Drittes Reich
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Kaum ein anderes Thema hat in den zurückliegenden Jahren in der geschichtswissenschaftlichen Forschung eine größere Bedeutung eingenommen und mehr Einzelstudien hervorgebracht wie das Thema „Zwangsarbeit im Dritten Reich". Durch die medienwirksamen Debatten um die Errichtung (2000) und Tätigkeit der vom Bund und der deutschen Wirtschaft getragenen Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" ist dieser bedeutende historische Forschungsgegenstand auch in die breite Öffentlichkeit transportiert worden. Im Folgenden wird versucht, den in diesen Zusammenhängen verhältnismäßig wenig untersuchten Bereich „Zwangsarbeit auf dem Land" im Rahmen einer regionalgeschichtlichen Rundfahrt zu sechs verschiedenen historischen Stätten in der südwestlichen Ortenau zu behandeln und damit eine Projektidee vorzustellen, die sich als geschichtsdidaktischer Ansatz insbesondere an Multiplikator/innen in der Jugend- und Erwachsenenbildung richtet.
Am 29. November 1940 erhielten die Landräte und Polizeidirektoren der entsprechenden badischen Städte, sowie der Polizeipräsident von Mannheim ein Informationsschreiben des „Generalbevollmächtigten für das jüdische Vermögen in Baden“ (abgekürzt G.J.V.) in Karlsruhe, Carl Dornes. Auslöser war die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden am 22. Oktober 1940 in das südfranzösische Lager Gurs. Einen Tag später hatte Gauleiter Robert Wagner in einem Erlass deren Vermögenswerte als dem Land Baden verfallen erklärt. Nun konzentrierte sich die Verwaltung und Verwertung des jüdischen Vermögens – so der Betreff im oben genannten Schreiben – auf die Sicherstellung von Kunstgegenständen in den verlassenen Wohnungen. Um zu vermeiden, dass wertvolle, d. h. museumswürdige Kunstgegenstände und Bibliotheken in öffentliche Versteigerungen gelangten, sollten solche Objekte von fachkundigem Personal der Landeskommissarbezirke Karlsruhe und Mannheim erkannt, aussortiert und gesondert gelagert werden. In Karlsruhe waren der kommissarische Leiter des Badischen Landesmuseums, Ludwig Moser, und ein zunächst namentlich nicht genannter Vertreter der Badischen Landesbibliothek für die Bewertung der Gegenstände vorgesehen. In den Städten Heidelberg, Freiburg und Konstanz
sollten ebenfalls Museumsmitarbeiter diese Aufgabe übernehmen. Für Karlsruhe wurde bestimmt, solcherart ausgesonderte Kunstgegenstände, Sammlungen und Teppiche im Badische Landesmuseum zu deponieren.
Interniert in Kislau
(2019)
Weder die deutsche Öffentlichkeit noch die Geschichtswissenschaft beschäftigte sich nach Ende des „Dritten Reiches“ mit dem Schicksal der Menschen, die im Nationalsozialismus als „Asoziale“ verfolgt wurden. Noch weniger bekannt ist, dass sich deren Stigmatisierung und Ausgrenzung nicht auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 begrenzte, sondern bereits im Kaiserreich praktiziert wurde und auch in der Bundesrepublik weiter anhielt. Die Betroffenen – insbesondere Menschen ohne festen Wohnsitz – waren noch Jahrzehnte nach Kriegsende mit Ressentiments und Kriminalitätszuschreibungen konfrontiert. Da sie nicht als Opfer „rassischer Verfolgung“ anerkannt wurden, hatten sie keine Ansprüche auf finanzielle Entschädigung für das erlebte Leid. Die Forschung lenkte ihren Blick erstmals und auch nur vereinzelt in den 1980er-Jahren auf das Schicksal der als „asozial“ Stigmatisierten. Dies geschah im Zuge der generellen Entdeckung sogenannter „vergessener Opfer“, die sich nach Kriegsende nicht in Opferverbänden zusammengeschlossen hatten und daher kaum öffentlich wahrgenommen wurden. Mittlerweile sind viele der „vergessenen Opfer“ anerkannt worden, wie die Homosexuellen, Sinti und Roma, Zwangssterilisierte oder sowjetische Zwangsarbeiter, allerdings fehlen bis heute die „Asozialen“. Als „asozial“ abgestempelte Personen wurden in nationalsozialistische Konzentrationslager eingewiesen – meist versehen mit dem schwarzen oder grünen Winkel – und dort zu Tausenden ermordet, aber auch in reichsweit existierenden Arbeitshäusern interniert. Darunter befand sich ein badisches Arbeitshaus, das auf dem Gelände des Schlosses Kislau bei Mingolsheim (heute Bad Schönborn) untergebracht war.
Kislau ist heute ein Begriff geworden. Was Dachau für Bayern und Oranienburg für Norddeutschland bedeutet, bedeutet Kislau für Baden. Dies wurde im Januar 1936 in einer Sonderausgabe des ‚Stürmer‘ behauptet. Dass sich im ehemaligen
Bischofsschloss Kislau im heutigen Bad Schönborn von 1933 bis 1939 ein Konzentrations- und Bewahrungslager befand, ist heute kaum bekannt. Während die später eingerichteten Konzentrations- und Vernichtungslager im kulturellen Gedächtnis stark verankert sind, wissen bislang nur wenige, dass bereits 1933 etwa 100 Konzentrationslager im Reichsgebiet errichtet wurden. Auch die Geschichte des badischen Konzentrationslagers Kislau ist noch nicht detailliert erforscht. Der 2012 gegründete Lernort Zivilcourage & Widerstand e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf dem Areal des ehemaligen Konzentrationslagers einen Lernort zu schaffen. Als frühes Lager steht Kislau an der Schnittstelle von Weimarer Republik und NS-Regime und damit von Demokratie und Diktatur. Am Beispiel Kislaus sollen in der Vermittlungsarbeit des Lernorts die Unterschiede beider Systeme herausgearbeitet und diskutiert werden. Hierfür bedarf es grundlegender Kenntnisse über die Geschichte des Ortes. In diesem Zusammenhang sind die Verfasserin und ihre Kollegin auch forscherisch tätig und versuchen, bestehende Forschungslücken sukzessive zu schließen.
Am 27. November 1944 starben bei einem Luftangriff auf die Stadt Freiburg etwa 2.800 Menschen. Zu den Todesopfern zählte auch die Besatzung eines Bombers der Alliierten: sechs junge
Soldaten im Dienst der britischen Royal Air Force (RAF) und einer der Royal Australian Air
Force (RAAF). Bei dieser Maschine, deren Wrackteile in Freiburg gefunden wurden, handelte
es sich um eine Lancaster I, Serien-Nr. NG200, Kennung AS-V, die zur 166 Squadron der
RAF gehörte. Die Maschine war mit einem H2S-Bodenradar mit gekoppeltem Air Position
Indicator ausgestattet. Mithilfe dieser Gerätekombination waren präzise Bombenabwürfe
ohne Bodensicht möglich. Ein Warngerät, der sogenannte Fishpond, sicherte die Maschine vor
Jägerangriffen. Im Bombenraum befanden sich eine HC-Bombe zu 4.000 lbs und fünf SAP-Bomben amerikanischer Bauform zu je 1.000 lbs sowie fünf GP-Bomben und zwei MC-Bomben zu je 500 lbs. Somit betrug die gesamte Bombenfracht 12.500 lbs, etwa 6,25 Tonnen. Hinzu
kamen noch größere Vorräte an Munition (Kaliber 7,7 mm) im Innenraum des Flugzeugs für
die insgesamt zehn Maschinengewehre des Heck-, Mitteoben- und Frontstandes. Das Flugzeug
war im Oktober 1944 in Dienst gestellt worden und hatte erst 29 Flugstunden geleistet. Aufgrund dessen kann man davon ausgehen, dass der Bomber in technisch gutem Zustand war, als
er am 27. November 1944 in Kirmington, Mittelengland, um 16.00 Uhr Ortszeit zum Angriff
auf Freiburg startete und gegen 20.05 Uhr über der Stadt abstürzte.
Als am Morgen des 6. März 1933 am Freiburger Rathaus die Hakenkreuzflagge gehisst wurde,
bedeutete dies ein Fanal: Von jetzt an hatte die NSDAP mit ihren braunen Helfershelfern in der
SA und anderen Organisationen das Sagen, und zwar nicht nur in Berlin, wo tags zuvor die
Reichstagswahl zwar nicht ganz so überzeugend wie erwartet, so doch reichlich „braun" ausgefallen war, sondern auch in Freiburg, wo die NSDAP mit 35,8% zur stärksten Partei avancierte. Obwohl hier noch nicht wirklich installiert, hissten die Nazis trotz des durch den noch
amtierenden demokratisch gewählten Zentrums-Oberbürgermeister Karl Bender ausgesprochenen Verbots die Hakenkreuzfahne auf dem Balkon des Rathauses, also am zentralen Ort
kommunaler Machtausübung.
Als Ende der 1990er-Jahre die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" auf den Weg
gebracht wurde, die Entschädigungsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter in Deutschland aus Mitteln des Bundes und der Wirtschaft bereitstellen und
verteilen sollte, da war die Zwangsarbeitergeschichte und die Auseinandersetzung mit ihr in aller Munde. Sie wurde im Vorfeld der Gesetzgebung lebhaft und strittig diskutiert, und zwar
nicht nur hierzulande. Schon während der Auszahlung der 5, 1 Milliarden Euro aus dem
Stiftungsfond an die Betroffenen, die nach einem aufwendigen und mühseligen Antrag - und
Prüfungsverfahren zustande kam und die gewiss in vielen Fällen segensreich, in anderen aber
auch mit Härten und Enttäuschungen verbunden war, begann aber da öffentliche Interesse an
der Zwangsarbeiterthematik nachzulassen. Heute ist sie aus dem Bewusstsein des Normalbürgers bereits wieder weitgehend verdrängt.
Die Stadt Freiburg, die damals, auf dem Höhepunkt der Debatte im Mai 2001 , sozusagen als
Soforthilfe in Anbetracht de ich immer wieder verzögernden Au zahlungsbeginn eine eigene
städtische Entschädigungsleistung an ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen im
Stadtgebiet beschlossen hatte, ist allerdings immer noch mit dem Thema befasst. Erst 2007 hat
sich nämlich die russische Zwangsarbeiterstiftung bereitgefunden, sich mit der Stadt vertraglich über die Zahlung an ihre betroffenen Landsleute zu einigen, so dass nun endlich auch die
letzten Gelder fließen können.
1938: die Neumühler Frauen
(2005)
Widerstand gegen das Regime der Nationalsozialisten im Hanauerland? Diese Bewertung geht Zeitzeugen zu weit. Aber Auflehnung gegen das so genannte Dritte Reich hat es gegeben. Neumühl, 1938: Die Kinderschwester Gertrud Hammann wird mitten aus dem Spiel mit den Kindergartenkindern gerissen. Auf Geheiß des Bezirksamtes muss der Bürgermeister der damals 28-Jährigen vor den Kindern eröffnen, dass er sie wegen ihrer jüdischen Abstammung sofort entlassen müsse und der Kindergarten zu schließen sei. Fünf Jahre hatte sie davor zur Zufriedenheit der Neumühler Frauen, insbesondere des Evangelischen Frauenvereins, und in guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem damaligen Bürgermeister in
dieser Einrichtung gearbeitet. Die Diakonisse und ihr Mutterhaus in Mannheim hatten Stillschweigen bewahrt über den Vater Gertrud Hammanns, ein Jude, der zum evangelischen Glauben übergetreten war. ,,Irgendein Menschenkind vom Ort hat meine halb(!)-jüdische Abstammung entdeckt und an entsprechender Stelle bekannt gegeben", schrieb Hammann in ihren Erinnerungen. Und sie berichtete weiter: ,,So wie damals, als ich in den Ort kam, von den Frauen im geschmückten Landauer abgeholt, so begleiteten sie mich jetzt an die Bahn, wo ich zurück in mein Mutterhaus fuhr."
In Memoriam Charles Hermand
(2005)
Wo der Ort dieses schrecklichen Verbrechens vom 12. April 1945 war, ist merkwürdigerweise lange Zeit unklar gewesen. Merkwürdig deshalb, weil ein Zeitzeuge eindeutig die Artilleriekaserne in der Prinz-Eugen-Straße als Lager der Gefangenen benannt hatte. Auch der Historiker Uwe Schellinger schrieb 1998 in seiner Arbeit über die Ihlenfeld-Kaserne, das Massaker
sei „aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Ihlenfeldkaserne, sondern in der 1939-1941 erbauten Artilleriekaserne verübt worden". Doch in der Öffentlichkeit standen zwei Kasernen zur Diskussion, die Ihlenfeld- und die Artilleriekaserne: 41 Kriegsgefangene, Juden, Katholiken, Orthodoxe, Protestanten aus Polen, Belgien, Frankreich und anderen Nationen sind damals, drei Tage vor dem Einmarsch der französischen Truppen in die Stadt, also kurz vor der endgültigen Befreiung, in einem Kasernenkeller bestialisch erschlagen worden.
Bitterkeit empfindet Johanna F., geb. Santo, wenn sie an die vielen rhetorisch ausgefeilten Reden denkt, die am 27. Januar 2005 von Politikern zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz gehalten wurden. Keiner der Volksvertreter vergaß, an die Opfer von Nazi-Deutschland zu erinnern. Die KZ-Opfer nicht zu vergessen,
nie mehr Unrecht auf deutschem Boden zu dulden, war Inhalt aller Gedenkansprachen. Doch war die moralische Entrüstung, die Einforderung von Toleranz und Humanität im gesellschaftlichen Zusammenleben immer auch ein ernst zu nehmendes Anliegen der Redner? Entsprangen die lautstark vorgetragenen Anklagen stets auch einer edlen Gesinnung? Die Mutter von Johanna F., Elsa Santo, war vom 24. November 1944 bis zum 28. April 1945 als politisch Verfolgte im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert. Eine Wiedergutmachung hat sie als Opfer des Faschismus trotz ihrer Anträge und Eingaben an die zuständigen Behörden im Land Baden-Württemberg nie erfahren. Aktenunterdrückung und
Rechtsbeugung haben jegliche Wiedergutmachung verhindert. Dieter Wiefelspütz (MdB), Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fasst sein Unverständnis und seine Empörung über die Vorgehensweise der Behörden gegenüber Johanna F. in einem Schreiben vom 8. September 2000 in folgenden Worten zusammen: „Ihr Schicksal und das Ihrer Mutter haben mich tief berührt und Ihr Leidensweg durch die bundesdeutsche Gerichtsbarkeit erfüllt mich mit Zorn und gleichzeitig mit Ohnmacht." Nachfolgend eine Dokumentation zu dem Schicksal von Frau Elsa Santo und ihrer Tochter Johanna.