Heft 4
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Vorausgegangen ist diesem Essay ein Vortrag im Museum, der fraglos ziemlich kühn in seiner Ankündigung war: Ist das Markgräflerland eine „Kunstprovinz" oder ist die Kunst hier im Markgräflerland doch nur provinziell? Zum Begriff „Kunstprovinz". Diese erste Frage ist ein wenig Lockvogel-Attrappe und sollte rasch beseitigt werden. Dem Begriff
,,Kunstprovinz" haftet heute ein unauslöschliches Odium des Pejorativen, des Unfreien, Stubenhockerischen, Verengten an. Das war aber nicht immer so. Die berühmtesten Kunstprovinzen erblühten im Italien der Renaissance, in der Toscana. (Ganz nebenbei: Unter deren herrlichen Früchten lässt sich ja auch ziemlich viel von musealem Kunst-Dörrobst finden). Heute
spricht man, um dem Missverständnis vorzubeugen, bei solchen Kunstprovinzen lieber von Kunstlandschaften, Regionen oder von Schulen. Wahrscheinlich drückt sich in dieser Zurückweisung des Begriffes „Kunstprovinz" auch der Zweifel aus, ob in einer Landschaft, in ihrem „Blut und Boden", überhaupt noch derartige Wirkungsmacht steckt. Jedenfalls haben jüngere Kunstregionen mit etwas weniger kunstgeschichtlichem Strahlenglanz auszukommen. Die Pleinairisten von Pontoise, die das Silberlicht der Erlen so hingebungsvoll perfektionierten, wussten sich bereits zu bescheiden.
Lörrach: Kunst und Stadt
(2002)
Noch vor wenigen Jahren war Lörrach auch traditioneller Standort der Textilindustrie. Mitte der neunziger Jahre geriet dann das seit fast 250 Jahren im Stadtgebiet ansässige textilverarbeitende Unternehmen KBC Manufaktur in Schwierigkeiten und war gezwungen, sich von wesentlichen Teilen der Produktionsflächen zu trennen. Stadt und Betrieb sahen sich vor die gemeinsame Aufgabe gestellt, aus dieser akuten Notlage für beide Seiten das Beste zu machen: Es galt aus stadtentwicklungspolitischer Perspektive einen Kompromiss zu suchen, der trotz der unaufhaltsamen Veränderungsdynamik in diesem Quartier für die Gesamtstadt dennoch Innovationsimpulse zu initiieren vermochte. Alternative städtebauliche Konzeptionen waren nun gefragt, die Erarbeitung eines Zentren- und Märktekonzepts, neue Prioritäten in der Verkehrsplanung, Verhandlungen zu einem städtebaulichen Vertrag mit potentiellen Investoren, Rahmenvorgaben zu Planungszielen und Funktionszuweisungen
auch für Teilbereiche der Gewerbebrache und vieles andere mehr.
Wohnkultur auf Burg Rötteln
(2002)
Als Hans von Waltheim aus Halle an der Saale am 9. Juli 1474 den Markgrafen Rudolf IV. auf Schloss Rötteln besuchte, tat er das vor allem, um dessen burgundischen Wirkmeister und seine Wandteppiche zu sehen. Der Wirkmeister führte den Gast in die Kemenate des Markgrafen. Hans von Waldheim staunt über die Schönheit der Tapisserien und beschreibt,
dass der Raum „oben und an allen Mauern mit Teppichen überzogen war. Das war das hübscheste Werk von Bildern, von Angesichten, von Kleidungen, von Tieren und Blumen und von anderem Werke, gleich als ob es lebte, dergleichen ich nicht viele gesehen habe" (nach Werminghoff 1922, 79 f. bzw. Waldheim 1925, 87, von der Autorin ins Hochdeutsche bertragen). Der Reisebericht des Wallfahrers ist eine der wenigen schriftlichen Quellen, die Auskunft darüber geben, wie es einstmals in den Gemächern der Burg ausgesehen hat. Solche Wirkteppiche wie Waltheim sie beschreibt haben sich in verschiedenen Sammlungen bis heute erhalten. 1990 war im Historischen Museum in Basel eine Ausstellung von Bildteppichen des 15. Jahrhunderts aus Basel und Straßburg unter dem Titel „Zahm und wild" zu sehen. Vermutlich hat das eine oder andere dort
gezeigte Stück ehemals auf Burg Rötteln gehangen oder wurde sogar dort gefertigt. Heute ist es den Autorinnen des Katalogs immerhin möglich, anhand stilistischer und technischer Merkmale die Stücke der Basler oder der Straßburger Wirkproduktion zuzuweisen (Rapp Buri/Stucky-Schürer 1990, 24 ff.).
Minna Vortisch-Großmann
(2002)
Minna Vortisch-Großmann wurde am 6.8.1874 als Tochter des Textilindustriellen Emil Großmann, dessen Familie bedeutenden Anteil an der Industrialisierung des Wiesentals hatte, in Uhingen/Württ. geboren. Sie war von Geburt Schweizerin und Bürgerin von Aarburg. Ihre Mutter Elise, geb. Wenner, war eine Tochter jenes Lörracher Bürgermeisters Karl Georg Wenner, der in den Jahren 1848/49 wegen Unterstützung der Revolution sein Amt verlor und inhaftiert wurde. Er wurde 10 Jahre später erneut vom Vertrauen seiner Mitbürger an die Spitze der Gemeinde berufen. Die Tochter Elise soll in der Revolutionszeit 1848/ 49
dem inhaftierten Vater täglich das Essen in den „Turm" gebracht haben.
Briefe der Brüder
(2002)
Friedrich Vortisch (1899-1991), Rechtsanwalt, Stadtrat und Landtagsabgeordneter in Lörrach ist der Verfasser der hier abgedruckten Briefe aus den Jahren 1933-1940. Empfänger war sein Bruder Hanns Vortisch (1900-1982), der 1923 nach Argentinien ausgewandert und in Monte Carlo, Misiones, ansässig geworden war. Von diesem gibt es nur den ungewöhnlichen Brief vom 3.12.1933, der als frühes Echo der Vorgänge im Deutschen Reich in diese Sammlung aufgenommen wurde. Hanns Vortisch hat die Briefe seines Bruders gesammelt und bis zu seinem Tode aufbewahrt. Seine Tochter Ursula Volberg de Vortisch, die nach Aufenthalten in Mexiko, Indien und Deutschland wieder zum elterlichen Anwesen in Monte Carlo zurückgekehrt ist, hat mir die Briefe, die infolge der eigenwilligen deutschen Handschrift für sie unleserlich waren, überlassen. Dafür gebührt ihr besonderer Dank, ebenso für die langwierige Suche des Briefs ihres Vaters vom 3.12.1933, der aus dem Nachlass der Mutter Minna Vortisch (1874-1976) wieder nach Argentinien zurückgelangt war. Nach ihrer Rückkehr lagen die Briefe einige Jahre unberührt in Lörrach. Als eine erste Durchsicht ergeben hatte, daß ein großer Teil der Briefe nicht aus Deutschland, sondern aus der Schweiz geschrieben worden war, erwachte meine Neugierde, denn grundlos war dieser Schreib- und Absendeort in den 30-er Jahren nicht gewählt worden.
Seit Jahrtausenden kreuzen sich am Rheinknie die Verkehrswege vom Süden Europas nach Norden mit denen, welche von der Donau entlang des Hochrheines durch die Burgunder Pforte nach Westeuropa führen. Jeder Durchreisende ist auch heute noch von der mächtigen Burgruine Rötteln, dem Kleinod des vorderen Wiesentales, tief beeindruckt. Nicht weniger interessant ist die Geschichte und die politische Bedeutung der Herrschaft Rötteln. Immer lagen die Besitztümer in mehrerer Herren Länder. Dies erforderte von den Edelherren von Rötteln und später von den Markgrafen von Rötteln besonderes diplomatisches und politisches Geschick, um nicht zwischen den großen Kontrahenten der damaligen Zeit (Burgund, Österreich, Frankreich und Eidgenossenschaft) zerrieben zu werden.