Wissenschaftliches Bibliothekswesen
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Bücher und mehr
(2015)
Die aus der Büchersammlung der badischen Markgrafen und Großherzöge hervorgegangene
Badische Landesbibliothek (BLB) ist eine zentrale Institution der Informationsinfrastruktur für die
Bildung und Wissenschaft in Baden‐Württemberg. Sie bietet ca. 2,6 Mio. Bände Literatur und
Medien aus allen Fachgebieten; der Zuwachs beträgt jährlich ca. 45.000 Einheiten, pro Jahr
erfolgen ca. 1 Mio. Entleihungen. Ihre Benutzerinnen und Benutzer können mit einer Vielzahl
von Datenbanken, E‐Books und elektronischen Zeitschriften arbeiten und haben überall im Haus
Zugang zum Internet. Mit diesen Dienstleistungen gewährleistet die BLB die aktuelle und
bedarfsgerechte Informationsversorgung von ca. 25.000 Benutzern vor Ort. Sie unterstützt die
Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Region und ist kompetente Partnerin
von Behörden, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen. Als Lehr‐ und Lernzentrum bietet
die BLB zugleich eine attraktive Lernumgebung, ihr Schulungsprogramm unterstützt aktiv den
Erwerb von Informations‐ und Medienkompetenz. Zu den wichtigsten Aufgaben der BLB gehört
die Sammlung, Erschließung und Bereitstellung der Publikationen aus und über Baden; mit ihrem
auf Vollständigkeit angelegten Bestand dokumentiert sie die Entwicklung der Region auf
einzigartige Weise.
Das Nibelungenlied
(2010)
Am 30. Juli 2009 wurde das Nibelungenlied zum UNESCO-Weltdokumentenerbe ernannt. Das Internationale Komitee des Programms „Memory of the
World“ traf in Bridgetown (Barbados) die entsprechende Entscheidung: „The
Nibelungenlied (the Song of the Nibelungs) is probably the most famous heroic
poem in Middle High German. It is comparable with other world-famous epics
such as the epic of Gilgamesh of Ancient Babylonia, the Mahabharata of Ancient India, or the Heike Monogatari in mediaeval Japan. It tells the story of
dragon-slayer Siegfried from his childhood days and his marriage to Kriemhild
to his murder and the subsequent story of Kriemhild's revenge, finally culminating in the extinction of the Burgundians or Nibelungs at the court of the Huns.”
Als Weltdokumentenerbe ausgezeichnet wurden die drei vollständigen Handschriften des 13. Jahrhunderts, die in der Bayerischen Staatsbibliothek München, in der Stiftsbibliothek St. Gallen und in der Badischen Landesbibliothek
Karlsruhe aufbewahrt werden. Der Codex in Karlsruhe ist die älteste und für die
Überlieferungsgeschichte des Nibelungenlieds bedeutendste Handschrift. Es
handelt sich um ein Kulturdenkmal höchster Güte. In Karlsruhe ist es das einzige von der UNESCO als Welterbe ausgezeichnete Kulturzeugnis.
Das Speculum humanae salvationis war über zwei Jahrhunderte hin ein weitverbreitetes religiöses Erbauungsbuch. Entstanden im Rahmen der Passions‐ und
Marienfrömmigkeit des 14. Jahrhunderts, wurde es eines der bedeutendsten
Werke der christlichen Geschichtsbetrachtung und wegen seines umfangreichen Bilderzyklus eines der erfolgreichsten Bücher im Spätmittelalter.
Der Donaueschinger Wigalois
(2019)
Mit großzügiger Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kulturstiftung der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Wüstenrot Stiftung konnte die Badische Landesbibliothek Ende 2018 die ehemals Donaueschinger Wigalois-Handschrift (Cod. Don. 71) erwerben, ein nationales Kulturdenkmal von exzeptionellem
Wert. Damit kehrt ein um 1420 in der berühmten Lauber-Werkstatt im oberrheinischen Hagenau produzierter und höchst erzählfreudig illustrierter Artusroman in seinen ursprünglichen Sammlungs- und Überlieferungskontext zurück.
So wie die Benutzungsordnung der Karlsruher Hofbibliothek Gründungsurkunde ist für ihren Auftrag als Öffentliche Einrichtung, so ist sie zugleich auch der Ursprung des Pflichtexemplarrechts in Baden. Anders als im benachbarten Württemberg, wo die 1756 gegründete Öffentliche Bibliothek – die spätere Württembergische Landesbibliothek – das bereits seit 1710 bestehende Pflichtexemplarrecht mit ihrer Gründung übertragen bekam und seither ununterbrochen wahrnimmt, hat das Pflichtexemplarrecht in Baden eine wechselvolle Geschichte. Sie ist von den Interessenkämpfen
und Machtverhältnissen zwischen den Bibliotheken einerseits und den Verlegern andererseits geprägt, bei denen sich mal die eine, mal die andere Seite durchsetzen konnte. Alle Argumente, die zur Begründung oder Ablehnung des Pflichtexemplarrechts auch in anderen deutschen Staaten ausgetauscht wurden, kommen vor. Im Folgenden wird die Geschichte des badischen Pflichtexemplarrechts von 1771 an nacherzählt. Glücken soll das trotz eines Totalverlusts. Das
Aktenmaterial der Badischen Landesbibliothek aus den ersten 170 Jahren der badischen Pflichtablieferung ist vollständig vernichtet; alle aufgrund dieser Regelung in die Badische Landesbibliothek gelangten Pflichtexemplare sind verbrannt. Gebäude, Buchbestände, Akzessionsbücher, Verwaltungsakten, Inventar – der gesamte Besitz der Landesbibliothek wurde am 2./3. September 1942 in einer einzigen Bombennacht zerstört. Und auch im Generallandesarchiv Karlsruhe gibt es nur noch eine Streuüberlieferung in den Akten des Badischen Staats- und des Badischen Innenministeriums.
Diese Heldengeschichte nimmt gleich zwei Mal ein gutes Ende: Natürlich heiratet
Ritter Wigalois schließlich die gerettete Königin und wird Herrscher von Korntin.
Weniger vorhersehbar war, dass die verschollene Handschrift mit den 30 wunderbaren
Illustrationen tatsächlich einmal nach Baden-Württemberg zurückkehren würde.
Mit großzügiger Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg konnte
die Badische Landesbibliothek Ende letzten Jahres eine besondere Kostbarkeit
mittelalterlicher Überlieferung erwerben: das 1540 entstandene Gebetbuch der
Benediktinerin Katharina Roeder von Rodeck.
Die von der Burg Rodeck im Ortenaukreis stammende Katharina Roeder hat
das Gebetbuch im nordbadischen Kloster Frauenalb eigenhändig und für den
eigenen Gebrauch niedergeschrieben und mit detailfreudigen Federzeichnungen ausgemalt. Insgesamt sechs ganzseitige farbige Federzeichnungen, zahlreiche prächtige Randbordüren sowie ein wohl nur kurze Zeit später eingebrachtes Pergamentblatt mit der Darstellung einer Mondsichelmadonna sind in der
Handschrift zu finden. Der Text selbst, dessen Anfertigung Katharina Roeder laut
Eintrag am Nikolaustag des Jahres 1540 beendete, ist bislang noch unerforscht.
Für die Regionalgeschichte Badens und die Frömmigkeitsgeschichte der Frühen
Neuzeit ist das Gebetbuch einer gebildeten Frau des 16. Jahrhunderts von außerordentlicher Relevanz.
Fehlplaziert!
(2013)
„Schokolate“ im Handschriftenbestand? Unzweifelhaft war das für die Verfasserin dieses
Beitrags von höchstem persönlichem Interesse. Schon beim ersten Hinsehen erwies sich
allerdings ein zweiter Umstand als gravierend: Da wo sie ist, gehört die Handschrift unter
dem Aspekt der Regionalität überhaupt nicht hin.
Detlev Hellfaier hat sich wiederholt mit Literaturarchiven, literarischen Nachlässen
und Autographen als Landesbibliotheksaufgabe befasst und dabei die „Region“ als ausschlaggebendes Kriterium für den Erwerb von Handschriften beschrieben.
Seit dem
19. Jahrhundert werden Autographen und Nachlässe als Zeugnisse des geistigen und
kulturellen Profils einer Region in den Landesbibliotheken gesammelt. Die Pflege, Ergänzung, Erschließung und Präsentation solcher Bestände ist genuin Aufgabe einer modernen Regionalbibliothek – so ist es nicht nur in Strukturempfehlungen festgehalten, so ist
es gängige Praxis. Dabei bemühen sich die Landesbibliotheken partnerschaftlich um das
Bilden zusammenhängender Bestandskomplexe hinsichtlich personaler, institutioneller
und thematischer Überlieferung. Ein solchermaßen systematischer Bestandsaufbau und
eine regionale Schwerpunktbildung liegen ja ganz grundsätzlich auch im Interesse der
Forschung.
Historisches Erbe in der Region? Bei der „Schokolate“ haben wir es mit einer Versprengten zu tun. Darum war sogar die Urheberschaft der Handschrift zeitweilig nicht
mehr bekannt. In Karlsruhe befindet sie sich ganz außerhalb ihres Entstehungskontextes,
sie blieb unzulänglich erschlossen und von der Forschung bisher unbemerkt.
In der Jubiläumsschrift zum 40. Jahrestag des Bestehens der Badischen Bibliotheksgesellschaft
e.V. im Jahr 2006 konnte eine beeindruckende Fülle von Fördermaßnahmen aufgezählt werden,
die die Badische Bibliotheksgesellschaft seit ihrer Gründung im Jahr 1966 für die Badische Landesbibliothek geleistet hatte. Doch auch seither ist sie stets bereitwillig eingesprungen, wenn
ihre Hilfe gebraucht wurde. Laufend wird ihre Unterstützung im Veranstaltungsprogramm benötigt, das die Badische Landesbibliothek und die Badische Bibliotheksgesellschaft nun seit
Jahrzehnten gemeinsam durchführen und das den Mitgliedern der Bibliotheksgesellschaft
vielfältige Ausstellungs‐, Konzert‐ und Vortragsaktivitäten anbietet, mit denen die Badische
Landesbibliothek profiliert an die Öffentlichkeit tritt. Aber auch durch Förderung von Erwerbungs‐, Erschließung‐ und Restaurierungsmaßnahmen trägt die Badische Bibliotheksgesellschaft
dazu bei, dass die Badische Landesbibliothek als Institution mit einer 500jährigen Geschichte und
herausragenden Sammlungsbeständen ihre weithin anerkannte Arbeit als Kultureinrichtung
leisten kann. Im Folgenden soll kurz über die vergangenen zehn Jahre berichtet werden.
Seit ihrer Erfindung im Jahr 1870 haben Sammelbilder über ein Jahrhundert hinweg eine nicht zu überschätzende Bedeutung als Medium der Werbung gehabt. Bildinhalte, Herstellungstechniken und Vertriebswege haben sich gewandelt. Immer gleich blieb das Erfolgskonzept, die Zielgruppe durch Sammeln, Tauschen, Ordnen, Kleben an eine Marke zu binden. Auch regionale Firmen in Baden haben sich diese Marketingstrategie zu Eigen gemacht. August Batschari Cigaretten in Baden-Baden stieg 1930 ins Zigarettenbildergeschäft ein. Die Badische Landesbibliothek stellt auch solche Massenmedien als Quellen bereit und bittet um Mithilfe beim Ausbau ihrer Sammlung.
In ihren Bundesweiten Handlungsempfehlungen von 2015
empfiehlt die KEK, für die Sicherung des gedruckten Schrifttums ab 1851 zunächst
die Pflichtexemplarbibliotheken nach heutigen Zuständigkeiten in den Ländern
in Anspruch zu nehmen. Sie sollen unabhängig von historisch tatsächlich gegebenen
Pflichtexemplarregelungen für die in ihrem heutigen Verantwortungsbereich
publizierten Drucke eine Erhaltungsverpflichtung eingehen. Damit wäre
jeweils ein Exemplar der Mehrfachüberlieferung gedruckten Schrifttums im Bundesgebiet
als das prioritär zu erhaltende Archivexemplar identifiziert und zwar
in der Regel dasjenige, das aufgrund einer Rechtsverpflichtung ohnehin aufzubewahren
ist. Das KEK-Projekt Einheitlicher Nachweis hat 2016–2018 ein Datenmodell
für das PICA-Feld 4233 erarbeitet, das eine Struktur für die Dokumentation
von Archivierungsabsprachen bereitstellt und die kooperative Bestandserhaltung
überhaupt erst ermöglicht. Die Badische Landesbibliothek hat im überregionalen
Gesamtsystem der Überlieferungsbildung und -sicherung ihre Verpflichtung bei
den monographischen Titeln und den laufenden Periodika inzwischen eingelöst.
Im Rahmen des Landesprojekts bwLastCopies wurden 549.796 badische Pflichttitel
aus dem Zeitraum 1851–2020 – davon 80 Prozent im BLB-eigenen Bestand
und 20 Prozent in den Beständen anderer Bibliotheken des Landes Baden-Württemberg – im K10plus mit einer Erhaltungsgarantie markiert und damit für die
Zukunft gesichert.
Mit Blick auf das Jahrhundertgedenken zum Beginn des Ersten Weltkriegs hat die Badische
Landesbibliothek bereits im Jahr 2013 hundert zeitgenössische Bücher und Broschüren aus den
Jahren 1914‐1918 digitalisiert. Sie stammen aus badischen Verlagen oder beziehen sich auf das
Kriegsgeschehen in Baden. Seither hat sich die Titelzahl aufgrund von Benutzeraufträgen noch
erhöht. Die digitalisierten Titel sind zu finden unter: http://digital.blb‐karlsruhe.de.
Das Spektrum der Digitalisate reicht von amtlichen Denkschriften zu wirtschaftlichen Maßnahmen während des Kriegs oder zur Invaliden‐ und Hinterbliebenenfürsorge über Kriegspropagan‐
da, Kriegstagebücher, Kriegslyrik und Kriegspredigten bis hin zur Darstellung der Kriegserlebnis‐
se von Badenern an der Front und in Gefangenschaft. Ebenfalls dabei: das mit Hunderten von
Fotos ausgestattete Gedenkbuch der Stadt Pforzheim mit den Ehrentafeln der Kriegsopfer aus den
Jahren 1915‐1920 und das Ehrenbuch der Stadt Karlsruhe für ihre 5510 im Krieg gefallenen
Bürger aus dem Jahr 1930. Oder eine alphabetische Zusammenstellung der höchstzulässigen
Lebensmittelpreise in Karlsruhe nach dem Stand vom 15. Mai 1916. Eine kleine Auswahl der
digitalisierten Titel soll hier vorgestellt werden.
Mit Blick auf das Jahrhundertgedenken zum Beginn des Ersten Weltkriegs hat die Badische Landesbibliothek bereits im Jahr 2013 100 zeitgenössische Bücher und Broschüren aus den Jahren 1914–1918 digitalisiert. Sie stammen aus badischen Verlagen oder beziehen sich auf das Kriegsgeschehen in Baden. Seither hat sich die Titelzahl aufgrund von Benutzeraufträgen noch erhöht. Die digitalisierten Titel sind zu finden unter http://digital.blb-karlsruhe.de.