Reformation und Gegenreformation
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Julius Wilhelm Zincgref
(2021)
In allgemeinen Darstellungen zum Dreißigjährigen Krieg kommt der als Herausgeber der Werke von Martin Opitz bekannte Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635) allenfalls als Dichter und Kommentator, nicht aber als Verteidiger Heidelbergs gegen Tillys Liga-Armee vor. Und auch in den allgemeinen Darstellungen zu Heidelberg im Dreißigjährigen Krieg wird Zincgref nur am Rande oder gar nicht erwähnt. Hier soll anlässlich der Wiederkehr der Eroberung und Verwüstung der Stadt vor 400 Jahren Zincgref vorgestellt werden – in seiner Doppelrolle als militanter Calvinist einerseits und als Dichter und damit auch Reflektant seiner Zeit andererseits. Sein „Kriegslied“ „Vermanung zur Dapfferkeit“ soll hier näher betrachtet und als Quelle zur Eroberung Heidelbergs gelesen werden, wenn auch der genaue Zeitpunkt der Entstehung des Textes nach wie vor diskutiert wird. Gleichzeitig versteht sich der Beitrag als ereignisgeschichtliche Synthese zur Belagerung und Einnahme Heidelbergs durch Tillys Liga-Armee im September 1622.
Ebenso wie andere Fürstenhöfe wurde auch der Heidelberger Hof im Frühjahr 1525 von der Erhebung des „Gemeinen Mannes“ überrascht, auch wenn es erste Anzeichen für Unruhen und eine revolutionäre Stimmung unter der Landbevölkerung bereits Jahrzehnte zuvor, insbesondere in den Bundschuhaufständen 1502 und 1517, gegeben hatte. Der Anstoß zum bäuerlichen Widerstand kam indes nicht aus der Residenz- und Universitätsstadt selbst, in der 1518 das Ordenskapitel der Augustinereremiten getagt und Martin Luther mit seiner Kritik an der scholastischen Lehre enormes Aufsehen erregt hatte. Von Oberschwaben und vom Oberrhein her wurden zuerst die linksrheinischen Gebiete der Kurpfalz von der revolutionären Bewegung erfasst, rechts des Rheins griff sie von den markgräflich-badischen und bischöflich-speyerischen Landen über. Vor Beginn der Fastenzeit 1525 hatten Kurfürst Ludwig V. und die Pfalzgrafen Friedrich, Georg, Philipp und Ottheinrich, die am Hofe weilten, sich mit der bei Jägern und Adel beliebten Sauhatz, mit Mummenschanz und Narrenspiel beschäftigt. Dieses bunte Vergnügen änderte sich sehr plötzlich kurz vor Ostern. Die in Memmingen gedruckten Zwölf Artikel der Aufständischen entfalteten ihre Wirkung in den Gebieten des Oberrheins und der Kurpfalz.
Ludwig V. und seine Brüder
(2015)
Mit der Revolution von 1525 beginnt die Geschichte der deutschen Demokratie. Bei dem Historiker Peter Blickle, der die Bauernkriegsforschung auf neue Füße stellte, heißt es: „Die vorwaltende mittelalterliche Vorstellung, Herrschaft sei eine angeborene und gottgewollte Fähigkeit des Adels wurde substituiert […] durch die Überlegung, Herrschaft werde durch einen willentlichen Akt des politischen Zusammenschlusses konstituiert.“ Trotz seiner vernichtenden Niederlage hat sich der Aufstand des Gemeinen Mannes, den auch die Zeitgenossen schon verkürzend „Bauernkrieg“ nannten, tief in das deutsche Gedächtnis eingebrannt. Generationen von allgemein und regional Forschenden haben nicht nur Quellen gesichtet und narrative Zusammenhänge geprägt, sondern auch verschiedenartige Deutungen erarbeitet. Von Interesse könnte die Feststellung sein, dass zwei der bedeutendsten Bauernkriegshistoriker in Heidelberg waren: Günther Franz lehrte hier von 1935 bis 1937 Mittlere und Neuere Geschichte; obwohl er
sich nach 1945 von der NS-Ideologie nie lossagte, ist seine Forschungsleistung unbestritten. Max Steinmetz begann sein Studium 1932/33 in Heidelberg als NS-Student und schloss es 1940 in Freiburg mit einer Dissertation über Ludwig V. ab. Erst in sowjetischer Kriegsgefangenschaft wurde er zum Marxisten und später zum führenden DDR-Historiker des Bauernkriegs. Aber dieses forschungsgeschichtliche Panorama kann hier nicht eröffnet werden. Die Ereignisse des Jahres 1525 für Heidelberg darstellen zu wollen, erschiene ein müßiges Unterfangen. Heidelberg war 1525 keine ‚Zitadelle des Aufruhrs‘ wie 1968, sondern eine Zitadelle der Repression. Auf dem Schloss sammelten sich einige aus ihren Residenzen vertriebene Landesherren, und von hier aus startete der vernichtende Feldzug gegen die Bauernheere im Kraichgau, in Franken und in der Pfalz. In der Residenzstadt selbst blieb es äußerlich ruhig.
In den meisten Chroniken und Abhandlungen zur Orts- und Regionalgeschichte Brettens ist über das Schicksal der Stadt und seiner Bürgerinnen und Bürger während des sog. Dreißigjährigen Krieges in der Zeit zwischen 1618 und 1648 nicht viel zu lesen. So heißt es z.B. in G. Ginter's „Chronik von Bretten“ aus dem Jahr 1967 recht lapidar: „Besondere Einzelheiten über Geschehnisse in Bretten während des Krieges sind uns nicht überliefert. Es darf wohl gesagt werden, daß im ganzen gesehen die Stadt erträglich durch die Wirren dieses längsten aller Kriege kam.“ Wenn auch die historische Quellenlage aus
dieser Zeit in Bezug auf Bretten alles andere als befriedigend ist, so weiß man heute doch: Ganz so erträglich war es leider nicht. Es mag stimmen, dass das damals kurpfälzische, protestantisch-reformierte Bretten (bzw. „Breteheim“) in der ersten Hälfte dieses Krieges und im Schnitt deutlich weniger gelitten hat als die meisten anderen Städte und Dörfer der rechtsrheinischen Pfalz und des Kraichgaus, aber insgesamt hat auch die Melanchthonstadt bluten und leiden müssen.
Jorg Schwartzerdt der Jüngere, Schuttes vnd Keller zu Bretten, Bruder Philipp Melanchthons, dürfte in der Stadt des Peter-und-Paul-Festes allemal als Verfasser der Chronik über den Landshuter Erbfolgekrieg bekannt sein. Dabei war der um 1500/1501 Geborene im Jahre 1504 noch ein Kleinkind gewesen. Nicht von geringerem Wert (aber unbekannter) sind seine Erinnerungen an den »Bauernkrieg« von 1525, den er als junger Mann erlebte und als Zeit- und Augenzeuge die Ereignisse in seiner Heimatstadt Bretten schilderte - wenn auch in der Rückschau.
Das Jahr 2017 war dem Gedenken an den Anstoß zur Reformation vor 500 Jahren gewidmet. Es erinnerte an Luthers Veröffentlichung der Ablass-Thesen am Tag vor Allerheiligen Anno Domini 1517. Sie wurde zum Auftakt der reformatorischen Bewegung, die schließlich in die konfessionelle Spaltung der westlichen Christenheit führte. Im Blick auf die Region am Oberrhein ist die Entwicklung in vier Schritten zu betrachten: Zunächst ist zu klären, welche Ursachen und Bedingungen eine Reformation am Oberrhein begünstigt haben. Im zweiten Schritt sind der unmittelbare Anlass und die Ausbreitung der reformatorischen Bewegung in der Region darzustellen. Sodann geht es um den Prozess der konfessionellen Spaltung im deutschen Südwesten. Schließlich richtet sich der Blick auf die direkten und indirekten Wirkungen und Folgen der Reformation hierzulande. Unter diesen Aspekten wird versucht, die reformatorische Bewegung in der hiesigen Region am Oberrhein, speziell in der Stadt Freiburg und dem Breisgau, genauer wahrzunehmen und zu erkennen, welchen Anteil die Menschen hier an dem geschichtlichen Prozess der Reformation genommen und wie sie an diesem Prozess mitgewirkt haben, aber auch zu sehen, was die Reformation für sie bewirkt hat.
Freiburg vor 500 Jahren: Die Stadt hatte geschätzt 6.000 Einwohner, mehr als doppelt so viele wie Wittenberg. Die Verluste durch die vielen Pestseuchen seit 1349 waren wohl ausgeglichen; allerdings schlug die Seuche auch 1519 wieder zu, wie Ulrich Zasius in einem Brief vom 1. September des Jahres berichtete: Reiche fallen wie Arme, nicht etwa einer nach dem andern, sondern scharenweise. Unruhige Zeiten! Die Bundschuhverschwörung von Lehen im Herbst 1513 mit ihrem sozial- und kirchenpolitisch revolutionären Programm hatte die Stadt gerade überstanden. „Rädelsführer“, die man erwischt hatte, wurden in Freiburg gevierteilt, zwei weitere in Basel enthauptet. Die Ordnung schien wiederhergestellt. Am 5. Dezember 1513 konnte der neue Hochchor des Münsters feierlich eingeweiht werden. Ein Zeugnis für eine gewisse Prosperität der Entwicklung? Ja, am Chorumgang mit dem Kapellenkranz wurde auch in den Folgejahren weitergebaut. Aber Wohlstand für alle? Keineswegs! Die Oberschicht, das sogenannte „Patriziat“, in dem Adel und reiche Kaufleute zu einem Stand mehr oder minder eins wurden, setzte sich deutlich von der übrigen Bürgerschaft ab. Diese „Herren“ hatten das Vermögen, den Einfluss, die Macht. Die Oberschicht umfasste zwei bis drei Dutzend Familien. Die „Münsterpfleger“ gehörten dazu, Stifter von Chorkapellen (Stürtzel, Villinger, von Böcklin, von Blumeneck u.a.) oder Stifter von einzelnen Altären wie Peter Sprung oder Ulrich Wirthner. Sie lenkten die Geschicke der Stadt während der ganzen Reformationszeit. Die breite Mehrheit blieb ohne großen Einfluss. Es waren die Handwerker, organisiert in zwölf Zünften. Ohne eigene Zunft waren die „Bohrer und Balierer“, die die Rosenkränze fertigten und andere Devotionalien für den Fernhandel.
Bauernkriege
(2001)
Vor 475 Jahren vernichtete ein Großbrand fast alle Gebäude des Benediktinerklosters St. Blasien, auch das Stefansmünster und die Benediktkapelle wurden ein Raub der Flammen. Es waren aufständische Bauern, die Pulver aussträuten und dann das Feuer entfachten. „Es verbrennet alles das was die Steina das Wasser abscheidt.“ Sie rächten sich mit dem Anschlag für die Hinrichtung des Bauernführers Kunz Jehle aus Niedermühle. Schon seit Jahrzehnten bestanden Unstimmigkeiten zwischen den Bauern der zu St. Blasien gehörenden Gemeinden und den Mönchen des Klosters. In den Jahren 1524 bis 1526 kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Bauernschaft und den für die österreichische Regierung kämpfenden Soldaten. Es herrschte in dieser Zeit in dem ganzen deutschen Land eine Aufruhr des Landvolkes gegen die Obrigkeit. Wahrscheinlich wurden diese angefacht durch den Geist der Reformation. Im Schwarzwald begann der Aufruhr im Wutachtal, dort erhoben sich die Bauern gegen den Landesherrn den Grafen Sigmund von Lupfen. Der Protest richtete sich gegen zu hohe Abgaben und immer wieder abverlangten Frondienste. Bald schon kam es zum Aufstand auf den Klettgau, dann auf die Grafschaft Fürstenberg und schließlich dann auf das Kloster St. Blasien.
Wilhelm Heinrich Riehl (1822-1897), der Begründer einer volksgewachsenen Kulturgeschichle, hat einmal geschrieben, der Gang durchs Taubertal sei ein Gang durch die deutsche Geschichte. Damit hat er Recht. Aber zu keiner Zeil kam dieser liebenswerten Region - mit Ausnahme der urfränkisch - merowingischen Besiedlung der ostfränkischen Landschaft und der christlichen Missionierung der Franken als elementare Voraussetzung unserer Kultur - eine so hohe Bedeutung zu wie in der
Zeit der Bauernerhebung von 1525. Bauernkrieg steht dafür in den Geschichtsbüchern. Man bezeichnet damit landläufig von Anfang an die Hintergründe, Motive und Vorgänge, obwohl der Begriff im Kern die Sache einseitig ungenau trifft, weil er „die größte Massenerhebung, welche die Geschichte unserer Nation bisher zu verzeichnen hat", wie der liberale Historiker Friedrich von Bezold diese Bewegung bereits 1886 nennt - lediglich auf die Ereignisse der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den Hohen Herren und dem Gemeinen Mann reduziert; denn mehr als 250 Jahre lang hat man in dieser ersten Revolte oder Revolution der Deutschen einzig und allein ein ungerechtfertigtes Aufbegehren, die Zerstörung und blinde Gewalt - einen Krieg der Bauern eben - gesehen, obschon wir sehr eingehend wissen, dass das blutige Ende doch eher ein Krieg gegen die Bauern war. Die Waffen hatten zu viele mundtot gemacht. Und doch erfahren wir ihre Lebendigkeit aus vorhandenen Überresten jener Zeit, aus Spuren, aus Zeugnissen anderer Menschen, von Literaten und Künstlern.
Mit dem 1470 in Untergrombach (heute ein Stadtteil von Bruchsal) geborenen Joß Fritz begann vor 500 Jahren die Bundschuh-Bewegung, die sich steigerte zum Bauernkrieg von 1524/25. Joß Fritz war Leibeigener des Fürstbischofs von Speyer - und was er verlangte, war revolutionär, war Aufruhr: ,,natürlich" sollten die Leibeigenschaft abgeschafft und die kirchlichen Güter verteilt werden, sollte die bestehende Gesellschaftsordnung radikal geändert und durch „göttliche Gerechtigkeit" mehr soziale Gleichheit und Freiheit erkämpft werden. Um die Person Joß Fritz und um die Entwicklungen, die er im ganzen Südwesten seit dem Jahr 1502 in Bewegung gebracht hat, geht es nun 2002, ein halbes Jahrtausend später: Bruchsal gedenkt seines großen Sohnes in einer sehr angemessenen Weise - mit wissenschaftlichem Gedankenaustausch, der die gesamteuropäischen Dimensionen dieser revolutionären Zeitspanne deutlich macht, mit einer Ausstellung, die bäuerliches Leben vor 500 Jahren lebendig werden lässt, und mit einer Publikation, die diesem historisch bedeutsamen Gedenken in beispielhafter Weise entspricht: Thomas Adam, der Leiter des Stadtarchivs, schrieb ein imponierendes kluges Buch über Joß Fritz, über die Bundschuhbewegung und den Bauernkrieg am Oberrhein.