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Im Jahre 1913 – also noch zu Zeiten der formalen Geltung des landesherrlichen Kirchenregiments in Baden – definierte die RGG (in erster Aufl.) den Begriff „als ein(en) wenig glücklich(en) Ausdruck für die Sonderstellung, die in den deutschen ev. Landeskirchen der Landesherr als Kirchenglied einnimmt. Als Summepiscopus (= Erster oder Oberbischof) ist der Landesherr Träger des *Kirchenregiments […]; über die Ableitung dieses Rechtes vgl. *Episcopalismus […], *Territorialismus, *Kollegialismus. Ueber die Bedeutung und den Wert dieser Stellung des Landesherrn vgl. *Landesherrliches Kirchenregiment […]“ Damit sind bereits zwei Erkenntnisse gewonnen: erstens geht es um die kirchenverfassungsmäßige Sonderstellung des Fürsten in der evangelischen Kirche; und zweitens ist der diese bezeichnende Begriff als „wenig glücklich“. Zwar verrät der
Verfasser (Förster) nicht, warum die Begrifflichkeit ihn unglücklich stimmt, aber vielleicht nahmen wir eben schon beim Hören an seinem Unglück Anteil, wenn wir den ganzen Verweiskatalog auf die staatskirchenrechtlichen Begriffe zur Kenntnis
nahmen, die manchen unter uns im Laufe des zweiten theologischen Examens zum ersten und vielfach auch letzten Mal im Fach Kirchenrecht vor Augen getreten sind. Wie war das noch mit Episkopalismus, Territorialismus und Kollegialismus?
Nun möchte ich Ihnen sogleich diese Sorge nehmen, dass wir in diesem Kurzvortrag den Begriffskatalog abarbeiten könnten. Dazu fehlt uns die Zeit und es soll ja um die badischen Verhältnisse gehen. Zugleich muss uns klar sein, dass Begriff und
Wesen des Summepiskopates nicht isoliert zu entwickeln sind, sondern historische Voraussetzungen und Niederschläge kennen, die anhand ausgewählter Stationen der badischen Kirchengeschichte beschrieben werden sollen.
Am 10. Dezember 1520, genau nach Ablauf jener 60 Tage, die der Papst in seiner Bannandrohungsbulle Luther und seinen Anhängern als Widerrufsfrist nach Bekanntgabe der Bannandrohungsbulle gesetzt hatte, als im Westen des Reiches und den Niederlanden bereits die Scheiterhaufen loderten, auf denen die Schriften Luthers und seiner Anhänger zu Asche wurden, verbrannten Studenten der Universität Wittenberg vor dem direkt neben dem Augustinerkloster liegenden Elstertor mehrere Exemplare des kirchlich-kanonischen Rechtes, während Luther selbst die Bannandrohungsbulle ins Feuer warf. Wir können das, was damit geschah, in seiner revolutionären Bedeutung nur ermessen, wenn wir uns daran erinnern, dass nach eben diesem geistlich-päpstlichen Recht und seinen Ordnungen die westlich-katholische Kirche seit dem Hochmittelalter strukturiert wurde und die römisch-katholische Kirche bis zum Jahr 1917 und dem Erlass des Codex iuris canonici nach diesem Recht gelebt hat.
Die Aktenbestände aus alten Zeiten bestehen zumeist aus Anordnungen der Obrigkeit und dem Nachweis ihrer Durchführung oder anderen Reaktionen der nachgeordneten Behörden und Personen. Selten wird „die Stimme des Volkes“ unmittelbar aktenkundig. Dies aber ist der Fall in einer Akte über die Einführung des neuen Gesangbuchs für die Deutsch-reformierten Gemeinden der Kurpfalz im Jahr 1785. Darin befindet sich als Abschrift ein sechs Seiten umfassendes, an die in Mannheim residierende Landesregierung der Kurpfalz gerichtetes Schreiben, das energisch gegen die bevorstehende Einführung des neuen Gesangbuchs protestiert. Es fällt vor allem auf durch die große Zahl von 138 Unterschriften, höchstwahrscheinlich von Gemeindemitgliedern, sowie durch die temperamentvolle und selbstbewusste Art, in der die von unterschiedlichen Perspektiven bestimmten Argumente vorgetragen werden. Als Dokument einer freien Meinungsäußerung seitens des Kirchenvolks und als Beitrag zur Geschichte des Gesangbuchs in der Kurpfalz soll es an dieser Stelle im Wortlaut zusammen mit einem knappen Kommentar veröffentlicht werden.
Mit dem Erscheinen des sechsten und zugleich Registerbandes der Quellenedition „Die Evangelische Landeskirche in Baden im ,Dritten Reich‘“ im Jahr 2005 wurde eines der großen editorischen Langzeitprojekte der deutschen kirchlichen Zeitgeschichte abgeschlossen. Anders als bei der Dokumentation des württembergischen Kirchenkampfes durch Gerhard Schäfer – für sich genommen eine geradezu singuläre Dokumentationsleistung – steht bei dem im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats Karlsruhe in Kooperation mit dem Verein für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden zustande gekommenen Editionsprojekt nicht die „Kirchenkampf“-Geschichte im engeren Sinn im Vordergrund. Das Karlsruher Projekt hat sich, wie bereits das Geleitwort von Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt zum ersten, 1991 erschienenen Band zeigt, die Kontextualisierung der Auseinandersetzung zwischen Landeskirche und NS-Regime in der Kirchen- und Allgemeingeschichte des 20. Jahrhunderts zum Ziel gesetzt.
Luthers neue Lehre stellte die Voraussetzung für das Aufkommen von evangelischen Kirchenordnungen dar. Das neue Lehrverständnis der Protestanten blieb nicht auf den persönlichen Glauben oder das kirchliche Leben beschränkt, sondern brachte zahlreiche Veränderungen der Rechtsverhältnisse in Kirche und Gesellschaft mit sich. Die Territorien und Städte, die die Reformation einführten, erkannten das seit Jahrhunderten geltende römische Kirchenrecht nicht mehr an. Dieses regelte nicht nur das kirchliche Leben im engeren Sinne, sondern auch weite Teile des gesellschaftlichen Lebens (Ehe, Schule). Hinzu kam, dass die Reformation eine Eigendynamik entfaltete, die nicht nur die bestehende kirchliche, sondern auch die staatliche Ordnung gefährdete, wie es etwa im Bauernkrieg deutlich wurde. Den in vielen Bereichen entstandenen Rechtsunsicherheiten begegneten die evangelischen Obrigkeiten mit Neuregelungen, die unter dem Begriff „Kirchenordnung“ zusammengefasst wurden.
Abseits?
(2007)
In einem Buchkatalog fand ich kürzlich folgende Denkwürdigkeit: Was ist der Unterschied zwischen einem Historiker und Gott? – Gott kann die zurückliegende Geschichte nicht mehr ändern. Als „Sportpfarrer“ der Evangelischen Landeskirche in Baden – oder in der aktuellen Sprache Kanaans: „Landeskirchlicher Beauftragter für Sport und Vereine“ – und „WM-Pfarrer“ der Evangelischen Kirche in Deutschland – auch hier die Übersetzung in die Sprache Kanaans: „Beauftragter zur Vorbereitung der Fußball-WM 2006“ –, als solcher wäre ich natürlich ebenfalls versucht, die Geschichte der Kirche mit dem Sport, mit Körper und Bewegung nicht nur zu be-, sondern auch umzuschreiben, mithin zu ändern. Unstrittig hat die westliche Kirche zu einer Abwertung des Körpers über Jahrhunderte hinweg beigetragen, und dabei ist es nur ein schwacher Trost – aber immerhin ist es einer! –, dass für diese unselige Geschichte nicht biblische, sondern antike heidnische Traditionen verantwortlich zu machen sind. Biblisch dagegen ist eine ganzheitliche Sicht des Menschen, nicht eine Dichotomie von Leib und Geist/Seele.