Drittes Reich
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Es war ein glücklicher Fund wider das Vergessen: ein Aktenfaszikel aus 147 Blättern, mit einer groben Schnur zusammengeheftet, die Seiten eng beschrieben mit Schreibmaschine und
einer sehr schönen und regelmäßigen, gleichwohl oft nicht
leicht lesbaren altdeutschen Schreibschrift. Über ein halbes
Jahrhundert lang hatte das Bündel im Schrank des katholischen Pfarrhauses in Schutterwald verborgen gelegen, und
nachdem ein neuer Pfarrer eingezogen war, bewahrte es nur
die glückliche Aufmerksamkeit eines Fußgängers vor der Vernichtung und dem endgültigen Vergessen auf einem Haufen
Sperrmüll am Straßenrand. Schließlich waren die Blätter über
einige merkwürdige Umwege auf mich gekommen.
Interniert in Kislau
(2019)
Weder die deutsche Öffentlichkeit noch die Geschichtswissenschaft beschäftigte sich nach Ende des „Dritten Reiches“ mit dem Schicksal der Menschen, die im Nationalsozialismus als „Asoziale“ verfolgt wurden. Noch weniger bekannt ist, dass sich deren Stigmatisierung und Ausgrenzung nicht auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 begrenzte, sondern bereits im Kaiserreich praktiziert wurde und auch in der Bundesrepublik weiter anhielt. Die Betroffenen – insbesondere Menschen ohne festen Wohnsitz – waren noch Jahrzehnte nach Kriegsende mit Ressentiments und Kriminalitätszuschreibungen konfrontiert. Da sie nicht als Opfer „rassischer Verfolgung“ anerkannt wurden, hatten sie keine Ansprüche auf finanzielle Entschädigung für das erlebte Leid. Die Forschung lenkte ihren Blick erstmals und auch nur vereinzelt in den 1980er-Jahren auf das Schicksal der als „asozial“ Stigmatisierten. Dies geschah im Zuge der generellen Entdeckung sogenannter „vergessener Opfer“, die sich nach Kriegsende nicht in Opferverbänden zusammengeschlossen hatten und daher kaum öffentlich wahrgenommen wurden. Mittlerweile sind viele der „vergessenen Opfer“ anerkannt worden, wie die Homosexuellen, Sinti und Roma, Zwangssterilisierte oder sowjetische Zwangsarbeiter, allerdings fehlen bis heute die „Asozialen“. Als „asozial“ abgestempelte Personen wurden in nationalsozialistische Konzentrationslager eingewiesen – meist versehen mit dem schwarzen oder grünen Winkel – und dort zu Tausenden ermordet, aber auch in reichsweit existierenden Arbeitshäusern interniert. Darunter befand sich ein badisches Arbeitshaus, das auf dem Gelände des Schlosses Kislau bei Mingolsheim (heute Bad Schönborn) untergebracht war.
Die Rheinbrücke in Breisach
(2020)
Am 22. Oktober 2020 jährt sich zum 80. Mal die Deportation von 6.504 Deutschen jüdischer Herkunft in das französische Internierungslager Gurs am Fuß der französischen Pyrenäen. Im kollektiven Gedächtnis Südwestdeutschlands ist das Lager Gurs dadurch zentral mit den Opfern der sogenannten „Oktoberdeportation“ verbunden. Die Vorbereitung der „Judenaktion in Baden und in der Pfalz“ erfolgte von langer Hand und lieferte eine Art Masterplan für künftige Vertreibungen der Juden aus Deutschland.
Im Jahre 1960 wird die Heimatgeschichte von Heidelsheim herausgegeben. Unterlagen aus dem Nachlass von Otto Härdle bestätigen, dass der Autor von 1936 bis 1939 schon einmal versucht hat, seine heimatgeschichtlichen Forschungen in Buchform zu veröffentlichen. Doch kommt das Vorhaben nicht voran. Erst spät erkennt der Autor, dass die NSDAP in das Geschehen eingreift. Langsam konkretisieren sich Einwendungen. Die Bereitschaft des Autors zu Korrekturen führt nicht zu einer Druckfreigabe.
Gedenken gestalten
(2015)
Am 22. Oktober 2015 jährt sich die NS-Deportation der Heidelberger Juden in das südfranzösische Internierungslager Gurs zum 75. Mal. Im Rahmen der ersten planmäßigen Massendeportation von Juden aus dem Deutschen Reich wurden auf Betreiben des Gauleiters von Baden, Robert Wagner, sowie des saarpfälzischen Gauleiters Josef Bürckel über sechstausend jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Baden, der Pfalz und dem Saarland von der Gestapo und französischen Behörden nach Gurs verschleppt. Viele dieser Opfer wurden daraufhin weiter in Konzentrationslager und Vernichtungslager im Osten deportiert. Darunter waren auch mindestens 299 Heidelbergerinnen und Heidelberger. Frühmorgens am letzten Tag des jüdischen Laubhüttenfestes „Sukkoth“ wurden sie von Gestapobeamten in ihren Wohnungen verhaftet und unter den Augen der Öffentlichkeit zum Gleis 1a des alten Hauptbahnhofes transportiert. Mit Sonderzügen erfolgte gegen 18.15 Uhr ihre vier Tage andauernde Deportation ins südfranzösische Lager Gurs. 208 der Heidelberger Jüdinnen und Juden, die nach Gurs deportiert worden waren, starben dort oder in anderen Lagern.
Der traditionsreiche Stadtteilverein „Alt-Heidelberg e.V.” hat sich 2016 der Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel seiner Geschichte angenommen. Im Jahr 1935 beteiligte sich dessen Vorstand an der von Oberbürgermeister Carl Neinhaus veranlassten und von den städtischen Behörden ausgeführten Vertreibung der in Heidelberg ansässigen Sinti-Familien. Diese Aktion markierte den Beginn einer Verfolgungsgeschichte, welche für mindestens drei Personen und ein Neugeborenes mit dem Tod im Vernichtungslager Auschwitz Birkenau endete.
Die Rolle der Polizeien bei ihrer "Gleichschaltung" in den deutschen Ländern der ersten Monate 1933 wurde durch die vorausgegangene Entwicklung in Preußen, dem gewichtigsten deutschen Reichsland mit der Reichshauptstadt Berlin, geprägt. Die Verhältnisse in den anderen
Ländern unterschieden sich jedoch gegenüber Preußen zumindest in der Zeit zwischen der "Machtergreifung" der NSDAP mit Adolf Hitler am 30. Januar und den Reichstagswahlen am 5. März 1933 beträchtlich. Dies wird nachfolgend durch einen Betrag nachbereitet, der am Beispiel der Polizei in Karlsruhe die Entwicklung in Baden näher beleuchtet. Dort war der Gleichschaltungsprozess, im nationalsozialistischen Schrifttum als "Die Deutsche Erhebung in Baden" deklariert, im Zeitraum von nur einer Woche nach dem Wahltag vollzogen.
Luftkrieg am Bodensee
(2011)
In Heiligenberg-Wintersulgen, im Flurstück Kiebloch, nahe Betenbrunn, erinnert
ein Bildstock an den Absturz eines amerikanischen Bombers am 18. März 1944 an diesem Ort. Eine Tafel auf dem daneben stehenden Granitstein nennt die Umstände des
Absturzes. Demnach hatte das Flugzeug an der Bombardierung Friedrichshafens teilgenommen und war dabei von der Flak abgeschossen worden. Sechs Besatzungsmitglieder
verloren ihr Leben.
Am 20. Juni 1939 erhielt die 81-jährige Professorenwitwe Anna Samuely eine Mitteilung der Heidelberger Stadtverwaltung, in der sie aufgefordert wurde, unverzüglich alle Gegenstände aus Gold und Silber sowie Brillantschmuck, Uhren, Bestecke, Vasen und Münzen von erkennbarem Wert beim städtischen Leihamt abzuliefern. Ihre Wertsachen würden dort amtlich geschätzt werden. Sie erhalte den Taxpreis abzüglich einer Bearbeitungsgebühr. Frau Samuely wusste, was das bedeutete. Die Aktion hatte im Februar begonnen, ein Großteil ihrer jüdischen Bekannten war schon zur Ablieferung vorgeladen worden. Sie wusste auch, dass mittlerweile die taxierten Beträge nicht mehr ausgezahlt, sondern auf ein Sperrkonto gelegt wurden. Sie hatte erfahren, dass Heidelberger Schmuck- und Uhrenhändler, zu deren Kundschaft sie auch gehört hatte, sich im Rathaus zu Auktionen versammelten, um die abgelieferten Wertsachen günstig zu ersteigern. Frau Samuely wurde Opfer einer dreisten staatlichen Raubaktion.
Auf den ersten Blick ist es ein kleiner, bescheidener Briefwechsel. Eine Mutter bedankt sich bei einer ihr unbekannten Familie, dass diese den Sohn aufgenommen hat. Sie freut sich über jede positive Nachricht. Ihre Wünsche und Hoffnungen sind größer als das wirkliche Wissen, das sie aus den kindlichen Erzählungen ihres nicht sonderlich schreibfreudigen Sohnes erfährt. Sie „promotet“ ihren Sohn und seine Schwester, in der inständigen Hoffnung, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind. Betrachten wir die Umstände, gewinnen die scheinbar harmlosen Zeilen an dramatischem Gewicht.
Zur Erinnerung an dieses Ereignis, von dem
auch Menschen aus Villingen betroffen waren,
wurde eine Veranstaltungsreihe organisiert.
VS-Villingen. „Es ist unsere Aufgabe zu erinnern: an die, die unter dieser Diktatur gelitten
haben und ermordet wurden und an die, die
diese Verbrechen begangen haben. Wir dürfen
nicht vergessen“, heißt es im Grußwort des Oberbürgermeisters Jürgen Roth. Das katholische
Bildungszentrum, die evangelische Erwachsenenbildung und die Volkshochschule VS haben
eine Veranstaltungsreihe zum Gedenken an die
Deportation der Juden aus Baden in das Lager
Gurs in Frankreich am 22. Oktober 1940 organisiert. Viele Unterstützer sind mit dabei, und wollen zeigen: Wir stehen hinter dieser Idee. Darunter finden sich zum Beispiel der Geschichts- und
Heimatverein Villingen und das Amt für Kultur
VS. Dieses historische Ereignis hat zudem regionalen Bezug. Unter den Verschleppten waren
auch Villinger, Donaueschinger und Triberger.
Für viele der Deportierten ging der Weg später
weiter in die Vernichtungslager in Osteuropa …
Zwei geschichtspolitische Themen bestimmen seit fast vierzig Jahren die lokale Erinnerungskultur der Stadt Offenburg: Die
Erinnerung an und die Auseinandersetzung mit der badischen Revolution von 1847–1849 sowie „Verfolgung und Widerstand“
in der NS-Zeit. In den beiden vergangenen Jahren zog die Kulturverwaltung gemeinsam mit dem Kulturausschuss und dem
Gemeinderat eine Bilanz über die städtische Erinnerungskultur der letzten vier Jahrzehnte und setzte die inhaltlichen Schwerpunkte für die zukünftige städtische Erinnerungspolitik. Gemeinsam entschied man sich bewusst dafür, dass auch in Zukunft „NS-Vergangenheit“ einerseits und „Demokratiebewegung des Vormärz“ andererseits Schwerpunkte der Erinnerungskultur in Offenburg bilden sollen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich ausführlich mit der kommunalen Erinnerungskultur und ihrer Zukunft.
Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Bundestag am 6. Juli 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" verabschiedet. Es trat am 12. August 2000 in Kraft. Zweck der Stiftung ist es, über Partnerorganisationen Finanzmittel zur Gewährung von
Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter aus der Zeit des Nationalsozialismus bereitzustellen.
Eine wichtige Rolle bei der Beschaffung von Daten der Nachweise nehmen die Archive ein. Denn ohne die in Archiven verwahrten Unterlagen
können die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter den Nachweis nicht erbringen.
Oskar Wiegert
(2009)
In fast allen Veröffentlichungen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Offenburg, zuletzt in Martin Ruchs Publikation über das Novemberpogrom in Offenburg, fällt der Name Oskar Wiegert als fanatischer und skrupelloser Nazitäter. Im Rahmen der Untersuchung der Entnazifizierung der Stadtverwaltung Offenburg fand der Autor weitere Archivdokumente, die bisher noch nicht ausgewertet wurden und interessante Aufschlüsse über seine Nachkriegsbiografie bringen. Zu Beginn der fünfziger Jahre lässt sich in der Bundesrepublik eine Abkehr von der im vorigen Beitrag beschriebenen Entnazifizierungspolitik feststellen. Schritt für Schritt setzte sich ein Nazi-Begriff durch, ,,der auf Rabauken und Sadisten passte, aber die partei-organisatorisch nicht recht greifbaren Unterstützer in herausragenden Positionen - Wirtschaftsmanager, Richter, Bürokraten, Professoren - ausfilterten." Dieses Milieu hatte sich nicht mit den kleinen Pöstchen abgegeben, wie Kassenverwalter, Zellenleiter, Blockwart etc. Einfach zu belangen waren die Raufbolde, Querulanten. Sie besaßen teilweise Hemmungen, den plebejischen NS-Verbänden mehr als nominell beizutreten und hatten ihren Einsatz auf viel effizientere Weise bewiesen, nur blieb davon im formalen Raster der Entnazifizierung nicht viel hängen. Letztendlich existierte in den fünfziger Jahren ein „gewisses Solidaritätsgefühl zwischen Nazis und Nicht-Nazis." In vielen Gemeinden gab es oftmals eher eine Sympathie für den verteufelten Nazi als für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Mitarbeiter der Spruchkammern, die im Gegensatz zur Mehrheit der Bevölkerung sich dem System widersetzt hatten, waren bereits gegen eine Wand des Schweigens gestoßen. Sie waren der Bevölkerungsmehrheit oft fremd, suspekt und lästig.
Am 25. Juli 1998 wurde im Urenwald bei Haslach im Kinzigtal die „Gedenkstätte Vulkan" eingeweiht. Mehr als 53 Jahre nach Kriegsende entstand endlich in dem Gebiet, in welchem Häftlinge aus 19 Ländern von September 1944 bis April 1945 ihre Gesundheit einbüßten oder gar ihr Leben ließen, eine Stätte, die an jene schrecklichen Ereignisse erinnert.
Auf einer Tagung im März 2010 in Bad Herrenalb, bei der der „Fall“ des „nichtarischen“ Pfarrers Kurt Lehmann (er zählte nach den Gesetzen des NS-Staates als „Halbjude“) eine besondere Rolle spielte, kam es immer wieder zur Frage der Kontinuität im Verhalten der Badischen Landeskirche in ihrer Haltung zum NS-Staat bis 1945 und, damit in unmittelbarem Zusammenhang stehend, der anschließenden Auseinandersetzung der Landeskirche mit ihrem Verhalten (und ggf. einem etwaigen Versagen) gegenüber den Übergriffen des NS-Staates. Symptomatisch für das Verhältnis der Kirche zu einer etwaigen Schuld schien dabei ihre Handlungsweise gegenüber den „nichtarischen“ Pfarrern Ernst (Vater) und Kurt Lehmann (Sohn) zu sein.
Bei der Deutschen Feldpost im Zweiten Weltkrieg unterscheidet man zwischen militärischen Feldpost-Sendungen, die von
Wehrmachtsdienststellen abgesandt wurden und den Abdruck des Briefstempels oder Dienstsiegels auf der Außenseite trugen, und den Privatsendungen der Wehrmachtsangehörigen als Absender oder Empfänger, die in persönlichen Angelegenheiten verschickt wurden. Die Feldpost war uneingeschränkt ein Teil der Wehrmacht. Die postfachliche Aufsicht oblag dem Reichspostministerium in Berlin. Zugelassen waren gewöhnliche Postkarten und Briefsendungen bis 250 g, Päckchen bis 1 kg, Post- und Zahlungsanweisungen ins Feld und vom Felde, Zeitungen und Telegramme. Der Heeresfeldpostmeister im OKH ließ gelegentlich Sondermarken für (Luft-)Feldpostbriefe und Feldpostpäckchen herausbringen.
Das Judengrab von Steinach
(2017)
Wie kommt die Ruhestätte eines Juden auf einen christlichen Friedhof? Steinach war in seiner langen Geschichte nie Heimstätte von Angehörigen mosaischen Glaubens. Außerdem bestatteten die Juden ihre Toten traditionsgemäß auf Sammelfriedhöfen außerhalb christlicher Siedlungen. Nachforschungen im Archiv der Gemeinde bestätigten die Existenz eines Juden: Nikolaus Klein, 22 Jahre, geboren in Bukarest, gestorben in einem Transportzug am 5. März 1945. Handschriftlich hat
jemand nach Ende des Krieges die wenigen Angaben in die Lageskizze der Ehrengräber eingetragen. Vom Internationalen
Suchdienst in Bad Arolsen liegt eine Bestätigung vor. Damit konnte zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass Nikolaus Klein
nicht zu den Häftlingen der drei Haslacher Außenlager des KZs Natzwiller-Struthof im Elsass gehörte. Zeitzeugenberichte untermauerten das Ganze zusätzlich. Seinen Weg in die Vernichtung nachzuzeichnen, gestaltete sich indessen viel schwieriger.
Seit dem 1. September 1939 ist Krieg. Der Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen ist in vollem Gange. England und Frankreich erklären daraufhin Deutschland am 3. September 1939 den Krieg.
Zu den Familien mit wehrfähigen Männern flatterten Einberufungsbefehle. Die Grundnahrungsmittel wurden rationiert, Brot, Fleisch, Butter,
Zucker gab es nur auf Lebensmittelkarten zu kaufen. Dem „Normalverbraucher" stand die geringste Kalorienmenge zu. Schuhe und Kleidung
waren nur auf Bezugscheine erhältlich. Die Einheitsseife und Tabak gab es
auf Zuteilung zu kaufen.
In der Öffentlichkeit wird vielfach die Ansicht vertreten, Juristen hätten sich nur ganz vereinzelt gegen das NS-Regime widersetzt. Dieser Eindruck ist nicht nur bezogen auf den aktiven Widerstand unzutreffend, sondern auch für den wesentlich breiteren Bereich der Widersetzlichkeit, der Opposition und Verweigerung im Alltag. Hier hat die zeitgeschichtliche Forschung die Kenntnis über die Einzelheiten widerständigen Verhaltens in letzter Zeit erheblich erweitert. Für den südwestdeutschen Bereich ist dies im wesentlichen der zur Universität Karlsruhe gehörenden Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten zu verdanken. Sie hat sich im Rahmen des vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „Justizgeschichte Badens und Württembergs, 1919–1953“ bereits
wiederholt mit dem Wirken badischer Juristen während der NS-Diktatur befasst.
Bitterkeit empfindet Johanna F., geb. Santo, wenn sie an die vielen rhetorisch ausgefeilten Reden denkt, die am 27. Januar 2005 von Politikern zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz gehalten wurden. Keiner der Volksvertreter vergaß, an die Opfer von Nazi-Deutschland zu erinnern. Die KZ-Opfer nicht zu vergessen,
nie mehr Unrecht auf deutschem Boden zu dulden, war Inhalt aller Gedenkansprachen. Doch war die moralische Entrüstung, die Einforderung von Toleranz und Humanität im gesellschaftlichen Zusammenleben immer auch ein ernst zu nehmendes Anliegen der Redner? Entsprangen die lautstark vorgetragenen Anklagen stets auch einer edlen Gesinnung? Die Mutter von Johanna F., Elsa Santo, war vom 24. November 1944 bis zum 28. April 1945 als politisch Verfolgte im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert. Eine Wiedergutmachung hat sie als Opfer des Faschismus trotz ihrer Anträge und Eingaben an die zuständigen Behörden im Land Baden-Württemberg nie erfahren. Aktenunterdrückung und
Rechtsbeugung haben jegliche Wiedergutmachung verhindert. Dieter Wiefelspütz (MdB), Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fasst sein Unverständnis und seine Empörung über die Vorgehensweise der Behörden gegenüber Johanna F. in einem Schreiben vom 8. September 2000 in folgenden Worten zusammen: „Ihr Schicksal und das Ihrer Mutter haben mich tief berührt und Ihr Leidensweg durch die bundesdeutsche Gerichtsbarkeit erfüllt mich mit Zorn und gleichzeitig mit Ohnmacht." Nachfolgend eine Dokumentation zu dem Schicksal von Frau Elsa Santo und ihrer Tochter Johanna.
Die dramatischen Tage des Zusammenbruchs liegen jetzt weit über fünfzig
Jahre zurück. Die Zahl derer, die die schlimmen Tage vor der Kapitulation
und danach mit Bewusstsein miterlebt haben, verringert sich ständig. Aus
diesem Grunde mag die Veröffentlichung der Kriegschronik einer kleinen
mittelbadischen Stadt besonderes Interesse beanspruchen. Sie beruht zum
kleineren Teil auf Aktenstudium oder auf Auskünften von anderen; zum
weitaus größeren Teil hat der Verfasser die geschilderten Vorgänge an Ort
und Stelle, seit 16. Oktober 1944, miterlebt und unmittelbar schriftlich
festgehalten. Der Autor - mein Vater, Landgerichtsdirektor i. R. Dr. J. B.
Ferdinand, Chronist und Ehrenbürger der Stadt Ettenheim (1880-1967) -
hat die Niederschrift am 25. November 1945 abgeschlossen; sie umfasst
die Zeit von Kriegsbeginn im Jahre 1939 bis zum 1. November 1945.
Vergessen wäre gefährlich! »Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem:
Mord, ethnische Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche
Akte gegen die Zivilbevölkerung oder: Verfolgung aufgrund von rassistischen, politischen und religiösen Motiven; unabhängig davon, ob einzelstaatliches Recht verletzt wurde.« So lautet die Definition der Londoner Charta vom 8. August 1945.
Mit dem Begriff »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« versuchten 1945 die Staaten, deren Armeen das nationalsozialistische Deutschland niedergerungen hatten, die
Verbrechen der Deutschen zu beschreiben und Maßstäbe zu ihrer Verurteilung zu
schaffen. Dass sie einen ganz wichtigen rechtsstaatlichen Grundsatz unterliefen,
indem sie den Straftatbestand erst definierten, nachdem die Taten begangen waren,
war allseits bewusst. Angesichts der jahrelangen, geplanten, massenhaft praktizierten
ungeheuerlichen Brutalität des Terror-Regimes und aller, die es unterstützten, wurde
dieser Verstoß gegen einen formalen Rechtsgrundsatz in Kauf genommen. Unter anderem auch, weil »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zwar eine neue Formulierung war, im Kern aber nur gewachsene Grundlagen des modernen Rechts zusammenfasste – bis hin zu biblischen Grundsätzen wie »Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst« oder eben »Du sollst nicht töten«. Diese und alle darauf aufbauenden Gebote
und Verbote brauchten angesichts der zwölf Millionen Menschen, die von den Nazis
gezielt ermordet worden waren, dringend neue Schubkraft.
Vorbemerkung: Aus Anlass des 60. Jahrestages der Deportation Bruchsaler Juden in das südfranzösische Lager Gurs 1940
haben sich in den Monaten September bis November 2000 an der Bruchsaler Balthasar-Neumann-Schule II 22 Schüler des Berufskollegs Fachhochschulreife (JBKFH) im Alter von 22 bis 28 Jahren mit diesem Thema auseinandergesetzt. Im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Stadtarchiv Bruchsal wurden Akten und Dokumente zu diesem Thema eingesehen. Im Rahmen der vorliegenden Sozialstudie sollten die Fragen herausgearbeitet werden: wer waren diese Menschen,
die man deportierte, welcher Schicht entstanden sie, lassen sich Veränderungen der Sozialstruktur im Bruchsal der 1930er Jahre erkennen?
Tatort Heidelberg
(2019)
Auf der Grundlage einer Verordnung der Reichsregierung vom 21. März 1933 wurden reichsweit Sondergerichte gebildet, deren Zuständigkeit sich zunächst auf Delikte erstreckte, die nach zwei Notverordnungen strafbar wurden, mit denen die Nationalsozialisten
zum Zwecke ihrer Machtübernahme den Rechtsstaat aushöhlten: die sogenannte Reichstagsbrandverordnung („zum Schutz von Volk und Staat“) vom 28. Februar und die Verordnung „zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung“ vom 21. März 1933. Letztere kriminalisierte unter anderem Aussagen, die „das Wohl des Reiches oder eines Landes oder der Reichsregierung
oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden“ schwer schädigten. Damit wurde den Justizbehörden quasi eine Generalvollmacht erteilt, dissentierende politische Meinungsäußerungen, auch wenn sie nicht öffentlich vorgebracht wurden, zu unterdrücken. Für die Sondergerichte, deren Zuständigkeiten später noch erheblich ausgedehnt wurden, zum Beispiel auf Vergehen nach der Verordnung „gegen Volksschädlinge“ vom 5. September 1939, wurde die Strafprozessordnung in mehreren Punkten aufgeweicht, um ihre Verfahren zu beschleunigen: Mündliche Verhandlungen über den Haftbefehl fanden ebenso wenig statt wie gerichtliche Voruntersuchungen, die Ladungsfristen konnten auf 24 Stunden herabgesetzt werden, Vernehmungsergebnisse mussten in die Hauptverhandlungsprotokolle nicht aufgenommen werden, und gegen Entscheidungen der Sondergerichte waren Rechtsmittel nicht zulässig.
Die heutige Badische Staatskapelle ist aus der Hofkapelle des Markgrafen von Baden-Durlach hervorgegangen, die 1662 am Durlacher Hof gegründet wurde. Sie ist deren lückenlose Nachfolgerin. Im Lauf ihrer Geschichte hat sie viele große Zeiten unter bedeutenden Dirigenten erlebt, aber auch schwierige Phasen durchstehen müssen. Die allgemeine Geschichte des Karlsruher Theaters in der Zeit des Dritten
Reiches ist verschiedentlich aufgearbeitet worden, doch die Badische Staatskapelle ist bislang noch nicht Gegenstand einer speziellen Betrachtung gewesen. Die Bibliothek des Staatstheaters verwahrt unter anderem sämtliche Programmzettel und -hefte sowie die monatlich erschienenen „Bühnenblätter“, deren systematische Auswertung Einblick in den Theater- und Orchesterbetrieb gewährt. Daran und anhand umfänglicher Akten sowohl aus den Beständen des Badischen Staatstheaters als auch des badischen Kultusministeriums im Generallandesarchiv Karlsruhe lassen sich die Ereignisse jener zwölf Jahre unter dem NS-Regime nachzeichnen.
Die Kirchenbücher im Herzogtum Württemberg, dem größten Territorium
des nachmaligen Königreichs, dessen Gebiet bis zum heutigen Tag den größten
Teil der Landeskirche bildet, gehen auf das Jahr 1557/58 zurück. [1] In der Visi -
tationsordnung vom 2. Februar 1557 wurde von Herzog Christoph die Führung von Taufbüchern angeordnet. [2] Diese werden auch in der 1559 erschie -
nenen Großen Württembergischen Kirchenordnung erwähnt, denn hier wird
den Visitatoren aufgetragen, den »Catalogum mit den getaufften Kindern« zu
überprüfen. [3] Im Gegensatz zur Einführung der Taufbücher [4] ist ein Erlass für
die Anlegung von Registern der Eheschließungen und Beerdigungen, also der
Führung von Ehe- und Totenbüchern, die alsbald nach den Taufbüchern beginnen, nicht bekannt. [5] In den meisten Fällen wurden diese drei ursprünglichen
Sparten der kirchlichen Register in einem Band eingetragen, der in kleinen
Gemeinden oft hundert und mehr Jahre seinem Zweck diente. Später wurden
dann für jedes der drei Register eigene Bände angelegt.
Als Ende der 1990er-Jahre die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" auf den Weg
gebracht wurde, die Entschädigungsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter in Deutschland aus Mitteln des Bundes und der Wirtschaft bereitstellen und
verteilen sollte, da war die Zwangsarbeitergeschichte und die Auseinandersetzung mit ihr in aller Munde. Sie wurde im Vorfeld der Gesetzgebung lebhaft und strittig diskutiert, und zwar
nicht nur hierzulande. Schon während der Auszahlung der 5, 1 Milliarden Euro aus dem
Stiftungsfond an die Betroffenen, die nach einem aufwendigen und mühseligen Antrag - und
Prüfungsverfahren zustande kam und die gewiss in vielen Fällen segensreich, in anderen aber
auch mit Härten und Enttäuschungen verbunden war, begann aber da öffentliche Interesse an
der Zwangsarbeiterthematik nachzulassen. Heute ist sie aus dem Bewusstsein des Normalbürgers bereits wieder weitgehend verdrängt.
Die Stadt Freiburg, die damals, auf dem Höhepunkt der Debatte im Mai 2001 , sozusagen als
Soforthilfe in Anbetracht de ich immer wieder verzögernden Au zahlungsbeginn eine eigene
städtische Entschädigungsleistung an ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen im
Stadtgebiet beschlossen hatte, ist allerdings immer noch mit dem Thema befasst. Erst 2007 hat
sich nämlich die russische Zwangsarbeiterstiftung bereitgefunden, sich mit der Stadt vertraglich über die Zahlung an ihre betroffenen Landsleute zu einigen, so dass nun endlich auch die
letzten Gelder fließen können.
Die von den Nationalsozialisten eingeleitete Ausrottung der Sinti und Roma hat einen langen
Vorlauf in Europa und Deutschland. Sie konnte sich auf Vorurteile, auf Misstrauen und
Abneigung bis hin zu offener Feindschaft stützen, die sich seit dem Mittelalter in der
Bevölkerung entwickelt hatten und fest verwurzelt waren.
In Freiburg - wie überall in Deutschland - verlief die „Aussonderung aus der Volksgemeinschaft" nach 1933 fast reibungslos. Offene Proteste oder Widerstand gab es nicht. Im
Gegenteil! Obwohl viele Sinti wie auch die Juden als deutsche Staatsbürger integriert waren
und sogar im Ersten Weltkrieg die ihnen doch immer wieder abgesprochene patriotische
Gesinnung gezeigt hatten, konnten sich die Nazis stillschweigender Zustimmung weiter
Bevölkerungskreise zu ihrem Vorgehen sicher sein. ,,Das Feindbild ,Zigeuner' war", wie es
Reimar Gilsenbach formuliert, ,,altüberliefert, es war in der Masse der Deutschen stärker verinnerlicht als das Feindbild ,Jude' ... "[1]
Behördliche Erlasse gegen die Sinti und Roma gibt es seit dem Mittelalter und schon ein
erster Höhepunkt dabei ist mit dem Namen Freiburg verbunden. Zu den vielen
Beratungsthemen, die 1498 auf der Tagesordnung des von Kaiser Maximilian I. nach Freiburg
einberufenen Reichstages standen, gehörte auch die Frage, wie zu verfahren sei mit denen, "so
sich zcigeiner nennen und wider und für in die land ziehen etc." [2] Angeblich besaß man "glauplich
anzeig, dass sie eifarer, usspeer und verkuntschafter der cristen lant", also Spione der Türken,
die das Heilige Römische Reich bedrohten, seien. Alle Reichsstände wurden angewiesen, bis
Ostern 1499 die Sinti und Roma aus "den landen teutscher nacion" zu vertreiben. Wer sie danach
noch oder wieder im Reich antreffe, dürfe ungestraft gegen sie vorgehen.
Über die Grundlinien der Entwicklung der deutschen Tagespresse zwischen
1933 und 1945 besteht seit langem Klarheit: Das breit entfaltete, pluralistische Zeitungswesen der Weimarer Republik wurde von den Nationalsozialisten in mehreren Wellen drastisch beschnitten und inhaltlich in ein enges Korsett gezwängt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs existierte nur noch ein Bruchteil der Blätter, die es 1932 gegeben hatte – und fast alle davon waren in der Hand der NSDAP. Von „Zeitungen“ war dabei eigentlich kaum noch zu reden. Es handelte
sich nur noch um eine Art Flugblätter mit Durchhaltepropaganda.
Kriegsende in Lahr 1945
(2019)
Der Zweite Weltkrieg endete in Europa erst, nachdem das Deutsche Reich von den Alliierten militärisch besiegt und besetzt worden war. Zwar hatten die Westalliierten bereits seit Herbst 1944 versucht, durch eine Intensivierung des Luftkriegs die Moral der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen, das NS-Regime zu destabilisieren und so ein schnelles Kriegsende herbeizuführen, doch kam es in den letzten Kriegsmonaten seitens der Zivilbevölkerung allenfalls zu lokal isolierten Widerstandshandlungen. Diese waren in der Regel nicht politisch motiviert, sondern spontane Aktionen Einzelner oder kleiner Gruppen mit dem Ziel, die (weitere) Zerstörung des persönlichen Lebensumfeldes durch letzte Rückzugsgefechte der Wehrmacht zu verhindern und die eigene (materielle) Existenz zu sichern. Die an einer möglichst langen Fortführung des Krieges interessierte nationalsozialistische Führungselite reagierte auf diese Auflösungserscheinungen innerhalb der ,Heimatfront' mit brutalen Mitteln. Der „Flaggenbefehl“ Himmlers von Anfang April 1945, wonach Angehörige der Polizei und Wehrmacht „[g]egen das Heraushängen weisser Tücher, das Öffnen bereits geschlossener Panzersperren, das Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen[ ... ] mit härtesten Massnahmen durchzugreifen“ hatten, war hierfür symptomatisch. Für den Gau Baden sind zahlreiche Fälle belegt, in denen Angehörige der Wehrmacht, der SS, der Polizei und Parteifunktionäre Zivilisten erschossen, die sich nicht bereit gezeigt hatten, ihre Stadt, ihr Dorf oder ihr Haus zu verteidigen.
1938: die Neumühler Frauen
(2005)
Widerstand gegen das Regime der Nationalsozialisten im Hanauerland? Diese Bewertung geht Zeitzeugen zu weit. Aber Auflehnung gegen das so genannte Dritte Reich hat es gegeben. Neumühl, 1938: Die Kinderschwester Gertrud Hammann wird mitten aus dem Spiel mit den Kindergartenkindern gerissen. Auf Geheiß des Bezirksamtes muss der Bürgermeister der damals 28-Jährigen vor den Kindern eröffnen, dass er sie wegen ihrer jüdischen Abstammung sofort entlassen müsse und der Kindergarten zu schließen sei. Fünf Jahre hatte sie davor zur Zufriedenheit der Neumühler Frauen, insbesondere des Evangelischen Frauenvereins, und in guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem damaligen Bürgermeister in
dieser Einrichtung gearbeitet. Die Diakonisse und ihr Mutterhaus in Mannheim hatten Stillschweigen bewahrt über den Vater Gertrud Hammanns, ein Jude, der zum evangelischen Glauben übergetreten war. ,,Irgendein Menschenkind vom Ort hat meine halb(!)-jüdische Abstammung entdeckt und an entsprechender Stelle bekannt gegeben", schrieb Hammann in ihren Erinnerungen. Und sie berichtete weiter: ,,So wie damals, als ich in den Ort kam, von den Frauen im geschmückten Landauer abgeholt, so begleiteten sie mich jetzt an die Bahn, wo ich zurück in mein Mutterhaus fuhr."
Vier Fotos aus Lörrach
(2002)
Es könnte ein Bühnenbild sein, zum Beispiel eine Opernschlussszene, in der noch einmal alle Personen auftreten und sich dorthin gestellt haben, wo der Regisseur sie haben will. Vom in der Mitte die Hauptdarsteller, in ihrem Rücken, teils direkt hinter ihnen stehend, das mitspielende Volk, teils, um die Bildchoreografie zu steigern, von zwei Fenstern im ersten Stock eines die Szene abschließenden Hauses aus zuschauend. Eine grandiose Finalmusik ist zu hören, denn die Vernunft und das Gute haben gesiegt, und alle Beteiligten singen sich in den Triumph der Menschlichkeit hinein, ehe der Vorhang fällt und begeisterter Applaus aufrauscht. Nichts von alledem. Das Foto zeigt vier ältere Frauen und drei Männer in Wintermänteln, Hüten und Handgepäck, deren Blicke ins Leere fallen. Am linken Bildrand ist ein Uniformierter zu sehen, er hat den Mund geöffnet und erhebt den Zeigefinger der rechten Hand.
Die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg pflegt seit mehreren Jahren eine Hochschulkooperation mit der russischen Stolypin-Akademie am Standort in Saratow (830.000 Einwohner) am Unterlauf der
Wolga. Die Stolypin-Akademie hat den Auftrag, den akademischen Nachwuchs für die gesamte russische Staatsverwaltung auszubilden. Russlandweit werden jährlich 185.000 Studierende an mehreren russischen Regionalniederlassungen und Instituten ausgebildet.
Im Jahre 2011 hat der Verfasser mit Studierenden der Hochschule Ludwigsburg erstmals eine Studienreise nach Moskau und Saratow vorbereitet und geleitet. Im Rahmen der jährlichen Gegenbesuche der Studierenden der Akademie in Saratow zur Hochschule nach Ludwigsburg ist seither eine Exkursion nach Donaueschingen fest eingeplant.
Beim Blättern in alten Chroniken und Dorf- oder Stadtgeschichten fallen
immer wieder Katastrophenberichte ins Auge, bei denen vor allem über
Hochwässer und deren Folgen berichtet wird. So schilderte Philipp Ruppert eine Hochwasserkatastrophe in Achern: ,,Zwei Jahre später (1570), am
Freitag und Samstag vor Nikolaus, riß eine Überschwemmung zu Kappel,
Ober- und Unterachern alle Stege und Brücken fort bis auf die Landbrücke
und brach über das Feld den Kirchweg hinunter in das Dorf ein. Durch diese Überschwemmung war das Wehr im Feldbach sehr schadhaft geworden
und es mußte 1575 mit vieler Mühe und großen Kosten ein neues angelegt
werden." [1]
Die meisten Breisacher Juden wohnten am Ende des 19. Jahrhunderts noch immer in dem am Nordfuß des Breisacher Berges gelegenen Teil der Unterstadt, in dem ihre Vorfahren im 18. Jahrhundert fast alle zwischen den Judenhäusern gelegenen Christenwohnungen käuflich an sich gebracht hatten. Von den 113 Wohnhäusern dieses Stadtteils, der zwischen der Fischerhalde und dem Kupfertor liegt , gehörten um 1898 beinahe drei Viertel jüdischen Eigentümem. Der Anteil ihrer Häuser an der Gesamtzahl der Wohnhäuser ging von 77 % im Jahr 1900 auf 54 % im Jahr 1933 und auf 31 % im Jahr 1941 zurück.
Am 1. September 1939 begann mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen der Zweite Weltkrieg. Etwa 5 Jahre und 6 Monate sollten in Westeuropa bis zur Kapitulation des Deutschen Reichs und dem Ende der Kampfhandlungen am 8. Mai 1945 vergehen. Das Ende begann am 6. Juni 1944 mit der »Operation Overlord« – mit der Invasion der Alliierten in der Normandie.
Der erste Teil dieser Artikelfolge handelte vom Ende der Kämpfe am Rhein zwischen Karlsruhe und Mannheim im Frühjahr 1945. Im vorliegenden Teil 2 wird von der damaligen Situation um die Brücken am Rhein zwischen Wintersdorf und Weil berichtet. In diesem Bereich lagen sich im frühen 19. Jahrhundert das Großherzogtum Baden und das Kaiserreich Frankreich
gegenüber. Seit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 waren es das Deutsche Reich und das Reichsland Elsaß-Lothringen. Beide Regionen fielen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1919 wieder an Frankreich. Wenige Wochen nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 besetzte Deutschland das Elsaß wieder.
Nacht über Bretten
(2022)
In diesem Beitrag geht der Autor der Frage nach, wie sich die politischen Ereignisse im Jahr 1933, dem Jahr der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, in den Beiträgen des Brettener Tagblattes widerspiegeln. Es wird aufgedeckt,
wie die Bevölkerung der Stadt Bretten und ihres Umlandes durch die Nationalsozialisten vereinnahmt wurde und wie sie auf die offensichtliche Beseitigung der Demokratie reagierte. Dabei ist sehr deutlich festzustellen, wie rasch die Nationalsozialisten ihre Ideologie und die damit verbundenen Zwangsmaßnahmen umsetzten.
Erinnern und Gedenken
(2018)
Geschichtsunterricht ist idealerweise quellenbasiert. Lässt sich doch nur aus Quellen lernen, was die Zeitgeschichte ausmacht und was unsere Identität bis heute nachhaltig prägt. In der 9. Klasse des Gymnasiums ist die NS-Zeit Pflichtprogramm. Dieses Thema kann fächerübergreifend unter Einbezug von Religion, Kunst und Musik unterrichtet werden. So wird die Gleichschaltung des gesamten Alltags im Nationalsozialismus deutlich. In Gemeinschaftskunde der 9. Klasse bezieht sich der Bereich „Recht und Gesetz“ darauf. Da das NS-Regime Gesetzesänderungen auf dem Boden
der Verfassung vollzog, wirft dies vor allem aus heutiger Sicht die Frage auf, ob das, was auf dem Boden des Gesetzes geschieht, auch immer „Recht“ ist.
In einer Zeit, die bald ohne Zeitzeugen sein wird, die uns das Geschehene vor Augen führen, muss verstärkt daran gearbeitet werden, die Erinnerungskultur am Leben zu erhalten. Dabei sind Ansätze gefragt, die unsere schnelllebige Zeit überdauern und dem raschen Konsum von Bildern trotzen. Da Quellen alleine mitunter nicht für sich sprechen, ist die intensive Beschäftigung mit einem Projekt eine Möglichkeit, Nachhaltigkeit zu schaffen.
Otto Ehrlich (1909–1971) schloss sein Medizinstudium in Heidelberg im Dezember 1936 mit dem Staatsexamen ab. Bald darauf reichte er seine Dissertation ein und bestand die Doktorprüfung, doch der Erhalt des „Diploms“ war zu diesem Zeitpunkt keine Selbstverständlichkeit mehr. Ehrlich musste vielfältige Anstrengungen unternehmen und bürokratische Hürden überwinden, „um das Doktordiplom zu erhalten, da dies für mich für meine Auswanderung von lebenswichtiger Bedeutung ist“. Seine Bemühungen spiegeln sich in umfangreicher Korrespondenz und führten letztlich zum Ziel. Exemplarisch zeigen die von uns bearbeiteten Dokumente die sich verstärkenden Einschränkungen für jüdische Promovierende, die detaillierte bürokratische Regulierung und die verschiedenen Stellen, die mit dem Anliegen zu befassen waren – diese reichten von der Ebene der Universität mit Dekanat und Rektorat über das Badische Ministerium für Kultus und Unterricht in Karlsruhe bis zum Reichserziehungsministerium. Bürokratische Spielräume auf lokaler Ebene scheint es aufgrund
der direkten Kontrolle durch das Reichsministerium im Einzelfall kaum gegeben zu haben. Dennoch stellt sich die Frage nach der Umsetzung der Vorgaben an der Heidelberger Medizinischen Fakultät. Welchen Einfluss hatten die beteiligten Ministerien und die verschiedenen Ebenen der Universitätsverwaltung? Handelten sie streng nach Vorschrift? Versuchten sie, eigene Handlungsimpulse umzusetzen, entweder
um den Betroffenen zu helfen oder um die Aushändigung des Doktordiploms zu verhindern? Wir gehen den genannten Fragen an zwei Beispielen nach. Zunächst stellen wir kurz die Entwicklung der Gesetzeslage dar, um dann die „Fallgeschichten“ von Otto Ehrlich und Lore Hirsch einordnen zu können.
Zwangsarbeit in Derdingen
(2020)
Auch 75 Jahre nach der NS-Zeit gibt es im Kraichgau ein höchst unterschiedliches Herangehen an die Aufarbeitung der Naziverbrechen in den örtlichen Heimatbüchern und Ortschroniken. Manche Kommunen haben diese Zeit schonungslos und detailliert aufgearbeitet und die notwendigen Quellen offengelegt, andere beschweigen diese Zeit bis heute, insbesondere was das Thema Zwangsarbeit betrifft. Dazu zählt Derdingen (erst ab 1964 „Oberderdingen“). Im „gültigen“ Heimatbuch des ehemaligen NS-Rektors und NSDAP-Funktionärs Gustav Brandauer zu den „einschneidenden
Veränderungen“: „Sie hier darzustellen ist unnötig, da sie in allen Orten Deutschlands mit geringen Schattierungen dieselben waren. Das nationalsozialistische Regime endgültig zu werten, muß auf den Zeitpunkt verschoben werden, an dem einmal alle Archive geöffnet sind und deren Auswertung durch unvoreingenommene Experten im Ergebnis vorliegen wird.“ Das hindert ihn nicht, wenig später vom „bislang ungeheuerlichsten Opfergang unseres Volkes“ zu schreiben und von den Hunderten von Derdingern, die zu den Fahnen strömten, „um ihr Heldentum in allen Erdteilen unter Beweis zu stellen“ und von den Kriegsfolgen durch die „widerlichen Exzesse“ der „Schwarzen in der französischen Armee“ und durch die „im Ort verbliebenen Fremdarbeiter aus Osteuropa, besonders die Polen“. Doch wer hat diese Menschen nach Derdingen geholt? Wer hat von der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft profitiert, und warum war Derdingen ein lokales Zentrum von Lagern mit Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern, Zuchthausgefangenen und KZ-Häftlingen mit Stacheldraht, Wächtern und einer Anzahl von Toten? Darüber liegt bis heute eine „Omerta“ aller Beteiligten. Es war eben doch kein „normaler Ort“.
In seinem sehr sachlichen und detaillierten Rechenschaftsbericht zu Beginn des Jahres 1933 sah Georg Würth, der im April 1932 für weitere zehn Jahre wiedergewählte Ortsvorsteher von Korntal, der zukünftigen Entwicklung seiner Gemeinde mit Optimismus entgegen. Dieser Bericht führte eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – der »größten Not des Jahres 1932« – an. Im letzten Teil seiner Rede beklagte er dann allerdings eine durch fortgesetzte Wahlen entstandene »dauernde Unruhe« und stellte in diesem Zusammenhang fest: »Eine Wahl löst die andere ab. So hatten wir im abgelaufenen Jahre in der Gemeinde Korntal nicht weniger als neun Wahlen, und zwar am 24. Januar 1932 die
Landwirtschaftskammer-Wahl, am 13. März und 10. April Reichspräsidenten-Wahl, am 20. April Gesellschaftsrats-Wahl, am 23. April Ortsvorsteher-Wahl, am 24. April Landtags-Wahl, am 19. Juli Pfarr-Wahl, am 31. Juli und 6. November Reichstags-Wahl.«
Der aufmerksame Wanderer kann im Rheinauewald Überreste
von Bunkern entdecken, die meistens völlig unter Gestrüpp und
Ranken versteckt und kaum noch zu erkennen sind. Es sind die
letzten Zeugen des Westwalls, eines Verteidigungssystems, das in
den Jahren von 1936 bis 1940 erbaut, zum größten Teil nach
1945 gesprengt wurde, aus über 11000 Bunkern sowie weiteren
Anlagen wie Stollen, Panzergräben, Panzerhöckern und Flakstellungen bestand und sich von Kleve bis vor die Tore Basels 630 km
lang erstreckte. Schon 1936, vor der Besetzung der durch den
Versailler Vertrag entmilitarisierten Rheinlande, erkundeten
deutsche Offiziere in Zivil unter strengster Geheimhaltung den
künftigen Verlauf der im Westen geplanten Befestigungsanlagen.
Und nur fünf Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in
diese Zone erhielt die „Inspektion der Westbefestigungen vom
Oberkommando des Heeres (OKH)" den Befehl, mit dem Bau von
Sperrbefestigungen an den Saarübergängen im Saarland und dem
Bau von Befestigungen am Oberrhein zu beginnen.
Nicht nur unbeschwertes Feiern unter dem Vorzeichen der Heimattage, auch kritisches
Hinterfragen von problematischen Aspekten der Regionalgeschichte gehören in Bruchsal
erklärtermaßen zum Spektrum der Heimattageveranstaltungen 2015. Am Beispiel der
Deportation nach Gurs 1940 (75. Jahrestag) wie auch der Kriegszerstörung von Bruchsal
1945 (70. Jahrestag) umreißt der Beitrag die entsprechenden Bemühungen der Stadt und ihre
historischen Hintergründe.
Die „Rechtsgrundlage“ war eine allgemeine Verordnung des einstigen „Reichsführers SS“ Heinrich Himmler (1900–45), dem nationalsozialistischen Politiker und Organisator staatlichen Terrors. In Villingen traf es den jungen Polen Marian Lewicki, der hier als Zwangsarbeiter beschäftigt war. (Vgl. Geschichts- und Heimatverein Villingen, Jahresheft XIII, 1988/89, S. 72 ff.) Im März 1942 wurde er an einer Eiche im Tannhörnle, wenige Meter südlich des sogenannten Sandwegles nach Pfaffenweiler, gehängt. Sein Verbrechen: Er liebte eine junge Villingerin und traf sich mit ihr. Die damals Achtzehnjährige berichtete: „Es war
meine erste Liebe“. Im März 1988 setzte der Geschichts- und Heimatverein Villingen dem Gedenken ein Sühnekreuz, das von einem deutschen und einem polnischen Priester geweiht wurde.