg Braun 1905 erweiterten und grundlegend umgestalteten Kirche St. Georg. Zum anderen erinnerte anschließend die politische Gemeinde mit einem Vortrag des stellvertretenden Ortsvorstehers Jürgen Klöckler an den ehemaligen Seelsorger, zu dessen ehrendem Gedenken in den frühen 1970er-Jahren auch eine parallel zu Pfarrhaus und Pfarrgarten verlaufende Straße benannt worden war („Pfarrer-Braun-Straße“). Der Zeitpunkt der Straßenbenennung ist Ausweis dafür, dass Georg Braun rund 60 Jahre nach seinem Tod im kollektiven Gedächtnis der Gemeinde präsent war.
Mit Worten hoher Anerkennung würdigt ein Chronist des 18. Jahrhunderts die Persönlichkeit Johannes Egons, der in den Jahren 1626 bis 1643 Prior des Reichenauer Klosters gewesen ist: „Er war zweifellos ein überaus würdiger Prior, dem das Leben nach der Ordensregel und die Verehrung Gottes, der Gottesmutter und der Heiligen in einzigartiger Weise am Herzen lag, dazu ein nach dem Zeugnis der Gelehrten ungewöhnlich gründlicher Historiker, wie sich an seiner Abhandlung über die bedeutenden Männer der Reichenau und an verschiedenen anderen Schriften erkennen läßt. In seiner gewinnenden und freundlichen Art im Umgang mit Leuten jeglichen Standes war er bewundernswert. Da er in hohem Maß die Gunst des erlauchten Fürsten und Bischofs genoß, erlangte er zum Wohl unseres Reichenauer Konvents die Freiheit, wie ein erfahrener Verwalter eigene Güter hinzuzukaufen.“ Obwohl der Reichenauer Mönch und Historiker Januarius Stahel diese kurze Würdigung erst etwa hundert Jahre nach dem Tod des Priors Johannes Egon niederschrieb, spürt man doch, wie die Erscheinung und das Wirken eines bedeutenden und integren Mannes noch nichts von ihrem Glanz verloren hatten. Frömmigkeit, wissenschaftliches Talent, die Ausstrahlung einer souveränen und gewinnenden Persönlichkeit, diplomatisches Geschick und erfolgreiche Tätigkeit als Verwalter: Es sind viele Facetten, die hier zur Sprache kommen.
Schlagen wir in den musikalischen Lexika der vergangenen 250 Jahre nach, dann finden wir unter Bode nur einen Vertreter dieses Namens: Johann Joachim Christoph Bode (1730–1797), Hautboist in einem kurhannovrischen Regiment in Celle, dann Redakteur, Buchdrucker und zeitweise gemeinsam mit Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) Buchhändler in Hamburg. Hier betätigte er sich auch als Übersetzer von Opern- und Oratorientexten. 1773 brachte er die deutsche Ausgabe von Charles Burney‘s bedeutender Schrift „Tagebuch einer musikalischen Reise“ heraus. Ab 1778 lebte er als Geschäftsführer und Gesellschafter der Witwe des dänischen Staatsministers von Bernstorff in Weimar. Geehrt mit Hofrat- und Geheimrattiteln der Höfe von Sachsen-Meiningen, Sachsen-Gotha und Hessen-Darmstadt war Bode Zeit seines Lebens mit bekannten Persönlichkeiten wie dem Reformpädagogen Johann Bernhard Basedow (1724–1790), den Dichtern Heinrich Wilhelm von Gerstenberg (1737–1823), Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) sowie Lessing befreundet und pflegte außerdem Kontakt zu den Weimarer Größen Herder, Goethe und Schiller. Als engagierter Freimaurer bekleidete er in der Hierarchie des Ordens hohe Ämter und stand den Illuminaten nahe. Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten widmete er sich auch der Komposition und veröffentlichte 1754 und 1757 in Leipzig „Zärtliche und schertzhaffte Lieder mit ihren Melodijn“. So lag es auf der Hand, ihm, der sich während seiner Hamburger Zeit auch als Virtuose auf dem Violoncello und dem Fagott profiliert hatte, sämtliche unter Bode bekannten Werke zuzuschreiben, ganz gleich, ob Instrumentalwerke oder Lateinische Kirchenmusik, wobei sich die Frage stellt, welche Beweggründe der Lutheraner Johann Joachim Christoph Bode, der sich zeitlebens im lutherisch geprägten Umfeld
in Hamburg und Weimar bewegte, gehabt haben sollte, lateinische Kirchenmusik (Messen, Miserere, Motetten) zu komponieren.
Am 9. Juli 2003 hat der designierte Erzbischof von Freiburg, Dr. Robert Zolltisch in der Villa Reitzenstein, dem Sitz des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg in Stuttgart den in den Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche festgelegten Eid abgelegt. Die Voraussetzungen dazu sind im Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, Artikel 16 gegeben, und lauten: „Bevor die Bischöfe von ihrer Diözese Besitz ergreifen, leisten sie in die Hand des Reichsstatthalters in dem zuständigen Lande bzw. des Reichspräsidenten einen Treueeid“. Die Bischofswahl für die Erzdiözese Freiburg selber ist im Badischen Konkordat vom 12. Oktober 1932 damals mit knappster Mehrheit vom Badischen Landtag verabschiedet geregelt, und wurde am 10. März 1933, wenige Stunden vor der Absetzung der Badischen Staatsregierung durch die Nationalsozialisten nach jahrelangen Verhandlungen und gleichzeitig mit dem Vertrag mit der evangelisch/protestantischen Landeskirche Badens, ratifiziert. Das Ereignis fand wenige Tage nach dem „großen“ Sieg der Nationalsozialisten in der Reichstagswahl vom 5. März 1933 statt, war die letzte Amtshandlung der legalen Badischen Staatsregierung.
Kurt Georg Kiesinger - Kindheit und Jugend im gemischtkonfessionellen und gemischtdiözesanen Umfeld
(2004)
Der Kaufmann Christian Kiesinger, geboren am 11. September 1876 in Michelfeld, Gemeinde Oberdigisheim lernte Dominika Grimm, geboren am 16. Juli 1878 in Bubsheim in Ebingen kennen, wohin seine Eltern arbeitsbedingt gezogen waren. Dort arbeitete Dominika im Hause seines Arbeitgebers, um den städtischen Haushalt kennenzulernen. Michelfeld und die umliegenden Gemeinden waren seit Jahrhunderten württembergisch und damit evangelisch geprägt, Bubsheim ebensolange vorderösterreichisch und somit katholisch. Christian Kiesinger und Dominika Grimm waren beide von ihrem Glauben zutiefst geprägt und standen vor einer schmerzhaften Entscheidung sich für die Trauung und Erziehung der Kinder in einer Konfession entscheiden zu müssen. Dominika war klar, eine nichtkatholislche Trauung bedeutet den Verlust von Heimat und Familie, so gut wie den Ausschluß aus der Gemeinschaft der Kirche, in deren Geflecht Familie und Verwandtschaft lebte.
Es ist den Entrechtungs- und Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes geschuldet, dass die Leistungen des deutschen jüdischen Neurologen und Psychiaters Alfred Abraham Strauß (geboren am 29. Mai 1897 in Karlsruhe, gestorben am 27. Oktober 1957 in Chicago) in Deutschland weitestgehend unbekannt sind – und das, obwohl er als ein Pionier des Forschungsfelds Lernschwäche und
der daraus erwachsenen Diagnose ADHS angesehen werden kann. Als solcher wird er v.a. in den USA, aber auch in Spanien gewürdigt. Abgesehen von seinen spanischsprachigen Ausarbeitungen, deren Bekanntheit nicht den Raum der iberischen Halbinsel überschreitet, sind Strauß‘ Ausführungen vor seiner Migration in die USA 1937 in der gesamten aktuellen Fachliteratur gänzlich unbekannt. Doch selbst seine
Publikation mit Laura Lehtinen von 1947, die als Höhepunkt seines Wirkens betrachtet werden kann, wird regelmäßig zitiert, nicht aber inhaltlich erfasst. Strauß war zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ Privatdozent für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Heidelberg, Leiter der psychiatrisch-neurologischen Poliklinik, Berater des städtischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes sowie niedergelassener praktizierender Arzt in Mannheim. Alle diese Stellungen verlor er im Zeitraum von 1933 bis 1935. Eine erste Analyse von Strauß‘ akademischem Wirken an den verschiedenen Stationen seines Lebens ermöglicht eine neue Sicht auf seine Verdienste. Dafür
werden auch bislang unberücksichtigt gebliebene Dokumente herangezogen.
Augustin Kardinal Bea
(2003)
„Nach Papst Johannes XXIII. wird er in der Erinnerung vieler als die eindrücklichste Gestalt des Zweiten Vatikanischen Konzils fortleben“, stellte Prof. E. Schlink, der lutherische Konzilsbeobachter fest. Ähnlich äußerte sich der Erzbischof von Westminster, Kardinal C. Heenan, der sagte: „Am Ende wurde Kardinal Bea allgemein, wenn nicht als der gewandteste, so gewiß als der erfahrenste und überzeugendste Redner des Konzils betrachtet“. — Über vierzig Jahre liegen seit dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962—1965) zurück. Die Zeitzeugen, die dieses kirchengeschichtliche Ereignis bewußt erlebt haben, sind spärlicher geworden. Der größte Teil der Konzilsväter ist verstorben und die Aufbruchstimmung, die die Konzilszeit kennzeichnete, scheint der Resignation gewichen zu sein. Die Nachkonzilsepoche ist von einem massiven Säkularisationsschub bestimmt, der zu einer Entleerung der Gotteshäuser führte und in dem viele Kräfte versuchen, kirchliche Bezüge aus unserer Gesellschaft zu verdrängen. Diese Tendenzen lösten fast unvermittelt die Phase ausgeprägter Kirchlichkeit ab, die als Reaktion auf das menschenverachtende Naziregime Staat und Gesellschaft in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts prägte. Die die politische Diskussion um das Verhältniss von Kirche und Staat im Aufklärungszeitalter bestimmenden Gedanken scheinen in ihrer antikirchlichen Variante erst jetzt in voller Wucht zum Durchbuch zu kommen.
Kleiner Mann ganz groß
(2013)
Klein war seine Statur, groß sein Wissen: Julius Euting (1839-1913), mit einer auffällig geringen Körpergröße von nur 1,54 m versehen, gehörte zu den größten Universalgelehrten seiner Zeit. Als Entdecker und Erforscher zahlreicher vorislamischer Denkmäler und Inschriften ist der bereits zu Lebzeiten aufgrund seiner linguistischen Begabungen als „Sechzehnsprachenmännle“ titulierte Orientalist allerdings nur noch eingeweihten Fachkreisen ein Begriff. In Lahr, wo er sich einst zu Besuchen bei seinem Bruder aufhielt, ja selbst in Straßburg, wo er seit 1871 die meiste Zeit seines Lebens als Bibliothekar und Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek sowie als Honorarprofessor der Kaiser-Wilhelm-Universität verbrachte, kennt man den gebürtigen Schwaben inzwischen gar nicht mehr. In der wilhelminischen Ära jedoch sprach man nicht nur im Elsass und in Baden sondern überall in Deutschland von diesem seltsamen Kauz, dem Inschriften und Altertümer aller Art ebenso wie Kakteen sammelnden Verfasser eines in über 16 Auflagen erschienenen „Führers durch die Stadt Straßburg“, der dem „brodelnd dunklen Türkentrank“ in seiner komplizierten Zubereitung als arabischer Mokka zugeneigt war und sich auf ausgedehnten Wanderungen für die Schönheit der Natur und den kulturellen und historischen Reichtum der Landschaft zwischen Schwarzwald und Vogesen begeistern konnte.
So manches Gebäude in Konstanz und Freiburg erinnert an seine außerordentlich nachhaltigen Regierungszeiten als Oberbürgermeister beider südbadischer Städte. Geboren und aufgewachsen ist Otto Winterer allerdings im Geroldsecker Land. Am 8. Januar 1846 erblickte er in Ettenheim als Sohn des Bäckers Viktor Winterer in der Kirchstraße 5 im Haus der alten Stadtschreiberei das Licht der Welt. „Was für ein treffender Geburtsort für einen späteren Bürgermeister!“ mag man da unwillkürlich denken. Doch ist es wohl kaum die Aura der ehemaligen Funktion seines Geburtshauses als vielmehr die Tradition der Familie, durch die Otto Winterer das Talent und die Leidenschaft zum erfolgreichen Wirken und Verwalten im Dienste eines städtischen Gemeinwohls buchstäblich in die Wiege gelegt bekam. Seine Mutter Rosalie war die Tochter des Ettenheimer Stadtschultheißen Kollofrath und auch sein Vater Viktor, der als Bäcker zugleich im Ettenheimer Stadtrat saß, stammte ebenfalls aus einer Familie von Schultheißen.
Johann Friedrich Heinrich Schlosser (1781–1851) und seine Frau Sophia (Sophie) Johanna, geborene Du Fay (1786–1865), sammelten zu Beginn des 19. Jahrhunderts Zeichnungen, Aquarelle und Gemälde zeitgenössischer deutscher Künstler in Rom, der sogenannten Nazarener. Ihre Sammlung befand sich bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein auf Stift Neuburg. Die Sammlung Schlosser besaß ein überregionales Ansehen. Der Münchner Kunstsammler Graf Adolf Friedrich von Schack (1814–1894), dem wir eine Beschreibung der Innenräume von Stift Neuburg verdanken, sah dort „vortreffliche Gemälde und eine interessante Sammlung von Handzeichnungen“. Der Berliner Kunsthistoriker Gustav Friedrich Waagen (1794–1868) erwähnt sie in der Beschreibung seiner ausgedehnten Kunstreisen durch Deutschland: „Leider gestattete es mir die Zeit nicht, den ganz in der Nähe von Heidelberg lebenden Herrn Christian Schlosser zu besuchen, der eine Reihe werthvoller Gemälde lebender Künstler, wie namentlich von Overbeck, besitzen soll.“ Waagen kannte die Sammlung offenbar nur vom Hörensagen, denn er verwechselt Friedrich Schlosser mit seinem jüngeren Bruder Christian in Frankfurt, der ebenfalls Kunst der Nazarener besessen, möglicherweise auch gesammelt hat (ich komme auf ihn zurück).
Die Brüder Adam (1877–1951) und Hermann Remmele (1880-1939) repräsentierten die beiden Flügel der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Ihr Konflikt wird in diesem Beitrag auf dem Hintergrund unterschiedlicher Organisationserfahrungen im Rhein-Neckar-Raum beschrieben, in dem sie bis 1919 aktiv waren. Die Arbeiterbewegung war hier sehr unterschiedlich ausgeprägt. Einfluss auf die Entwicklung der Brüder hatten möglicherweise auch ihre unterschiedlichen Berufsperspektiven – auf der einen Seite ein sterbendes Gewerbe, das zur Anpassung zwang, und auf der anderen Seite ein
Arbeitsplatz in der Metallindustrie, Träger der hochindustriellen Entwicklung. Beide jedoch machten ihren Weg in politische Führungspositionen.
Die Frauenrechtlerin und Germanistin Dr. Elise Dosenheimer schrieb 1959, kurz vor ihrem Tod in New York, an ihre Nichte: „Was mich betrifft, so geht es mir nicht immer glänzend, trotz des Zimmers für mich allein. Man wandelt nicht ungestraft unter Palmen, wie ihr wisst, und man wandelt auch nicht ungestraft unter 90 Jahren. Tragik des Alters.“ Mit den Zitaten aus Virginia Woolfs „Ein Zimmer für sich allein“ und Goethes „Wahlverwandschaften“ benennt Elise Dosenheimer die beiden schwersten Kämpfe ihres 90-jährigen Lebens: Sie kämpfte für einen privaten und öffentlichen Raum für Frauen, „ein Zimmer für sich allein“, das sie schließlich in Heidelberg fand; sie wurde als Jüdin von Heidelberg nach Gurs deportiert und floh von dort nach New York, an einen Ort in der Fremde, an dem sie, in Goethes Worten, nicht ungestraft unter Palmen wandelte, weil sie durch ihre Flucht zu einem anderen Menschen geworden war.
Das Bild seiner Stadt hat er für lange Zeit mitbestimmt, und das Bild der Welt um und in sich hat er tausendfach festgehalten und gedeutet: Herbert Jäger, der erste Baubürgermeister der Stadt Lahr und danach, im Ruhestand, ein bildender Künstler mit unbändiger Schaffenslust und -kraft, wurde vor hundert Jahren - am 19. März 1916 - geboren. Auch noch viele Jahre nach seinem Tod 1999 lassen ihn sein mannigfaltiges ertragreiches Wirken, aber auch seine unverwechselbare, so eigenwillige wie anteilnehmende Persönlichkeit vielen Lahrern unvergesslich bleiben.
Es gibt verschiedene Wege, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Einer davon ist der Zugang über Biographien. Ob ich die Vergangenheit geistesgeschichtlich oder sozialgeschichtlich deute, ob ich nach Verfassungen, Gesetzen oder Bekenntnissen frage, immer ist der Mensch der Agierende und der Reagierende, Täter und Opfer. Er ist Träger neuer Ideen und Verteidiger der alten. Er findet Verhältnisse von seinen Vorfahren vor und gestaltet neu für seine Nachkommen, er ist Kind seiner Zeit und gleichzeitig prägt er seine Zeit. Was ich intellektuell sezieren und unterscheiden kann, fließt zusammen in der Existenz eines Menschen. In einer Biographie muss darum beides zum Ausdruck kommen: was der Mensch vorfindet und was er selbst beiträgt. Nun gibt es einen Faktor, der den Menschen in doppelter Hinsicht prägt, der seine Verhältnisse, die Bedingungen, die er vorfindet, mitbestimmt, und gleichzeitig seine körperlichen, seelischen und geistigen Fähigkeiten bedingt: die Familie. Neben der „Biographie“ eines Einzelnen ist darum auch die „Oikographie“ einer Familie, eines Geschlechts, von Interesse, vor allem dann, wenn Familien Geschichte geprägt haben. Betrachtet man die Geschichte der badischen Landeskirche, dann sind es bestimmte Namen, die unter den Pfarrern, später auch Pfarrerinnen, immer wieder auftauchen, seit dem 16. Jahrhundert begegnen uns beispielsweise die Familien Fecht, Hitzig, Sachs oder Eisenlohr und bis in die heutige Zeit hinein Bender, Kühlewein oder Schmitthenner. Nicht immer sind Vater und Sohn gleichermaßen bedeutsam in ihrem Beitrag für die Geschichte, nicht immer folgt der Sohn dem Vater in das geistliche Amt, manchmal sind es erst Enkel oder Urenkel, und nicht immer übernimmt der Nachkomme automatisch die theologische Position seiner Vorfahren, oft muss er sich nicht nur mit dem theologischen Erbe seiner Zeit, sondern mit dem theologischen Erbe der Väter auseinandersetzen, um eine eigene Position zu finden. Und dennoch findet man immer wieder auch das Familientypische.
Eine Familie, die unsere badische Kirche und Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert geprägt hat, ist die Familie Frommel. Zahlreiche Theologen, Künstler und andere Gelehrte hat sie hervorgebracht. Der vorliegende Aufsatz porträtiert den ersten Pfarrer der Familie, Johann Christoph Frommel (1724-1784), und macht durch kurze Lebensskizzen einiger seiner Nachkommen beispielhaft deutlich, wie stark Pfarrfamilien vom 18. bis 20. Jahrhundert kulturprägend und –tragend waren.
Paul Mauk wurde am 19. Juli 1900 in Waldkirch geboren. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig zum Militärdienst beim 5. Badischen Infanterie-Regiment Nr. 113 in Freiburg (siehe Abb. 1). Die Kriegsstammrolle seiner Einheit verzeichnet: Beruf: Schüler. Mauk fällt fünf Wochen vor seinem 15. Geburtstag am 7. Juni 1915 in Nordfrankreich im Alter von 14 Jahren. Sein Grabstein befindet sich – zusammen mit über 15.000 Weiteren – auf dem Soldatenfriedhof Lens-Sallaumines. 1928 wird seine Biografie veröffentlicht und er als „Jüngster aller Feldgrauen“ bezeichnet. Elf Jahre später, am 11. Juni 1939, laden Bürgermeister Kellmayer aus Waldkirch und Rektor Weber von der dortigen Volksschule – beide NSDAP-Mitglieder – zu einer „Paul-Mauk-Gedenkfeier“ ein. Anlass war die Benennung der Waldkircher Volksschule (heute: Schwarzenbergschule) nach Paul Mauk. Folgende Fragen drängen sich auf: Wie verhielt sich die Militäradministration bei der Freiwilligenmeldung eines gerade 14-Jährigen und wie war hierzu die Rechtslage? Wie haben die Waldkircher und die Freiburger Paul Mauks Leben und Sterben ab 1915 und insbesondere nach 1928 wahrgenommen und bewertet? Wie ist zu erklären, dass ein Schuljunge – wenige Tage nach seinem 14. Geburtstag – sich freiwillig zum Kriegsdienst melden konnte? Welche Rolle spielten die Herkunft, das Elternhaus, die Kirche und die Schule?
„Zu den eindrucksvollsten Leistungen der Generation deutscher Mittelalterhistoriker, die dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel, zählt das Werk von Konrad Josef Heilig, Ostrom und das Deutsche Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts (1944).“ Der vor allem um die Edition der Urkunden Friedrich Barbarossas verdiente Heinrich Appelt hatte mit dieser seiner Wertung gewiss recht; aber er hatte nur bedingt recht, wenn er Heilig als „deutschen Mittelalterhistoriker“ kennzeichnete. Zweifel an einer solchen, auf den ersten Blick eindeutigen Etikettierung werden bereits bei einem Blick in das 2006 erschienene Buch „Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon“ wachgerufen, denn darin findet sich ohne eine einschränkende Bemerkung auch Heilig aufgenommen. Unter den dort aufgeführten Stationen seines 1907 in Erzingen in Baden beginnenden und über Freiburg im Breisgau 1929 nach Wien führenden Lebensweges fällt indessen eine zeitliche Lücke auf: Genannt werden unter anderem folgende Tätigkeiten Heiligs: „1932–38 Mitarbeiter Edition mittelalterlicher Bibliothekskataloge Österreichische Akademie der Wissenschaften, 1938–40 Archivar Erzbischöfliches Ordinariatsarchiv Freiburg i. Br.“ Die Beendigung seiner Arbeit im Dienste der Wiener Akademie im Jahr 1938 einerseits und sein Überwechseln in die badische Heimat in demselben Jahr andererseits sind angesichts dieses für Österreichs Schicksal entscheidenden Jahres zumindest des Bemerkens wert.
Die drei Protagonisten dieser Tagung sind im Abstand jeweils eines halben Jahrhunderts geboren: Friedrich Reiser 1401, Jakob Wimpfeling 1450, Sebastian Franck 1499. Wimpfeling ist Reiser und wohl auch Franck nie begegnet, aber Wimpfeling
wusste von Reiser, und Franck wusste von Wimpfeling. Als Reiser 1458 in Straßburg als rückfälliger Ketzer verbrannt wurde, besuchte der junge Wimpfeling die Lateinschule seiner Heimatstadt Schlettstadt. Erst vierzig Jahre später interessierte ihn jene Ketzerverbrennung aus einem nicht bekannten Grunde sehr. Sein Freund Geiler von Kaysersberg stellte 1497 in Straßburg Nachforschungen über „diesen Friedrich“ an und übermittelte das Ergebnis nach Speyer, wo Wimpfeling damals als Domprediger wirkte. Vier Jahre später machte Wimpfeling, der inzwischen in Straßburg lebte, von den Informationen Geilers Gebrauch im zweiten Buch seiner Schrift „Germania“, mit der er beim Rat der Stadt dafür warb, dass dieser zum Wohle Straßburgs ein Gymnasium für die 15- bis 20jährigen als Ausbildungsstätte für die künftige Führungsschicht einrichten möge. Diese sollte einmal mit derselben Weisheit regieren, die der Stra?burger Rat schon in früheren Zeiten bewiesen habe. Wimpfelings Aufzählung vorbildlicher Maßnahmen schockierte damals nicht, sie entsprach vielmehr gängiger Regierungslehre.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg galt es in erster Linie, die zerstörten wirtschaftlichen Grundlagen neu zu schaffen. Erst danach konnten auch Kirchen und Klöster darangehen, Zerstörtes wieder aufzubauen und neu auszustatten. Als End- und Höhepunkt dieser baulichen und der damit einhergehenden künstlerischen Entwicklung gilt die Zeit des Barock, die mit ihren kleinen und großen Kirchenbauten sowie mit ihren bescheidenen und mächtigen Klöstern gerade der oberschwäbischen Landschaft ihr Siegel aufgedrückt hat. Zeitgleich entfaltete sich auch die Malerei. Diese blieb über längere Zeit hinweg jedoch auf die Altar- und Tafelmalerei beschränkt. Erst mit der Entdeckung der mächtigen, rippenlosen Gewölbeflächen, entstehen ab etwa 1725 immer größere Malereien, die am Ende randlos die ganze Decke ausfüllen. Hier haben sich gute Künstler einen großen Namen gemacht. Ihr Werk fällt ins Auge. Die Tafelmalerei tritt zurück. Caspar Fuchs war und blieb ein Altarmaler. Er hat jedoch in seinen späteren Schaffens- und Lebensjahren die Anfänge dieser neuen Maltechnik noch miterlebt.
J. P. Hebel und Lörrach
(2002)
Seit der Eingemeindung Hauingens zur Stadt Lörrach 1975 beginnt dieses Thema bereits am 30. Juli 1759 mit der Trauung der Eltern Johann Peter Hebels in der Hauinger Kirche. Hier fand aber nicht nur die Hochzeit der Eltern in der Kirche und anschließend im Gasthaus „Zum Bad" statt, hier im „Bad" kam nach Pfarrer Richard Nutzingers Erzählung und Recherchen „Das Hanspeterli" von 1938 am 10. Mai 1760 auch Johann Peter Hebel zur Welt. Zahlreiche Belege dieser Wahrscheinlichkeit habe ich in der „Hauinger Chronik" von 2002 festgehalten. Ein weiteres Indiz liefert auch Gustav Oberholzer in seinem Artikel „Die Rechtsverhältnisse des Johann Jakob Hebel" (,,Das Markgräflerland" 1/1985), als der Vater J. P. Hebels beim Oberamt Lörrach 1759 zwecks Heirat mit Ursula Örtlin sich als Hintersass in Hausen bewarb. Dort heißt es wörtlich: ,,Jakob Hebels Heirat pressierte". Denn eine eheliche Verlobung sollte damals nur ein halbes Jahr dauern.
Bischof Burkhard von Basel, das Kloster St. Alban und ihre Beziehungen zu Lörrach und Umgebung
(2002)
Die Urahnen der Grafen von Straßburg waren die Herren von Fenis. In diese Familie gehört auch Bischof Burkhard von Basel. Er nannte sich zeitweilig auch „Burkhard von Hasenburg", weil er einige Zeit dort gelebt hatte. Der Lausanner Bischof Kuno war sein Bruder. Der Vater der beiden ist Graf Ulrich von Fenis. Bischof Burkhard, dessen verwandtschaftliche Beziehungen tief in den burgundischen Raum in die Gegend des Neuenburger Sees hineinreichten, war zuvor Kämmerer des Mainzer Erzbischofs. In den Urkunden des Klosters St. Alban in Basel erscheint zweimal ein Mangold von Fenis, ein jüngerer Bruder von Burkhard. Er wurde der Vater der ersten beiden Grafen von Neuenburg, deren Nachfahren zusammen mit Philipp, dem letzten Markgrafen von Hachberg-Sausenberg und Herrn von Rötteln, in der Schlosskirche bestattet und in einem lebensgroßen Denkmal verewigt sind. Das Herz Markgraf Philipps wurde bekanntlich 1503 in der Röttler Kirche in der Gruft Rudolfs III. beigesetzt.
Wir schreiben das Jahr 1973, als sich in einem Strafprozess im Heidelberger Amtsgericht zwei Parteien gegenüber stehen – allesamt Angehörige der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (PH): der ASTA-Vorsitzende Wilhelm Pauli auf studentischer Seite sowie die Professoren Karl Kollnig und Wilhelm Schwab als Vertreter des Lehrkörpers. Gegenstand des Strafprozesses ist eine Anklage gegen den Studenten wegen beleidigender Äußerungen in einem Artikel der Hochschulzeitung „Asta-Info“ vom 30. April.