Biografisch-geografische Beziehungen
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Zu den Aufgaben des Geschichts- und Heimatvereins Villingen gehört neben der Bewahrung
des historischen Erbes der Stadt und ihrer Bürger
auch, Menschen die hier lebten und wirkten vor
dem Vergessen zu bewahren und ihr Bild der
Nachwelt zu erhalten. Günter Rath, der Vorsitzende des GHV, will im Jahrbuch des Vereins diesem Gedanken verstärkt Raum geben. „Villingen
im Wandel der Zeit“ – wie der neue Titel der
Jahrgangsbücher lautet – soll auch an Zeitgenossen erinnern, die ein Stück Kulturgeschichte dieser Stadt mitgeschrieben haben, aber dann etwas
aus dem Blickfeld entschwunden sind. Hier soll
des Künstlers und Bildhauers Willi Dorn gedacht
werden.
Das heute noch existierende Gebäude der früheren jüdischen Lungenheilanstalt in Nordrach ist einer der bemerkenswertesten Orte südbadischer
Geschichte im 20. Jahrhundert. An kaum einem anderen Ort traten zwei
der Hauptziele des nationalsozialistischen Staates in so konzentrierter
Weise auf: die Vertreibung und Vernichtung jüdischen Lebens, sowie der
Versuch, die „arische Rasse" zu vermehren. In dem stattlichen Haus in der
Nordracher Ortsmitte war vor der NS-Zeit fast vier Jahrzehnte lang die einzige jüdische Krankenheilanstalt in der Ortenau ansässig. Der regionalgeschichtlichen Bedeutung des Gebäudes steht das geringe Interesse von
Seiten der historischen Forschung gegenüber. Bislang ist die Geschichte
des Hauses und seiner Bewohner/-innen nur in Ansätzen bekannt. [1]
Auf viele Jahrzehnte hinaus trübte, ja vergiftete ein 1925 geschriebenes
Lebensbild die Erinnerung an das Verhältnis Regine Jolbergs [2] zu Leutesheim, dem Ort ihres ersten Wirkens. ,,Sie hatte clie Kinder des Dorfes neun
Jahre lang in reinster Liebe gepflegt. Den Eltern hatte das nicht das Geringste gekostet. Die selbstlose Frau hatte das, ohne ein Wort darüber zu
verlieren, alles freiwillig und umsonst getan. Sie hatte alle Kinder in jeder
Weise beschenkt und erfreut und ihre ganze Lebenskraft sowie die ihrer
Kinder der Gemeinde gewidmet. In jeder Not war das Haus der Mutter Jolberg eine Zufluchtsstätte für jedermann in der Gemeinde, und nun hinausgejagt!"[3] Die Beziehung zwischen Regiine Jolberg und Leutesheim lässt
sich auf diesen einfachen Nenner jedoch nicht bringen. Das Studium der
Quellen ergibt ein anderes, ein sehr eigenartiges und komplexes Bild.
J. P. Hebel und Lörrach
(2002)
Seit der Eingemeindung Hauingens zur Stadt Lörrach 1975 beginnt dieses Thema bereits am 30. Juli 1759 mit der Trauung der Eltern Johann Peter Hebels in der Hauinger Kirche. Hier fand aber nicht nur die Hochzeit der Eltern in der Kirche und anschließend im Gasthaus „Zum Bad" statt, hier im „Bad" kam nach Pfarrer Richard Nutzingers Erzählung und Recherchen „Das Hanspeterli" von 1938 am 10. Mai 1760 auch Johann Peter Hebel zur Welt. Zahlreiche Belege dieser Wahrscheinlichkeit habe ich in der „Hauinger Chronik" von 2002 festgehalten. Ein weiteres Indiz liefert auch Gustav Oberholzer in seinem Artikel „Die Rechtsverhältnisse des Johann Jakob Hebel" (,,Das Markgräflerland" 1/1985), als der Vater J. P. Hebels beim Oberamt Lörrach 1759 zwecks Heirat mit Ursula Örtlin sich als Hintersass in Hausen bewarb. Dort heißt es wörtlich: ,,Jakob Hebels Heirat pressierte". Denn eine eheliche Verlobung sollte damals nur ein halbes Jahr dauern.
Frauen in Bruchsal
(2002)
Frauengeschichte ist ein Teil jeder Stadtgeschichte. Sie wird in erster Linie entwickelt an Berichten, Tagebüchern und privaten Briefen. Deren Nachteil ist, dass sie privat sind; ihre Verfasserinnen stehen nicht immer für einen Verband oder Verein. Dies kann aber auch von Vorteil sein, denn in den Briefen etc. finden wir Quellen, die nicht von Nebenabsichten getrübt sind. Frauenarbeit hat es schon immer gegeben, in erster Linie im Familienverband: in der eigenen Familie als mithelfendes Familienmitglied oder in der fremden Familie als Dienstmädchen, Zugehfrau, Waschfrau. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden wir Frauen als Arbeitskräfte-Reservoir für die aufsteigende Industrie. Erster und Zweiter Weltkrieg veränderten die Frauenerwerbstätigkeit. Was wäre nicht zuletzt auch und gerade die Bruchsaler Industrie ohne Frauenarbeit?
Die bleibende Spur
(2002)
Reinhold Schneider zählt zu den großen Literaten des 20. Jahrhunderts. Sein schier unübersehbares Werk ist gefügt aus Novellen, Essays, historiographischen Betrachtungen, Geschichtsdeutungen, Erzählungen, Dramen, einem Roman, religionsphilosophischen Schriften, hagiographischen Lebensbildern, Interpretationen von Dichtungen der Weltliteratur, in
die sich eigene Poesie, zumeist in Form meisterhafter Sonette, einreiht. Bei all dem verschanzte sich Schneider keineswegs in seiner Dichterstube, sondern er erhob seine Stimme im politischen Raum. Während der braunen Diktatur veröffentlichte er das Buch über Las Casas, das von den grausamen Übergriffen der spanischen Eroberer gegen die südamerikanischen Indios berichtet. Viele erkannten da ein verborgenes Gleichnis, das die menschenverachtende Nazidiktatur anprangern wollte. Sein fortgesetzter mutiger Widerstand hat dem Schriftsteller schon bald Verfolgung durch die Gestapo eingetragen. Nach dem Kriege erhob Reinhold Schneider aus christlicher Gewissensnot neuerlichen Protest. Er wandte sich gegen
eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Ein geteiltes Volk, das in der Gefahr des Bruderkrieges stehe, dürfe nimmermehr an Kampf denken. Diesmal sah sich der unbequeme Friedensmahner gar von nahestehenden Menschen
ausgegrenzt, so dass er in wirtschaftliche Bedrängnis geriet. Und in seinem letzten Werk, während eines Aufenthalts in der traditionsreichen Hauptstadt Wien niedergeschrieben, tritt Schneider als denkgewaltiger Gottsucher vor uns.
Anlässlich des 600. Todesjahres Lamberts von Brunn, neben anderen hohen geistlichen und weltlichen Ämtern Reichsabt des Klosters Gengenbach
von 1356 bis 1374, traf sich im Juli 1999 der Historische Verein Gengenbach zu einem Gespräch - neudeutsch „Workshop" - über Leben und Wirken des späteren Fürstbischofs von Bamberg. Dabei kam der Gedanke auf,
die Grabstätte des nicht nur für Gengenbach, sondern auch das ausgehende
Mittelalter bedeutenden Kirchenmannes im Bamberger Dom aufzusuchen.
Vorausgegangen ist diesem Essay ein Vortrag im Museum, der fraglos ziemlich kühn in seiner Ankündigung war: Ist das Markgräflerland eine „Kunstprovinz" oder ist die Kunst hier im Markgräflerland doch nur provinziell? Zum Begriff „Kunstprovinz". Diese erste Frage ist ein wenig Lockvogel-Attrappe und sollte rasch beseitigt werden. Dem Begriff
,,Kunstprovinz" haftet heute ein unauslöschliches Odium des Pejorativen, des Unfreien, Stubenhockerischen, Verengten an. Das war aber nicht immer so. Die berühmtesten Kunstprovinzen erblühten im Italien der Renaissance, in der Toscana. (Ganz nebenbei: Unter deren herrlichen Früchten lässt sich ja auch ziemlich viel von musealem Kunst-Dörrobst finden). Heute
spricht man, um dem Missverständnis vorzubeugen, bei solchen Kunstprovinzen lieber von Kunstlandschaften, Regionen oder von Schulen. Wahrscheinlich drückt sich in dieser Zurückweisung des Begriffes „Kunstprovinz" auch der Zweifel aus, ob in einer Landschaft, in ihrem „Blut und Boden", überhaupt noch derartige Wirkungsmacht steckt. Jedenfalls haben jüngere Kunstregionen mit etwas weniger kunstgeschichtlichem Strahlenglanz auszukommen. Die Pleinairisten von Pontoise, die das Silberlicht der Erlen so hingebungsvoll perfektionierten, wussten sich bereits zu bescheiden.
Die Verweigerung der Moderne
(2002)
Die Beschäftigung mit der Architektur Albert Speers (1905-1981) führt zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung mit seinem Bauen im Dritten Reich. In einer Veröffentlichung der Arbeiten Speers, für die er selbst das Vorwort schrieb, werden seine Arbeiten erst ab 1933, dem Jahr der Machtergreifung Hitlers aufgeführt. Karl Arndts Aussage, daß Speers „Bauaufträge [...] so gut wie ausschließlich mit dem nationalsozialistischen Regime verbunden" seien, ist zu bestätigen. Allerdings wären da nicht wenige Indizien für ein architektonisches Schaffen vor 1933, könnte es den Eindruck erwecken, Albert Speer sei als Chefarchitekt und Handlanger Hitlers wie ein Phönix aus der Asche gestiegen. Um ein differenziertes Bild seiner architektonischen Entwicklung zu erhalten, ist es notwendig den Fokus auf seine frühen Entwürfe, die nicht im nationalsozialistischen Kontext entstanden sind, zu richten. Neben den Entwürfen eines Siedlungshauses (um 1931) und
einer evangelischen Kirche in Berlin-Zehlendorf (vor 1933), beziehen sich zwei der raren Entwürfe aus der frühen Schaffensperiode interessanterweise auf Heidelberg: Es handelt sich um ein Zweifamilienhaus, das er 1929 für seine Schwiegereltern in Heidelberg-Schlierbach realisiert und um den Entwurf eines Gärtnerhauses, das nicht ausgeführt worden ist.