Drittes Reich
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"Umschulung"
(2013)
Dieser Text ist in einer französischen Original-Version 2010 unter dem Titel "Umschulung. Témoignages d’instituteurs alsaciens déplacés en pays de Bade (1940–1945)" erschienen. Der Verfasser widmet diese deutsche, gekürzte Version seinen deutschen Freunden und bedankt sich bei seinem Kollegen und Freund Herrn Anton Burkard aus Merzhausen für seine Hilfe bei der Übertragung dieser Fassung ins Deutsche.
Während der deutschen Besatzung Frankreichs wurden elsässische Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland einer sogenannten Umschlung unterzogen. Sie müssen nun nach dem deutschen Lehrplan unterrichten, der ihnen in mehrmonatigen Lehrgängen "beigebracht" wird. Deutsch ist nun Schulsprache und bis 1941 wird auch noch in Sütterlinschrift geschrieben. Es finden auch Lehrgänge für nationalsozialistisches Geschichtsdenken statt. Die mehrmonatigen Aufenthalte bei der Besatzungsmacht sind für viele der jungen Lehrerinnen und Lehrer eine schwere psychische Belastung. Zeitzeugenberichte sind die Grundlage dieses Beitrags.
Es war im Februar 1945. Mein Mann war schon im Dezember 44 zu den nach Hinterzarten
ausquartierten beiden Töchtern gegangen, weil die Gestapo ihn zum Schippen einziehen wollte.
Ich ging nicht mit, ich hätte ihn gefährden können. Außerdem musste jemand in der Wohnung
bleiben, um die Post auf Umwegen nachzuschicken und etwaige Recherchen abzufangen. Auch
musste ich den Kanarienvogel, der etwas krank war, versorgen. In Hinterzarten waren die Zimmer nur mit einem elektr. Öfchen notdürftig heizbar (zu kalt für den Vogel) [...]. So beginnt der Bericht über ein persönlich erlebtes, dramatisches Ereignis gegen Ende
des Krieges. Der Verfasserin Gertrud Gurlitt, in der Freiburger Burgunderstr. 30 wohnhaft,
ist offenbar bewusst, dass sie sich augenblicklich in einer bedrohlichen Lage befindet. Soll sie,
ohne zu zögern, dem Willen der Gestapo nachkommen und sich als Jüdin einem unbestimmten
Schicksal ausliefern - oder kann sie es wagen, unter Umgehung dieses Befehls die in Hinterzarten ausquartierte Familie zu besuchen und sie über ihre eigene Bedrohung zu informieren?
In beiden Fällen würde sie ein großes Risiko eingehen und mit Maßnahmen gegen ihre Freiheit
rechnen müssen. Und um beide Optionen in Ruhe gegeneinander abzuwägen, bleibt ihr keine
Zeit.
Am 16. August 1942 erhielten Adolf und Pauline Besag aus der Freiburger Erbprinzenstr. 8 ein
Einschreiben aus Karlsruhe von der Bezirksstelle Baden-Pfalz der Reichsvereinigung der Juden
in Deutschland (RJD): Auf behördliche Weisung eröffnen wir Ihnen, dass Sie zur Teilnahme
an einem am Samstag, den 22. August 1942 von Karlsruhe abgehenden Abwanderungstransport
bestimmt sind. Wir bitten Sie, die nachstehenden Anweisungen genau durchzulesen
und zu befolgen und in Ruhe die Vorbereitungen für Ihre Abreise zu treffen. Sie werden nach
Möglichkeit im Laufe der nächsten Tage von einem unserer Mitarbeiter aufgesucht, der Ihnen
mit Rat und Tat zur Seite stehen wird. Anträge auf Befreiung von der Teilnahme am Abwanderungstransport
sind zwecklos. Wir bitten daher, hierwegen weder schriftlich noch mündlich an
uns heranzutreten. Auch die Einreichung ärztlicher Atteste muss unterbleiben. Dass Anträge
an Behörden ohne Einholung einer Auskunft bei uns unzulässig sind, ist unseren Mitgliedern
bekanntgegeben worden. Sie müssen sich in Ihrer Wohnung am 21. Augustabreise bereithalten [...].
Auf Messers Schneide
(2012)
1940 und 1941 hätte das Blumberger Bergwerk eigentlich wachsen und gedeihen
sollen. Tatsächlich aber musste Bergwerksdirektor Dr. Hans Bornitz Krisenmanagement betreiben. Absatzprobleme und Fachkräftemangel kennzeichneten die
Lage. Schuld daran hatte der im Herbst 1939 begonnene Krieg. Die grenznahen
Saarhütten lagen bis zum Sommer 1940 still und fielen als Erzabnehmer aus. Die
Ruhrwerke arbeiteten zwar noch, weigerten sich aber, größere Mengen aus Blumberg zu beziehen. Als die Saarhütten nach dem Frankreichfeldzug ihre Produktion
wieder aufnehmen konnten, hatten sie Zugriff auf die lothringischen und luxemburgischen Minettegruben. Deren Erze konnten sie wirtschaftlicher, das heißt mit
deutlich geringerem Kokseinsatz, verhütten als das Blumberger Erz. An ihm besaßen
die Saarhütten fortan keinerlei Interesse mehr. Zwar waren sie der Doggererz AG
(DAG) gegenüber bindende Abnahmeverpflichtungen eingegangen, doch lauerten
sie seit Juli 1940 nur auf eine Gelegenheit, den unwirtschaftlichen Erzabbau zu drosseln oder ganz einzustellen. Nur das Reichswirtschaftsministerium (RWM), das
50 % des Aktienkapitals vertrat, glaubte noch an eine Zukunft des Unternehmens.
Es bestärkte den Vorstand darin, den Betrieb trotz der ungünstigen Situation
konsequent fortzusetzen und auszubauen.
Der folgende Text ist zuerst in dem Band »Freiburg im Nationalsozialismus«, herausgegeben von Peter Kalchthaler und Tilmann von Stockhausen erschienen. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Rombach-Verlags, Freiburg und des Autors.
Im Herbst 1933 fand im Colombischlössle auf Initiative von NS-Oberbürgermeister Franz Kerber eine »Freiburger Bauausstellung« statt. Der seit 1925 agierende Chef des Hochbauamtes, Joseph Schlippe, hielt zu diesem Anlass eine programmatische Rede zur »hiesigen Baugesinnung in der gegenwärtigen Hoch-Zeit der geistigen Erneuerung und Wiederbesinnung Deutschlands« und gab über die Weimarer Moderne ein vernichtendes Urteil ab: Anderwärts hat man sowohl seitens der freien Architekten wie auch seitens der Bauverwaltungen in den verflossenen 14 Jahren nur allzu willig jeder modischen Sensation nachgegeben und den ganzen Hexensabath mitgemacht, der vom wilden Expressionismus und ›Glasscherbenstil‹ über die Hochhausseuche eines mißverstandenen Amerikanismus zu der öden ›Neusachlichkeit‹ geführt hat.« Nicht aber hier, wo »keiner der Freiburger Architekten etwaige baubolschewistische Sünden schamhaft zu verstecken nötig hatte.
Vortrag anlässlich des 150-jährigen Jubiläums
der Kolpingfamilie Ettlingen am 10.
Januar 2008
Wie müssen sich Christen verhalten, wenn
die Gesellschaft in Rechtlosigkeit, Gewalt und
Terror versinkt, wenn Parteien sich des Staats
bemächtigen, die Familien entzweit und der
Glaube bedroht wird? Welche Lehren ziehen
wir aus dem Verhalten der Generation, die das
so genannte Dritte Reich erdulden musste?
Am Beispiel der badischen Stadt Ettlingen
– einer kleinen Insel des geführten Widerstands
im braunen Meer der 30er Jahre – sollen
einige Antworten auf diese Fragen gegeben
werden, die wohl ein ewiges Thema für uns
Deutsche bleiben werden.
Geführter Widerstand?
Das Judengrab von Steinach
(2017)
Wie kommt die Ruhestätte eines Juden auf einen christlichen Friedhof? Steinach war in seiner langen Geschichte nie Heimstätte von Angehörigen mosaischen Glaubens. Außerdem bestatteten die Juden ihre Toten traditionsgemäß auf Sammelfriedhöfen außerhalb christlicher Siedlungen. Nachforschungen im Archiv der Gemeinde bestätigten die Existenz eines Juden: Nikolaus Klein, 22 Jahre, geboren in Bukarest, gestorben in einem Transportzug am 5. März 1945. Handschriftlich hat
jemand nach Ende des Krieges die wenigen Angaben in die Lageskizze der Ehrengräber eingetragen. Vom Internationalen
Suchdienst in Bad Arolsen liegt eine Bestätigung vor. Damit konnte zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass Nikolaus Klein
nicht zu den Häftlingen der drei Haslacher Außenlager des KZs Natzwiller-Struthof im Elsass gehörte. Zeitzeugenberichte untermauerten das Ganze zusätzlich. Seinen Weg in die Vernichtung nachzuzeichnen, gestaltete sich indessen viel schwieriger.
Es waren hauptsächlich drei Gründe, die mich bewogen, neben der Fülle bislang publizierter Bild- und Textdokumente zum französischen Deportations- und Internierungslager Gurs nach weiteren Belegen zu suchen: Zum einen die Vorbereitung auf eine fünftägige Gedenkstätten-Gruppenreise im Herbst 2000, die mich über Orleans und Oradour-sur-Glane (b. Limoges) nach Gurs, ca. 13 km nordwestlich von Oloron-Ste. Marie an der Route D 936, ins Departement Pyrenees-Atlantiques und von dort via Noe (b. Toulouse) in das gleichermaßen berüchtigte ehemalige Lager Les Milles östlich von Aix-en-Provence und schließlich nach Carpentras geführt hat. Zusammengenommen anläßlich des sechzigsten Jahrestages der Deportation von sechseinhalbtausend badischen und saarpfälzischen Juden am 22. Oktober 1940. Zum anderen war es meine Vermutung oder eher Zuversicht, aufgrund positiver Erfahrungen bei der Beschaffung von westalliierten Aufklärerfotos zur Totalbombardierung meiner Heimatstadt Halberstadt im nordöstlichen Harzvorland am 8. April 1945 sowie zum fünf Kilometer weiter südlich gelegenen, am 11. April von US-Truppen befreiten KZ Langenstein-Zwieberge, daß solche Senkrechtluftaufnahmen aus zumeist 6 bis 9 Kilometer Höhe auch für Orte außerhalb der reichsdeutschen Grenzen, also für die von der Wehrmacht besetzten Gebiete existieren müßten. Fotodokumente jedenfalls, die das von den ehemals
Internierten so intensiv erinnerte kilometerweite Ausmaß des hier interessierenden südwest-französischen Lagers Gurs besonders deutlich werden ließen. Drittens lag mir daran, mit Hilfe der mutmaßlich zu beschaffenden Luftbilder die bislang publizierten lediglichen Lagerskizzen bzw. -pläne nebst zugehörigen Erläuterungen zu verifizieren, sie authentisch belegt zu
ergänzen und die Fotodokumente anhand eigener Erkenntnisse während der Gedenkstättenbesichtigung - soweit es die Zeit unserer Gruppe dort zuließ -, sachlich weitgehend korrekt zu beschriften.
Auf einer Tagung im März 2010 in Bad Herrenalb, bei der der „Fall“ des „nichtarischen“ Pfarrers Kurt Lehmann (er zählte nach den Gesetzen des NS-Staates als „Halbjude“) eine besondere Rolle spielte, kam es immer wieder zur Frage der Kontinuität im Verhalten der Badischen Landeskirche in ihrer Haltung zum NS-Staat bis 1945 und, damit in unmittelbarem Zusammenhang stehend, der anschließenden Auseinandersetzung der Landeskirche mit ihrem Verhalten (und ggf. einem etwaigen Versagen) gegenüber den Übergriffen des NS-Staates. Symptomatisch für das Verhältnis der Kirche zu einer etwaigen Schuld schien dabei ihre Handlungsweise gegenüber den „nichtarischen“ Pfarrern Ernst (Vater) und Kurt Lehmann (Sohn) zu sein.
Warum haben die Katholiken die Hitler-Diktatur nicht verhindert? Hatten sie keine Möglichkeit dazu? Oder wollten sie sich gar nicht ernsthaft gegen die Nazis wehren? Wer (oder was) hat sie gehindert, der NSDAP den Weg zur totalen Machtergreifung zu versperren? Es gibt neue Quellen, neue Gesichtspunkte, neue Einschätzungen hierzu.
"Geschichte ist das, was ein Zeitalter am anderen interessiert". Dieser Satz wird Jacob Burckhardt (1818-1897), dem bekannten Schweizer Historiker, zugeschrieben. Er ist in mehrfacher Weise Kern- und Angelpunkt der Geschichtsdidaktik: zum einen ist klar, dass es dort, wo kein Interesse (im ursprünglichen lateinischen Sinn von inter esse), keine Fragestellung auf Schülerseite besteht, um den Lernerfolg schlecht bestellt ist. Zum anderen muss in einem propädeutischen, wissenschaftlich ausgerichteten Geschichtsunterricht deutlich werden, dass Geschichte nichts Vorgegebenes, sondern Rekonstruktion der Vergangenheit mit Hilfe von Quellen und wissenschaftlicher Quellenkritik ist. Geschieht dies nicht, so werden die Aufträge von Schulgesetz, Bildungs- und Lehrplänen nicht erfüllt. Zum Idealbild des mündigen Bürgers kann die Beschäftigung mit Geschichte beitragen, indem sie dazu verhilft, die gegenwärtige Welt besser zu verstehen, in der gegenwärtigen Welt reflektiert handeln zu können, an den Quellen und durch Quellenkritik bestimmte Fähigkeiten wie z. B. Kritikfähigkeit und analytisches Denken zu erwerben sowie die persönliche und gesellschaftliche Identitätsbestimmung und die Werte, die ihr zugrunde liegen, besser zu verstehen.
Am Karfreitag 1945 verhaftete eine Volkssturmeinheit unweit von Bad Rippoldsau, das unterhalb des Kniebismassivs liegt,
zwei Flüchtlinge: zwei junge Menschen, welche die Not der Zeit in die Welt hinausgeworfen hatte, wo sie versuchten, ihr
Leben zu retten. Doch sie trafen auf den SS- und SD-Führer, SS-Totenkopfringträger, SS-Ehrendegenträger und „Inhaber des
SS-Julleuchters", den zeitweiligen NSDAP-Ortsgruppenleiter von Wolfach, Karl Hauger, der seines Zeichens - sozusagen
neben seinen unzähligen NS-Parteibeschäftigungen - auch noch Forstamtsleiter des Staatlichen Forstamtes II in Wolfach,
der damals für Bad Rippoldsau zuständigen Forstbehörde, war. Ein Mann, der seine Unterwürfigkeit zu Partei und Staat auch
durch die Tatsache zum Ausdruck brachte, dass er nicht etwa, wie damals noch weithin üblich, im Frack und Zylinder zum
Traualtar schritt: Der Forstmann heiratete 1934 auch nicht, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, in Forstuniform, sondern
in der schwarzen Uniform der SS. Karl Hauger, im Volksmund von manchen noch heute der „kleine Hitler von Wolfach" genannt, war sich selbst nicht zu schade dafür, sich eigenmächtig zum Richter zu erheben und zum Hinrichter zu erniedrigen.
Vorbemerkung: Aus Anlass des 60. Jahrestages der Deportation Bruchsaler Juden in das südfranzösische Lager Gurs 1940
haben sich in den Monaten September bis November 2000 an der Bruchsaler Balthasar-Neumann-Schule II 22 Schüler des Berufskollegs Fachhochschulreife (JBKFH) im Alter von 22 bis 28 Jahren mit diesem Thema auseinandergesetzt. Im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Stadtarchiv Bruchsal wurden Akten und Dokumente zu diesem Thema eingesehen. Im Rahmen der vorliegenden Sozialstudie sollten die Fragen herausgearbeitet werden: wer waren diese Menschen,
die man deportierte, welcher Schicht entstanden sie, lassen sich Veränderungen der Sozialstruktur im Bruchsal der 1930er Jahre erkennen?
Ab 1940 entwickelte sich die leergeräumte Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern zu einem Zentrum nationalsozialistischer Schulpolitik. Zuerst wurde eine Reichsschule für Volksdeutsche eingerichtet. Gemeint sind Südtiroler Mädchen, deren Eltern für die Auswanderung nach Deutschland optiert hatten, nachdem Hitler Mussolini Südtirol überlassen hatte. Diese Mädchen sollten in der Illenau auf das Leben in Deutschland und das deutsche Schulwesen vorbereitet werden. Hinzu kam 1941 eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) für Mädchen, eine Eliteschule, die aber bereits 1943 in die Schule des Klosters Hegne am Bodensee umzog, wo sie unter dem Namen Deutsche Heimschule als Versuchsschule weitermachte. Dafür wurde in der Illenau im September 1943 auch noch eine Napola für Jungen gegründet.
Zu Beginn möchte ich Sie auf eine Zeitreise mitnehmen. Wir können dazu in diesem Raum bleiben, denn das Geschehen, an das ich nun erinnere, hat aller Wahrscheinlichkeit nach genau in diesem Saal, in der Aula der Universität, auf jeden Fall aber in diesem Gebäude stattgefunden. Auch wenn Sie also sitzen bleiben dürfen, müssen Sie doch gedanklich 78 Jahre zurückgehen, genauer in das Sommersemester 1933. Die Fachschaft der Theologischen Fakultät hat zu einem Vortrag eingeladen. Der Hörsaal, in dem der Vortrag stattfindet, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicht nur Studierende und Professoren der Theologischen Fakultät sind in großer Zahl erschienen, auch Hörer anderer Fakultäten und etliche Menschen aus der Stadt Freiburg sind gekommen.
Der »neue Geist« des Nationalsozialismus fiel in Hockenheim auf fruchtbaren Boden. Schon
früh ließen sich Männer und Frauen von den nationalsozialistischen Ideen vereinnahmen,
doch es gab auch Widerstand. Im Zuge der Gleichschaltung gaben alle demokratisch gewählten
Gemeinderäte ihre Mandate zurück. Für die Jugend baute die Stadt ein Jungvolkheim.
Große Sonnenwendfeiern fanden nach germanischer Sitte statt. Ein NS-Zensor wachte über
die Presseberichte der Zeitungen. Im Heldenkeller misshandelten die Ortsnazis Andersdenkende.
Jüdische Familien wurden aufgefordert, Hockenheim zu verlassen. Die bereits publizierten
Werke über das Dritte Reich verharmlosen das Ausmaß der Gräueltaten, welche
Hockenheimer ihren Mitmenschen angetan haben.
Die Konstanzer Gruppe der Zeugen Jehovas, damals Ernste Bibelforscher genannt,
bildete sich 1921 mit etwa 15 Personen. In den unruhigen Zeiten der Weimarer Republik
hatten die Zeugen Jehovas zeitweise großen Zuspruch. Bei Werbeveranstaltungen in Konstanz ab 1920 waren die Säle des Konzilsgebäudes gut gefüllt. Eine Veranstaltung hieß:
Die Welt ist am Ende – Millionen jetzt Lebender werden nie sterben! Eine andere hieß: Die Zeit ist
herbeigekommen! [1] Reisende Bibelforscher betreuten die ersten Anhänger in der Region. Ihr
Auftreten war fromm erscheinend, würdevoll und ernst. Ihren Bartschnitt ahmten sie Christus nach.
Sie trugen einen schwarzen Rock, versehen mit einer Anstecknadel, die Kreuz und Krone darstellte. Die
einheimischen Anhänger missionierten wiederum sonntags mit dem Fahrrad bis in den
Hegau und in den Linzgau hinein, und sie hielten Kontakt zu Schweizer Zeugen Jehovas.
Die Versammlungen der 20er Jahre wurden von einem Erntewerkvorsteher und gewählten Ältesten geleitet. Ab 1932 sprach man von Dienstleitern und Brüdern, ab 1936 von
Gruppendienern, die nicht mehr gewählt, sondern ernannt wurden. Außer öffentlichen
Vorträgen wurden regelmäßige wöchentliche Zusammenkünfte abgehalten, sei es Gruppen-Wachtturm-Studium oder Lobpreisungs- und Gebetsversammlungen.
Über die Grundlinien der Entwicklung der deutschen Tagespresse zwischen
1933 und 1945 besteht seit langem Klarheit: Das breit entfaltete, pluralistische Zeitungswesen der Weimarer Republik wurde von den Nationalsozialisten in mehreren Wellen drastisch beschnitten und inhaltlich in ein enges Korsett gezwängt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs existierte nur noch ein Bruchteil der Blätter, die es 1932 gegeben hatte – und fast alle davon waren in der Hand der NSDAP. Von „Zeitungen“ war dabei eigentlich kaum noch zu reden. Es handelte
sich nur noch um eine Art Flugblätter mit Durchhaltepropaganda.
Mit dem Erscheinen des sechsten und zugleich Registerbandes der Quellenedition „Die Evangelische Landeskirche in Baden im ,Dritten Reich‘“ im Jahr 2005 wurde eines der großen editorischen Langzeitprojekte der deutschen kirchlichen Zeitgeschichte abgeschlossen. Anders als bei der Dokumentation des württembergischen Kirchenkampfes durch Gerhard Schäfer – für sich genommen eine geradezu singuläre Dokumentationsleistung – steht bei dem im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats Karlsruhe in Kooperation mit dem Verein für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden zustande gekommenen Editionsprojekt nicht die „Kirchenkampf“-Geschichte im engeren Sinn im Vordergrund. Das Karlsruher Projekt hat sich, wie bereits das Geleitwort von Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt zum ersten, 1991 erschienenen Band zeigt, die Kontextualisierung der Auseinandersetzung zwischen Landeskirche und NS-Regime in der Kirchen- und Allgemeingeschichte des 20. Jahrhunderts zum Ziel gesetzt.
Es dürfte wenig Schulen in Deutschland geben, die so gut erforscht sind wie die Reichsschule für Volksdeutsche, die von 1940 bis 1944 in der Illenau bei Achern eingerichtet war. Die dortige Heil- und Pflegeanstalt war im Zuge der Euthanasieaktionen geräumt worden. In den Jahren 1990/91 sind an der Universität Innsbruck gleich zwei Magisterarbeiten über die Schule in Achern entstanden. Beide Arbeiten beruhen nicht auf Archivstudien, sondern auf Interviews mit Schülerinnen, Lehrerinnen und Unterrichtsleiterinnen. Nachdem die Autorinnen Wieser und Mayr festgestellt hatten, dass sie am gleichen Thema arbeiten, einigten sie sich darauf, die Interviews mit den Schülerinnen in Südtirol regional aufzuteilen. Die Interviews mit Lehrerinnen und Direktorinnen in Deutschland führten sie gemeinsam, so dass die Ergebnisse der beiden Arbeiten nicht stark voneinander abweichen.