Kaiserreich
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Unter dem Titel „Wie die Kriegsjahre in der Heimat wirkten“ gab die Musikerin und Dichterin Clara Faisst (1872–1948) ihre „Tagebuchaufzeichnungen und Selbsterlebnisse“ aus der Kriegszeit wieder. Sie war die Tochter des Garnisonspredigers und Oberkirchenrats Gustav August Faisst (1834–1873) und Schwägerin des Pfarrers Dr. Ernst Lehmann. Sie selbst blieb unverheiratet. Clara Faisst studierte Klavier und Komposition, letzteres in der Meisterklasse von Max Bruch. Ihren Lebensunterhalt verdiente Clara Faisst als Pianistin und vor allem als Klavierlehrerin. Sie unterhielt regen Kontakt zu anderen Künstlern, u.a. zu Hans Thoma. Clara Faisst, die als eine der wenigen Frauen ihrer Zeit berufstätig war, unterstützte u.a. Marie Baum in ihrem Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen in der Arbeitswelt. Das sog. Karlsruher Kriegstagebuch ist wohl unmittelbar nach Kriegsende in der vorliegenden Form zusammengestellt worden, wenn die Reinschriften und eingefügten Korrekturen auch sehr zeitnah gefertigt worden sein dürften. Es beruht, wie sie selbst sagte, auf eigenen Tagebuchnotizen und Erinnerungen. Auf 159 mit der Schreibmaschine eng beschriebenen Seiten schildert sie ihre Sicht des Krieges an der „Heimatfront“ in Karlsruhe. Die ursprünglichen handschriftlichen Aufzeichnungen sind teilweise noch vorhanden. Dabei hat sie die Stellen, die sie übernommen bzw. verarbeitet hatte, in der Vorlage ausgestrichen. Es handelt sich also teilweise auch um eine Überarbeitungen der ursprünglichen Niederschriften, ohne dass jedoch die
Unmittelbarkeit der Sprache und Gedanken verloren gegangen wäre. In die Schilderungen des Geschehens sind z.T. umfangreiche Reflexionen eingeflochten, aber auch dichterische Arbeiten (Abhandlungen und Gedichte), die in den Jahren des Krieges entstanden sind. Diese mit schriftstellerischen Ambitionen geschriebenen Abhandlungen stechen durch Papier und Typografie auch optisch und formal aus dem eigentlichen Tagebuchnotizen heraus.
Das im Jahre 1872 von Franz Xaver Leibold gegründete „Ettenheimer Wochenblatt“, das ab 1879 unter dem Titel „Ettenheimer Zeitung“ erschien, ist eine wertvolle Geschichtsquelle, die auch einen Blick auf die Ereignisse und Begebenheiten während des Ersten Weltkrieges in Ettenheim ermöglicht. Am Anfang steht großformatig und für jeden eindeutig erkennbar die Bekanntgabe der Mobilmachung, die in der „Ettenheimer Zeitung“ am 1. August 1914 im „Amtlichen Verkündigungsblatt für den Amtsbezirk Ettenheim“ befohlen wird. Verantwortlich für die Veröffentlichung ist das Großherzogliche Bezirksamt Ettenheim. Da es damals weder Fernseh- noch Rundfunksendungen gab, waren Plakate und Zeitungen die einzigen Medien, um die gesamte Bevölkerung schnell und flächendeckend mit dieser besonderen Information zu erreichen. Die erste Rundfunkübertragung in Deutschland fand übrigens erst im Dezember 1920, also nach Beendigung des Krieges statt.
Der offizielle Hurrapatriotismus des Kaiserreichs und die fast einhellige Kriegsbegeisterung im städtischen Bildungsbürgertum, anfängliche Siegesmeldungen von der Front, bald aber auch Nachrichten von vielen Verwundeten und Gefallenen versetzten die Pfarrer in den Heimatgemeinden bereits vom August 1914 an unter einen besonderen Erwartungsdruck ihrer Gemeindeglieder. Die Kriegsstimmung musste aufgenommen werden; bei den meisten Predigern geschah es bis zuletzt mit überzeugtem Nationalismus. Andererseits galt es, Verantwortungsträger zu ermutigen und Leidtragende zu trösten sowie eine Deutung des Geschehens und Weisung zu geben. Die Predigten waren somit meist weniger Bibeltextauslegungen als Thema- oder Mottopredigten, eben „Zeitpredigten“ (Ernst Lehmann). Die älteren Pfarrer an der „Heimatfront“ wurden, trotz immer wieder neuer Mobilmachungsaktionen, durchweg als unabkömmlich eingestuft, jedoch neben ihrem eigentlichen Gemeindedienst als Garnison- oder Lazarettpfarrer eingesetzt. Ihre Kriegspredigten und Kriegsandachten ließen sie oft drucken, damit sie auch ihren Gemeindegliedern im Felde zugesandt werden konnten oder um mit dem Verkaufserlös Hilfsmaßnahmen zu unterstützen.
„Liebe Mitbürger! Als der gewaltige Kampf ausgebrochen war, in dessen Mitte wir jetzt stehen, da drangen in rascher Aufeinanderfolge die Nachrichten von Siegen und Fortschritten unseres Heeres zu uns in die Heimat, so daß wir hoffen konnten, wie vor 40 Jahren in Bälde einen entscheidenden Sieg erleben zu dürfen. Es ist anders geworden. Die Uebermacht, die uns von allen Seiten bedrängte, war zu groß, die Arbeit, die unsere Heere zu leisten hatten, zu gewaltig, sodaß wir bald erkennen mußten, daß noch schwere Kämpfe und ein langes mühevolles Ringen erforderlich seien, und daß die gebrachten Opfer an Gut und Blut noch ganz gewaltig anwachsen müssen, ehe wir den ersehnten Tag des Sieges erleben würden.“ So Oberbürgermeister Ernst Walz (1859–1941; OB seit 1914) am 29. November 1915 auf dem Ludwigsplatz (heute: Universitätsplatz), als dort einige erbeutete belgische Geschütze aufgestellt wurden. Seine Worte spiegeln recht gut die Gefühle wider, die die deutsche und die Heidelberger Bevölkerung seit August 1914 durchlebt hatten. Zunächst die Euphorie der ersten Kriegsmonate und die sichere Erwartung eines schnellen Sieges im Westen („Weihnachten sind wir wieder zu Hause“). Nach den deutschen Niederlagen an der Marne und beim „Wettlauf zum Meer“ blieb der nach dem Muster von 1870/71 als Bewegungskrieg geplante Krieg an der Westfront schon Ende November 1914 stecken. Es folgte ein extrem verlustreicher Stellungskrieg auf beiden Seiten; der Frontverlauf änderte sich bis Anfang 1918 nur unwesentlich.
Es gibt nicht viele Dinge, die so stark in alle Bereiche unseres Lebens strahlen wie die Bedrohung durch einen Krieg. Die Bandbreite der Emotionen bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges lässt sich nicht bis ins letzte Detail beschreiben. Es können lediglich Kategorien genannt werden, die die Gefühlslage der Menschen umreißen. Aber aus ihren Handlungen können Indizien abgeleitet werden, die eine Gefühlsdeutung ermöglichen. Die Aufstellung einer bewaffneten Bürgerwehr im Stadtbezirk Heidelberg Anfang August 1914 kann in diesem Sinne als ein dringendes Bedürfnis nach Sicherheit bewertet werden, das diese in einer Umgebung „voller“ möglicher Gefahren stillen sollte. Wie dem obigen Zitat aus dem Tagebuch der Rohrbacherin Margarethe Schmidt zu entnehmen ist, fühlten sich einige Bevölkerungsteile inner- und außerhalb des Heidelberger Stadtgebietes äußerst bedroht. Die sogenannte „Spionageangst“ griff um sich und führte dazu, dass es landesweit zu regelrechten Hetzjagden auf vermeintliche Spione kam, denen eine hinterhältige Invasion aus dem Landesinneren zugetraut wurde. Als sich diese Angst als unbegründet erwies, verschwand die Bürgerwehr genauso schnell von der Bildfläche, wie sie zuvor aufgetaucht war. Dass 1918 nach Kriegsende eine „Volkswehr“ aufgestellt wurde, ist ganz anderen Gründen zuzuschreiben.
Einhundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist die Auseinandersetzung über seine Verursacher mit Vehemenz neu entbrannt. Vor fünfzig Jahren wurde kontrovers über die These des Hamburger Historikers Fritz Fischer diskutiert, der von einer Hauptkriegsschuld der deutschen Staats- und Militärführung ausging. Seine Sicht setzte sich in den folgenden Jahren der deutschsen Zweistaatlichkeit durch, bis zu diesem aktuellen 100jährigen Jubiläum Darstellungen bekannter Historiker populär wurden, welche die Rolle der deutschen Außenpolitik relativieren. Die europäischen
Staaten seien nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo wie Schlafwandler aus der Dynamik der Julikrise in das Inferno getaumelt. Historiker, die auf die aggressiven Kriegsvorbereitungen in Deutschland verweisen, werden zunehmend schroff kritisiert; sie würden die Quellen der ‚Kriegsgegner‘ nicht kennen. Dem Deutschen Reich habe, eingezwängt zwischen den Bündnissen der Entente, nur der Weg in die Konfrontation offen gestanden. Es ist der Stand der Geschichtsschreibung der 1950er Jahre, der die öffentliche Meinung über den Kriegsausbruch 1914 allmählich zurückerobert. Vor allem sozialhistorische Aspekte treten in der aktuellen Debatte in den Hintergrund. Dieser Beitrag stützt sich auf ausgewählte Archivalien aus dem Heidelberger Stadtarchiv und aus dem Universitätsarchiv sowie auf zeitgenössische Zeitungsberichte. Aus gedruckten Quellen ergibt sich ein nur lückenhaftes Bild vom Heidelberger Alltag in der Zeit des Krieges.
Eine Geschichte Lahrs im Ersten Weltkrieg liegt bislang nicht vor. Dieser Aufsatz versucht deshalb zunächst nur, einige grundsätzliche Entwicklungsstränge der Stadt in den Jahren zwischen 1914 und 1918 nachzuzeichnen . Dabei geht es vor allem um die Frage, wie die Stadt als „Leistungsverwaltung“ auf den Kriegsausbruch und die daraus resultierenden Anforderungen reagierte. Ob und wie die Leistungen der Stadt bei der Bevölkerung ankamen und wie sich die Lebensverhältnisse in Lahr tatsächlich entwickelten, ist nicht Thema dieses Aufsatzes. Politisch, sozial und wirtschaftlich jedenfalls war die Stadt des Jahres 1919 nicht mehr dieselbe wie die des Jahres 1914. In sehr kurzer Zeit durchlief sie eine sehr rasche Entwicklung, die hier zumindest in einigen Grundzügen nachgezeichnet werden soll.
Im letztjährigen „Geroldsecker Land“ wurde versucht zu schildern, wie der Erste Weltkrieg die Stadt Lahr beeinflusst hat. Wie er die Stadtverwaltung modernisierte und die politischen Verhältnisse veränderte. 1919 war die Stadt nicht mehr dieselbe wie 1914. Eine solche „strukturelle“ Sicht auf die Stadt und ihre Geschichte ist nötig, denn in ihr werden die Veränderungen und der geschichtliche Verlauf oft deutlicher als im kleinen Detail. Doch geht dabei etwas anderes verloren. Nämlich die konkrete und alltägliche Erfahrung der Menschen jener Zeit. Was hilft es, wenn man weiß, wann die Stadt ein Lebensmittelamt einrichtete und wie es organisiert war, wenn man nicht gleichzeitig schaut, ob dessen Tätigkeiten im Leben der Menschen überhaupt etwas bewirkte? Gerade der Erste Weltkrieg war eine Zeit, in der die Menschen in kürzester Zeit Erfahrungen machten, die sich oft widersprachen und Veränderungen bewirkten, für die die Geschichte sonst Jahrzehnte braucht. Dieser Krieg war für die Menschen in aller Regel eine Zeit der Entbehrung, der Not und der tiefen Schicksalsschläge. Schon 1914 setzte deshalb der Kampf um den „Sinn“ dieses Krieges und dieser Zeit ein. Warum hatte man gelitten? Warum waren der Sohn, der Ehemann, der Vater gefallen?
Liebesgaben und Transport
(2014)
An der Front verletzte Soldaten wurden entweder im Feldlazarett behandelt, oder aber zu Krankensammelstellen gebracht, die hinter der Front eingerichtet wurden, wobei die Sammelstellen an einem provisorischen Bahnhof liegen sollten. Nach einer ersten und oft flüchtigen ärztlichen Untersuchung wurde entschieden, wo die Soldaten weiter behandelt werden sollten. Die Verwundeten, die in die heimatlichen Lazarette verbracht wurden, wurden von den Bahnhöfen mit z.T. für den Krankentransport umgebauten Zügen in die Heimat transportiert. Die Züge fuhren mit Versorgungsmaterial und neuen Truppen in die Nähe der Front, wurden entladen und dann mit den Verwundeten beladen. Die Transportabteilung musste gelegentlich sehr vehement auftreten, damit man ihr die benötigten Züge und Hilfsgüter zu Verfügung stellte. In Heidelberg existierte ein Straßenbahnnetz, mit dem viele Lazarette erreichbar waren. Die Lazarettzüge kamen am Heidelberger Güterbahnhof an. Dort wurden sie vom Roten Kreuz erwartet, das am Bahnhof eine Verbands- und Erfrischungsstelle eingerichtet hatte. Zunächst wurden die verletzten Soldaten in Fuhrwerken zu den Lazaretten transportiert, was problematisch und für die Soldaten schmerzhaft war. Daher wurde vom Güterbahnhof über die Czernybrücke und Bergheimer Straße ein provisorisches Gleis gelegt, über das die Soldaten dann direkt vom Bahnhof mit der elektrischen Straßenbahn zu den für sie vorgesehenen Lazaretten gebracht wurden.
Im August 2014 jährt sich zum hundertsten Mal der Ausbruch des Weltkrieges der Jahre 1914 bis 1918, der von den Historikern bereits nach fast 21 Friedensjahren ab dem Jahre 1939 mit dem Beginn eines weiteren Weltkriegs als Erster Weltkrieg bezeichnet werden musste. Als Bündnispartner von Österreich war Deutschland in das Kriegsgeschehen eingebunden und erklärte im August 1914 an Russland und Frankreich den Krieg. Das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in das Kaiserreich und in die Stärke der staatlichen und militärischen Führung war in großem Maße vorhanden. Die Mobilmachung vollzog sich daher in großer Ruhe und Ordnung. Zahllose Freiwillige meldeten sich zur Armee. Für die heutige Zeit einfach unvorstellbar - Deutsche ziehen freiwillig in den Krieg. Der deutsch-französische Krieg von 1870/ 71, der für Deutschland siegreich war und mit der Gründung des Deutschen Reiches im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles endete, war anscheinend in den Köpfen der jungen Soldaten und den Mitgliedern der Militärvereine noch in guter Erinnerung.