Ende des Alten Reiches
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Das Ende der Fürstbistümer, Abteien und Klöster durch den Reichsdeputationshauptschluß (RDH) vom 25. Februar 1803, der Untergang aller geistlichen Reichsstände und die Einziehung des Kirchenvermögens durch den Staat, ist eingebettet in einen geistesgeschichtlichen Prozeß zu sehen, der das Denken über das Verhältnis von Staat und Kirche im 18. Jahrhundert wandelte. Die Säkularisation, der Verlust der Landeshoheit und die Enteignung des Vermögens der geistlichen Stände, setzte die grundlegende Veränderung des Rechts- und Reichsbewußtseins ebenso voraus, wie die fortschreitende Profanierung der Staatsidee. Nur auf diesem Hintergrund läßt sich erklären, daß sich die größeren und mittleren Reichsstände ohne jede Hemmung auf die geistlichen Mitstände stürzten und sich deren Hoheitsrechte und Eigentum aneigneten. Die in keinem Verhältnis zur Größe der Neuerwerbungen stehenden territorialen Verluste auf dem linken Rheinufer legitimierten dabei diesen Länderraub vor dem eigenen Gewissen, falls dies sich bei der einmaligen Möglichkeit dieser territorialen Expansion überhaupt noch regte. Die Aufhebung der zahlreichen Klöster und Abteien schien vor dem Gewissen auch deshalb gerechtfertigt, weil man die Menschheit damit von Institutionen befreite, die angeblich nutzlos und schädlich waren und ein Überbleibsel des finsteren Mittelalters darstellten.
Knapp zwei Monate nach dem Ausbruch der Französischen Revolution am 14. Juli 1789 wurde Anfang September 1789 in Rothweil ein Flugblatt mit folgendem Inhalt gefunden: „Wollgedachte Nachtbarschaft, es wirf Eich zu wisen gethan, dass den 9ten Herbstmonat dieses Jahrs Statt Freiburg mit den Bauren wirf belägeret werten ... wir wollen die vorige alte Rechten wieter haben sowohl geistlich als weltlichen Dingen.“ Diese Ankündigung macht deutlich, dass die Wirren der Französischen
Revolution auch über den Rhein in das vorderösterreichische Rothweil drangen. Das Flugblatt, das einer Bauernfeder entsprang und durch den Vogt zu Achkarren an die Landesherrschaft weitergeleitet wurde, empfand man in Freiburg jedoch nicht als allzu bedrohlich. Nichtsdestotrotz wurden daraufhin die Patrouillen verstärkt. Im Jahr 1790 tauchten in Gottenheim, Umkirch und Endingen weitere Flugblätter dieser Art auf. Allen war gemeinsam, dass sich in ihnen die Unzufriedenheit der Bauern artikulierte. Doch reichte dies nicht aus, um die Bevölkerung gegen die Herrschaft zu mobilisieren.
Im April 2001 wird im Badischen Landesmuseum Karlsruhe (BLM) die Ausstellung zur badischen Landes- und Kulturgeschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf ca. 700 qm Ausstellungsfläche eröffnet. Mit dieser Neueinrichtung unter dem Titel „Baden zwischen den Revolutionen 1789-1848" werden die Anfänge der badischen Geschichte als Großherzogtum an historischem Ort, dem Karlsruher Schloss, lebendig. In vier Abschnitten will die Ausstellung den Besucherinnen und Besuchern einen Überblick geben über die Entwicklung in der Zeit von der Französischen Revolution und den Erhebungen von 1848. Dabei wird die besondere Rolle Badens im Rahmen der gesamteuropäischen Geschichte reflektiert. Dazu steht die umfangreiche kulturgeschichtliche und kunsthistorische Sammlung des Hauses zur Verfügung. Der größte Komplex an Objekten sind traditionell volkskundliche Sammlungsgegenstände. Diese werden nicht, wie dies in früheren Präsentationen der Fall war, nach Objektgruppen ausgestellt. Vielmehr wird die Neueinrichtung auf der Basis eines kulturwissenschaftlichen Konzepts erfolgen. Daher werden die Bestände - ergänzt durch einige Ankäufe sowie langfristige Leihgaben - unter dem Aspekt ihrer Aussage zur Landes- und Kulturgeschichte Badens in den narrativen Kontext der Ausstellung integriert.
Alte Klöster - neue Herren
(2003)
Mit Großen Landesausstellungen versucht das junge Bundesland Baden-Württemberg von Zeit zu Zeit, sich seiner historischen Wurzeln zu versichern. So wird mit der Ausstellung ,,Alte Klöster - neue Herren" Säkularisation im deutschen Südwesten eine Reihe landesgeschichtlicher Themen fortgesetzt, die 1977 mit der „Staufer-Schau" begann, mit Ausstellungen über die Alamannen, das badisch-württembergische Vorderösterreich bis hin zum ,,Mittelalter am Oberrhein" fortgesetzt wurde. Zu erwähnen sind auch die Ausstellungen zu ,,Baden-Württemberg im Zeitalter Napoleon" aus Anlass des 125jährigen Jubiläums des Württembergischen Landesmuseums und die Landesausstellung „1848/49: Revolution der
deutschen Demokraten in Baden". Die Landesausstellungen widmen sich aber nicht nur landesgeschichtlichen Themen, sondern sind über das Historische hinaus gedacht als Festigung des „Image Baden-Württemberg als Kulturland" und als Identifikationsangebot für die Bürger mit dem Land. Das Thema der Säkularisierung bietet sich insofern für eine
Landesausstellung an, da sie Bedingung war für die Schaffung der Mittelstaaten Baden und Württemberg als „wohlarrondierte Territorialstaaten" im Sinne und Interesse Napoleons. Erhielt doch „Württemberg das Vierfache seiner tatsächlichen Verluste, Baden das Siebenfache".
Dorf und Landesherrschaft
(2003)
1803 - diese Jahreszahl steht in Südwestdeutschland für „die" Säkularisation, ,,den" Übergang vieler geistlicher und einiger weltlicher Fürstentümer an Baden oder Württemberg, ,,das" Ende des Alten Reiches und damit des territorialen Flickenteppichs am Oberrhein. Die vermeintliche Eindeutigkeit der Begriffe, die auch an eine Einheitlichkeit der Abläufe und ihrer Folgen denken lässt, will uns glauben machen, es könne hier über ein klar bestimmbares Ereignis und dessen Auswirkungen gesprochen werden. Einheitlich, gewiss, war manches: die Inbesitznahme der Städte und Dörfer in den Entschädigungsländern durch badische Kommissare, das Anschlagen der markgräflichen Patente, das Befestigen der neuen landesherrlichen Wappen. Bei näherem Hinsehen aber erschöpft sich das Einheitliche im bloß Äußerlichen, während die Voraussetzungen und vor allem die Folgen der Ereignisse von 1802/03 von Ort zu Ort, von Region zu Region höchst unterschiedlich waren, vor allem auch hinsichtlich ihrer Intensität und Reichweite. Dass etwa ein Dorf wie Schielberg bei Frauenalb, praktisch die Arbeitersiedlung der dortigen Klosterbediensteten, durch die Aufhebung der Nonnengemeinschaft in seiner Struktur deutlich massiver betroffen war als eine beliebige Bauerngemeinde ohne direkte ökonomische Verflechtungen mit einer Ordensniederlassung, liegt auf der Hand.
Durch eine Resolution des Großherzogs von Baden vom 10. Oktober 1806 wurde das Kloster St. Blasien für aufgehoben erklärt, und am 28. Oktober erhielt dann der Abt die offizielle Mitteilung. Schon am 5. November kam Staatssekretär Baron Joseph Albrecht von Ittner, ehemals Kanzler der Malteser in Heitersheim, in das Kloster im Albtal, um den Abt zu eröffnen,
dass die Klostergemeinschaft nunmehr nicht mehr bestehe und das Vermögen der Mönche dem Staat gehöre. Damit war die ruhmreiche Geschichte des Benediktinerklosters St. Blasien beendet.
Zu einem fürstlichen Hof, sei er weltlich oder geistlich, gehörten Sammlungen verschiedenster Art. Der absolutistische Regent repräsentierte in seiner Person und seiner Hofhaltung sein ganzes Land und dessen Wohlstand. Der ganze Kosmos mit allen seinen Aspekten sollte in den Sammlungen vertreten sein, so entsprach es dem universalen Bildungsanspruch frühneuzeitlicher Gelehrter. Nicht nur Wissenschaftler pflegten ein derartiges Bildungsideal. Adelige erhielten in ihrer Jugend
in der Regel eine umfassende Ausbildung, die ihnen zwar nicht unbedingt Expertenwissen vermittelte, es ihnen aber ermöglichte, in Gesprächen über Kunst, Philosophie, Literatur und Geschichte ebenso wie Naturwissenschaft, Wirtschaft und Technik sachkundig mitzureden. Wissenschaftliche und künstlerische Interessen zu pflegen, war Teil ihres Selbstverständnisses. Dies gilt für Adelige beiderlei Geschlechts, wobei die Frauen sich zumeist nur den „schönen Künsten" widmeten. Je nach persönlichem Interesse vertieften sich einzelne Persönlichkeiten derart intensiv in bestimmte
Themenbereiche, dass ihr Wissen von Fachleuten anerkannt und ihre Sammlungen weithin berühmt wurden. Markgräfin Caroline Louise, die erste Gemahlin Karl Friedrichs, trug beispielsweise eine große Zahl von Gemälden vor allem niederländischer Künstler zusammen. Für die Porzellansammlung der Markgräfin Sibylla Augusta bildet das sogenannte
„Porzellanschloss" Favorite bei Rastatt einen prächtigen Rahmen.
Die Säkularisation der Klöster und Bischofsresidenzen brachte den badischen Staat in den Besitz nicht nur der Gebäude und Ländereien, sondern auch des gesamten beweglichen Ausstattungsguts, von Möbeln und Hausrat bis zu den Kirchenschätzen. Aus den Konventsgebäuden, die ihre Nutzung verloren, wurde das Mobiliar ausgeräumt und verwertet. Gleiches galt für die Klosterkirchen, soweit sie nicht als Gemeindepfarrkirchen eine neue Funktion erhielten. Vor Ort verblieb nur dasjenige, was für den Gottesdienst und, sofern es eine solche gab, für die Wallfahrt benötigt wurde.
Persönliche Initiativen
(2003)
Unter den persönlichen Unternehmungen, kirchliches Kunstgut zusammenzutragen und zu bewahren, ragen Eigeninitiativen einzelner Geistlicher immer wieder heraus. Ob in Übernahme einer neuen Pfarrei, eines Lehramtes oder auch als Domkapitular treten die Theologen aktiv als Sammler oder Vermittler der eingezogenen, beiseite geschobenen, weggegebenen oder verkauften Werke ein. Sie haben das Schicksal von so manchem Kunst- und kirchlichen Gebrauchsgegenstand wesentlich mitbestimmt. Starken Auftrieb erhielten kaufkräftige und sachkundige Kunst- und Antiquitätenhändler, die wiederum von ebensolchen Interessenten konsultiert wurden. Die Händler kauften auf den öffentlichen Versteigerungen, die in nahezu jedem aufgehobenen Kloster von badischen Beamten organisiert worden sind, oder streiften durchs Land, um entbehrliches Kirchengut zu erwerben. Über den Kunsthandel gelangte kirchliches Gut zunächst zunehmend in private Sammlungen, später in die neubegründeten Museen. Was an den einzelnen Orten von Privatpersonen geborgen oder „gerettet" werden konnte, ist selten schriftlich fassbar.
Seit 1981 öffnet sich Schloss Bruchsal erstmals wieder im Hauptgeschoss für eine große Sonderausstellung. Zu sehen gibt es eine Vielfalt von Zeitzeugen, anhand derer bekannte und unbekannte Seiten der Säkularisation aufgeschlagen werden. Wer die prächtigen, lehrreichen und faszinierenden Stücke betrachtet, staunt, woher sie überall zusammengetragen wurden. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg veranstalten zusammen mit der Stadt Bruchsal die facettenreiche Präsentation beeindruckender Objekte, vor allem aus dem badischen, aber auch ausgewählte Beispiele aus dem württembergischen Gebiet. Der Blick auf die Säkularisationsjahre 1802-1806 - 200 Jahre danach - führt uns in eine spannende Phase der Geschichte des heutigen Baden-Württemberg. Eine der größten Umbruchzeiten, die es in der europäischen Geschichte gegeben hat, war in Gang. Der Name Napoleon steht für diese Zeit. Er hat die neue Ordnung eingeführt, zunächst in Frankreich, dann in ganz Mitteleuropa. Besitzungen und Rechtstitel der Klöster und geistlichen Herrschaften wurden in weltlichen Besitz umgewandelt. Neue Territorialgebilde entstanden. Schloss Bruchsal, als vorherige Residenz der Fürstbischöfe von Speyer war selbst ein Schauplatz der Säkularisation. Durch die Auflösung des kleinen eigenständigen geistlichen Staates verlor es seine zentrale Rolle als Hauptstadt.