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Als ich nach meiner Wahl zum Oberbürgermeister vor 19 Jahren auf dem Villinger Münsterplatz vor dem Rathaus auf die provisorisch aufgebaute Bühne trat, spielte die Villinger Stadtmusik das Badener Lied, und nicht wenige der anwesenden Zuschauer sangen mit der Hand am Herzen inbrünstig mit. Diese kurze Episode stand eigentlich im Kontrast zu einem wesentlichen Bestandteil meines späteren Arbeitszimmers, einem wertvollen Gemälde der jungen Maria Theresia, welches den Charakter des Raumes entscheidend prägt.
Zur 1200-Jahr-Feier 1970 und kurz vor Bildung der Stadt Kraichtal brachte die Gemeinde Menzingen das Buch „Menzingen – Ein Gang durch 1200 Jahre Geschichte“ heraus. Der Autor Günter Bienwald, langjähriger Lehrer und Gemeinderat, hat darin einen Überblick zur Ortsgeschichte gegeben, ist aber auch auf das dörfliche Leben in der Nachkriegszeit eingegangen. Im geschichtlichen Teil seines Buches hat Bienwald verschiedene heimatkundliche Veröffentlichungen des langjährigen Pfarrers von Menzingen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Dr. Otto Becher, erwähnt. Was 1970 jedoch kaum bekannt war: Otto Becher hat ein 400-seitiges Manuskript zur Ortsgeschichte von Menzingen hinterlassen, das nach seinem Tod im Jahr 1930 viele Jahrzehnte im Familienbesitz schlummerte. Auf Initiative des Heimat- und Museumsvereins Kraichtal, insbesondere von Dr. Karl Sommer, ist dieses Manuskript 2002 unter dem Titel „Bilder aus Menzingens Vergangenheit“ übertragen und gedruckt worden. Aus dieser reichen Quelle, Ergebnis einer unermüdlichen Archivarbeit des Pfarrers, wollen wir im Folgenden zitieren, wobei es sich nur um wenige Schlaglichter handeln kann. Dr. Bechers Buch selbst war innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Wer auch immer sich einmal an eine neue Ortsgeschichte von Menzingen wagen sollte, wird darin viele Anregungen und Hinweise finden
Gemmingen gehört zu jenen Dörfern im Kraichgau, die nur wenige Jahre nach der Gründung des Klosters Lorsch durch Schenkungen im Jahre 769 urkundliche Erwähnung fanden. Anlässlich des 1250. Jubiläums der ersten Nennung des Dorfes 2019 wurden mehrere Führungen angeboten, die an historisch wichtigen Stationen Halt machten, um über Ereignisse aus der Gemminger Ortsgeschichte zu informieren.
Was will, was kann und was soll Ortsgeschichte? Zum einen: Informieren über charakteristische, singuläre Ereignisse und Entwicklungen, über ansässige Vereine und Institutionen, über Bau- und Kunstdenkmale sowie historisch beachtenswerte Persönlichkeiten einer Gemeinde. Damit vermag Ortsgeschichte einen Aha-Effekt zu erzeugen, etwa wenn sie optisch Vertrautes durch inhaltlich Relevantes erklärt. Oder aber sie ermöglicht, sofern das geschilderte Ereignis noch in die eigene Erinnerungszeit des jeweiligen Lesers fällt, ein erneutes Gewärtigwerden von Selbsterlebtem. Zum anderen aber soll Ortsgeschichte möglichst auch Mosaiksteine liefern für ein größeres Ganzes, lokale Puzzleteile zum Gesamtbild der Regional- oder sogar Landesgeschichte, indem sie Entwicklungen grundsätzlicherer Natur illustriert und aussagekräftige Beispiele für diese bereitstellt.
Am 29. Januar 972 schenkte ein Diakon Wolvoald, der sehr wahrscheinlich einer reich begüterten fränkischen Adelsfamilie angehörte, eine Anzahl von Orten unserer engeren Heimat, so Marbach, Affalterbach, Erdmannhausen und Rielingshausen, dem Bischof Balderich von Speyer. Als letzter Ort wird in dieser Schenkungsurkunde »Wolvoldestete« genannt. Die Bearbeiter des Württembergischen Urkundenbuchs haben in diesem Ort unser heutiges Wolfsölden vermutet. Dies trifft indes nicht zu. Aus »Wolvoldestete«, das heute wahrscheinlich Wolwaldstetten oder ähnlich hieße und den Namen des Schenkers von 972 festhielte, hätte sprachgeschichtlich schwerlich Wolfsölden werden können. Eine Gleichsetzung mit Erbstetten, dem Stetten des Wolvald, das bereits 794 in Quellen des Klosters Lorsch an der Bergstraße nachweisbar ist, liegt näher.
300 Jahre Ludwigsburg
(2009)
»Geschichte begreifen, Zukunft gestalten, kreativ sein, Feste feiern – Ideenreich Ludwigsburg«, so heißt das Motto unseres Jubiläumsjahres 2009 mit 120 Veranstaltungen und Projekten. Dazu lade ich Sie ein und heiße Sie heute Abend ganz herzlich willkommen! »Geschichte begreifen«, das heißt zunächst: zurückzublicken aus unserer heutigen, globalisierten Zeit mit ihren Risiken und Chancen, zurückzublicken aus der friedlichsten Epoche, die Europa jemals hatte, auf eine Zeit häufiger militärischer Auseinandersetzungen. Das heißt auch: zurückzublicken als Gesellschaft, die nicht mehr wie im Jahrhundert der Stadtgründung von Herzog und Hofstaat absolutistisch regiert wird. Wir haben heute das Recht und die Verantwortung, demokratisch zu wählen. Darüber hinaus besteht für Bürgerinnen und Bürger die Chance, sich an Prozessen und
Entwicklungen zu beteiligen, Verantwortung zu übernehmen, sich ehrenamtlich zu engagieren und damit Gegenwart und Zukunft maßgeblich mitzugestalten. Doch bevor wir uns mit dem Thema »Zukunft gestalten« beschäftigen, wollen wir
uns im Sinne von »Geschichte begreifen« zunächst dem Stadtgründer widmen. Was hat Eberhard Ludwig, der nach dem frühen Tod seines Vaters Herzog Wilhelm Ludwig im Jahr 1677 schon im Alter von neun Monaten Herzog geworden war, später zum Bau des Schlosses und der Stadt inspiriert? Wie kam er zu dieser Idee und weshalb erschien Ludwigsburg innerhalb weniger Jahre auf der europäischen Landkarte? Wie ist die Stadtgesellschaft mit Glanz und Elend, mit Hoffen und Bangen, mit immer neuen Herausforderungen und Chancen umgegangen?
Die Ortenau. - 18 (1931)
(1931)
Die Ortenau. - 3 (1912)
(1912)
Die Ortenau. – 19 (1932)
(1932)
Die Ortenau. - 4 (1913)
(1913)
Die Ortenau. - 5 (1914)
(1914)
Die Ortenau. - 8 (1921)
(1921)
Die Ortenau. - 9 (1922)
(1922)
Die Ortenau. - 10 (1923)
(1923)
Die Ortenau. - 11 (1924)
(1924)
Die Ortenau. - 12 (1925)
(1925)
Die Ortenau. - 13 (1926)
(1926)
Die Ortenau. - 14 (1927)
(1927)
Die Ortenau. - 15 (1928)
(1928)
Die Ortenau. - 17 (1930)
(1930)
Die Ortenau. - 23 (1936)
(1936)
Die Ortenau. - 20 (1933)
(1933)
Die Ortenau. - 22 (1935)
(1935)
Die Ortenau. - 24 (1937)
(1937)
Die Ortenau. - 25 (1938)
(1938)
Die Ortenau. - 26 (1939)
(1939)
Die Ortenau. - 27 (1940)
(1940)
Die Ortenau. - 28 (1941)
(1941)
Die Ortenau. - 29 (1949)
(1949)
Die Ortenau. - 30 (1950)
(1950)
Die Ortenau. - 31 (1951)
(1951)
Die Ortenau. - 32 (1952)
(1952)
Die Ortenau. - 33 (1953)
(1953)
Die Ortenau. - 34 (1954)
(1954)
Die Ortenau. - 35 (1955)
(1955)
Die Ortenau. - 36 (1956)
(1956)
Die Ortenau. - 37 (1957)
(1957)
Die Ortenau. – 38 (1958)
(1958)
Die Ortenau. - 39 (1959)
(1959)
Die Ortenau. - 40 (1960)
(1960)
Die Ortenau. - 41 (1961)
(1961)
Die Ortenau. - 42 (1962)
(1962)
Die Ortenau. - 43 (1963)
(1963)
Die Ortenau. - 44 (1964)
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Die Ortenau. - 45 (1965)
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Die Ortenau. - 46 (1966)
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Die Ortenau. - 49 (1969)
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Die Ortenau. - 50 (1970)
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Die Ortenau. - 51 (1971)
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Die Ortenau. - 52 (1972)
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Die Ortenau. - 53 (1973)
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Die Ortenau. - 54 (1974)
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Die Ortenau. - 55 (1975)
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Die Ortenau. - 56 (1976)
(1976)
Die Ortenau. - 57 (1977)
(1977)
Die Ortenau. - 59 (1979)
(1979)
Die Ortenau. - 60 (1980)
(1980)
Die Ortenau. - 61 (1981)
(1981)
Die Ortenau. - 62 (1982)
(1982)
Die Ortenau. - 63 (1983)
(1983)
Die Ortenau. - 65 (1985)
(1985)
Die Ortenau. - 66 (1986)
(1986)
Die Ortenau. - 67 (1987)
(1987)
Die Ortenau. - 68 (1988)
(1988)
Die Ortenau. - 69 (1989)
(1989)
Die Ortenau. - 70 (1990)
(1990)
Die Ortenau. - 71 (1991)
(1991)
Die Ortenau. - 72 (1992)
(1992)
Die Ortenau. - 73 (1993)
(1993)
Die Ortenau. - 74 (1994)
(1994)
Die Ortenau. - 75 (1995)
(1995)
Die Ortenau. - 76 (1996)
(1996)
Die Ortenau. - 77 (1997)
(1997)
Die Ortenau. - 78 (1998)
(1998)
Die Ortenau. - 79 (1999)
(1999)
Am 13. November 1897 versammelte sich im Ludwigsburger Bahnhotel eine respektable Runde von Honoratioren der Stadt, um den »Historischen Verein für Ludwigsburg und Umgebung« zu gründen. Der neue Verein, der heute »Historischer Verein
für Stadt und Kreis Ludwigsburg« heißt, erhielt natürlich auch eine Satzung. In dieser
Satzung wird als Aufgabe und Zweck des Vereins definiert, »die Geschichte Ludwigsburgs und der Umgebung zu erforschen […] und den Sinn für Altertumskunde zu
wecken und zu pflegen«. Dieses Ziel sollte unter anderem mit öffentlichen Vorträgen
und mit der »Herausgabe einer unter dem Titel ›Ludwigsburger Geschichtsblätter‹ erscheinenden Vereinsschrift« erreicht werden.
Maßgeblicher Initiator und der eigentliche Spiritus rector des neuen Vereins war
Christian Belschner, der dann auch im November 1899 in der Nachfolge von Oberbürgermeister Gustav Hartenstein zum 1. Vorsitzenden des Vereins gewählt wurde.
Christian Belschner war es dann auch, der im Jahre 1900 im Auftrag des Vereins den
ersten Band der »Ludwigsburger Geschichtsblätter« herausgab. Das in der »Kgl. Hofbuchdruckerei Ungeheuer & Ulmer« hergestellte Heft enthält auf 87 Seiten sechs
Beiträge, die sich mit unterschiedlichen Themen aus der Heimatgeschichte befassen.
Drei Beiträge hat Belschner selbst beigesteuert: einen mit dem Titel »Kurze Geschichte
der Entstehung der Stadt Ludwigsburg«, die zwei anderen handeln von der Schulgeschichte Ludwigsburgs und von »Reichsgraf Johann Carl von Zeppelin und sein
Grabmal«. Es ging freilich nicht nur um Ludwigsburger Geschichte. Der Verein nahm
seinen Namenszusatz »für Ludwigsburg und Umgebung« von Anfang an sehr ernst.
Dies verdeutlichen namentlich der Aufsatz von Dr. Karl Weller, der den Lesern des
ersten Ludwigsburger Geschichtsblattes »Die wirtschaftliche Entwicklung der Ludwigsburger Landschaft bis zur Gründung der Stadt« vorstellte, und der Beitrag »Einiges über das Straßenwesen im Herzogtum Wirtemberg und der Bau der Landstraße
Stuttgart–Kornwestheim–Ludwigsburg« von Oberpostsekretär Dr. Friedrich Haaß.
»Nach 50 Jahren trägt die Gemeinde Schöckingen heute noch einen rein bäuerlichen
Charakter mit seinen Vorzügen und Nachteilen. Konservativ zäh am Alten hängend,
schwerfällig, aber gründlich und zuverlässig, sehr vorsichtig allem Neuen gegenüber.« So
beschreibt der Pfarrer im Ruhestand Nathanael Ludwig Heinrich Rösler im Jahre 1935
seine ehemalige Kirchengemeinde, der er von 1926 bis 1934 als Pfarrer gedient hatte.
Schöckingen, Ditzingens kleinster Stadtteil, bis zum 30. Juni 1972 ein kleines, aber
selbständiges Dorf im Strohgäu, feiert in diesem Jahr sein 1200-Jahr-Jubiläum. Anlass
für die Festlichkeiten ist die erste Erwähnung des Ortsnamens in einer Schenkungsurkunde des Klosters Lorsch. In dieser Urkunde ist festgehalten, dass am 4. Juni 814,
also im Todesjahr Karls des Großen, ein gewisser Gunthart und seine Gemahlin Adelspirn dem heiligen Nazarius Güter und Leibeigene im Glemsgau geschenkt haben.
Dabei taucht auch der Name »Skeckinga« auf.
Diese erste Nennung kommt recht spät und gibt wie die Schenkung selbst einige Rätsel
auf. Schenkungen aus dem Glemsgau waren schon fast 50 Jahre zuvor in größerer Zahl
an das fränkische Reichskloster gegangen. Schöckingen blieb lange außen vor. Waren
die Grundherren zu geizig oder nicht fromm genug? Wir werden es nicht erfahren. Sowenig wie wir über die Schenker Gunthart und Adelspirn erfahren werden. Waren sie
fränkische Grundbesitzer, die ihre einst heidnischen alamannischen Untertanen an das
Kloster gaben? Oder waren sie alamannische Grundbesitzer, die sich der fränkischen
Oberherrschaft andienen wollten oder gar mussten? Oder nichts davon?
1250 Jahre Ottmarsheim
(2016)
In der Oberamtsbeschreibung von 1866 heißt es über Ottmarsheim unter anderem: »Der im allgemeinen freundliche, meist aus mittelgroßen Gebäuden bestehende Ort ist reinlich gehalten« und hat auf der Hochebene über dem Neckartal eine »sehr angenehme, freie, jedoch etwas geschützte Lage«. Das Rathaus »mit Türmchen und Glocke auf dem First liegt von allen Seiten frei an der Hauptstraße in der Mitte des Orts und entspricht seiner Bestimmung«. Die 804 Einwohner des Dorfes sind »im allgemeinen kräftige, geordnete Leute, bei denen Sparsamkeit und Fleiß für die höchsten Tugenden gelten«. Ihre Haupterwerbsquellen »bestehen in Feldbau und Viehzucht«. Gutes Trinkwasser liefern »hinlänglich 3 laufende und 8 Pumpbrunnen«. Die Gemeinde ist schuldenfrei. Seit diese Sätze geschrieben wurden, sind 150 Jahre vergangen, und in diesen 150 Jahren hat sich sehr viel verändert: Aus den 804 Einwohnern von einst sind mittlerweile rund 2300 geworden. Die Landwirtschaft spielt heute auch in Ottmarsheim nur noch eine Nebenrolle. Um an gutes Trinkwasser zu kommen, muss man schon lange nicht mehr den mühsamen Weg zu den verschiedenen Brunnen auf sich nehmen, sondern genügt es, einfach den Wasserhahn aufzudrehen. Und Ottmarsheim ist auch nicht mehr schuldenfrei. 1971, bei der Eingemeindung nach Besigheim, lag die Pro-Kopf-Verschuldung bei 211 Mark, also rund 108 Euro, und heute ist sie noch um einiges höher.
Stadt werden
(2018)
Ludwigsburg ist eine typisch europäische Stadt. Nach Walter Siebel (Die europäische Stadt, Frankfurt 2014) zeichnen sich europäische Städte durch fünf Merkmale aus, anhand derer ich meinen Vortrag gliedere. Erstens: Präsenz einer vormodernen Geschichte im Alltag der Stadtbewohner/innen. Hier ist die bürgerliche Gesellschaft entstanden und viele Bauten, die häufig unter Denkmalschutz stehen, belegen diese Geschichte. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Ludwigsburg können bezeugen, dass die Stadt mit ihrer ganz besonderen Gestalt, der Residenz, den Anlagen und der Garnisonsgeschichte ihnen ein Gefühl der Identität, der Orientierung, des Wohlbefindens und der Anerkennung gibt. Historische Gebäude vermitteln in ihrer Dauerhaftigkeit und Schönheit das Gefühl, an einem einzigartigen Ort zu leben.
Der Anlass des heutigen Vortrags, ja der ganzen Veranstaltungsreihe, in deren Rahmen er stattfindet, ist ein vergleichsweise unspektakuläres Schriftstück vom 3. September 1718. Es ist keine feierliche Stadterhebungsurkunde, sondern ein einfaches Reskript, ein nüchterner fürstlicher Befehl, der innerhalb der Landesverwaltung publiziert und an den Geheimen Rat des Herzogtums gerichtet war. Herzog Eberhard Ludwig – »von Gottes Gnaden Herzog zu Württemberg und Teckh, Graf zu Mömpellgard, Herr zu Heydenheimb, der römischen kayserlichen Mayestät, des heyligen römischen Reichs und des löblichen schwäbischen Creyses Generalfeldmarschall, auch Obrister über drey Regimenter zu Roß und Fuß« – gibt darin folgenden Beschluss (»unsere gnädigste resolution«) bekannt: Seiner Residenz Ludwigsburg sollen das bisherigen Amt Gröningen sowie Asperg, Hoheneck, Neckarweihingen, Kornwestheim und weitere Orte »incorporiert und ein Oberamt daraus gemacht« werden. Es folgen weitere Anordnungen über die Verwaltung der bisherigen Ämter und des neuen Oberamtes, der Amtskellerei, der Besteuerung sowie der geistlichen Jurisdiktion. Eberhard Ludwig verfügt weiterhin, dass Ludwigsburg zwei Jahrmärkte, je acht Tage nach der Frankfurter Messe, erhalten soll und dass alle inkorporierten Orte, insbesondere aber auch die Kaufleute aus Stuttgart dort ihre Waren anbieten sollen. Ferner sollen die Handwerkerzünfte aller württembergischen Ämter ihre Zentralen nach Ludwigsburg verlegen. Dann schließlich folgt der für Ludwigsburg wichtigste Satz: »wobei Wir mehrbesagter Unserer Residenzstadt Ludwigsburg noch diese Prägrogatio aus Landesfürstlicher Macht und Hoheit ertheilen, daß selbige die dritte Haubtstatt Unseres Herzogthumbs seyn, bey Unserer treugehorsambsten
Landschaft mit zum engern Ausschuß gezogen werden und das Stattgericht daselbst das Privilegium eines Obergerichts wie Stuttgart und Tübingen dergestalt haben solle, daß auch andern Stätten, außer denen incorporierten, dahin zu appelliren frey stehe«.
In der 1859 vom »Königlichen statistisch-topographischen Bureau« herausgegebenen amtlichen »Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg« wird Asperg als ein »Pfarrdorf mit Marktrecht« bezeichnet. Das alte Stadtrecht – urkundlich
erstmals 1308 belegt, als Graf Ulrich von Asperg »Burg und Stadt Asperg« an den Grafen Eberhard I. von Württemberg verkaufte – hatte damals schon seit gut einem Jahrhundert seine einstige Bedeutung verloren und war dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch formal aufgehoben worden. In der Oberamtsbeschreibung heißt es, Asperg sei ein »ansehnliches, ziemlich regelmäßig angelegtes Dorf«. Und weiter: »Der Ort ist im Allgemeinen freundlich, gut aussehend und mit breiten, gerade geführten, größtenteils gekandelten Straßen versehen, an denen sich die etwas gedrängt, meist aus Holz erbauten Häuser, die zum Teil ein städtisches Aussehen haben, lagern.«
Wenn wir versuchen, uns um 1200 Jahre zurückzudenken, treffen wir auf eine völlig andere Welt. Im Jahre 819, im
sechsten Regierungsjahr des Kaisers Ludwig des Frommen (814–840), des Sohns und Nachfolgers Karls des Großen, war die
Welt anders als die unsrige, nicht nur hinsichtlich der technischen Möglichkeiten, die sich in den letzten zwei Jahrhunderten besonders schnell verändert haben. Vielmehr herrschten damals auch andere staatliche, verfassungsmäßige und rechtliche Verhältnisse, insbesondere hinsichtlich der Rechte des Einzelnen. Diese Andersartigkeit können wir hier nicht darstellen, sondern lediglich anzudeuten versuchen. Zunächst ist aber zu fragen, warum Asperg nur 1200 Jahre alt sein soll. Ist der Ort
auf dem Berg nicht älter? Die vielbeachtete Keltenausstellung, die 2008 hier gezeigt worden ist, hat doch belegt, dass der Berg schon vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden besiedelt war. Zeugen dafür sind die Grabstätten der Keltenfürsten: das Kleinaspergle, der Grafenbühl, der rekonstruierte Grabhügel von Hochdorf und die anderen. Von jedem dieser Grabhügel ergibt sich eine Sichtbeziehung zum Asperg. Schon deswegen kann kein Zweifel daran sein, dass die hier Begrabenen einst auf dem Asperg residierten. Es muss zudem ausreichend Leute gegeben haben, die diese Grabhügel in wochen-, wahrscheinlich aber monatelanger Arbeit aufschütteten. Dies setzt eine gesellschaftliche Organisation voraus, über die man jedoch so gut wie nichts weiß, außer dass es gewiss oben und unten gegeben hat, also eine ständisch gegliederte Gesellschaftsstruktur.