230 Christentum, Christliche Theologie
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Die Ausstellung »Reformation! Der Südwesten und Europa« im Zeughaus C5 der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim folgt auf die Ausstellung »Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt«. Sie soll eine Erweiterung der Päpste-Ausstellung sein
und zeigen, wie sich die Reformation wegen der Verweltlichung des Papsttums und der Kirche im Südwesten
Deutschlands ausgebreitet hat.
Das absolutistisch regierte Fürstentum Baden brauchte wegen des durch Napoleon beförderten Zusammenbruchs des alten deutschen Reichs und wegen des Zuwaches vieler Gebiete nach „Entschädigung“ für die Abtretung linksrheinischer Gebiete eine neue Verwaltungsstruktur und ein geändertes Staatsrecht. Dieses schuf der Geheimrat Friedrich Brauer (1754–1813) mit seinen 13 Organisations- und seinen Konstitutionsedikten. Die Konstitutionsedikte, eine Zusammenfassung von Grundgesetzen, sollten „unwandelbar sein, mithin auch nur solche allgemeinen Grundzüge enthalten, die nach höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit unter allem äußeren Wechsel als unveränderliche Basis fortdauern können.“ Brauer stellte sich hier nicht als Vertreter eines Repräsentativsystems dar, sondern er verfolgte in vielerlei Hinsicht das alte Reichsrecht und übertrug „reichsrechtliche Befugnisse“ auf seinen Souverän, den späteren Großherzog Karl Friedrich.
Schon zu Beginn der 1520er-Jahre stießen die Ideen der Reformation in einzelnen Gemeinden
des heutigen Neckar-Odenwald-Kreises auf offene Ohren. Begünstigt durch die Möglichkeiten
des Buchdrucks, fanden die Schrift en Martin Luthers unter belesenen Geistlichen, beim
ritterschaftlichen Adel und städtischen Bürgertum ein lebhaftes Interesse. Eine Signalwirkung
war zweifellos der Heidelberger Disputation (1518) zuzuschreiben. Das entschlossene Auftreten
des Wittenberger Reformators, der hier erstmals seine neu entdeckte Rechtfertigungslehre
entfaltete, wurde für eine Reihe junger Theologen, darunter Martin Bucer, Johannes Brenz
und Erhard Schnepf, zum Initialerlebnis.
Nur wenige Monate, nachdem Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen – geradezu legendär – an die Türen der Schlosskirche zu Wittenberg geheftet und damit seine Kritik an der Praxis des Ablasshandels zum Ausdruck gebracht hatte, begab sich der gelehrte Augustinermönch auf eine anstrengende Reise. Zu Fuß machte er sich am 9. April 1518 auf den über 500 Kilometer weiten Weg, der ihn von Wittenberg über Leipzig, Coburg und Würzburg nach Heidelberg führen sollte. In Würzburg bezog er für zwei Nächte im dortigen Augustinerkloster Quartier und wurde von dem ihm
wohlgesinnten Bischof Lorenz von Bibra empfangen, ehe er am 19. April 1518 im Wagen seiner Ordensbrüder die Reise fortsetzte. Die weitere Strecke folgte der alten Geleitstraße, die durch das Tauber- und Umpfertal nach Boxberg zog, um dann auf der Wasserscheide zwischen Kirnau und Kessach, südlich vorbei an Osterburken, Adelsheim zu erreichen. Von dort ging es durch den Waidachswald und über Oberschefflenz auf dem alten Höhenweg unmittelbar nach Mosbach.
Das Antoniusfeuer
(2018)
Colmar, das unter den großen Kriegen der älteren und jüngeren Vergangenheit vergleichsweise wenig gelitten hat, ist Ziel vieler Besucher. Sie alle besichtigen die schöne Altstadt mit ihren Fachwerkbauten, das Gerberviertel und die Dominikanerkirche mit Martin Schongauers Madonna im Rosenhag. Die meisten aber kommen wegen des Isenheimer Altars, entstanden zwischen 1512 und 1516, jenem grandiosen Kunstwerk des 1528 in Halle verstorbenen Mainzer Hofmalers Mathis Neithart Gothart, den alle Welt unter dem Namen Matthias Grünewald kennt.
Am 13. Januar 1749 schenkte der speyerische Landesherr, Kardinal Franz Christoph von Hutten, der Peterskirche zu Bruchsal Reliquien des heiligen Sebastian. In einem Protokoll heißt es: „damit durch die Fürbitt des Heil. Sebastian die Stadt Bruchsal und das ganze Land von allem Übel, absonderlich von giftigen Kranckheiten verschont werde, wozu wir auch ein eigenes Reliqarium von Silber haben verfertigen lassen“. Dieses prächtige Rokokowerk mit dem vorzüglich modellierten Heiligen
als Griff, am Fuß ein auf Porzellan gemaltes Medaillon mit dem Wappen Speyer-Weißenburg-Hutten, ist ein Werk des Augsburger Gold- und Silberschmiedes Franz Thaddäus Lang. Dieser stammte aus Schwaz in Tirol und ist in Augsburg 1773 gestorben. In Augsburg war das Zentrum der Gold- und Silberschmiede.
Im Franziskanermuseum wird ein Teppich gezeigt,
der sich deutlich von den beiden ebenfalls dort
gezeigten Prachtteppichen mit der Krönung Mariens bzw. der Verklärung auf dem Berge Tabor
unterscheidet: der sog. Weihnachtsteppich (Abb.1).
Alle drei Teppiche dienten der gleichen Funktion – es sind Antependien[1] – und zeigen die für
diese Art Teppiche häufig anzutreffende Dreiteilung der Fläche mit zwei Heiligen, die das Hauptsujet rahmen, doch wirkt der „Weihnachtsteppich“
wesentlich bescheidener. Nicht nur hat er kleinere
Ausmaße, ist vorwiegend im schlichten Klosterstich gestickt statt wie jene gewirkt, gedämpft farbig statt leuchtend bunt, sondern auch in der Thematik stellt er einen Gegensatz dar. Eingerahmt
vom Hl. Franziskus und dem Hl. Ludwig von Toulouse, einem Bischof königlichen Geblüts, der die
Krone ausschlug, um Franziskaner zu werden, zeigt
der Teppich Christi Geburt im Stall mit der Anbetung der armen, schlichten Hirten, nicht der Könige in all ihrem Prunk.
Das Stift Oberstenfeld
(2000)
Das Oberstenfelder Ortsbild ist bis zum heutigen Tag geprägt durch zwei unmittelbar nebeneinander stehende Kirchen. Die kleinere ist die Dorf- oder Fleckenkirche zu St. Gallus, die im Wesentlichen aus dem 18. Jahrhundert stammt; die
größere ist die Stiftskirche, die Johannes dem Täufer geweiht ist, eine der bedeutenderen romanischen Kirchen unseres Landes. Ihr heutiges Erscheinungsbild
verdankt die Stiftskirche einer durchgreifenden Renovierung am Ende des
19. Jahrhunderts. Hinsichtlich ihrer Entstehung unterscheidet man zwei Bauphasen. Es wird angenommen, dass die Krypta als ältester Bauteil im 11. Jahrhundert
entstanden ist, während die Kirche insgesamt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut wurde und vermutlich das Werk einer Maulbronner Bauhütte ist. Zur
Stiftskirche gehört das Stiftsgebäude, ein barocker zweiflügeliger Bau auf der Südseite der Kirche, der mit deren Westchor verbunden ist. Weitere baugeschichtliche
Erkenntnisse wurden 1990 bei den Ausschachtungsarbeiten beim Bau eines Pflegeheims im angrenzenden Stiftsgarten erwartet, doch hat die Fundamentierung
offenbar keine archäologisch verwertbaren Aufschlüsse ergeben. Schon früher
sind jedoch in diesem Bereich Reste eines Kreuzgangs gefunden worden.
Im Jahre 1834 meldete ein Anonymus in der liberalen „Allgemeinen Kirchenzeitung“ aus Baden I. Kirchenverfassung betreffend. Die evangelisch-protestantische Kirche im Großherzogthume Baden hat durch die Union vom Jahre 1821 unstreitig mehrere bedeutende Vorzüge in ihrer Organisation erhalten. Das Luthertum hat […] in der Kirchenverfassung mehr Monarchisches, Dogmatisches, Stabiles, die reformirte Kirche, besonders nach Zwingli, ist als mehr republikanisch,
dem Praktischen und Fortschreiten durch subjective Vervollkommnung geneigter zu charakterisiren. Die badische Unionsurkunde hat aus den beiderlei Eigenthümlichkeiten, mit Vermeidung der hierodespotischen Tendenz des Calvinismus, vieles Gute vereinigt, und besonders der Kirche, als einer vom Staate beschützten und daher inspicirten, aber sich doch selbst nach ihren inneren Zwecken regulirenden Gesellschaft, ihre statuarische Autonomie durch repräsentative liberale, aber auch gegen Uebertreibungen bewahrte Institutionen gesichert. Eine kurze Analyse dieses Textes aus der Feder eines zweifellos freisinnigen Korrespondenten mag in das Thema einführen. Das Luthertum – so der Anonymus – vertrat ein monarchisches, man kann wohl interpretieren: tendenziell hierarchisches Prinzip, das freilich Stabilität verbürgte. Das Reformiertentum war zweifach vertreten, zunächst durch die historisch-städtisch, d. h. kommunalistische Prägung der Zürcher Reformation Zwinglis (der Korrespondent sprach von Republik!), in der er das liberale Prinzip glücklich wieder fand: nämlich praktisches Fortschreiten in subjektiver Vervollkommnung; also ein Moment der Dynamik. Schlecht kam freilich der Calvinismus weg. Mit der Apostrophierung als „Priesterherrschaft“ (Hierodespotie) war er erledigt.
Reformation und Politik
(2015)
Kirchenhistorische Zugänge oder Einführungen werden oft als hilfreich empfunden, da sie die theologischen oder politischen Fragen, die erörtert werden sollen, in ihren geschichtlichen Zusammenhang einordnen. Und dann freut sich der Kirchenhistoriker. Es kann sich aber auch ganz anders verhalten: Dann, wenn historisch zunächst ein Rahmen zu beschreiten und zu beschreiben ist, der uns zeigt, wie weit wir heute von den Problemen anderer, früherer Zeiten entfernt sind. Wenn wir also auf Luthers Spuren ein Problem verfolgen wollen und als erstes erkennen, dass diese Spuren bald 500 Jahre alt sind.
Es gibt dann drei Möglichkeiten: Die erste: Wir verneigen uns tief vor Luther und seinen Anschauungen und übertragen diese direkt in unsere Zeit – und stellen dann mit Verwunderung fest, dass niemand heutzutage solches noch für aktuell ansieht. Die zweite Möglichkeit: Wir verneigen uns vielleicht noch tiefer vor Luther und seinen Anschauungen, um dann selbst festzustellen, dass diese zwar interessant seien, aber für die Gegenwart wohl doch keinerlei Bedeutung haben. Und die dritte Möglichkeit (die ich diese favorisiere) ist die: Luther aus seiner Geschichte und Wirkung verstehen; und dann prüfen, ob seine Kriterien politischen Handelns für uns einen inneren Anspruch auf Geltung erheben dürfen oder gar müssen.