Kaiserreich
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Der Fall Brüsewitz
(2017)
Kurz nach Mitternacht vom 11. auf den 12. Oktober 1896 ereignete sich in Karlsruhe ein Verbrechen, das nicht nur die badische Hauptstadt wochenlang in Atem hielt, sondern in ganz Deutschland, ja selbst im benachbarten Ausland für Gesprächsstoff sorgte. Der Jahrzehnte später als „der rasende Reporter“ berühmt gewordene Journalist Alfred Kerr wähnte sich am 1. November 1896 in der Reichshauptstadt in einer Ära der Brüsewitze zu leben: Der Fall selbst wird hier noch immer so besprochen, als ob er mitten in Berlin und nicht in Süddeutschland
geschehen wäre. Zweimal debattierte der Deutsche Reichstag über den
Mord des Premierleutnants Henning von Brüsewitz an dem Mechaniker Theodor Siepmann und die dahinter stehenden Fragen, ob der Begriff der soldatischen Ehre über den Bestimmungen des Strafgesetzbuches anzusiedeln sei und inwieweit sich das Militär im Deutschen Kaiserreich als Staat im Staate gerierte. Dieser Grundsatzkonflikt, im Prinzip eine Kontroverse zwischen Moderne und Antimoderne, hätte sich leicht – wie das im Jahr 1913 bei der Zabernaffäre der Fall sein sollte – zu einer Verfassungskrise hochschaukeln können.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs war ein einschneidendes Erlebnis auch für die Schüler der Realschulen und Gymnasien. Das soll im Folgenden anhand einiger Schülerpostkarten gezeigt werden, die vor und nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges von Schülern verfertigt und an Freunde und Verwandte anlässlich der bestandenen mittleren Reife bzw. des Abiturs verschickt wurden. Die Einstellungen der Schüler reichen dabei – je nach dem Kriegsverlauf und den damit verbundenen persönlichen Erfahrungen – vom „Hurra-Patriotismus“ bis zu dem fatalen Eindruck, nur gelenktes Schlachtvieh zu sein. Die Erfahrungen der jungen Menschen spiegeln sich in den dargestellten Themen wie auch in der künstlerischen und materiellen Qualität der Karten. Waren die oft bunten Karten der Wilhelminischen Ära im Wesentlichen von rückwärtsgewandten Motiven aus Antike und Mittelalter geprägt, so sind die Botschaften nach Kriegsausbruch auf die Gegenwart des Krieges bezogen, in der Aussage klarer, häufig einfigurig und in der Regel auch einfarbig. Dies gilt sowohl für die Einjährigenkarten wie auch für die Karten zum Abitur.
Museen am Oberrhein organisieren 2014 das europaweit wohl größte grenzüberschreitende Netz von Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg. Das Dreiländermuseum Lörrach zeigt eine Überblicksausstellung zum Ersten Weltkrieg in Baden, dem Elsass und der Nordwestschweiz. Der folgende Beitrag hält die wesentlichen Inhalte der Überblicksausstellung fest und beschreibt die Jahre 1914 bis 1918 am Oberrhein im grenzüberschreitenden Vergleich. Zugleich berichtet er über die Entstehung und Idee der 35 miteinander verbundenen Ausstellungen des Netzwerks Museen.
Im Mai 1913, nur 15 Monate vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wagte der Mediziner
und Generaloberarzt des preußischen Heeressanitätsdienstes Paul Schmidt in einem Vortrag
vor der Berliner Kaiser-Wilhelm-Akademie, in dem er die historische Genese des deutschen
Heeressanitätswesens behandelte, einen optimistischen Blick in die Zukunft: Sollte demnächst
ein großer Krieg ausbrechen, was durchaus wahrscheinlich sei, denn wer sollte sich heutigen
Tages unterfangen, noch den Traum des ewigen Völkerfriedens zu teilen, dann sei das deutsche
Lazarettwesen gut gerüstet: Die Organisation unseres Heeressanitätswesens [ist] auf eine Höhe
gebracht, dass alle Bedürfnisse der Versorgung unserer Kranken und Verwundeten auf dem
Schlachtfelde wie in den Lazaretten, des Krankentransportes und der Krankenunterbringung
erfüllt werden. Für wahr! Unser Sanitätskörper darf mit berechtigtem Selbstvertrauen und in
dem Bewusstsein seiner Kriegsbereitschaft den kommenden Ereignissen ruhigen Sinnes entgegensehen.'
Unter dem Titel „Wie die Kriegsjahre in der Heimat wirkten“ gab die Musikerin und Dichterin Clara Faisst (1872–1948) ihre „Tagebuchaufzeichnungen und Selbsterlebnisse“ aus der Kriegszeit wieder. Sie war die Tochter des Garnisonspredigers und Oberkirchenrats Gustav August Faisst (1834–1873) und Schwägerin des Pfarrers Dr. Ernst Lehmann. Sie selbst blieb unverheiratet. Clara Faisst studierte Klavier und Komposition, letzteres in der Meisterklasse von Max Bruch. Ihren Lebensunterhalt verdiente Clara Faisst als Pianistin und vor allem als Klavierlehrerin. Sie unterhielt regen Kontakt zu anderen Künstlern, u.a. zu Hans Thoma. Clara Faisst, die als eine der wenigen Frauen ihrer Zeit berufstätig war, unterstützte u.a. Marie Baum in ihrem Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen in der Arbeitswelt. Das sog. Karlsruher Kriegstagebuch ist wohl unmittelbar nach Kriegsende in der vorliegenden Form zusammengestellt worden, wenn die Reinschriften und eingefügten Korrekturen auch sehr zeitnah gefertigt worden sein dürften. Es beruht, wie sie selbst sagte, auf eigenen Tagebuchnotizen und Erinnerungen. Auf 159 mit der Schreibmaschine eng beschriebenen Seiten schildert sie ihre Sicht des Krieges an der „Heimatfront“ in Karlsruhe. Die ursprünglichen handschriftlichen Aufzeichnungen sind teilweise noch vorhanden. Dabei hat sie die Stellen, die sie übernommen bzw. verarbeitet hatte, in der Vorlage ausgestrichen. Es handelt sich also teilweise auch um eine Überarbeitungen der ursprünglichen Niederschriften, ohne dass jedoch die
Unmittelbarkeit der Sprache und Gedanken verloren gegangen wäre. In die Schilderungen des Geschehens sind z.T. umfangreiche Reflexionen eingeflochten, aber auch dichterische Arbeiten (Abhandlungen und Gedichte), die in den Jahren des Krieges entstanden sind. Diese mit schriftstellerischen Ambitionen geschriebenen Abhandlungen stechen durch Papier und Typografie auch optisch und formal aus dem eigentlichen Tagebuchnotizen heraus.
Im Herbst 2018 sind es 100 Jahre seit Ende des Ersten Weltkrieges. Mit der Ablösung des Reichskanzlers Georg von Hertling durch den Prinzen Max von Baden vom 3. Oktober 1918 zeichnete sich das Ende der Monarchie in Deutschland ab. Deswegen wird dieses Datum die zeitliche Grundlage für den Beginn der Darstellung sein. Der Versailler Vertrag bildet den zeitlichen Endpunkt der Darstellung, da mit ihm die völkerrechtlichen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges in Kraft
traten. Nachdem Prinz Max von Baden das Amt des Reichskanzlers übernahm, folgte die Ausrufung der Republik durch Philip Scheidemann am 9. November 1918. Zwei Tage danach dankte der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. ab und begab sich in das niederländische Exil nach Doorn. In einem ersten Schritt soll dargestellt werden, wie dieses Ereignis – gewissermaßen der Übergang in eine neue Zeit – von den in Bühl und Umgebung lebenden Menschen aufgenommen wurde. Es folgte ein durch soziale Not geprägtes Jahr 1919. Auch dieser Aspekt wird in der nachfolgenden Schilderung seine Würdigung erfahren. In
einem letzten Schritt werden die Reaktionen der Menschen in Bühl und Umgebung auf den Versailler Vertrag im Vordergrund der Darstellung stehen.
Das Bauland hat in seiner Geschichte immer wieder Bauernunruhen erlebt. So war die Region
sowohl im Bauernkrieg als auch bei den Unruhen zu Beginn der 1848er-Revolution eine Hochburg.
Aber auch später erwies sich die Region als rebellisch. Ausdrückliche Bezugnahmen auf
den Bauernkrieg gab es auch im 20. Jahrhundert, besonders bei Protesten nach dem Ersten
Weltkrieg und im Zuge der Auseinandersetzung um die Daimler-Benz-Teststrecke in Boxberg.
Nach mehreren vergeblichen Anläufen war es endlich soweit. Am 30. September 1896 kam aus Karlsruhe die erlösende Nachricht, dass Offenburg Garnisonstadt werde. Der preußische Kriegsminister hatte nach mehreren abschlägigen Bescheiden
auf die Anträge des Stadtrats jetzt der Stationierung von Soldaten zugestimmt. Allerdings musste die Stadt das Gelände zur
Verfügung stellen und entgegen ursprünglichen Abmachungen auch die Baukosten selbst tragen. Das kostete die Stadt über
zwei Millionen Mark. Aber das war ihr die Sache wert. Nach nur fünfzehnmonatiger Bauzeit war die Kaserne bezugsfertig,
und schon am 30. September 1898 konnte der festliche Einzug der Soldaten erfolgen. Was aber hatte Offenburg mit dem preußischen Kriegsministerium zu tun? Gemäß der mit Preußen geschlossenen Militärkonvention vom 25. November 1870 verzichtete das Großherzogtum auf seine Militärhoheit. Aus badischen Regimentern wurden nun königlich-preußische.
Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich die Gemeinde Brühl mit ihrem Ortsteil Rohrhof in der Phase der Erweiterung und Entwicklung. Daneben hatte die Luftschiffbau Schütte-Lanz OHG mit dem Jungfernflug des Luft schiff es SL II neue technische Maßstäbe in der Luft fahrt gesetzt. Die Niederschrift im "Buch der Gefallenen" ermöglicht es dem heutigen Betrachter, aus der gebotenen Distanz von 100 Jahren die soziale Tragweite der Einberufungen und Kriegsverluste einzuschätzen.
Am Abend des 22. Mai 1922 wurde Sina Aronsfrau, ein Mannheimer Kaufmann mit ostjüdischen Wurzel, ermordet. Schon bald kam der Verdacht auf, der Mord mitten in den Quadraten sei von einer radikalen antisemitisch-völkischen Organisation verübt worden.
Ausgehend von dieser Tat untersucht die Studie die frühe völkische Bewegung in Mannheim. Ihr erster Fokus liegt auf den 1890-er Jahren, als in Mannheim die Redaktion einer antisemitischen Zeitung ihren Sitz nahm und erstmals zu einem öffentlichen Boykottaufruf gegenüber jüdisch geführten Geschäften aufrief.
Die weitere Entwicklung bis in die frühen Jahre der Weimarer Republik sind durch eine Reihe von antisemitischen Ereignissen und immer dichteren Strukturen innerhalb der völkischen Bewegung gekennzeichnet. Die Autorinnen, Karen Strobel und Brigitte Zwerger, benennen in ihrer Studie Beteiligte und Vereinigungen, die in Mannheim in jenen Jahren aktiv waren, bevor der NS-Staat heraufzog.
Dabei zeigt sich, dass viele der radikalisierten Aktivisten dem gehobenen Bürgertum entstammten und darunter nicht wenige Jugendliche und junge Erwachsene zu finden sind, die nach 1933 Karriere machten. Einen vorläufigen Höhepunkt ihrer Aktivitäten bildete das Jahr 1922. Eine Reihe von antisemitischen Vorfällen und Sprengstoffanschlägen erschütterte die Stadt.
Mit ihrer Studie möchten die Autorinnen nicht nur an den Mord an Sina Aronsfrau erinnern, sondern völkische Strukturen und den breiten Antisemitismus aufzeigen, der bereits vor 1933 in weiten Teilen der Mannheimer Bevölkerung, wenn auch verdeckt, verankert war und auf dem das NS-Regime aufbauen konnte.