Ende des Alten Reiches
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Am 25. Februar 1803 verabschiedete ein Ausschuß des Reichstags zu Regensburg, eine sogenannte Reichsdeputation, einen Beschluß, der die Auflagen von vorangegangenen internationalen Friedensverträgen in Reichsrecht umsetzen sollte. Die Folge war eine völlige Umgestaltung des Alten Reiches. Obwohl auch weltliche Reichsstände betroffen waren, nämlich die rechtsrheinische Kurpfalz und die allermeisten Reichsstädte, ist mit dem Reichsdeputationshauptschluß in der historischen
Erinnerung vor allem der Begriff der Säkularisation verbunden. In der Tat stellte die große Säkularisation von 1802/03 für den Süden Deutschlands gewiß das einschneidendste und folgenreichste Ereignis des allgemeinen Umbruchs jener Jahre dar. Man könnte sogar sagen, sie habe das, was am Alten Reich nach den Erschütterungen der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges noch mittelalterlich geblieben war, endgültig und noch dazu radikal beseitigt. Obwohl sie beileibe kein Einzelfall in der europäischen Geschichte war, blieb es ihr vorbehalten, als die Säkularisation schlechthin ins öffentliche Bewußtsein einzugehen. Dabei ist das Urteil über sie je nach weltanschaulicher Orientierung oder konfessioneller Gebundenheit durchaus gespalten; denn der Horizont an historischen Erklärungsmöglichkeiten der jetzt Lebenden reicht noch in jene Zeit zurück. Um die gravierenden Wirkungen verstehen und besser in den Gesamtzusammenhang einordnen zu
können, fragt man am besten nach den Ursachen der Verläufe, die zur Säkularisation geführt haben, wobei aber auch die individuelle Verantwortung der damals politisch Handelnden nicht ausgeblendet werden sollte.
Man kennt sich nicht mehr aus in unserm Vaterland". Mit diesen Worten resümierte bei der Übernahme des fürstbischöflichen Meersburg in das markgräfliche Baden ein badischer Kommissar die umwälzenden Veränderungen durch die immensen Gebietszugewinne, die seit 1802 in die Tat umgesetzt wurden. Aufklärerische Utopien und territoriale Verluste an Frankreich waren der Auslöser für die staatliche Umstrukturierung des deutschen Südwestens. Herrschaftliche Wechsel ereigneten sich in kurzen Zeitabständen. Im Breisgau regierte von 1801 an sogar der oberitalienische Herzog von
Modena, der für seine verlorengegangenen Besitzungen entschädigt worden war. Was durch die Einführung der Reformation 1534/35 im württembergischen und badischen Territorium und in der Kurpfalz gelang - die Auflösung und Eingliederung zahlreicher Klosteranlagen - fand am Anfang des 19. Jahrhunderts in weit umfangreicherem Maße statt. Mächtige und reiche Klöster mussten schließen, ihr Vermögen wurde eingezogen und neue Nutzer zogen in die nach dem Auszug der ehemaligen Bewohner leerstehenden Gebäude ein. Kirchengut wurde vereinnahmt, sortiert und verteilt oder zu purem Geldwert „versilbert". Der Aufbruch in eine neue Ordnung zog sich über mehrere Jahrzehnte hinweg.
Die badische Markgrafschaft war einer der großen Gewinner, begünstigt von der politischen Konstellation vor 200 Jahren, der mit der Ausbeute aus Säkularisation und Mediatisierung in der Folge der Französischen Revolution zu einem 900 000 Einwohner zählenden Territorium (also verfünffacht) von 14 000 qkm (bislang knapp 4000) anwuchs und sich als Kurfürstentum feiern lassen durfte, ab 1806 gar als Großherzogtum anerkannt wurde. Die mit der „großen Revolution" und mit dem „Phänomen Napoleon" verbundenen Auseinandersetzungen führten in ganz Europa zu dramatischen Umwälzungen, Einschnitten, Neuordnungen - alles in der Regie Frankreichs und auf Kosten des „Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation", dessen Oberhaupt letztlich, auf ein Ultimatum Napoleons, des neuen Kaisers, hin, am 6. August 1806 die römisch-deutsche Kaiserwürde niederlegte und damit das Ende des ,,Reichs" dokumentierte.
Am 2. Juni 1803 betrat Kurfürst Karl Friedrich von Baden erstmals den Boden der ehemaligen Kurpfalz, die ihm im Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 zugesprochen worden war. Erstes Ziel seiner Reise war Mannheim, die ehemalige Residenzstadt der Kurpfalz, die er am späten Nachmittag erreichte. Vor dem Heidelberger Tor angekommen, wurde er mit Glockengeläut und Salutschüssen empfangen und in ergreifenden Reden vom Mannheimer Stadtdirektor und Stadtgerichtsassessor willkommen geheißen. Flankiert von der Schuljugend sowie zahlreichen jubelnden Bürgern, zog der Tross des Kurfürsten durch die Planken über den Paradeplatz hin zum Schloss, wo der Adel und die hohen Verwaltungsbeamten ihren neuen Landesherren empfingen. Tags darauf war ein umfangreiches Programm vorbereitet: Im Nationaltheater sah sich Karl Friedrich ein ihm zu Ehren geschriebenes Schauspiel sowie eine Oper an. Im Anschluss gab er bekannt, dass er die hohen Schulden des Theaters übernehmen und den künftigen Betrieb mit Hilfe eines jährlichen Zuschusses aufrecht erhalten lassen wolle. In den folgenden Tagen war der Kurfürst der schier unbegrenzten Devotion der Mannheimer ausgesetzt. Ob beim Besuch der religiösen Gemeinden oder beim Empfang von Schulklassen, überall wurde er in Gedichten, Liedern oder Aufführungen gefeiert.
Napoléon und das Völkerrecht
(2004)
Der Geist der Kritik beherrschte schon lange die französische Gesellschaft, 1789 kulminieren alle Forderungen nach Veränderung in den Schlagworten Gleichheit und Freiheit. Die ersten evolutionären Entwicklungen bringen freilich keine Stabilität, es kommt konsequent zur totalen Umwälzung; der „salut public", das „öffentliche Wohl" wird mit der Guillotine erzwungen, der „Wohlfahrtsausschuss" bekennt sich zum „Schrecken" - terreur - als Regierungsinstrument; bis am 19. Thermidor (28. Juli 1795) der Diktator Maximilian Robespierre selbst hingerichtet wird, das „Direktorium" innenpolitisch
eine Beruhigung erwirkt. Gleichzeitig beginnt freilich der Angriff französischer Truppen auf italienische, Schweizer, badisch-vorderösterreichische Gebiete, auf Belgien am 15. August. Die eroberten Gebiete lassen die alte Theorie von den „natürlichen Grenzen" zur Realität werden. Der Name eines Eroberers wird dabei immer lauter genannt: Napoleon Bonaparte, 1769 in Ajaccio/Korsika geboren.
Als einer der letzten Vertreter des Alten Reiches verkörpert Carl Theodor Anton Maria von Dalberg (* 08. Februar 1744 in Mannheim – † 10. Februar 1817 in Regensburg) wie
kaum eine andere Persönlichkeit den durch die gewaltigen Umbrüche und die Neuordnung durch Napoleon ausgelösten Aufstieg und Fall. Vor der Säkularisation war Dalberg
Erzbischof von Mainz, Fürstbischof zu Worms und letzter Fürstbischof von Konstanz. Als
»Parteigänger« Napoleons versuchte er die alte Reichsverfassung und die »Einheitskirche«
Deutschlands zu bewahren. In der Gründung des Rheinbundes unter Napoleon erblickte
Dalberg die Chance, die deutsche Einheitskirche, deren Neuordnung nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 immer noch anstand, zu erhalten. Als Kurerzkanzler des
Heiligen Römischen Reiches und später Fürstprimas des deutschen Rheinbundes, Großherzog von Frankfurt und Erzbischof von Mainz, später Regensburg, wurde er einer der
mächtigsten Männer Deutschlands in kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten. In dieser Funktion war er der einzige geistliche Fürst, der die Säkularisation zunächst überstand. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 18. Oktober 1813 mit der Niederlage
Napoleons gab er alle politischen Ämter auf, blieb letztlich aber Erzbischof von Regensburg und Bischof von Konstanz.
In Chantilly, dem prächtigen von Park und Wäldern umgebenen Schloß der Prinzen von Conde, kommt am 2. August 1772 der Herzog von Enghien, Sohn des Herzogs von Bourbon und Enkel des Prinzen von Conde zur Welt. Der kleine Prinz verbringt die meiste Zeit seiner Kindheit in Chantilly, wo er in der Liebe zur Jagd und zu Pferden erzogen wird und in einer Welt unvergeßlicher Feste aufwächst, die sein Großvater dort veranstaltet. Er ist umgeben von der prunkvollen Atmosphäre festlicher Essen und Bälle, fürstlicher Gewänder und großartiger Feuerwerksdarbietungen, von Orchestermusik und überschäumenden Blumenarrangements, die sogar die vornehmen und bezaubernden Gäste, wie den König von Schweden, Kaiser Joseph II., den Bruder der Königin Marie-Antoinette oder den Großherzog Paul, den künftigen Zaren von Rußland, in Staunen versetzen. Wie sollte er dies alles vergessen? Am 17. Juli 1789, drei Tage nach dem Sturm auf die Bastille, muß sich der junge Prinz mit seinem Großvater und seinem Vater ins Exil begeben.
Vor 200 Jahren stimmte der Deutsche Reichstag dem sog. Reichsdeputationshauptschluss zu, der am 25. Februar 1803 in Regensburg beschlossen und veröffentlicht wurde. Dieser Reichsdeputationshauptschluss bedeutet in der deutschen Politik das Ende der Kleinstaaterei und das Entstehen von Mittelstaaten wie etwa von Baden und Württemberg. Er bedeutet aber auch kleinräumig - für die Ortenau etwa - das Ende der landesherrlichen Flickenteppich-Struktur vieler kleiner Landesherrschaften, wie etwa des Hanauerlands, der Reichslandvogtei, der Grafschaft Gengenbach, der Fürstenberger und des Fürstbischofs in Straßburg. Der Reichsdeputationshauptschluss an sich war ein erstes und nur ein vorläufiges Ende von vielen Kriegen seit 1792, die in der Französischen Revolution von 1789 begründet waren. Die Nachbarn Frankreichs sahen die Revolution und Napoleon als Umsturz des bestehenden Herrschaftssystems und schlossen sich in Koalitionen gegen Frankreich zusammen, um diese Gefahr abzuwehren.
Das Großherzoglich-badische provisorische Regierungs-und Kammerprotokoll vom 6. Juni 1807 hielt folgenden Sachverhalt fest: ,, ... dass nach der Verordnung des höchstseligen Kaisers Joseph alle überflüssigen Kapellen in Breisgau und Ortenau aufgehoben und ihr Vermögen zum Religionsfond gezogen werden, daher die Zahl, Besonderheit und Vermögensstand aller
überflüssigen Kapellen zu erheben und bei jeder die Bemerkung beizufügen sei, zu was für einen Gebrauch die Gebäude derselben bestimmt werden könnten."
Zu Beginn bin ich mir durchaus bewusst, dass der Begriff „Nachwendezeit" ein heutiger, ein moderner ist und schlichtweg die Zeit nach der Wiedervereinigung von DDR und BRD nach den Jahren 1989/1990 bedeutet. Es war also eine Nachwendezeit nach einem Wiedervereinigungsvertrag und nicht nach einem Krieg. ,,Nachwendezeit" 1802 bis 1820 bedeutete in diesem Sinne weit mehr. Es war eine Zeit, in der politische Werte und die Philosophie sich grundlegend gewandelt haben. Die sogenannte Aufklärung strebte eine geistige Freiheit an und die Französische Revolution in ihrer Folge erstrebte die Abschaffung der Feudallasten und die Säkularisation (die Umwandlung der geistlichen, kirchlichen Güter in weltlich-staatliche). Napoleon war der Repräsentant dieser beiden Strömungen. Die europäischen anderen Länder wandten sich gegen ihn in mehreren Koalitionskriegen, in denen sich verschiedene Kriegspartner zusammen gegen Napoleon stellten.
Sie verloren aber diese Kriege nacheinander, so dass plötzlich und insbesondere seit dem Frieden von Luneville Napoleon und seine geistig-politische Welt an der Spitze Europas standen. Er wollte dies nutzen und insbesondere die Grenzen Frankreichs nach Osten an den Rhein vorschieben. Dies waren die immer wiederkehrenden Forderungen seiner Friedensschlüsse.