Reformation und Gegenreformation
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Ebenso wie andere Fürstenhöfe wurde auch der Heidelberger Hof im Frühjahr 1525 von der Erhebung des „Gemeinen Mannes“ überrascht, auch wenn es erste Anzeichen für Unruhen und eine revolutionäre Stimmung unter der Landbevölkerung bereits Jahrzehnte zuvor, insbesondere in den Bundschuhaufständen 1502 und 1517, gegeben hatte. Der Anstoß zum bäuerlichen Widerstand kam indes nicht aus der Residenz- und Universitätsstadt selbst, in der 1518 das Ordenskapitel der Augustinereremiten getagt und Martin Luther mit seiner Kritik an der scholastischen Lehre enormes Aufsehen erregt hatte. Von Oberschwaben und vom Oberrhein her wurden zuerst die linksrheinischen Gebiete der Kurpfalz von der revolutionären Bewegung erfasst, rechts des Rheins griff sie von den markgräflich-badischen und bischöflich-speyerischen Landen über. Vor Beginn der Fastenzeit 1525 hatten Kurfürst Ludwig V. und die Pfalzgrafen Friedrich, Georg, Philipp und Ottheinrich, die am Hofe weilten, sich mit der bei Jägern und Adel beliebten Sauhatz, mit Mummenschanz und Narrenspiel beschäftigt. Dieses bunte Vergnügen änderte sich sehr plötzlich kurz vor Ostern. Die in Memmingen gedruckten Zwölf Artikel der Aufständischen entfalteten ihre Wirkung in den Gebieten des Oberrheins und der Kurpfalz.
Ludwig V. und seine Brüder
(2015)
Mit der Revolution von 1525 beginnt die Geschichte der deutschen Demokratie. Bei dem Historiker Peter Blickle, der die Bauernkriegsforschung auf neue Füße stellte, heißt es: „Die vorwaltende mittelalterliche Vorstellung, Herrschaft sei eine angeborene und gottgewollte Fähigkeit des Adels wurde substituiert […] durch die Überlegung, Herrschaft werde durch einen willentlichen Akt des politischen Zusammenschlusses konstituiert.“ Trotz seiner vernichtenden Niederlage hat sich der Aufstand des Gemeinen Mannes, den auch die Zeitgenossen schon verkürzend „Bauernkrieg“ nannten, tief in das deutsche Gedächtnis eingebrannt. Generationen von allgemein und regional Forschenden haben nicht nur Quellen gesichtet und narrative Zusammenhänge geprägt, sondern auch verschiedenartige Deutungen erarbeitet. Von Interesse könnte die Feststellung sein, dass zwei der bedeutendsten Bauernkriegshistoriker in Heidelberg waren: Günther Franz lehrte hier von 1935 bis 1937 Mittlere und Neuere Geschichte; obwohl er
sich nach 1945 von der NS-Ideologie nie lossagte, ist seine Forschungsleistung unbestritten. Max Steinmetz begann sein Studium 1932/33 in Heidelberg als NS-Student und schloss es 1940 in Freiburg mit einer Dissertation über Ludwig V. ab. Erst in sowjetischer Kriegsgefangenschaft wurde er zum Marxisten und später zum führenden DDR-Historiker des Bauernkriegs. Aber dieses forschungsgeschichtliche Panorama kann hier nicht eröffnet werden. Die Ereignisse des Jahres 1525 für Heidelberg darstellen zu wollen, erschiene ein müßiges Unterfangen. Heidelberg war 1525 keine ‚Zitadelle des Aufruhrs‘ wie 1968, sondern eine Zitadelle der Repression. Auf dem Schloss sammelten sich einige aus ihren Residenzen vertriebene Landesherren, und von hier aus startete der vernichtende Feldzug gegen die Bauernheere im Kraichgau, in Franken und in der Pfalz. In der Residenzstadt selbst blieb es äußerlich ruhig.
In den meisten Chroniken und Abhandlungen zur Orts- und Regionalgeschichte Brettens ist über das Schicksal der Stadt und seiner Bürgerinnen und Bürger während des sog. Dreißigjährigen Krieges in der Zeit zwischen 1618 und 1648 nicht viel zu lesen. So heißt es z.B. in G. Ginter's „Chronik von Bretten“ aus dem Jahr 1967 recht lapidar: „Besondere Einzelheiten über Geschehnisse in Bretten während des Krieges sind uns nicht überliefert. Es darf wohl gesagt werden, daß im ganzen gesehen die Stadt erträglich durch die Wirren dieses längsten aller Kriege kam.“ Wenn auch die historische Quellenlage aus
dieser Zeit in Bezug auf Bretten alles andere als befriedigend ist, so weiß man heute doch: Ganz so erträglich war es leider nicht. Es mag stimmen, dass das damals kurpfälzische, protestantisch-reformierte Bretten (bzw. „Breteheim“) in der ersten Hälfte dieses Krieges und im Schnitt deutlich weniger gelitten hat als die meisten anderen Städte und Dörfer der rechtsrheinischen Pfalz und des Kraichgaus, aber insgesamt hat auch die Melanchthonstadt bluten und leiden müssen.
Jorg Schwartzerdt der Jüngere, Schuttes vnd Keller zu Bretten, Bruder Philipp Melanchthons, dürfte in der Stadt des Peter-und-Paul-Festes allemal als Verfasser der Chronik über den Landshuter Erbfolgekrieg bekannt sein. Dabei war der um 1500/1501 Geborene im Jahre 1504 noch ein Kleinkind gewesen. Nicht von geringerem Wert (aber unbekannter) sind seine Erinnerungen an den »Bauernkrieg« von 1525, den er als junger Mann erlebte und als Zeit- und Augenzeuge die Ereignisse in seiner Heimatstadt Bretten schilderte - wenn auch in der Rückschau.
Das Jahr 2017 war dem Gedenken an den Anstoß zur Reformation vor 500 Jahren gewidmet. Es erinnerte an Luthers Veröffentlichung der Ablass-Thesen am Tag vor Allerheiligen Anno Domini 1517. Sie wurde zum Auftakt der reformatorischen Bewegung, die schließlich in die konfessionelle Spaltung der westlichen Christenheit führte. Im Blick auf die Region am Oberrhein ist die Entwicklung in vier Schritten zu betrachten: Zunächst ist zu klären, welche Ursachen und Bedingungen eine Reformation am Oberrhein begünstigt haben. Im zweiten Schritt sind der unmittelbare Anlass und die Ausbreitung der reformatorischen Bewegung in der Region darzustellen. Sodann geht es um den Prozess der konfessionellen Spaltung im deutschen Südwesten. Schließlich richtet sich der Blick auf die direkten und indirekten Wirkungen und Folgen der Reformation hierzulande. Unter diesen Aspekten wird versucht, die reformatorische Bewegung in der hiesigen Region am Oberrhein, speziell in der Stadt Freiburg und dem Breisgau, genauer wahrzunehmen und zu erkennen, welchen Anteil die Menschen hier an dem geschichtlichen Prozess der Reformation genommen und wie sie an diesem Prozess mitgewirkt haben, aber auch zu sehen, was die Reformation für sie bewirkt hat.
Freiburg vor 500 Jahren: Die Stadt hatte geschätzt 6.000 Einwohner, mehr als doppelt so viele wie Wittenberg. Die Verluste durch die vielen Pestseuchen seit 1349 waren wohl ausgeglichen; allerdings schlug die Seuche auch 1519 wieder zu, wie Ulrich Zasius in einem Brief vom 1. September des Jahres berichtete: Reiche fallen wie Arme, nicht etwa einer nach dem andern, sondern scharenweise. Unruhige Zeiten! Die Bundschuhverschwörung von Lehen im Herbst 1513 mit ihrem sozial- und kirchenpolitisch revolutionären Programm hatte die Stadt gerade überstanden. „Rädelsführer“, die man erwischt hatte, wurden in Freiburg gevierteilt, zwei weitere in Basel enthauptet. Die Ordnung schien wiederhergestellt. Am 5. Dezember 1513 konnte der neue Hochchor des Münsters feierlich eingeweiht werden. Ein Zeugnis für eine gewisse Prosperität der Entwicklung? Ja, am Chorumgang mit dem Kapellenkranz wurde auch in den Folgejahren weitergebaut. Aber Wohlstand für alle? Keineswegs! Die Oberschicht, das sogenannte „Patriziat“, in dem Adel und reiche Kaufleute zu einem Stand mehr oder minder eins wurden, setzte sich deutlich von der übrigen Bürgerschaft ab. Diese „Herren“ hatten das Vermögen, den Einfluss, die Macht. Die Oberschicht umfasste zwei bis drei Dutzend Familien. Die „Münsterpfleger“ gehörten dazu, Stifter von Chorkapellen (Stürtzel, Villinger, von Böcklin, von Blumeneck u.a.) oder Stifter von einzelnen Altären wie Peter Sprung oder Ulrich Wirthner. Sie lenkten die Geschicke der Stadt während der ganzen Reformationszeit. Die breite Mehrheit blieb ohne großen Einfluss. Es waren die Handwerker, organisiert in zwölf Zünften. Ohne eigene Zunft waren die „Bohrer und Balierer“, die die Rosenkränze fertigten und andere Devotionalien für den Fernhandel.
Bauernkriege
(2001)
Vor 475 Jahren vernichtete ein Großbrand fast alle Gebäude des Benediktinerklosters St. Blasien, auch das Stefansmünster und die Benediktkapelle wurden ein Raub der Flammen. Es waren aufständische Bauern, die Pulver aussträuten und dann das Feuer entfachten. „Es verbrennet alles das was die Steina das Wasser abscheidt.“ Sie rächten sich mit dem Anschlag für die Hinrichtung des Bauernführers Kunz Jehle aus Niedermühle. Schon seit Jahrzehnten bestanden Unstimmigkeiten zwischen den Bauern der zu St. Blasien gehörenden Gemeinden und den Mönchen des Klosters. In den Jahren 1524 bis 1526 kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Bauernschaft und den für die österreichische Regierung kämpfenden Soldaten. Es herrschte in dieser Zeit in dem ganzen deutschen Land eine Aufruhr des Landvolkes gegen die Obrigkeit. Wahrscheinlich wurden diese angefacht durch den Geist der Reformation. Im Schwarzwald begann der Aufruhr im Wutachtal, dort erhoben sich die Bauern gegen den Landesherrn den Grafen Sigmund von Lupfen. Der Protest richtete sich gegen zu hohe Abgaben und immer wieder abverlangten Frondienste. Bald schon kam es zum Aufstand auf den Klettgau, dann auf die Grafschaft Fürstenberg und schließlich dann auf das Kloster St. Blasien.
Wilhelm Heinrich Riehl (1822-1897), der Begründer einer volksgewachsenen Kulturgeschichle, hat einmal geschrieben, der Gang durchs Taubertal sei ein Gang durch die deutsche Geschichte. Damit hat er Recht. Aber zu keiner Zeil kam dieser liebenswerten Region - mit Ausnahme der urfränkisch - merowingischen Besiedlung der ostfränkischen Landschaft und der christlichen Missionierung der Franken als elementare Voraussetzung unserer Kultur - eine so hohe Bedeutung zu wie in der
Zeit der Bauernerhebung von 1525. Bauernkrieg steht dafür in den Geschichtsbüchern. Man bezeichnet damit landläufig von Anfang an die Hintergründe, Motive und Vorgänge, obwohl der Begriff im Kern die Sache einseitig ungenau trifft, weil er „die größte Massenerhebung, welche die Geschichte unserer Nation bisher zu verzeichnen hat", wie der liberale Historiker Friedrich von Bezold diese Bewegung bereits 1886 nennt - lediglich auf die Ereignisse der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den Hohen Herren und dem Gemeinen Mann reduziert; denn mehr als 250 Jahre lang hat man in dieser ersten Revolte oder Revolution der Deutschen einzig und allein ein ungerechtfertigtes Aufbegehren, die Zerstörung und blinde Gewalt - einen Krieg der Bauern eben - gesehen, obschon wir sehr eingehend wissen, dass das blutige Ende doch eher ein Krieg gegen die Bauern war. Die Waffen hatten zu viele mundtot gemacht. Und doch erfahren wir ihre Lebendigkeit aus vorhandenen Überresten jener Zeit, aus Spuren, aus Zeugnissen anderer Menschen, von Literaten und Künstlern.
Mit dem 1470 in Untergrombach (heute ein Stadtteil von Bruchsal) geborenen Joß Fritz begann vor 500 Jahren die Bundschuh-Bewegung, die sich steigerte zum Bauernkrieg von 1524/25. Joß Fritz war Leibeigener des Fürstbischofs von Speyer - und was er verlangte, war revolutionär, war Aufruhr: ,,natürlich" sollten die Leibeigenschaft abgeschafft und die kirchlichen Güter verteilt werden, sollte die bestehende Gesellschaftsordnung radikal geändert und durch „göttliche Gerechtigkeit" mehr soziale Gleichheit und Freiheit erkämpft werden. Um die Person Joß Fritz und um die Entwicklungen, die er im ganzen Südwesten seit dem Jahr 1502 in Bewegung gebracht hat, geht es nun 2002, ein halbes Jahrtausend später: Bruchsal gedenkt seines großen Sohnes in einer sehr angemessenen Weise - mit wissenschaftlichem Gedankenaustausch, der die gesamteuropäischen Dimensionen dieser revolutionären Zeitspanne deutlich macht, mit einer Ausstellung, die bäuerliches Leben vor 500 Jahren lebendig werden lässt, und mit einer Publikation, die diesem historisch bedeutsamen Gedenken in beispielhafter Weise entspricht: Thomas Adam, der Leiter des Stadtarchivs, schrieb ein imponierendes kluges Buch über Joß Fritz, über die Bundschuhbewegung und den Bauernkrieg am Oberrhein.
Neues von Joß Fritz?
(2002)
Wenn sich der Nachruhm eines Menschen daran messen lässt, wie stark er noch fast 500 Jahre nach seinem Tod die Gemüter erhitzt, polarisiert und manchmal sogar Emotionen hochschlagen lässt - dann ist der Nachruhm von Joß Fritz, dem Bundschuhführer aus Untergrombach bei Bruchsal, zweifellos immens. Er ging mit seinen drei Aufstandsversuchen -
1502 im Hochstift Speyer, 1513 bei Freiburg und 1517 am gesamten Oberrhein - dem deutschen Bauernkrieg von 1525 voraus, er hat ihn (ideologisch und praktisch) wohl auch mit angebahnt. Zwar ist er stets gescheitert, aber immer konnte er seinen Häschern entkommen, und noch einmal tauchte er 1524, am Vorabend des Bauernkrieges, im Hegau auf, um zu verkünden, er könne nicht sterben, ehe der Bundschuh nicht seinen Fortgang genommen habe. Schon zu Lebzeiten hat dieser Rebell und Aufrührer als eine Ikone der Revolution gegolten. Die Behörden seiner Zeit sahen ihn, naheliegender Weise, deshalb als einen Unbelehrbaren an, als einen Wiederholungstäter, und so schrieb ein Freiburger Amtmann nach dem zweiten Aufstandsversuch 1513 über Joß Fritz den bezeichnenden Satz: ,,Der hat sollichs verborgen feur jetzt widerumb anzundt".
Gleichgültig, wen man als den wichtigsten Träger der Reformation bewertet, ob Fürstenreformation oder – wie G. D. Dickens es sehen wollte – die Glaubensneuerung als „urban event“, als Magistratsreformation, nie ist bezweifelt worden, dass zwischen ihr und der Intensivierung und Ausweitung der öffentlichen Gewalt ein enger Zusammenhang – genauer – eine Wechselwirkung – bestand: Auf der einen Seite die Schaffung eines lutherischen Kirchenregiments unter Nutzung des politischen Potentials, auf der anderen die Stabilisierung der politischen Macht durch das Obrigkeitsverständnis der Reformatoren; im Ergebnis: Der frühneuzeitliche Obrigkeitsstaat auf dem Fundament eines konfessionell homogenen Untertanenverbandes. Geradezu paradigmatisch wird dies in der Vorrede zur Großen Kirchenordnung des Herzogtums
Württemberg von 1559 zum Ausdruck gebracht: Wie wir uns dann vor Gott schuldig erkennen [… ] wie auch des Gott, der Allmechtig, in seinem gestrengen Urteil von uns erfordern würdet, vor allen dingen unser undergebne Landtschafft mit der reinen Leer des heiligen Evangelii, so den rechten friden des Gewissens bringt unnd die hailsame waid z(o)m ewigen Hail unnd Leben ist, versorgen.
Am 10. Oktober 1661 (nach altem Kalender) starb Johann Balthas(ar) Fleiner, den der Historiograph des Schüpfergrundes Jakob Ernst Leutwein (1684–1763) in seiner 1761 beendeten Schüpfer Kirchengeschichte den zwölften Kaplan und siebten Pfarrer nannte. Auf den ersten Blick mag der Tod des Geistlichen in einem der „vielherrigen Dörfer“ Frankens keine besondere Aufmerksamkeit seitens der Geschichtsforschung beanspruchen, doch angesichts der herrschaftlichen Struktur ist diese Bewertung zu überprüfen. Der Schüpfergrund mit dem Hauptort Unterschüpf war Ganerbschaft und zugleich Beispiel für die „gestufte Aristokratie“ im alten Reich: Die Dienheim zu Angeltürn und die Ega sowie Stetten zu Kocherstetten waren der fränkischen Reichsritterschaft Ort Odenwald immatrikuliert, während die Hatzfeldt zwar gräfichen Standes waren, doch nicht dem fränkischen Reichsgrafenkollegium angehörten. Die konfessionelle Zugehörigkeit – Ega und Stetten zu Kocherstetten der Confessio Augustana, Dienheim zu Angeltürn und Hatzfeldt der Alten Kirche zugehörig – schuf darüber hinaus eine Situation, die Auseinandersetzungen um Macht und Status geradezu unausweichlich machte.
Phänomen und Begriff der Vermittlungstheologie sind Teil der Kirchen- und Theologiegeschichte des 19. Jahrhunderts. Schon klassisch ist die Charakterisierung Emanuel Hirschs: „Die vornehmsten Verkörperungen des allgemeinen Typus dieser Theologie sind der Schleiermacher befreundet gewesene Carl Immanuel Nitzsch […], wohl der angesehenste Theologe und Kirchenmann der altpreußischen Union im zweiten Drittel des Jahrhunderts, und dann Karl Ullmann […], der angesehenste süddeutsche Theologe. Nitzsch‘ […] ‚System der christlichen Lehre‘ (1829, 1851) ist die beliebteste Dogmatik ihres Menschenalters. Ullmanns Schriften ‚Die Sündlosigkeit Jesu (1828, 1863) und ‚Das Wesen des Christenthums‘ (1845, 1865) gehören zu den meist gelesenen theologischen Büchern jener Jahre.“ Fasst man das Anliegen der genannten Werke zusammen, so konkretisiert sich, was mit den die Theologie prägenden Vermittlungen gemeint ist: Es geht um die Vermittlungen des konfessionellen Erbes innerhalb des Protestantismus, von Luthertum und Reformiertentum. Darin steckt die Nähe der Vermittlungstheologie zur systematischen Begründung und Ausgestaltung der Union. Es geht aber auch um die Vermittlung der Subjektivität des religiösen Bewusstseins im Gefühl mit der Objektivität der Lehre im Begriff, also um nichts Geringeres als die Vermittlung von Schleiermacher und Hegel. Es geht weiter um die Vermittlung von Wissenschaft und Glaube in der Theologie selbst und (sich daraus entwickelnd) um die Vermittlung von Glaube und Kultur, wie sie den Liberalismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte. Carl Ullmann steht selbst und persönlich für die schmerzhafte Ablösung der neuen liberalen „Vermittlungen“ von der alten Vermittlungstheologie.
Im späten 16. Jahrhundert beobachteten kurpfälzische Visitatoren und Pfarrer mit höchstem Befremden die Durchsetzung der calvinistischen Landesreligion mit „Praktiken“, die sie nicht anders denn als paganen Ursprungs bewerteten und die sie längst ausgerottet geglaubt hatten. Dazu hat Bernard Vogler das Folgende bemerkt: „Diese Praktiken einer mündlichen Gesellschaft hinterlassen nur schriftliche Zeugnisse, wenn die Obrigkeit zufällige Vorkommen auch registriert [….]. Es ist wahrscheinlich aufgrund dieser Situation, daß die verurteilten Praktiken eine gewisse Wichtigkeit bewahren und daß die überlieferten Quellen nur einen kleinen Teil des Eisbergs erfassen. Deshalb steht die Arbeit des Historikers in diesem Bereich auf wackligen Füßen, denn das Problem bleibt offen, inwieweit unsere historischen Zeugnisse zentrale oder marginale Begebenheiten beschreiben“. Vogler spricht hier Erscheinungen an, die sowohl in der Erforschung des Untertanenwiderstands nach dem Bauernkrieg als auch in der Reformationsforschung nur wenig Beachtung gefunden haben. Zurecht hat er dies mit der Zufälligkeit und damit Seltenheit der Überlieferung solcher „Praktiken“ erklärt. Um es vorauszuschicken: Die vorliegende Studie thematisiert die Auflehnung von Untertanen des Dorfes Eberstadt (Stadt Buchen, Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg) im Jahre 1593 gegen den Ortsherrn Hans Rüdt von Bödigheim und
Collenberg. Anders jedoch als die ‚klassischen‘ Ursachen wie Konflikte um die Fronen – solche hatte die Herrschaft der Rüdt in den Siebzigerjahren erlebt – , die Erhebung der Schatzung u. ä. speiste sich hier die Widersetzlichkeit von Untertanen nicht zuletzt aus dem Verbot von Vorstellungen und Bräuchen, die sich in den Augen des Dorfherrn und seines Pfarrers als paganes und vermeintlich altkirchliches Erbe nicht mit dem Luthertum vereinbaren ließen und die eine frappierende Ähnlichkeit mit den von Vogler beschriebenen pfälzischen „Praktiken“ aufweisen.
Das Ius patronatus in Händen evangelischer Reichsritter, auf welches sie nach dem Augsburger Religionsfrieden ihre Kirchenherrschaft gründeten, ist eine altbekannte Erscheinung. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist aber die Tatsache, dass gelegentlich vom Ius episcopale oder den Iura episcopalia gesprochen wird. Damit stellt sich die Frage nach dem Inhalt dieses Begriffs. Wird er als Synonym für Patronat gebraucht? Drückt sich darin der Stolz auf die erlangte Kirchenhoheit aus? Oder ist er tatsächlich als Rechtsterminus zu verstehen? Am Beispiel eines Mikrokosmos, der Ganerbschaft Schüpf, wird eine Antwort auf diese Fragen versucht.
Am 4. April 1556 machte Kurfürst Ottheinrich, soeben mit dem Ableben seines Vorgängers und Onkels Kurfürst Friedrich II. in die pfälzische Kurwürde eingerückt, durch einen zu Alzey gezeichneten Erlass die Reformation lutherischer Prägung für
die Kurpfalz verbindlich. Wenig später, am 1. Juni desselben Jahres, schloss sich die Markgrafschaft Baden-Pforzheim, die spätere Markgrafschaft Baden-Durlach, durch einen entsprechenden Erlass von Markgraf Karl II. an. Damit war die reformatorische Entwicklung im deutschen Südwesten gewissermaßen vervollständigt und zu einem ersten vorläufigen Abschluss gebracht. Grundlage reformatorischer Maßnahmen in beiden Territorien war die von dem Stuttgarter Propst Johannes Brenz erarbeitete württembergische Kirchenordnung des Jahres 1553, die Herzog Christoph im Jahr
1555 mit einer Anzahl weiterer reformatorischer Gesetzestexte für den Gebrauch seines kurfürstlichen Nachbarn, des damals noch regierenden Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz, hatte zusammenstellen lassen, ein Corpus, das den Kern der späteren
Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 bildet.
Im Jahr 2001 hat der Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden einen Sammelband mit dem Titel Reformierte Spuren in Baden veröffentlicht. Dieser Band widmet sich vor allem dem Versuch Markgraf Ernst Friedrichs,
1599 ein reformiertes Bekenntnis in der lutherischen Markgrafschaft Baden-Durlach einzuführen. Zwei Beiträge gehen auf die Frage ein, ob es auch heute noch reformierte Spuren in der Evangelischen Landeskirche in Baden gibt. Johannes Calvin wird in
diesem Band nur selten erwähnt. Er scheint weder im 16. Jahrhundert noch im 20. Jahrhundert eine nennenswerte Rolle in Baden gespielt zu haben.
Am 24. Juni 1832 wurde in der Spitalkirche in der Stadt Baden der erste Gottesdienst der neugegründeten evangelischen Kirchengemeinde mit ihrem ersten Pfarrer Christoph Schmezer gefeiert. Im Folgenden soll jedoch die Vorgeschichte der evangelischen Kirchengemeinde in den Blick kommen. Ich beginne darum gut 300 Jahre vor der Gemeindegründung, im 16. Jahrhundert, weil ich den oft zu hörenden Satz: „Vor dem 19. Jahrhundert war Baden rein katholisch“ so nicht stehen lassen möchte. Wer sich mit der Vorgeschichte der evangelischen Gemeinde in Baden differenzierter beschäftigt, erfährt nämlich, dass es acht Mal einen Konfessionswechel in der Stadt gegeben hat.
Etwas Romantik klingt im Titel an, aber es geht hier nicht darum die Vergangenheit zu verklären sondern wir versuchen ein Licht zu werfen auf die tief greifende Veränderung und Verwandlung der religiösen Landschaft in Deutschland, die man Reformation nennt und deren Nachwirkung und Folge es ist, dass es hier im Kraichgau evangelische Gemeinden bis heute gibt.
Wer sich diesem Thema widmet, muss bei David Chyträus – eigentlich David Kochhaf – beginnen, einem Pfarrersohn aus Menzingen. Chyträus besuchte die Lateinschule in Gemmingen, studierte Theologie in Wittenberg, wurde dort von Melanchthon gefördert und schließlich zum Professor in Rostock berufen. In seiner berühmten Rede de Craichgoia von 1558 hat er ein Loblied auf den Kraichgau gesungen, zu einer Zeit, in der noch alles in Blüte stand und jene furchtbaren Kriege und
Verwüstungen noch fern waren.
Der Augsburger Religionsfrieden fiel sowohl in der Kurpfalz als auch in Baden in eine konfessionelle Übergangssituation: Beide Territorien durchliefen seit Jahrzehnten eine Phase der Vorreformation mit spontaner Konfessionsveränderung auf der Gemeindeebene. In der Kurpfalz wie in Baden-Pforzheim ging die Entwicklung 1556, das heißt in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Religionsfrieden, in eine offene, obrigkeitlich gelenkte Reformation über. Von daher drängt sich ein Vergleich auf, und die Frage liegt nahe, ob die Reformationen in den beiden Nachbarterritorien nur in einem chronologischen oder auch in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Religionsfrieden standen.
Aufgrund eines fürstlichen Generalausschreibens vom 18. Februar 1642 [1], wonach die Beisitzgelder von Pfahlbürgern in Stuttgart und anderen Städten
dem Landesherrn zustehen sollten, fragte der Kirchheimer Untervogt Wendel
Kurrer am 23. Dezember bei der Regierung an, ob dies auch in Kirchheim –
obwohl zuvor nie üblich – so gehalten werden und auch auf Adelige, die bürgerliche Güter erworben hätten, Anwendung finden sollte. In einem weiteren
Schreiben vom 7. Februar 1643 heißt es, dass »dieser Zeiten sich eine starke Anzahl Volks, so ußer der Nachbarschaft als dem Amt Göppingen und der Ritterschaft zugehörigen Flecken bei jetzt höchst klaglichen Kriegsläuften hiehero
geflohen, sich in der Stadt befindet, welche alle zu Gott seufzen, dass sie wiederum hinaus an Ort und Ende, wo sie das Ihrige verlassen haben, kommen
könnten«, und dass diese nicht unter die Beisitzer gezählt werden. In einem
dritten Schriftstück vom 21.April 1643 geht es schließlich um die von unverbürgerten Einwohnern zu leistende Kriegskontribution.
Wer sich näher mit dem Konstanzer Reichstag beschäftigt, wird schnell feststellen, dass es sich dabei nicht nur um ein stadtgeschichtliches Ereignis handelt. Eine solche Auffassung würde der Bedeutung dessen, was 1507 in Konstanz geschah, nicht in
jeder Hinsicht gerecht. Waren es doch immerhin, wie man damals sagte, »König und
Reich«, die sich in den Mauern der alten Reichs- und Bischofsstadt am Bodensee versammelten.
Es handelte sich also um einen geschichtlichen Vorgang, der Konstanz noch
einmal für kurze Zeit zu einem Zentrum deutscher und europäischer Politik werden
ließ. Ähnlich wie das große Konzil, das von 1414 bis 1418 im Konstanzer Münster tagte, kann mithin auch der Reichstag von 1507 nicht nur als eine Angelegenheit lokal- und stadtgeschichdichen Interesses behandelt werden. Er hatte vielmehr reichsgeschichdiche und damit auch europäische Bedeutung. Es ging jetzt allerdings nicht
mehr wie zu Anfang des 15. Jahrhunderts um kirchlich-religiöse, sondern um politische
Fragen, die das Reich und seine künftige politische Existenz in Europa unmittelbar betrafen.
Die Ratsprotokolle im Offenburger Stadtarchiv beginnen 1595, oder sollte man sagen, sie enden hier? Möchte man etwas über
die Ereignisse in der Stadt aus früherer Zeit erfahren, muss man auf verstreut vorhandene Quellen zurückgreifen. Die meisten
befinden sich im Generallandesarchiv in Karlsruhe und in den Archives de la ville et de l’Eurométropole de Strasbourg. Bis heute sind längst nicht alle Archivalien erschlossen. Ein in Straßburg vorliegender Schriftwechsel, der von Wissenschaftlern der Universität Toronto in den Jahren 2005 bis 2015 transkribiert, ins Englische übersetzt und veröffentlicht wurde, erlaubt uns einen Einblick in Ereignisse während der Zeit der Reformation, die auch Offenburg betreffen. Es geht um einen Kirchenraub, durchgeführt von Chorherren des Stifts St. Thomas in Straßburg.
Trotz der Abgeschiedenheit des Tales Harmersbach sind auch hier die Auswirkungen der Reformation zu spüren gewesen.
Wegen der dürftigen Quellenlage, unter anderem verursacht durch den großen Stadtbrand in der benachbarten Reichsstadt
Zell a. H. 1543, und wegen der Vernichtung zahlreicher Unterlagen in Stadt und Tal durch Feuer, das marodierende Soldaten
1643 während des Dreißigjährigen Krieges gelegt hatten, kann man die Versuche religiöser Umbrüche nur ansatzweise rekonstruieren.
Die konfessionelle Konfrontation und der Gegensatz der europäischen Mächte führten 1618 zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Er weitete sich von einem religiösen zu einem politischen Kampf um die Vormacht in Europa aus. Bis auf die Eidgenossenschaft waren weite Gebiete am Oberrhein von schweren Zerstörungen und einem dramatischen Bevölkerungsverlust betroffen. Erst nach dem Westfälischen Frieden 1648 und den Eroberungskriegen Frankreichs
begann am Oberrhein eine längere Friedensperiode.
Im Jahr 2017 wurde deutschlandweit das 500-jährige Jubiläum der Reformation gefeiert. Die Junker von Menzingen waren eine der ersten Lehnsherren im Kraichgau, die sich den reformatorischen Ideen Luthers anschlossen. Schon damals hatte Luthers Gedankengut für einen Wandel in der Gesellschaft geführt. Vielerorts brachen Bauernaufstände aus, in denen sich die Aufständischen durch die Bibelübersetzung und Luthers Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen auf göttliches Recht beriefen. Diese Aufstände gingen als Bauernkriege in die Geschichte ein. Ihre Forderungen gegenüber dem Schwäbischen Bund hatten die Aufständischen in Memmingen in den sogenannten 12 Artikeln festgehalten, die sich von dort ausgehend dank der neuen Erfindung des Buchdrucks rasant verbreiteten. Schließlich gelangte dieses Gedankengut auch in den Kraichgau, wo sich die Bauern unter Anton Eisenhut, einem Pfarrer aus Eppingen, zusammenschlossen.
Im Kraichgauort Knittlingen hütet das Faust-Museum sorgsam, was man für die Hinterlassenschaften des historischen Dr. Faustus hält: Einen Giftschrank und ein Pergament mit dem alchemistischen „SATOR-AREPO“-Zeichen. Neben einer Melanchthon-Äußerung und der notariell beglaubigten Abschrift eines Knittlinger Kaufbriefs von 1542 stützen Schrank und Pergament die Annahme, der historische Dr. Faustus stamme aus dem Kraichgauort. Diese lokal geschichtliche Verwurzelung ist es nicht zuletzt, die Goethe-Kenner und Touristen in das Knittlinger Faust-Museum zieht. Eine genaue wissenschaftliche Untersuchung des Alters von Giftschrank und Tinte auf dem „SATORAREPO“-Pergament lehnte der frühere Leiter des Faust-Museums, Günther Mahal, jedoch ab. Inzwischen erkennt man in Knittlingen an, dass der Giftschrank aus Expertensicht ungefähr aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt und nicht direkt auf den historischen Dr. Faustus zurückgeht. Soviel Wirklichkeitssinn ist anerkennenswert, besonders weil andere Ortschaften, darunter das im nördlichen Kraichgau gelegene Helmstadt-Bargen, aufgrund wider streitender Indizien auch schon einmal den Anspruch erhoben haben, Geburtsort des Fausts zu sein. Belegt ist seine Tätigkeit als wandernder Wunderheiler, Magier und Alchimist. Bei vielen Zeitgenossen hatte er einen schlechten Ruf, galt als Scharlatan, Herumtreiber und Betrüger. Mehrere Städte haben ihm die Einreise verwehrt oder ihn ausgewiesen. Nachdem er etwa 1540 im breisgauischen Staufen vermutlich bei einer Explosion ums Leben gekommen war, behaupteten manche, ihn habe der Teufel geholt.
Um das Jahr 1500 herum lebten in Markgröningen ungefähr 1500 Einwohner. Eine
Stadtmauer mit damals nur drei Toren schützte die Bevölkerung samt Hab und Gut.
Im Nordwesten der Siedlung lag, von einer eigenen Mauer umgrenzt, das herzogliche
Schloss. Darüber hinaus bot die Stadt in Kriegsfällen auch Schutz für die zum Amt
gehörenden Amtsorte. Reisende fanden in Schildwirtschaften Übernachtungsmöglichkeiten, wo ihre Pferde versorgt wurden und man die Wagen unterstellen konnte.
Das Amt war ein von Vogt und Gericht beherrschter Wehr-, Hochgerichts-,
Steuer- und Verwaltungsbezirk. Der Vogt wurde als Vertreter des Landesherrn vom
Herzog eingesetzt. Mit dem Stadtgericht und dem Rat zusammen bildete er die
Exekutive und hatte darauf zu achten, dass herzogliche Anordnungen befolgt und
umgesetzt wurden. Politische Macht besaß die sogenannte Ehrbarkeit. Das waren
angesehene bürgerliche Familien mit Vermögen und landesweiten Verwandtschaftsbeziehungen zu Amtsträgern. Neun Familien, darunter die Vollands in Markgröningen, stellten in 43 württembergischen Ämtern 17 Vögte und einen Keller. Neben
Philipp Volland, der in Markgröningen das Vogtamt innehatte, war sein jüngerer
Bruder Claus in Besigheim Keller und Vogt. Der ältere Bruder, Ambrosius Volland,
war Rat und Kanzler Herzog Ulrichs.
Herzog Ulrich von Württemberg wurde 1503 mit 16 Jahren für mündig erklärt. Zunächst war er ein recht erfolgreicher Regent, denn im Bayerischen Erbfolgekrieg von
1504 konnte er sein Land im Westen, Norden und Osten wesentlich vergrößern. In
Marbach war man darüber besonders glücklich, denn Stadt und Amt wurden aus der
seit 1463 währenden Lehensabhängigkeit von der Pfalz gelöst.
Seine Hochzeit mit Sabina von Bayern feierte Ulrich unter anderem am 3. Mai 1511
mit einem glanzvollen Pferderennen in Marbach. Aufgrund des Erfolges wurde die
Veranstaltung 1512 wiederholt.
Herzog Ulrich war jedoch ein selbstherrlicher Regent, der bald seine enge Bindung an
den Kaiser und den Schwäbischen Bund vernachlässigte. Seine verschwenderische und
maßlose Hofhaltung brachte ihn in finanzielle Schwierigkeiten, die er auf Kosten der
Untertanen zu bekämpfen versuchte. Eine ungerechte Verbraucherabgabe sowie die Veränderung von Maß und Gewicht blieben nicht ohne Folge, zumal viele Bauern und Weingärtner nicht mehr nur das verarmte und unmündige Proletariat auf dem Lande waren,
sondern in vielen Bereichen mehr Mitspracherecht forderten. Die aufgeheizte Stimmung
entlud sich zuerst im Remstal. Von dort erfasste der Aufruhr des »Armen Konrad« im
Frühjahr 1514 in kürzester Zeit das ganze Land, so auch Marbach und Umgebung.
Das Verlangen nach einer Reform der Kirche war schon vor 1517 zu verspüren.
Luthers 95 Thesen bildeten dann den Auslöser der nun folgenden Reformationsbewegung.
Wesentliche Voraussetzungen der Reformation sind in den Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts zu suchen, die die Kirche ebenso betrafen, wie
das politische Leben und die Bildung. Überhaupt kann das 15. Jahrhundert als
Zeit der Reformen bezeichnet werden. Das heißt, dass der Reformbegriff bereits
geläufig war und es lediglich auf einer Übereinkunft der Historiker beruht, dass
wir einerseits von den Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts reden, andererseits aber von der Reformation des 16. Jahrhunderts. Grundlegend für beide
Begriffe ist das lateinische Wort »reformatio«, das so viel wie Wiederherstellung
oder Erneuerung bedeutet.
Geschichte vor dem 20. Jahrhundert ist in den Lehrplänen sämtlicher Schularten arg ausgedünnt. Das gilt insbesondere für die frühe Neuzeit, also das 16. bis 18. Jahrhundert, wo die Reformation Luthers im 16. Jahrhundert und der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert kaum noch vorkommen. Das vom Gymnasium mitgebrachte Vorwissen von Studienanfängern im Fach Geschichte zu diesen Themen liegt jedenfalls bei null. Zum Dreißigjährigen Krieg lernt man allenfalls dessen Grobgliederung und erfährt dann theoretisch – in der Praxis leider meist nicht einmal das –, dass der Konflikt, den wir heute als den Dreißigjährigen Krieg bezeichnen, aus fünf Phasen bestand: 1) dem böhmischen Krieg 1618–1620; 2) dem spanisch-niederländischen Krieg 1621–1625, dessen Auswirkungen aber bereits heftig auch ins eigentliche Deutschland hinein ausstrahlten; 3) dem dänischen Krieg 1625–1629, der im sogenannten Restitutionsedikt von 1629 gipfelte; 4) dem schwedischen Krieg 1630–1635, der eigentlich mit dem Frieden von Prag 1635 hätte beendet sein sollen; 5) dem französischen Krieg, der 1635 begann und sich qualvolle 13 Jahre bis 1648 hinzog.
Uns hat glaublichen angelangt, so beginnt der Straßburger Bischof Albrecht am 15. April 1502 sein Schreiben an das elsässische Oberehnheim, welches er vor der erneuten Gefahr des ‚Bundschuhs‘ warnt, der noch zur zit nit herloschen
sei. Die Bewegung des Bundschuhs sei nach den Vorkommnissen 1493 in Schlettstadt nicht aufgelöst, sondern habe sich wieder vereint, werbe neue Mitglieder an und plane, sich zu erheben. Galt der Bundschuh – die übliche Fußbekleidung von Bauern und Handwerkern – in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch „als Symbol für Verteidigung, Rechtschaffenheit, Recht und Freiheit“, wurde er um die Jahrhundertwende „im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation zum Symbol für gewaltsamen Umsturz und Terror“. Bereits 1493 war es in Schlettstadt zu einem ‚Bundschuh‘, zu einer Verschwörung des einfachen Volkes gegen die Obrigkeit, gekommen. Gemein ist dem Schlettstadter und dem Untergrombacher Bundschuh sowie den späteren als Bundschuh klassifizierten Ereignissen die frühzeitige Aufdeckung durch Verrat, bevor die geschmiedeten Pläne in die Tat umgesetzt werden konnten. „Das Ereignis eines Bundschuhaufstands“, so Guy P. Marchal, „der offenkundig allen vor Augen getreten wäre und dessen Umfang, Verlauf, Erfolg oder Niederwerfung in vielfältigen Zeugnissen uns überliefert wurde, hat nicht stattgefunden“.
Unser Bild vom Badeleben in Griesbach und Peterstal nach dem Dreißigjährigen Krieg ist weitgehend von den Schilderungen Johann Michael Moscheroschs und Johann Jakobs von Grimmelshausen geprägt, die in diesem Zusammenhang immer wieder zitiert werden. Hinzu kommt ein Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren aus dem Jahr 1644, der zeigt,
daß sich das Bad Peterstal mit seinen Badestuben und Wandelgängen in zwei geräumigen Häusern, mit Nebengebäuden und Gärten, unversehrt durch die Kriegsjahre erhalten haben muß. Moscherosch im Eingang zu seinem Gesicht ,Höllenkinder', dem sechsten seiner insgesamt vierzehn ,Gesichte ', Grimmelshausen im fünften Buch des ,Simplicissimus' und im Eingang zum ,Ratstübel Plutonis', zeichneten drastisch das Bild von leichtlebigen, den Schlemmereien der Tafel, den Freuden der Musik und des Tanzes und nicht zuletzt den erotischen Vergnügungen hingegebenen, meist vornehmen Kurgästen, die nachzuholen bestrebt waren, was ihnen die Kriegsjahre verwehrt hatten. Unter sie hatte sich jenes lose Volk eingeschlichen, das wie Courasche seinen Profit suchte. Simplicissimus verdankt der Begegnung mit Courasche jenen Bankert, den jungen Simplicius,
dem er den ,Ewigwährenden Kalender' gewidmet hat.
Das Fürstlich Fürsten bergische Archiv in Donaueschingen ist eine bedeutende Quelle zur Geschichte des Kinzigtales, da
Teile dieser Landschaft einst zum Fürstenbergischen Hause gehört hatten. So finden sich in Donaueschingen viele amtliche Dokumente, Archivalien und Urkunden, die - vor allem, was die ältere Geschichte betrifft - sorgfältig ediert in Urkundenbüchern und Findbüchern erschlossen sind. Doch nicht alles ist publiziert und so kann man gelegentlich Zufallsfunde machen, wie die im Folgenden vorgestellte Korrespondenz des Fürsten Friedrich Rudolph von Fürstenberg mit seinem Amtmann in Haslach, Simon Fink. Das Besondere an diesen Schreiben: Sie sind partiell in Geheimschrift geschrieben, die der Empfänger Fink entschlüsseln musste. Das tat er, indem er den entsprechenden Buchstaben unter die Chiffre geschrieben hat, sodass man sich auch als heutiger Leser keine große Mühe mit dem Entziffern machen muss. Der derart entschlüsselte Satz lässt sich problemlos lesen, der Geheimcode des Fürsten ist geknackt.
Am Sonntag, 23. März 2014, um 17 Uhr fiel der Startschuss zur 750-Jahr-Feier der Gemeinde Altschweier (Bühl). Vor mehr als 500 Jahren, im Jahre 1514, versuchte der „Gugelbastian" im Bühler Amt, wozu auch Altschweier gehörte, einen Aufstand
anzuzetteln. Grund genug, mithilfe einiger Dokumente die damaligen Verhältnisse erneut unter die Lupe zu nehmen, zumal eine Bastian-Gugel-Statue auf den Anführer hinweisen soll. Der Aufstand, der sich im Bühler Amt im Jahre 1514 abspielte, ist schon vielfach behandelt worden. Die Autorennamen reichen von Heinrich Schreiber, 1824, über Albert Rosenkranz, Karl Reinfried, zahlreichen Zeitungsartikeln bis hin zu Michael Rumpf, um nur einige zu nennen. Trotzdem bleiben viele Fragen offen. Einige, wenn auch auf den ersten Blick z. T. nebensächliche Aspekte, sollen im Folgenden angesprochen werden.
Im Stadtarchiv Freiburg lagert unter der Signatur Cl Militaria 101 , fol. 39r-41v, ein Schriftstück
aus dem Deutschen Bauernkrieg von 1525. Es trägt die Überschrift "Handlung vnd feldartickel,
so furgenomen worden sind vjf montag nach der alten vaßnacht [ 6. März] von allen
hujfen vnd reten, so sich zusammen verpjlicht in dem namen der heilgen vnzerteilten dryvaltigkeit
anno etc xvc xxv [1525]" .
Unschwer erkennt man in der sorgfältig erstellten Handschrift ein zentrales Dokument aus
der Erhebung von 1525 wieder: die in der modernen Geschichtswissenschaft sogenannte
„Memminger Bundesordnung". Diese wurde von den Führern der drei oberschwäbischen
Bauernhaufen am 6. und 7. März in Memmingen als Verfassung der von ihnen gegründeten
„Christlichen Vereinigung" beraten und verabschiedet.' Wenig später wurde sie gedruckt; was
die Bedeutung erkennen lässt, die ihr damals beigemessen wurde. Denn nur zwei bäuerlichen
Programmschriften, den „Zwölf Artikeln" und der „Memminger Bundesordnung", widerfuhr
die Auszeichnung, im Druck bekannt gemacht zu werden. Bei genauerem Hinsehen wird aber
auch deutlich, dass die Freiburger Handschrift keine bloße Abschrift des gedruckten Textes war.
Durch Streichung, Abwandlung und Hinzufügung von Artikeln war sie vielmehr eine eigene,
für sich stehende Fassung der gedruckten „Memminger Bundesordnung" - eine nach ihrem archivalischen
Lagerort sogenannte „Freiburger Bundesordnung".
Wer sich mit dem „Bundschuh" befasste, galt lange Zeit als gut beraten, sich den Arbeiten von
Albert Rosenkranz und Günther Franz anzuvertrauen.[1] Albert Rosenkranz hatte 1927 die vorhandenen Quellen zu den Bundschuh-Verschwörungen von 1493, 1502, 1513 sowie 1517
veröffentlicht und zugleich eine eingehende Schilderung jener vier „Erhebungen des südwestdeutschen Bauernstandes" gegeben. Sechs Jahre später ordnete Günther Franz den Bundschuh
- sich inhaltlich auf das „grundlegende" Werk von Rosenkranz stützend - in den Gang der
bäuerlichen Erhebungen vor dem Bauernkrieg von 1525 ein.
Die wissenschaftliche Tagung in Bruchsal 2002 (Anlass war die 500-jährige Wiederkehr des
Bundschuhs zu Untergrombach) machte erstmals Abstriche am gültigen Bild des Bundschuhs.
Rolf Köhn urteilte über die Arbeit von Rosenkranz: ,,Während seine Quellenausgabe bis heute
maßgeblich blieb, genügt seine Darstellung nicht mehr den Anforderungen der Geschichtswissenschaft."[2] Claudia Ulbrich leitete ihren Beitrag über den Untergrombacher Bundschuh sogar
mit dem Satz ein: "[ ... ] die Quellen lassen eine Rekonstruktion dessen, was sich 1502 in Untergrombach abgespielt hat, nicht zu."[3] Ich selbst habe eine Darstellung des Lehener Bundschuhs
von 1513 gegeben und dabei einige ältere Aussagen infrage gestellt.[4] Im Folgenden
greife ich die Ansätze von 2002 erneut auf und unterziehe den Lehener Bundschuh einer
nochmaligen kritischen Betrachtung. Ich glaube, dass ich die ältere Interpretation in zentralen
Punkten und mit größerer Bestimmtheit als 2002 revidieren kann.
Im Urkundenbestand des Stadtarchivs Freiburg befindet sich ein undatiertes broschiertes Doppelheft, das zeitlich wohl um das Jahr 1522 einzuordnen ist. Es handelt sich dabei um die Niederschrift aus der Hand eines Freiburger Ratsschreibers von Rechtfertigungsaussagen eines nicht
genannten evangelisch Gesinnten, der Anschuldigungen eines Münstergeistlichen zurückweisen
will, er habe sich mehrmals öffentlich gegen dessen katholische Predigten geäußert. Die Beschaffenheit und das Äußere des Hefts geben indes mancherlei Rätsel auf. Seine Blätter sind beidseitig
in Spalten (mit Ausnahme von Blatt 1) beschrieben, wie wir es etwa auch aus den Freiburger
Ratsprotokollen kennen, freilich mit Streichungen, Einschüben und eingenähten Viertel- oder
Halbblättern. Daraus ist zu schließen, dass es sich um schriftliche Eingaben des Angeklagten
bei einem Verhör handelt, das sich über mehrere Termine bzw. Tage erstreckte; diese hat der
Schreiber sodann im Protokoll wörtlich übernommen. Diese Vermutung wird dadurch erhärtet,
dass die Antworten des Angeklagten recht detailliert ausfallen, mit zumeist getreu zitierten Belegstellen aus beiden Testamenten der heiligen Schrift sowie dem „Decretum Gratiani", sowohl
auf Deutsch als auch auf Latein, die mündlich kaum so hätten vorgetragen werden können. Es
verwundert dennoch, dass der Schreiber einer katholisch gebliebenen Stadt dieses evangelische
,Beweismaterial' in solcher Ausführlichkeit zu Papier gebracht hat, es sei denn, die Obrigkeit
wollte sehr genaue Auskünfte über das Ausmaß der evangelischen Gesinnung in der Stadt und
den Kenntnisgrad ihrer Anhänger gewinnen. 2 Noch befremdlicher ist die Tatsache, dass das Heft
die Antworten auf zwei Beschwerdepunkte enthält, eine dritte jedoch nach zunächst niedergeschriebener, dann gestrichener Inhaltsangabe weglässt. Darauf wird zurückzukommen sein.
Nachdem im Jahre 1524 erste Erhebungen am Hochrhein und im Schwarzwald ausgebrochen waren, ergriff der große Bauernkrieg im Jahre 1525 ein Gebiet, welches von Thüringen bis ins Elsass und von Mainz bis ins salzburgische Land reichte. Dabei kam es auch im Hochstift Speyer und im Gebiet des kurpfälzischen Territoriums zum Aufruhr. Der Bischof von Speyer und der pfälzische Kurfürst Ludwig V. reagierten auf diese Erhebung zuerst recht zögernd. Um Zeit zu gewinnen
und Truppen auszuheben, gingen beide zunächst auf die Forderungen ihrer Untertanen ein. Als die Haufen der Aufständischen sich zerstreut hatten, zog der Pfalzgraf mit einem gut ausgestatteten Heer zu Felde und unterwarf sich die von ihm abgefallenen Gebiete. Im Bruhrain und Kraichgau wurden die fünf speyerischen Amter Bruchsal, Rotenberg, Udenheim, Grambach und Kislau hart bestraft. Am 5. Juni 1525 stellten zudem die kurpfälzischen Städte Eppingen, Heidelsheim, Hilsbach und Sinsheim den hier zu behandelnden Revers für den Pfalzgrafen aus. Zunächst wird der Bauernkrieg im Bruhrain und im Kraichgau charakaterisiert. - Auf eine allgemeine Darstellung der Problematik wird verzichtet, da die Umstände des Bauernkriegs von 1524/25 bekannt sein dürften. Im zweiten Teil wird der Revers nach der Edition formal und inhaltlich analysiert.
Während meiner Arbeit am Familien- bzw. Ortssippenbuch Landshausen, das im Jahre 1996 als Band 76 der Badischen und in der Reihe A der Deutschen Ortssippenbücher als Band 225 erschienen ist, lag es nahe, nicht nur eine kurze Ortschronik
voranzustellen, sondern auch ein Kapitel über die Ortsgeistlichen vor Beginn der Kirchenbücher (1649 ff.) zu schreiben.
Zugleich stellte sich die Frage, inwieweit die Reformation auch in Landshausen - bedingt durch die umliegenden evangelischen Orte - Fuß fassen konnte. Diese Frage für eine heute rein katholische Gemeinde zu beantworten, war zunächst insoweit
schwierig, als ich zum Beispiel bei Gustav Bossert in seiner Badisch-Pfälzischen Reformationsgeschichte keinen Hinweis fand, der auch nur ansatzweise darauf Antworten gegeben hätte. Die Nähe zu Menzingen und anderen evangelischen Orten der näheren Umgebung war für mich der Anstoß, zumindest den Versuch zu unternehmen, Beweise auf reformatorische Bestrebungen für das dem Stift Odenheim zugehörige Landshausen zu finden.
Die Feuerwaffen der mehreren hundert Württemberger Angreifer brachten einst mit dem
13. Januar des Jahres 1633 Bedrohung, Verwüstung und auch Tod über die Stadt Villingen. Am
ersten Tag waren es 293 Kugeln, die vom Hubenloch auf die Stadt abgeschossen wurden, tags darauf waren es 487, die Granaten nicht gerechnet,
und schließlich fielen 100 Kugeln und 32 Granaten in die Stadt, „ohne jedoch wunderbarerweise großen Schaden anzurichten. Zum großen Teil fielen die
Granaten in die Wasserbäche und in den Stadtgraben,
wo sie explodierten“, so die Überlieferung.
Zu den herausragenden Figuren der Villinger
Lokalhistorie und der Regionalgeschichte des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises muss der Sankt
Georgener Benediktinerabt Georg II. Gaisser
gezählt werden. Dieser Rang gebührt ihm nicht in
erster Linie wegen seines ordenspolitischen
Engagements während des Dreißigjährigen Krieges
oder wegen seiner Bemühungen um eine Reform
des von ihm geleiteten Klosters, sondern aufgrund
der Tagebücher, deren Anfertigung er 1621 begann
und erst knapp vor seinem Tod 1655 abbrach. Es
handelt sich dabei in einer an Selbstzeugnissen eher
armen Epoche um eine außergewöhnlich umfangreiche und aussagekräftige, über die Grenzen
Südwestdeutschlands hinaus bedeutsame autobiographische Quelle, die auf Tausenden von Seiten
vorwiegend in lateinischer, gelegentlich auch in
deutscher Sprache die Wahrnehmung, Deutung
und Bewältigung der Konflikte des Konfessionellen
Zeitalters durch einen katholischen Geistlichen
dokumentiert.'
Das Bauland hat in seiner Geschichte immer wieder Bauernunruhen erlebt. So war die Region
sowohl im Bauernkrieg als auch bei den Unruhen zu Beginn der 1848er-Revolution eine Hochburg.
Aber auch später erwies sich die Region als rebellisch. Ausdrückliche Bezugnahmen auf
den Bauernkrieg gab es auch im 20. Jahrhundert, besonders bei Protesten nach dem Ersten
Weltkrieg und im Zuge der Auseinandersetzung um die Daimler-Benz-Teststrecke in Boxberg.
Schon zu Beginn der 1520er-Jahre stießen die Ideen der Reformation in einzelnen Gemeinden
des heutigen Neckar-Odenwald-Kreises auf offene Ohren. Begünstigt durch die Möglichkeiten
des Buchdrucks, fanden die Schrift en Martin Luthers unter belesenen Geistlichen, beim
ritterschaftlichen Adel und städtischen Bürgertum ein lebhaftes Interesse. Eine Signalwirkung
war zweifellos der Heidelberger Disputation (1518) zuzuschreiben. Das entschlossene Auftreten
des Wittenberger Reformators, der hier erstmals seine neu entdeckte Rechtfertigungslehre
entfaltete, wurde für eine Reihe junger Theologen, darunter Martin Bucer, Johannes Brenz
und Erhard Schnepf, zum Initialerlebnis.
Was in Wolfenbüttel, südlich von Braunschweig, zum Erfolg geführt hatte, sollte sich in Villingen wiederholen: Die Eroberung einer Stadt mittels einer Belagerung durch aufgestaute Wasser. Es wurde ein Fehlschlag. Im bedeutendsten Roman des 17. Jahrhunderts, dem „Abenteuerlichen Simplicius Simplicissimus“ von Christopher von Grimmelshausen, hat der Vorgang der Villinger Wasserbelagerung (18.06. bis 09.09.1634) in verwandelter Form Erwähnung gefunden: Simplicissimus ist ein Junge, der in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges sein Elternhaus verliert und von einem im Wald lebenden Einsiedler aufgenommen wird.
In den Jahren vor dem Bauernkrieg 1525 lag die Gemeinde Menzingen in einem erbitterten
Streit mit ihrem Ortsherrn, dem Kraichgauer Ritter Philipp von Mentzingen. Dieser Konflikt um das »alte Herkommen«, also die überlieferten Rechte der Bauern, eskalierte 1524/25.
Nähere Einblicke verdanken wir einem Prozess, den die Gemeinde vor dem hessischen Lehenshof
in Marburg angestrengt hatte und dessen umfangreiche Akten, trotz einer Teilpublikation
durch Günther Franz, bis heute nicht vollständig ausgewertet sind. Auch dieser Beitrag kann
nur wenige Aspekte näher beleuchten, so die Offenheit der Gemeinde Menzingen gegenüber
der lutherischen Lehre – noch bevor Philipps Söhne Erasmus und Peter von Mentzingen die
Reformation 1525 eingeführt haben.
Mit der Annahme der böhmischen Königswürde durch Kurfürst Friedrich V. im Jahr 1619, bekannt
geworden als der Winterkönig, trat die Kurpfalz in den Dunstkreis des Dreißigjährigen Krieges.
Die Kurpfalz, das Bistum Speyer und Kurmainz wurden immer wieder durch Kriegshandlungen
beeinträchtigt. Von großen Schlachten an der unteren Kraich wird nicht berichtet. Es
sind aber Kriegshandlungen wie Durchmärsche von Truppen und Brandschatzungen, die die
Bevölkerung und das Land an der unteren Kraich verelenden ließen.
In einem unscheinbaren Buch, das in braunem
Packpapier eingebunden war, wurde das lang vermisste Original der Chronik über den 30-jährigen
Krieg1 im Archiv des Klosters St. Ursula entdeckt.
Die Schreiberin war die damalige Priorin der
Klarissen und spätere Äbtissin Juliana Ernstin, eine
Villinger Bürgerstochter. Sie war Zeitzeugin und
konnte deshalb die Schrecken des 30-jährigen
Krieges aus eigener Erfahrung schildern. Lange
Zeit war diese wichtige Quelle nicht auffindbar.
Nun kann dieser Bericht, der nicht nur für
Villingen, sondern für den ganzen südwestdeutschen Raum von großer Bedeutung ist, der
Allgemeinheit vorgestellt werden. Die Chronik
wurde in lesbares Deutsch übertragen, ohne aber
den Satzbau gravierend zu ändern. Die mit „und“
verbundenen langen Sätze wurden öfters geteilt,
um die Anhäufung von Haupt- und Nebensätzen
zu umgehen.
Nach den beiden Belagerungen Villingens im Jahre 1633 war es für die Bevölkerung wie auch für die Besatzung Villingens ein dringender Bedarf, Lebensmittel für Mensch und Futter für Tier zu bekommen. So wurden benachbarte Ortschaften überfallen und beraubt, erpresst, ja sogar gebrandschatzt. Die Beutezüge gingen in die Schwarzwaldtäler, bis in die Nähe von Horb und Hechingen, selbst größere Orte wie Bräunlingen, Donaueschingen, Hüfingen und Vöhrenbach waren davon betroffen. Wie groß die Verwilderung der Menschen damals in ihrem ständigen Kriegsleben geworden war, zeigt die Tatsache, dass bei einem solchen Beutezug nach Tuningen sogar Frauen und Kinder beteiligt waren, so groß war die Not.
Die Kanonen von Hüfingen
(2016)
Der Dreißigjährige Krieg belastete nach dem Eingreifen der Schweden auch die
Baar schwer. Herzog Julius Friedrich von Württemberg stellte sich 1632 an die
Seite der Schweden und suchte zusammen mit ihnen die katholischen Nachbarn
heim, um sich vom habsburgischen Druck zu entlasten, aber auch, um sein eigenes Fürstentum abzurunden. Rottweil (freie Reichsstadt), Villingen (Vorderösterreich) und Hüfingen (Fürstenberg) wurden zu Leidtragenden dieser Politik.
Die Vorgänge sind erforscht und vielfach beschrieben worden. Der vorliegende Aufsatz will die Kenntnis der Zeit durch eine Episode
ergänzen, deren Auswirkungen weit über den Krieg hinausreichten.