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Es gäbe manche inhaltliche oder biographische Rechtfertigung dafür, sich dem Werk von Uta Ohndorf Rösiger über Hans Thomas „Rätseldrachen“ zu nähern, über das spielende Kind im aufgesperrten Drachenmaul. Alle Versuche wären aber nicht so überzeugend wie die völlig unwissenschaftliche Methode des Märchens, nämlich des an unvermuteter Stelle aufgefundenen „Schlüssels“, mit dessen Hilfe etwas Rätselhaftes sich plötzlich erschließen kann. Die Welt des Märchens ist für Uta Ohndorf Rösiger so wichtig, daß sie unmöglich etwas gegen eine Märchenmethode haben kann. Märchen sind für sie nicht eine feenhaft schöne Gegenwelt, sondern eine tiefgründig verschlüsselte Form der Auseinandersetzung mit der Rätselhaftigkeit oder auch mit der Härte des Daseins. So wie z. B. der Tiefenpsychologe und Theologe Eugen Drewermann nachdenkliche Bücher über Märchen schreibt, um damit zur Bewältigung des realen Lebens beizutragen. Es ist das Märchen als Grundmuster des Daseins, das für Uta Ohndorf Rösiger von der Kindheit an bis heute eine zentrale Rolle spielt. Natürlich
hat sie sich auch mit den orientalischen Märchen vertraut gemacht, und eine begeisternde Entdeckung für sie war die Hörspielfassung von Tolkiens Hobbits-Märchen in mehr als 30 grandiosen Fortsetzungen, wo die Hobbits z. B. einmal auf ihrer abenteuerlichen Fahrt in einer finsteren Höhle auf einer Wand plötzlich eine Edelsteinschrift leuchten sehen, ... und sie
können sie nicht entziffern.
Dürers Grafik in Überlingen
(2000)
Die Städtische Galerie „Fauler Pelz“ in Überlingen, wohl die am schönsten gelegene des ganzen Bodenseegebiets, mit singulären Lichtverhältnissen und einem Ausblick, der seinesgleichen sucht, meint in ihrem Ausstellungsprogramm eine Marktlücke erspäht zu haben: Man konzentriert sich neuerdings auf Meistergrafik. 1998 wurden kapitale Blätter
Rembrandts präsentiert, jetzt, aus Anlaß der Jahrtausendwende, ist ein Künstler an der Reihe, der selber sein Werk einer Zeitenwende abgewonnen hat, Albrecht Dürer (1471-1528). Zumal in Dürers Grafik zittert ja die Erregung eines Epochenwechsels von welthistorischen Ausmaßen nach. Durchs Engagement für Grafik höchsten Rangs gibt die Galerie ihr Interesse an der Kunst von Stadt und Region, über Jahrzehnte hin bewiesen, keineswegs preis. Dagegen wuchert sie gerade so mit ihren Pfunden: Ausstellungen virtuoser Grafik sind auch für eine Gemeinde von nur 20 000 Einwohnern erschwinglich. Zudem begünstigt die Atmosphäre dieser Galerie, eine intime Urbanität, viel eher Kammermusik als Paukenschläge.
„Im Jahre des Heils 1749 ...“ - so beginnt im alten Taufbuch der Bruchsaler St. Peterskirche der handschriftliche Eintrag, darin die feierliche Kirchweihe jenes Jahres beschrieben wird, und so lautete auch der Titel einer Sonderausstellung des Städtischen Museums (im Obergeschoß des Bruchsaler Schlosses) aus Anlass der 250. Wiederkehr dieses Ereignisses. Bis Anfang Januar 2000 konnten sich die Besucher von zahlreichen historischen Exponaten zurückversetzen lassen in die lebendige Zeit des Barock, als tiefempfundene Religiosität, weltlicher Machtanspruch der Kirche und äußerer Prunk in einer noch heute faszinierenden Form verschmolzen sind. Was die Ausstellung nach den Intentionen ihrer Ausrichter zentral dokumentieren sollte, sind die beiden Säulen des Gründungsgedankens der Bruchsaler St. Peterskirche: die spirituelle, gottesdienstliche Bedeutung auf der einen Seite, die weltliche Konnotation als Symbol von Herrschaft und Autorität auf der anderenn. Denn St. Peter zu Bruchsal war nicht allein ein Gotteshaus, sondern überdies ein Gotteshaus in einer Landeshauptstadt - und dieser
Standort hat die Widmung der Kirche als künftige Grablege der Fürstbischöfe von Speyer entscheidend bedingt.
Für das Badische Landesmuseum und die Staatliche Kunsthalle ist es eine große Freude, dass Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind. Es ist ein ganz außergewöhnliches Ereignis, das uns heute in Karlsruhe zusammenführt. Erstmals haben das Badische Landesmuseum und die Staatliche Kunsthalle die Kräfte verbunden, um gemeinsam unter unterschiedlichen
Gesichtspunkten die wieder als geheimnisvoll empfundene Epoche des Spätmittelalters durch die Zusammenführung großartiger Kunstwerke darzustellen und erneut zu befragen.
Das Badische Landesmuseum darf heute, gemeinsam mit der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, die Große Landesausstellung 2001 des Landes Baden-Württemberg eröffnen, wie wir dies bereits 1998 (mit der 48er Revolution) und 1999 (mit den Jahrhundertwenden) tun durften. Im Jahre 1970 hat das Badische Landesmuseum unter meinem Vorvorgänger Prof.
Dr. Ernst Petrasch, den ich sehr herzlich unter uns begrüßen möchte, eine grundlegende und bis heute wegweisende Ausstellung „Spätgotik am Oberrhein“ veranstaltet, in der eine Vielzahl der bedeutendsten Werke der Skulptur, der
Goldschmiedekunst, des Textil, der Glasmalerei und der Grafik aus jener Zeit des Spätmittelalters zusammengeführt war. Eine solche Ausstellung wäre heute, 30 Jahre danach, vor allem aus konservatorischen Gründen nicht mehr wiederholbar. Für das Badische Landesmuseum stellte sich daher die Frage, wie unser Haus das Thema dieser Landesausstellung formulieren und sich damit an dem trinationalen Projekt der oberrheinischen Museen in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland „Um 1500: Epochenumbruch am Oberrhein“ beteiligen könne.
Johannes Thiel (1889-1962)
(2001)
Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und die Gemeinde Kirchzarten haben gemeinsam eine Gedächtnisausstellung ausgerichtet für Johannes Thiel, der 1960 mit dem Thoma-Preis ausgezeichnet wurde und 1962 verstarb. Diese Photos entstanden 1960 aus Anlaß der Preisverleihung bzw. der Thiel-Ausstellung in Bernau. Johannes Thiel ist auf dem Friedhof in
Kirchzarten beerdigt.
Alle Wege führen nach Singen - und nicht etwa nach Athen, Jerusalem, nach Cuzco oder Loyang in China, dem „Reich der Mitte“. Wenigstens so lange das Rathaus steht. Joseph Koshut gebührt Dank: Der Amerikaner (mit Wohnsitz in Rom) hat die Stadt am Fuße des Hohentwiel zum Nabel der Welt erklärt. Er brachte fertig, was selbst dem ausgefuchstesten
Stadtmarketing nicht gelungen ist. Koshut räumt Singen einen prominenten Platz im Koordinatenkreuz der Welt ein. Sein schlichtes Mittel: Kunst.
Es freut mich, heute in die Ausstellung „Die Kultur der Abtei St. Gallen" einführen zu können. St. Gallen bildet gleichsam das Paradigma eines mittelalterlichen Klosters. Immer wieder haben seine Kultur und Ausstrahlung Historiker und Schriftsteller in ihren Bann gezogen, etwa Joseph Viktor von Scheffel in seinem ,,Ekkehard" (1855), Gustav Freytag in den „Bildern aus der deutschen Vergangenheit" (1859) oder den Schotten James Midgley Clark in „The Abbey of St. Gall as a Centre of Literature and Art" (1926) sowie Umberto Eco in „Der Name der Rose" (1982). Die heute zu eröffnende Ausstellung versucht erstmals einen musealen Einblick in die Kultur der Abtei Sankt Gallen zu geben. Selbstverständlich kann dies nur bruchstückhaft und
unvollkommen geschehen. Das Thema musste in wenige Kapitel aufgeteilt werden. Indes erlaubt es unsere Schau dem Betrachter immerhin, eine Übersicht über den Gegenstand zu gewinnen. Es sind sieben Kapitel oder Teile, in denen verschiedene Facetten dieser Kultur vorgestellt werden.
In der Zeit vom 12. Dezember 1997 bis zum 28. Februar 1998 zeigte die Historische Bibliothek der Stadt Rastatt eine vielbeachtete Ausstellung über Augustin Kardinal Bea, der im Juni/Juli 1900 am Rastatter Ludwig-Wilhelm-Gymnasium seine Reifeprüfung ablegte. Rechtzeitig zum lO0jährigen Abitursjubiläum Beas konnte als Ergebnis jahrelanger Forschungen,
Arbeiten und Befragungen, die im Zusammenhang mit der genannten Ausstellung stehen, im Rahmen der stadtgeschichtlichen Reihe von Rastatt eine umfassende Gesamtdarstellung von Leben, Person und Werk des „Kardinals der Einheit" vorgelegt werden. Ergänzt wird diese Publikation durch die Dokumentation der Ausstellung, deren Ergebnisse somit auch noch
lange Zeit nach dem Ende ihrer Präsentation gegenwärtig bleiben.
Ich freue mich und bin beeindruckt, Sie heute so zahlreich hier begrüßen zu dürfen. Einen ganz speziellen Gruß richte ich an unsere deutschen Freunde hier in der Region, allen voran an Herrn Bürgermeister Dr. Günther Nufer sowie an alle Vertreterinnen und Vertreter der Stadt, des Stadtarchivs, der kirchlichen und kulturellen Institutionen und die Verantwortlichen des Kulturhauses Villa Berberich. Einen Willkommensgruß entbiete ich auch den Gästen aus St. Gallen und freue mich besonders über die Anwesenheit des Regierungsrates Herrn Peter Schönenberger und des Stiftsarchivars, Herrn Dr. Vogler. Meine Frau und ich sind heute gerne nach Bad Säckingen gereist, da uns diese Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner seit unserem ersten Besuch sofort in den Bann gezogen haben. Man spürt hier ein gutes Mass an Tradition und Fortschritt. Eindrucksvoll sind auch die ausgesprochen schöne Lage und die vielen historischen Bauten. Als Luzerner könnte ich höchstens ein wenig neidisch sein, dass die gedeckte Holzbrücke über den Rhein noch etwas länger ist, als die Kapellbrücke in Luzern. Bad Säckingen hat nicht nur eine geografische Nähe, sondern auch eine besondere kulturelle und mentale Verbindung mit der Schweiz. Ich denke dabei auch an die historischen Verbindungen mit dem Kanton Glarus, die 1988 auch zu einer Partnerschaft mit der Gemeinde Näfels geführt hat. Bad Säckingen ist ein Vorbild für die regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit und übt eine wichtige Scharnierfunktion zwischen dem südbadischen Raum und den angrenzenden Kantonen aus. Ich bin immer wieder beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit hier nationale Grenzen
überwunden werden und wie erfolgreich dieses Zusammenwirken sich gestaltet. Ein besonderer Beweis dafür ist auch das alljährlich stattfindende Brückenfest, das am letzten Wochenende mit einer grossen Beteiligung der Bevölkerung nördlich und südlich des Rhein begangen wurde. Solche grenzüberschreitenden Verbindungen sind in einer zunehmend globalisierten
Wirtschaftswelt von grosser Wichtigkeit.
Unnötig zu sagen, daß es vermessen von mir war, Albert Baumgarten, der mich mit schonungsvoller, fast zarter Bestimmtheit darum gebeten hat, zuzusagen, hier, wenngleich nur kurz, aufzutreten. Aber drei Dinge reizten mich sogleich: die Schwierigkeit, zunächst, der Aufgabe für mich, dann der Umstand, daß Du, lieber Christoph, mir würdest zuhören müssen,
schließlich, Du weißt es, ich muß es ganz laienhaft sagen, gefallen mir Deine Sachen, die geschriebenen und die gezeichneten, seit langem - sie sprechen mich an, sie reden mit mir. Es gibt ein schönes, vielleicht etwas braves von Hans H. Hofstätter 1995 herausgegebenes Buch „Kunst und Künstler in Baden. Das 19. und 20. Jahrhundert." Da kommt im Personenregister Christoph Meckel nicht vor. Man muß wohl sagen - zu Recht, denn ein Künstler in Baden ist er wirklich nicht. Er lebt wenig oder gar nicht hier, und er hat auch einmal darüber geschrieben, warum er dies nicht tut. Kindheit
und frühe Jugend waren nicht nur in Freiburg, sondern auch in Erfurt und in Berlin; in Berlin wurde er geboren, und dort ist er, wenn er nicht woanders, zum Beispiel in der Provence, ist, noch immer. Doch, um zu dem genannten Buch
zurückzukehren: Rudolf Dischinger kommt in ihm vor, und bei dem hat Christoph Meckel studiert. Meckel selbst schreibt in einem kurzen, besser gesagt prägnanten Abriß: ,,Zeichnungen seit Ende des Krieges [da war er neun]. Realgymnasium bis Unterprima, danach zwei Semester Kunstakademie Freiburg in der Zeichenklasse bei Rudolf Dischinger, der hart und herzlich auf Arbeit bestand, womit Erkenntnis, Wissen, Sitzkraft gemeint war".
Sehr geehrte Damen und Herren, heute können wir einen freudigen Tag für unser Land in der Badischen Landesbibliothek
feiern: Historische Dokumente, ein Teil südwestdeutscher Geschichte, bleiben im Original für Wissenschaft und Forschung, für die Öffentlichkeit erhalten. Bibliotheken und Archive werden häufig als Gedächtnis unserer Gesellschaft zitiert. Deshalb ist es gut, daß das Erbe Laßbergs an gedruckten Büchern in der Badischen Landesbibliothek zugänglich bleibt. Und zwar im Kontext, im Zusammenhang mit Laßbergs Nachlaß, seinen deutschen Handschriften und mittlerweile knapp 1000 neu erworbenen Bänden aus Laßbergs Bibliothek. Laßbergs gedruckte Bücher, das möchte ich besonders hervorheben, sind neben seltenen Rara nicht einfach Drucke, die es anderen Ortes auch gibt, sondern sie zeigen die Spuren seiner Arbeit, insbesondere seiner Beschäftigung mit dem Mittelalter und dessen deutscher Literatur. Sie sind damit wichtige und einzigartige Quellen, vergleichbar mit dem Briefwechsel. Damit nenne ich bereits ein Thema, das im Mittelpunkt unserer Ausstellung steht.
Flusspferde am Oberrhein
(2018)
Pünktlich zum Sommeranfang am 21.6.2002 wurde ein weiterer Teil der geplanten Gesamt- und Dauerausstellung „Baden von den Anfängen bis zur Gegenwart" im Schloss zu Karlsruhe, Sitz des Badischen Landesmuseums, eingeweiht. Der neue Ausstellungsteil mit vielen informativen Schau- und Hinweistafeln zur Geschichte und technisch-zivilisatorischen Entwicklung des Landes - wie auch en detail seiner Einwohner - beginnt mit dem Schicksalsjahr 1918, als am 9. 11. der Waffenstillstand im Eisenbahnwagen bei Compiegne geschlossen wurde.
Kunst im Naturmuseum
(2001)
Heute ist es eine rechte Seltenheit, dass Natur und Kultur zusammenfinden, in diesem Fall das Naturmuseum und die Kunst. Während einstens diese beiden tragenden geistigen Lebensbereiche, allerdings bei Dominanz der Geisteswissenschaften, miteinander verwoben waren, sind sie inzwischen so etwas wie gegensätzliche, bis zu einem gewissen Grade verfeindete Brüder geworden. Selbstredend war das noch weitgehend anders bei Altmeister Goethe, dem derzeit vielerorten gefeierten
Jubilar. Bei einer profunden humanistischen Bildung (schon mit zehn Jahren führte er lateinische Gespräche mit seinem Vater) waren für ihn die Bereiche Kunst mit der Bildenen Kunst, Literatur, Dichtung, Theater und Musik einerseits und die Natur einschließlich der damaligen Naturwissenschaften andererseits zwei mächtige, einander gegenüberstehende, aber
nicht bekämpfende Größen, die bis zu einem gewissen Grade die beiden Seiten ein und derselben Medaille bildeten. “Wer Kunst und Wissenschaft fördert darf sich sagen, dass er gränzenlose Folgen vorbereitet,” schrieb Goethe 1822 der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt am Main, Kunst als Synonym für die Kultur und Wissenschaft für die Naturwissenschaften. Beide Komplexe wurden somit als gleichwertige Elemente nebeneinander gestellt.
Entgegnung
(2023)
Marcel van Eeden wurde am 13. August 2023 in Bernau im Schwarzwald der Hans-Thoma-Preis, der Staatspreis des Landes Baden-Württemberg für Bildende Kunst, verliehen. Für die zeitgleich eröffnende Preisträgerausstellung im Hans-Thoma-Kunstmuseum schuf er mit 1898 eine Serie von 152 Gummidrucken, die er an verschiedenen Orten der Niederlande aufgenommen hatte. 1 Motivisch beziehen sich die Bilder auf eine bis dato wenig bekannte Reise Hans Thomas aus dem Jahr 1898, deren Stationen van Eeden im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen recherchiert hatte. Die von van Eeden bewusst als künstlerisches Mittel eingesetzte zeitgenössische Motivik, die etwa heutige Strandszenen, moderne Windkraftanlagen oder Museumsbesuche umfasst, verdeutlicht die Distanz zum historischen Gegenstand von 1898. Darin vermittelt sich van Eedens kritische Grundhaltung gegenüber den Möglichkeiten und Fallstricken der Geschichtsschreibung. Die Serie beinhaltet zudem eine Reflexion von van Eedens eigener Annäherung an die Vergangenheit, so etwa Bilder von Orten und Personen, die seine Recherchen zu Thoma geprägt haben. Die gewählte Technik des Gummidrucks erzeugt eine Ästhetik vermeintlicher Authentizität des ausgehenden 19. Jahrhunderts und trägt in Konkurrenz zu den zeitgenössischen Bildinhalten ihrerseits zur Skepsis gegenüber historischen Aussagen bei. Unterbrochen wird die Serie von 30 Zitaten von Hans Thoma, von ausgewählten Zeitgenossen und nachrangig auch aus der späteren Sekundärliteratur, mit denen van Eeden eine zweite inhaltliche Ebene eröffnet. Darin geht es um Hans Thomas Kontakte zu völkischen Kreisen im deutschen
Kaiserreich, insbesondere jene zum antisemitischen Kulturtheoretiker Julius Langbehn, dessen Buch Rembrandt als Erzieher (1890) als Grundlagenwerk der völkischen Bewegung gilt. Van Eeden problematisiert auf diese Weise das dominante eindimensionale, rein affirmative Bild Hans Thomas in der Öffentlichkeit, zu dessen Wahrung völkische Sympathien und antisemitische Äußerungen ausgeblendet oder nivelliert werden. Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg habe ich für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe die kuratorische Begleitung der Ausstellung 1898 des Thoma-Preisträgers Prof. Marcel van Eeden 2023 in Bernau im Schwarzwald übernommen (Hans-Thoma
Kunstmuseum, Bernau, 13.8.-15.10.2023). Die Ausstellung wurde ergänzt durch eine von mir herausgegebenen Publikation, in dem unter anderem auch ein wissenschaftlicher Aufsatz von mir zum Ausstellungsgegenstand enthalten ist.
Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat Dr. Leonie Beiersdorf für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe die kuratorische Begleitung der Ausstellung 1898 des Thoma-Preisträgers Prof. Marcel van Eeden 2023 in Bernau im Schwarzwald übernommen (Hans-Thoma-Kunstmuseum, Bernau, 13.8.-15.10.2023) und eine begleitende Publikation herausgegeben. Im Zuge der Ausstellung kamen unter anderem neue antisemitische Äußerungen Hans Thomas zum Vorschein, welche eine erneute öffentliche Debatte zum Künstler und der Namensgebung des Preises entzündeten. Über die Benennung des Staatspreises hat die Politik zu entscheiden, nicht die Kunsthalle Karlsruhe. Für 2024, dem Jahr des 100. Todestags des Künstlers, plant die Kunsthalle eine öffentliche Veranstaltung zu den Diskussionen um Hans Thoma und eine konzentrierte Präsentation zu seiner Amtszeit als Direktor der Kunsthalle Karlsruhe. Dr. Christian M. Geyer, im Ruhestand befindlicher Kunsthistoriker in Frankfurt am Main, fühlte sich durch die Diskussionen um den Hans-Thoma-Preis angeregt, nicht nur eine 52-seitige Schrift gegen Marcel van Eeden und Dr. Beiersdorf zu verfassen, sondern diese auch auf diversen fachöffentlichen Plattformen zu publizieren und ungefragt an einen großen Kreis von Mitarbeiter:innen von Museen, Ministerien, Förder- und Freundeskreisen sowie weiterer Privatpersonen in Deutschland und der Schweiz zu verschicken. Da sich die Kunsthalle Karlsruhe grundsätzlich nicht einer öffentlichen Debatte über Hans Thoma und die eigene Arbeit verschließen will, zugleich aber massive Verletzungen von Standards des guten wissenschaftlichen Arbeitens in der Schrift Christian M. Geyers feststellt, und da er der Kunsthalle auch nicht Gelegenheit gab, den aus Sicht des Museums falschen Thesen im Vorfeld seiner Publikation zu begegnen und diese kritisch zu diskutieren, sieht sich die Kunsthalle Karlsruhe nun veranlasst, der an Diffamierung grenzenden Schrift in aller Form öffentlich zu widersprechen. Der Text und das Vorgehen von Christian M. Geyer sind emblematisch für eine Debattenkultur, die anstelle der sachlichen Auseinandersetzung die Beschädigung der Person zum Ziel hat. Falschbehauptungen sind kein Instrument des wissenschaftlichen Diskurses und Angriffe ad personam nicht nur kein guter Stil, sondern tragen nicht
zur Stärkung demokratischer Aushandlungsprozesse bei.
Der Reformator im Bild
(2015)
Vor dem Hintergrund des 500. Geburtstages Lucas Cranachs d. J. hat die EKD für das Jahr 2015 der Lutherdekade das Thema „Reformation – Bild und Bibel“ gewählt. Tatsächlich ist das Werk dieses Malers, anders als dasjenige seines Vaters Lucas Cranachs d. Ä., bisher noch nicht Gegenstand systematischer kunsthistorischer Forschungen gewesen. Aus Anlass des Jubiläums widmen sich Ausstellungen, begleitende Veröffentlichungen und Symposien dem Œuvre des Künstlers. Porträts bilden neben zahlreichen Epitaphgemälden den thematischen Schwerpunkt seines Schaffens. Er vervielfältigte weiterhin die sogenannten authentischen, weil nach unmittelbarer Anschauung angefertigten Tafelbildnisse Luthers, Melanchthons und anderer Wittenberger Reformatoren, die bereits zu Lebzeiten des Vaters in Serienproduktion gegangen waren, und entwickelte neue marktgängige Formate. Diese Bildnisse gaben der Reformation ein Gesicht. Im Rahmen des Ausstellungs-Projektes „Reformatoren im Bildnis“, das ab Februar 2014 mit einer Laufzeit von drei Jahren an der Europäischen Melanchthon-Akademie Bretten angesiedelt ist, werden von der Verfasserin Bildnisse von der Hand dieses und anderer Künstler auf visuelle Strategien hin untersucht, die sich in der bildlichen Inszenierung der Reformatoren entfalten. Denn diese werden stets – auch in den sogenannten authentischen Porträts, die dem heutigen Betrachter eine mimetische Abschilderung nahelegen – in einer bestimmten Absicht ins Bild gesetzt, die als Reformationspropaganda bezeichnen werden kann. An dieser Stelle kann nicht ausführlich auf die Theorie des Bildnisses im 16. Jahrhundert eingegangen werden, doch sei so viel erwähnt: Die Konterfeis der Protagonisten der Reformation sind ausgestattet mit bildrhetorischem Überzeugungspotential. Das Bild sucht den Betrachter mit bildeigenen Mitteln nicht nur von der lebendigen Präsenz der Dargestellten im Bild zu überzeugen, sondern zugleich auch von der Sache, die diese vertreten, und zwar mithilfe einer angewandten Rhetorik, die seit der Antike zu Findung von Argumenten für eine überzeugende Darstellung diente.
Die Gesangbuchsammlung der Landeskirchlichen Bibliothek in Karlsruhe ist mit ihren inzwischen ca. 4.900 Exemplaren eine der großen Sammlungen in Deutschland, so dass es angebracht erscheint, sie näher vorzustellen und ihre Besonderheiten zu
beschreiben. Möglich wird dies u. a. dadurch, dass die Sammlung vergleichsweise gut erschlossen ist, zum einen, weil die „echten“ Gesangbücher in der Bibliographie der deutschsprachigen Gesangbücher der Universität Mainz erfasst sind (und werden), zum anderen da die Katalogisierung im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund zügig voranschreitet. Der der Sammlung zugrunde gelegte Gesangbuchbegriff ist nicht eng zu fassen. So enthält die Sammlung neben den „echten“ Gesangbüchern für den gottesdienstlichen Gebrauch auch Schulgesangbücher, Gesang- und Liederbücher für kirchliche
Gruppen und für spezielle Funktionen, Choral- und Melodienbücher sowie geistliche Liederhefte. In geringem Umfang befinden sich in der Sammlung auch weltliche Gesang- und Liederbücher. Andererseits sind nicht nur Choralbücher oder geistliche Liedersammlungen auch anderen Abteilungen des Bibliotheksbestandes zugeordnet. Die Karlsruher Gesangbuchsammlung ist eine überregional angelegte Sammlung, die natürlich bestrebt ist, die „badischen“ (bezogen auf das heutige Gebiet der badischen Landeskirche) Gesangbücher möglichst vollständig zu erfassen, die übrigen „Gesangbuchlandschaften“ aber auch in einer repräsentativen Auswahl widerzuspiegeln. Auch wenn wir es mit einer Sammlung einer evangelischen Bibliothek zu tun haben, ist der Sammelauftrag nicht konfessionell begrenzt, sondern berücksichtigt prinzipiell alle Konfessionen und auch andere Religionen. Auch unter geografischer, politischer und kultureller Perspektive überschreitet die Sammlung Grenzen, so dass nicht nur deutschsprachige Gesangbücher in ihr enthalten sind, sondern prinzipiell Gesangbücher aus allen Sprachen und Kulturen in ihr aufgenommen sein sollen.