Drittes Reich
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- Nationalsozialismus (85) (entfernen)
Es war im Februar 1945. Mein Mann war schon im Dezember 44 zu den nach Hinterzarten
ausquartierten beiden Töchtern gegangen, weil die Gestapo ihn zum Schippen einziehen wollte.
Ich ging nicht mit, ich hätte ihn gefährden können. Außerdem musste jemand in der Wohnung
bleiben, um die Post auf Umwegen nachzuschicken und etwaige Recherchen abzufangen. Auch
musste ich den Kanarienvogel, der etwas krank war, versorgen. In Hinterzarten waren die Zimmer nur mit einem elektr. Öfchen notdürftig heizbar (zu kalt für den Vogel) [...]. So beginnt der Bericht über ein persönlich erlebtes, dramatisches Ereignis gegen Ende
des Krieges. Der Verfasserin Gertrud Gurlitt, in der Freiburger Burgunderstr. 30 wohnhaft,
ist offenbar bewusst, dass sie sich augenblicklich in einer bedrohlichen Lage befindet. Soll sie,
ohne zu zögern, dem Willen der Gestapo nachkommen und sich als Jüdin einem unbestimmten
Schicksal ausliefern - oder kann sie es wagen, unter Umgehung dieses Befehls die in Hinterzarten ausquartierte Familie zu besuchen und sie über ihre eigene Bedrohung zu informieren?
In beiden Fällen würde sie ein großes Risiko eingehen und mit Maßnahmen gegen ihre Freiheit
rechnen müssen. Und um beide Optionen in Ruhe gegeneinander abzuwägen, bleibt ihr keine
Zeit.
Eugen Selber (1895-1982)
(2015)
Drei französische Soldaten standen in der Tür und richteten ihre Gewehre mit aufgepflanztem
Bajonett auf ihn. Monsieur Selber? An diese Szene am 21. Mai 1945 erinnert sich Ingeburg
Selber noch heute, als wäre es gestern geschehen. Die Soldaten verhafteten ihren Vater als Gestapobeamten und brachten ihn ins Gefängnis, wo er ein Dreivierteljahr blieb, bevor er in ein
Internierungslager eingeliefert wurde. Dabei hatte sich Ingeburg Selber so gefreut, dass der
Krieg vorbei war. Nach dem furchtbaren Luftangriff auf Freiburg am 27. November 1944 war
ihre Mutter Elisabeth (1901-1986) aus Angst, er könne sich wiederholen, mit ihr nach Burg/Höfen bei Kirchzarten auf einen Bauernhof gezogen. Ihr Vater kannte den Hofbesitzer, der damals
auch Bürgermeister von Burg war. Nun waren sie vereint wieder nach Freiburg zurückgekehrt.
Allerdings: Ihr Onkel Fritz Richter (1879-1947), der Inhaber des „arisierten" ehemaligen Kaufhauses Knopf, und seine Frau Bertha (1881-1962), eine Schwester ihres Vaters, waren bei dem
Luftangriff ausgebombt und nach Kriegsende von der französischen Militärverwaltung aus
dem Haus, in das sie hatten einziehen können, ausgewiesen worden. Eugen Selber hatte ihnen
daraufhin seine leer stehende Wohnung in der Kartäuserstraße 20 zur Verfügung gestellt. Die
Familie Selber wohnte deshalb bei einer Schwester der Mutter, Margarete Rink (1913-2009),
in der Kartäuserstraße 32. An diesem Tag, dem 21. Mai, hatte lngeburg Selber ihren Vater zu
Dr. Heinrich Mohr (1874-1951) begleitet. Dieser war ein bekannter katholischer Theologe, der
schon 1932 zur Wahl der NSDAP aufgerufen hatte und bei der Großveranstaltung zum 1. Mai
1933 als Redner aufgetreten war. Mehrfach hatte er mit der Gestapo zusammengearbeitet. Nach
Kriegsende diente er sich der französischen Militärregierung an. Wollte sich Eugen Selber mit
ihm beraten? Auf dem Nachhauseweg waren sie bei Fritz Richter vorbeigegangen. Er hatte sie
mit der schlechten Nachricht empfangen, dass die Franzosen da gewesen seien und nun in der
Kartäuserstraße 32 warteten. Und tatsächlich - als Ingeburg und Eugen Selber dort klingelten
und ihnen die Mutter öffnete, standen die Franzosen bereit und führten den Vater ab. Erst 1948
sollte Ingeburg ihn wiedersehen.
„Wisse ein jeder: Vergessen ist niemand, vergessen ist nichts." So lautet die Inschrift auf dem Mahnmal für die „Opfer der Gewalt 1933-1945", welches auf dem Geschwister-Scholl-Platz in Schwenningen am Neckar sich befindet, der in düsteren Tagen der Stadtgeschichte „Horst-Wessel-Platz" hieß. Vergessen sei auch nicht Karl Schäfer, der vorbildliche Schwenninger Sozialdemokrat, der dem Nationalsozialismus widerstand - nicht in Gedanken nur, in Taten auch. Von ihm ist zu erzählen, der das Dritte Reich in Deutschland selbst bekämpfte, vieles wagte und - vieles verlor. Die Ruhe. Die Geborgenheit der Familie. Das Leben zuletzt. Nicht die Überzeugung, nicht die Gesinnung, nicht die Standhaftigkeit.
Der »neue Geist« des Nationalsozialismus fiel in Hockenheim auf fruchtbaren Boden. Schon
früh ließen sich Männer und Frauen von den nationalsozialistischen Ideen vereinnahmen,
doch es gab auch Widerstand. Im Zuge der Gleichschaltung gaben alle demokratisch gewählten
Gemeinderäte ihre Mandate zurück. Für die Jugend baute die Stadt ein Jungvolkheim.
Große Sonnenwendfeiern fanden nach germanischer Sitte statt. Ein NS-Zensor wachte über
die Presseberichte der Zeitungen. Im Heldenkeller misshandelten die Ortsnazis Andersdenkende.
Jüdische Familien wurden aufgefordert, Hockenheim zu verlassen. Die bereits publizierten
Werke über das Dritte Reich verharmlosen das Ausmaß der Gräueltaten, welche
Hockenheimer ihren Mitmenschen angetan haben.
„Neu bemalt blau-rot“
(2011)
Laut Inventareintrag des damaligen Museumsleiters Paul Revellio kam 1942 eine „Vitrine aus
Nußbaum (Wilhelminische Zeit)“ in die Altertümersammlung der Stadt. Als Name des Voreigentümers notierte Revellio: „Israel Bloch,
Villingen“. Als Kaufpreis werden 70 Mark angegeben. Dahinter steht in gleicher Handschrift, jedoch
mit anderer Tinte: „25.6.1951 mit 200 Mark von
M. Bloch von neuem gekauft“ – ein Eintrag, der
sich auch auf eine zuvor genannte Biedermeier -
vitrine bezieht
Wer die lokalhistorischen Forschungen zu Unterkirnach oder im unteren Kirnachtal
zur Hand nimmt, stößt im Zusammenhang mit dem einstigen Burghotel und
späteren Kloster Maria Tann auf den Hinweis, die Gebäude hätten ab 1941 eine
größere Anzahl von „Slowenen“ beherbergt.
Doch keine Ortsgeschichte und keine regionalgeschichtliche Forschung hat
sich bisher näher für die Frage interessiert, aus welchen Gründen und unter
welchen Bedingungen hier eine für den Landkreis Villingen beträchtliche Anzahl
Personen untergebracht war, die 1945 fast alle nach dem Zusammenbruch den Weg
zurück in die Heimat fanden.
Ganz unbemerkt dürfte der Aufenthalt von immerhin zuletzt rund 500 Personen in dem nach 1920 dem Orden der Schulbrüder dienenden Gebäudekomplex
nicht gewesen sein. Schließlich mussten die Lagerbewohner versorgt werden,
bestand eine Verwaltung mit Kontakten in umliegende Orte und Dienststellen. Doch
scheint auch den Slowenen bis heute ein Vergessen beschieden zu sein, das sie mit
der nach tausenden zählenden Gruppe der Zwangsarbeiter und der nach hunderten zählenden Gemeinschaft der volksdeutschen Umsiedler in den einstigen Landkreisen Donaueschingen und Villingen teilen. Jahrzehntelang waren sie aus dem
kollektiven Gedächtnis getilgt und dies wohl aus Gründen, die eine eigene Untersuchung wert wären.
Wären das im Walde bei Hammereisenbach stehen gelassene Schlittenhaus und ein
im karpatischen Stil verziertes Waldarbeiterhaus nicht gewesen, wäre man nicht auf
jene Volks- und Berufsgruppe gestoßen, die in der regionalen Geschichte zum Zweiten Weltkrieg bis heute keine Erwähnung gefunden hat und über deren Schicksal
nur wenig in Erfahrung zu bringen ist. Die Rede ist von den ungarischen Waldarbeitern, besser gesagt den ethnischen Ungarn aus den Karpaten des heutigen Rumänien, welche Ende 1942 und nochmals 1943 angeworben wurden und im
badischen Schwarzwald vorwiegend auf dem Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises zum Einsatz kamen.
Auf Messers Schneide
(2012)
1940 und 1941 hätte das Blumberger Bergwerk eigentlich wachsen und gedeihen
sollen. Tatsächlich aber musste Bergwerksdirektor Dr. Hans Bornitz Krisenmanagement betreiben. Absatzprobleme und Fachkräftemangel kennzeichneten die
Lage. Schuld daran hatte der im Herbst 1939 begonnene Krieg. Die grenznahen
Saarhütten lagen bis zum Sommer 1940 still und fielen als Erzabnehmer aus. Die
Ruhrwerke arbeiteten zwar noch, weigerten sich aber, größere Mengen aus Blumberg zu beziehen. Als die Saarhütten nach dem Frankreichfeldzug ihre Produktion
wieder aufnehmen konnten, hatten sie Zugriff auf die lothringischen und luxemburgischen Minettegruben. Deren Erze konnten sie wirtschaftlicher, das heißt mit
deutlich geringerem Kokseinsatz, verhütten als das Blumberger Erz. An ihm besaßen
die Saarhütten fortan keinerlei Interesse mehr. Zwar waren sie der Doggererz AG
(DAG) gegenüber bindende Abnahmeverpflichtungen eingegangen, doch lauerten
sie seit Juli 1940 nur auf eine Gelegenheit, den unwirtschaftlichen Erzabbau zu drosseln oder ganz einzustellen. Nur das Reichswirtschaftsministerium (RWM), das
50 % des Aktienkapitals vertrat, glaubte noch an eine Zukunft des Unternehmens.
Es bestärkte den Vorstand darin, den Betrieb trotz der ungünstigen Situation
konsequent fortzusetzen und auszubauen.
Dieser Artikel ist ein Zwischenbericht über Dr. Maulhardts Forschungen zum Leben und Sterben von Marian Lewicki (Marian) in Villingen. Er ist eine Zusammenfassung seines Vortrags am 24. April 2015 im Villinger Fidelisheim. Seine Recherchen, insbesondere was Lewickis Ermordung anbetrifft, sind noch nicht abgeschlossen. Die nachfolgende Darstellung
nutzt zum ersten Mal Quellen, die bisher verschlossen waren. Sie beinhalten vor allem zeitgenössische Dokumente, die beim International Tracing Service (ITS) in Bad Arolsen archiviert
sind, sowie Aussagen der nächsten Angehörigen, die Dr. Maulhardt ausfindig machen konnte. Der ITS ist ein Zentrum für Dokumentation, Information und Forschung über die nationalsozialistische Verfolgung, Zwangsarbeit, den Holocaust sowie die Überlebenden nach dem Ende des Dritten Reichs.
Ein Datum muss vor allem korrigiert werden: Der Todestag von Marian ist der 5. März 1942. Auf dem Sühnekreuz steht fälschlicherweise 1943. Aber auch die Gestapoakten enthalten Fehler: So wird in diesen Unterlagen das Geburtsjahr mit
1908 angegeben, was mich beim Anblick des Fotos, auf dem Marian als Soldat zu sehen ist, irritiert hat. Tatsache ist, dass er am 29. April 1918 geboren wurde.
Zum Schuljahr 1938/39 hat ein Lehrer des
Durlacher Gymnasiums ein selbst verfaßtes
und in Loseblattform gedrucktes Geschichtsbuch
für seine Klasse vorgelegt und im Unterricht
benutzt. In einem Aktenordner gesammelt,
ist dieses Werk erhalten geblieben
und beweist eine beachtliche Distanz des Autors
zum Geschichtsbild der Nationalsozialisten,
dessen Beachtung von den Schulbehörden
damals zur Pflicht gemacht wurde. Der
Lehrer – es handelte sich um den Stellvertretenden
Direktor Professor Rudolf Imgraben
– hat mit seinem Vorgehen freiheitliche
Gesinnung und Unabhängigkeit des Denkens
bewiesen.