Gerichtswesen
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Im Mittelalter bis weit in das 16. Jahrhundert hinein war es Rechtsbrauch, dass an der Stelle einer Bluttat, eines Mordes oder
Totschlages, ein Sühnekreuz errichtet werden musste. Es gehörte zur Rechtstradition, dass sich die Angehörigen des Täters und die Hinterbliebenen des Getöteten nach einem Totschlag durch einen Vergleich einigten, der neben der Zahlung von Schadensersatz auch eine öffentliche Sühne des Täters festsetzte. Zu den Sühneleistungen, die ein Übeltäter zur Erlangung der Absolution erbringen musste, zählten besondere Opfergänge, ein Gottesdienst mit Bußprozession oder eine Jahrtagsstiftung, Wachsspenden an die Kirche und Wallfahrten, aber vor allem die Aufstellung eines steinernen Sühnekreuzes. Hätte diese mittelalterliche Rechtsgewohnheit auch noch im 19. Jahrhundert Gültigkeit gehabt, dann stünde heute am Höhenweg vom Pflingsteck zum Hünersedel ein Sühnekreuz. Denn dort auf der Höhe, zwischen dem Heuberg und dem Hünersedel, oberhalb des „Hohbergs", auf der „Hohrüti", an dem alten Passübergang von Schweighausen nach Freiamt, von der Ortenau in den Breisgau, hat sich im Jahre 1828 ein versuchter Totschlag ereignet.
Eine "Sehstadt"?
(2002)
Bruchsal geht mit seiner Geschichte als bedeutende „Gerichtsstadt" des 19. Jahrhunderts eigentlich recht stiefmütterlich um. In den stadtgeschichtlichen Annalen ist dies nur in Fragmenten vermerkt, die lediglich einzelne Hinweise enthalten. Für das Jahr 1846 ist beispielsweise festgehalten: ,,Verlegung des Hofgerichts von Rastatt nach Bruchsal". In den Beschreibungen der folgenden Jahre sind drei weitere Hinweise vorzufinden: „Am 09. Dezember 1851 trat Josef Viktor
von Scheffel beim Hofgericht Bruchsal als Sekretär ein, wo er bis 09. Mai 1852 tätig war. Hier lernte Scheffel den Kater ,Hiddigeigei' kennen, dessen Besitzer Hofgerichtsrat Preuschen war" (erstens). Unter dem Datum 23. September 1861 ist nachzulesen, dass „das im Kammerflügel des Schlosses untergebrachte Hofgericht den Leipziger Studenten Oskar Becker, der in der Lichtenthaler Allee in Baden-Baden einen Mordversuch auf König Wilhelm von Preußen unternommen hatte, zu
20 Jahren Zuchthaus verurteilte" (zweitens). Schließlich ist unter dem 6. Mai 1864 erwähnt: ,,Verlegung des Hofgerichts nach Karlsruhe." Dies wird durch die Feststellung ergänzt, dass „an seiner Stelle 1871 der neugebildete Verwaltungshof in den Kammerflügel des Schlosses" gekommen sei (drittens). Kein Wort ist darüber aufzufinden, dass in Bruchsal nach der Einverleibung des Fürstbistums Speyer nach Baden im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts das höchste Gericht des Landes residierte und die Barockstadt damals so etwas wie eine „Residenz des Rechts" war.
Schüsse auf den König
(2005)
Capitale d’été – Sommerhauptstadt Europas,
so nannte man im 19. Jahrhundert den
Badeort an der Oos. Gekrönte Häupter hatten
damals Baden-Baden zu ihrem Feriendomizil
auserkoren. Da wurden Teile des Gefolges und
des Hofes mitgeführt, Stäbe eingerichtet,
unaufschiebbare Regierungsgeschäfte über
Kuriere und schon bald per Telefon oder
Telegramm vom Urlaubsort aus erledigt.
Faktisch endete das Heilige Römische Reich deutscher Nation im August 1806, als Franz II. unter dem Druck Napoleons die
Kaiserkrone niederlegte. Vorausgegangen waren Feldzüge Frankreichs, die in die Sonderfrieden von Basel und von Campo Formio, den Kongress von Rastatt und die Friedensschlüsse von Lunéville und Pressburg mündeten. Besiegelt wurde so die gewaltsame Annexion des gesamten linksrheinischen Reichsgebiets durch Frankreich.
„,Das feige Verhalten der Bevölkerung nimmt in der letzten Zeit überhand, so dass mit den schärfsten Mitteln eingegriffen werden muss. Ich befehle, ab sofort in den Häusern, an denen weisse Tücher oder Fahnen geflaggt werden, die männliche Bevölkerung über 14 Jahre an Ort und Stelle zu erschiessen. Wer diesen Befehl nicht ausführt, wird erschossen.‘“
Wir schreiben den 28. März 1945, die amerikanischen Truppen nähern sich Mannheim, und es ist nur noch eine Frage von wenigen Stunden, bis sie die Stadt – einnehmen, besetzen, befreien? Von Befreiung mag man kaum reden in Bezug auf die Person, um die es im Folgenden vor allem geht. Wie immer: In dieser Situation ergeht der eben zitierte Befehl
des Generalmajors Pettersdorf, kommandierender Wehrmachtgeneral dieses Abschnitts.
Kein Kriminalfall hat im badischen Großherzogtum jemals mehr Aufsehen erregt: Vor hundert Jahren, am 6. November 1906, war die Medizinalratswitwe Josefine Molitor auf der nachtdunklen Kaiser-Wilhelm-Straße in Baden-Baden hinterrücks erschossen worden. Ihre begleitende Tochter Olga hatte nur eine dunkle Gestalt mit flatterndem Mantel davoneilen sehen, ansonsten gab es keine Tatzeugen. Verdacht richtete sich bald gegen den Schwiegersohn der Getöteten, den in Amerika lebenden 25-jährigen Rechtsanwalt Karl Hau. Er konnte in London festgenommen und ausgeliefert werden. Im Zuge der Vernehmungen bestritt Hau mit Nachdruck jegliche Beteiligung an dem Verbrechen. In der Öffentlichkeit entbrannte ein lange währender Meinungsstreit, ob der Angeklagte schuldig oder aber Opfer eines Justizirrtums sei.
In der Öffentlichkeit wird vielfach die Ansicht vertreten, Juristen hätten sich nur ganz vereinzelt gegen das NS-Regime widersetzt. Dieser Eindruck ist nicht nur bezogen auf den aktiven Widerstand unzutreffend, sondern auch für den wesentlich breiteren Bereich der Widersetzlichkeit, der Opposition und Verweigerung im Alltag. Hier hat die zeitgeschichtliche Forschung die Kenntnis über die Einzelheiten widerständigen Verhaltens in letzter Zeit erheblich erweitert. Für den südwestdeutschen Bereich ist dies im wesentlichen der zur Universität Karlsruhe gehörenden Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten zu verdanken. Sie hat sich im Rahmen des vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „Justizgeschichte Badens und Württembergs, 1919–1953“ bereits
wiederholt mit dem Wirken badischer Juristen während der NS-Diktatur befasst.
Die Stadt Konstanz und ihre Umgebung wurden im Laufe des Zweiten Weltkriegs
zu einem bevorzugten Ziel von Privatpersonen, Firmen, Behörden, militärischen Dienststellen und Lazaretten, die in dieser Region Schutz suchten, da sie, abgesehen von Friedrichshafen, vom Kriegsgeschehen weitgehend verschont blieb. Ein offizielles Evakuierungsprogramm bestand zwischen dem bombengefährdeten Gau Westfalen-Süd und
dem Gau Baden. Auf Grund dieser Vereinbarung wurden im Rahmen einer »Kinderlandverschickung« Schüler aus Dortmund und die Oberschule Witten an der Ruhr im Juli
1943 nach Konstanz verlegt. Sie wurden dort bis Dezember 1944 betreut und unterrichtet, anschließend wurden sie nach Oberbayern weitergeschleust.
Am 14. August 1849, Punkt 4 Uhr morgens, ereignete sich am Mannheimer Hauptfriedhof ein Justizmord, der nie gesühnt wurde. Die Ausführung des fadenscheinigen Todesurteils wurde rasch vollzogen. Keine 12 Stunden zuvor war es im Gerichtssaal des Alten Kaufhauses in Nl gefällt worden. Als Richter fungierten preußische Offiziere, die eigentlich für die Gerichtsbarkeit in Baden gar nicht zuständig waren. Und das Urteil gegen von Trützschler stand von Anfang an fest. Darüber machte sich der Delinquent, der selbst Jurist war, keine Illusionen.