230 Christentum, Christliche Theologie
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Dokumenttyp
Sprache
- Deutsch (532) (entfernen)
Gehört zur Bibliographie
- nein (532)
Schlagworte
- Kirchengeschichte (164)
- Katholische Kirche. Erzdiözese Freiburg (146)
- Geschichte (145)
- Zeitschrift (140)
- Evangelische Landeskirche in Baden (47)
- Baden (37)
- Biografie (30)
- Karlsruhe (30)
- Evangelische Kirche (28)
- Reformation (24)
Wir beschränken uns auf die Angaben über die Abtei Schuttern, da wir nicht viel Neues über den Pfarrklerus gefunden
haben. Diese Notizen, aus der Zeit, als Schuttern der Straßburger Benediktinerkongregation angehörte, stammen zum größten Teil aus den „Archives Départementales du Bas-Rhin“, besonders aus der „Série G“.
Nachdem wir, für unsere Arbeit über den Klerus des Elsasses
vor 1648, alle Urkunden in den Archives Départementales
du Bas-Rhin durchstöbert haben, haben wir seit einigen Jahren dieselbe Arbeit in den Archives Municipales de Strasbourg
unternommen. Es handelt sich nicht nur um das Stadtarchiv,
sondern auch um andere reiche Fonds, die darin einverleibt
sind: jene der Œuvre Notre-Dame, des Grand Chapitre sowie
um die sehr reichen Fonds des Spitals und des Kapitels von
Saint-Thomas, in welchen auch vieles über die Ortenau zu
finden ist.
Bildung und Erziehung auf dem Hintergrund des biblischen Menschenbildes hat eine lange Tradition, vor allem in den Klosterschulen. Vor dem Hintergrund des fehlenden Nachwuchses für die Orden und die geistlichen Gemeinschaft en stellte es eine enorme Herausforderung dar, für diese Schulen eine zukunftssichere Trägerstruktur zu finden um ihre geschätzte und anerkannte Arbeit auch in Zukunft fortführen zu können. Die aus dieser Fragestellung heraus mit Sitz in Freiburg gegründete Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg garantiert seit 25 Jahren, dass Bildung und Erziehung junger Menschen in der Tradition der Klosterschulen und diözesaner kirchlicher Schulen mit einem ablesbaren inhaltlichen Schulprofil auf dem Hintergrund
christlicher Werterziehung gesichert ist.
Am östlichen Ortsrand des Dorfes Neudingen,
dort, wo in einem ansehnlichen Park heute nur
noch die Gruftkirche der Familie zu Fürstenberg,
ein Bauwerk aus dem 19. Jh., die Aufmerksamkeit
auf sich zieht, stand mehr als 525 Jahre lang ein
Frauenkloster von Bedeutung. Seine Geschichte
lässt sich entsprechend der Ordenszugehörigkeit
der Klosterfrauen in zwei zeitliche Abschnitte
unterteilen: Zwischen 1274 und etwa 1565 lebten
und wirkten hier Dominikanerinnen, danach – formal ab 1584 – bis zur Säkularisation des Gotteshauses im Jahre 1802/03 beherbergte das Kloster
Nonnen, die dem Zisterzienserorden angehörten.
Dieses Kloster, von dem heute kaum mehr ein
Stein übrig ist, war in seiner Zeit ein kirchlichmonastischer Mittelpunkt auf der Baar. Dass dieses
Kloster Auf Hof, später auch Maria Hof genannt,
zur traditionellen Begräbnisstätte der Familie
Fürstenberg wurde und als Folge davon zu deren
Hauskloster aufstieg, das allerdings wurde weitgehend, wenn auch ungewollt, mit verursacht durch
die Stadt Villingen und ihre selbstbewusste
Bürgerschaft.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird gegenwärtig von demokratischen Parteien gestellt, die sich als christlich oder sozial oder als beides bezeichnen. Die christlichen Parteien vertreten programmatisch ein christliches Menschenbild, das
sie den anderen absprechen, aber dennoch von ihnen einfordern, sogar von Nichtchristen, die Bürger der BRD sein oder werden wollen. Was diese programmatische Forderung inhaltlich bedeutet, wird zumeist nicht erläutert, sondern als bekannt vorausgesetzt.
Calvinismus und Politik
(2009)
Wenn man nach dem Einfluss des Calvinismus auf die weltlichen Verhältnisse der Neuzeit und der Moderne fragt, steht dabei im Vordergrund meistens das Interesse für den Einfluss des Calvinismus auf die Wirtschaft. Der Grund ist leicht einzusehen. Wir haben in dem berühmten Aufsatz von Max Weber aus den Jahren 1904 und 1905 „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ ein Deutungsmodell, das bis heute fasziniert und dem man sich auch kaum entziehen kann. Dass der Calvinismus Einfluss auf die politische Entwicklung in der Neuzeit gehabt hat, dürfte zwar allgemeine Meinung sein, jedoch fehlt eine Deutung von entsprechend systematisch-methodischer Prägnanz. Es wird in diesem Zusammenhang zwar auf verschiedene Gesichtspunkte hingewiesen, insbesondere dass die calvinistische Gemeindeverfassung eine Keimzelle für die Entwicklung zur Demokratie gewesen sei und dass das von Calvin begründete Widerstandsrecht seinen Einfluss auf die politischen Umwälzungen gehabt habe, aber es fehlt doch ein stringenter Zusammenhang mit Calvins Theologie, wie ihn Max Weber seiner These zugrunde legt. Es müsste also zunächst
einmal im Rahmen des großen Lehrgebäudes von Calvin der Ort genau ermittelt werden, von dem aus die Einwirkung des Calvinismus auf die politischen Verhältnisse ihren Ausgang genommen hat oder haben könnte. Wenn wir also zum Thema
„Calvinismus und Politik“ sprechen, so soll die Herausarbeitung dieses Ortes zunächst unser vorrangiges Interesse sein.
»Kaum ein Zeitalter der deutschen Geschichte, so ist immer wieder geurteilt worden, war in sich bedeutender, brachte tiefergehende Umstürze mit sich und hatte weiterreichende Folgen und Auswirkungen als das Zeitalter der Reformation.« So
schrieb Gerhard Bott 1983 im Ausstellungskatalog anlässlich des 500. Geburtstags von Martin Luther. Denn über Jahrhunderte hinweg war die Kirche der Träger der geistigen Kultur ebenso wie des Sozialwesens, da beides bei ihr angesiedelt
war. Ein sehr weites, immer wieder spannendes Forschungsfeld, das zahlreiche Veranstaltungen im Jubiläumsjahr der Reformation unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchteten. Vorliegender Beitrag spannt den Zeitbogen von ca. 1500 bis
zur beginnenden Einführung der Reformation in Württemberg 1534.
Einen schönen alten Brauch wieder mit Leben
erfüllen. Dies war der Anspruch von Patrick
Weigert und Dominik Schaaf, die nun zusammen
mit einem großen Team schon zum zweiten Mal an
dem Fronleichnamsbrauch mitwirkten.
Nachdem Patrick Weigert die Jahre zuvor schon
durch Blumenspenden aus seinem eigenen Blu -
men laden in der Färberstraße den Fronleich nams -
brauch unterstützte, sah er mit Sorge, dass der
Brauch von Blumenteppichen und das Schmücken
der Straßen und Häuser zum Fronleichnamstag
immer weniger Unterstützer findet.
Musik im Kloster Wittichen
(2020)
Das ehemalige Klarissinnenkloster Wittichen ist eine Gründung der seligen Luitgard, die um 1290 im Schenkenzeller Tal
geboren wurde. 1302 fand sie Aufnahme im Kloster der Tertiarinnen in Oberwolfach. 1324 gründete sie mit zwei Ordenschwestern das Kloster Wittichen; 1325 folgten weitere 34 Schwestern von Oberwolfach. Im Laufe der Jahrhunderte
kam das Kloster durch Schenkungen zu einem gewissen Reichtum. Auch Frauen aus gehobenen Schichten, die oft eine musikalische Ausbildung hatten, traten ein. So wird Musik auch in diesem Kloster eine Rolle gespielt haben.
Die Isnyer Abtei war innerhalb der oberschwäbischen Benediktinerkongregation
das kleinste und unbedeutendste Kloster. Diese Tatsache führte auch dazu, dass es in
der historischen Aufarbeitung bisher wenig Beachtung fand, wie ein Blick in die Forschungsliteratur belegt. Im Archiv des ehemaligen Klosters, das noch immer in nahezu
unveränderter Form in Isny verblieben ist, finden sich aber eine Vielzahl interessanter
Quellen, die es im Zuge der Erforschung der Geschichte des Klosters aufzuarbeiten gilt.
Eine der interessantesten Quellen des Klosterarchivs stellt dabei die Chronik des Klosters
Isny dar, die ein wichtiges Werk für die Frage nach dem Selbstverständnis des Klosters ist
und auch für eine historiographische Untersuchung unter Beachtung mehrerer chronikaler Überlieferungen des Klosters ein ideales Konglomerat für die Forschung bildet. Die
Untersuchung der Chronik stellt deshalb eines der vielen Bruchstücke dar, die für eine
umfassende Geschichte der Abtei St. Georg zu Isny und zugleich der Klosterlandschaft
im oberschwäbischen Raum notwendig sind. Während der Aushebung der Quellen aus
dem Archiv und der anschließenden Untersuchung der Klosterchronik Isny wurde jedoch klar, dass aufgrund des Umfanges der für die Gesamtthematik erhaltenen Quellen
in Verbindung mit dem in dieser Hinsicht dürftigen Forschungsstand die vorhandene
Bearbeitungszeit nicht ausreicht, um die Thematik in ihrem gesamten Umfang in allen
Facetten ausreichend zu bearbeiten. Der inhaltliche Untersuchungszeitraum der Chronik wurde aus diesen Gründen deshalb von Anbeginn der Chronik bis auf das Jahr 1529
eingeschränkt.
Anfang der 30er Jahre hatte die noch recht junge evangelische Gemeinde in Villingen gut 3.000 Gemeindemitglieder. Pfarrer war seit vielen Jahren Adolf Barner. Seit 1896 war er in der vier Jahre zuvor gegründeten Kirchengemeinde Villingen. Im Jahre 1902 wurde die Pfarrstelle errichtet und somit unabhängig von der Kirchengemeinde Mönchweiler. Er begleitete die Gemeinde durch ruhige Zeiten des Wachstums, sowie durch die Umbrüche zu Zeiten des Weltkrieges und der
anschließenden Neuorganisation in der Weimarer Republik. Adolf Barner war zeitweise auch (Hornberger) Dekan, Landessynodaler und Kirchenrat. 1926 war es von Villingen aus zur Bildung einer ersten Diasporagemeinde gekommen: Bad
Dürrheim mit umliegenden Dörfern im Brigachtal wurde abgetrennt und bekam einen eigenen Pfarrer.
Während meiner Arbeit am Familien- bzw. Ortssippenbuch Landshausen, das im Jahre 1996 als Band 76 der Badischen und in der Reihe A der Deutschen Ortssippenbücher als Band 225 erschienen ist, lag es nahe, nicht nur eine kurze Ortschronik
voranzustellen, sondern auch ein Kapitel über die Ortsgeistlichen vor Beginn der Kirchenbücher (1649 ff.) zu schreiben.
Zugleich stellte sich die Frage, inwieweit die Reformation auch in Landshausen - bedingt durch die umliegenden evangelischen Orte - Fuß fassen konnte. Diese Frage für eine heute rein katholische Gemeinde zu beantworten, war zunächst insoweit
schwierig, als ich zum Beispiel bei Gustav Bossert in seiner Badisch-Pfälzischen Reformationsgeschichte keinen Hinweis fand, der auch nur ansatzweise darauf Antworten gegeben hätte. Die Nähe zu Menzingen und anderen evangelischen Orten der näheren Umgebung war für mich der Anstoß, zumindest den Versuch zu unternehmen, Beweise auf reformatorische Bestrebungen für das dem Stift Odenheim zugehörige Landshausen zu finden.
In dem bedeutenden Werk Exordium magnum Cisterciense, das um 1220 abgeschlossen wurde, beschrieb sein Verfasser, der Eberbacher Abt Konrad, Anfänge und Entwicklungslinien des Zisterzienserordens von der Gründung des Klosters Cîteaux im Jahre 1098 bis zu den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts. Das Exordium ist in sechs Bücher eingeteilt, wobei die ersten vier und die letzten zwei eine unterschiedliche Anordnung aufweisen. Im Prolog geht Abt Konrad zunächst auf den Inhalt seines umfangreichen Werkes ein: Er möchte den Beginn der ruhmvollen Geschichte seines Ordens aufzeigen, welcher „im Himmel Freude bereitet und auf Erden das Heil wachsen lässt“ (quae gaudia caelis parturit et terris parat incrementa salutis). Er will in seinen Darlegungen die ruhmvollen Taten der Väter beschreiben, die Cîteaux bewegten, auch von dem Eifer der Mönche in Clairvaux berichten, damit den Lesern seines Werkes eine spannende Lektüre geboten werde.
Am 25. Februar 1803 verabschiedete ein Ausschuß des Reichstags zu Regensburg, eine sogenannte Reichsdeputation, einen Beschluß, der die Auflagen von vorangegangenen internationalen Friedensverträgen in Reichsrecht umsetzen sollte. Die Folge war eine völlige Umgestaltung des Alten Reiches. Obwohl auch weltliche Reichsstände betroffen waren, nämlich die rechtsrheinische Kurpfalz und die allermeisten Reichsstädte, ist mit dem Reichsdeputationshauptschluß in der historischen
Erinnerung vor allem der Begriff der Säkularisation verbunden. In der Tat stellte die große Säkularisation von 1802/03 für den Süden Deutschlands gewiß das einschneidendste und folgenreichste Ereignis des allgemeinen Umbruchs jener Jahre dar. Man könnte sogar sagen, sie habe das, was am Alten Reich nach den Erschütterungen der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges noch mittelalterlich geblieben war, endgültig und noch dazu radikal beseitigt. Obwohl sie beileibe kein Einzelfall in der europäischen Geschichte war, blieb es ihr vorbehalten, als die Säkularisation schlechthin ins öffentliche Bewußtsein einzugehen. Dabei ist das Urteil über sie je nach weltanschaulicher Orientierung oder konfessioneller Gebundenheit durchaus gespalten; denn der Horizont an historischen Erklärungsmöglichkeiten der jetzt Lebenden reicht noch in jene Zeit zurück. Um die gravierenden Wirkungen verstehen und besser in den Gesamtzusammenhang einordnen zu
können, fragt man am besten nach den Ursachen der Verläufe, die zur Säkularisation geführt haben, wobei aber auch die individuelle Verantwortung der damals politisch Handelnden nicht ausgeblendet werden sollte.
Das Zentrum der Verehrung der hl. Ottilie im Kraichgau ist zweifellos der Ottilienberg bei Eppingen. Er ist der einzige Berg Badens, der diesen Namen trägt'. Er wurde spätestens im 15. Jahrhundert nach der Kapellenheiligen, der hl. Ottilie, zu
der um 1400 immer häufiger gewallfahrtet wurde, genannt. Es handelt sich bei dieser Wallfahrt um eine sog. Wallfahrtsfiliale des Klosters St. Odile bei Obernai im Elsass oder, wie Willy A. Schulze es nennt2 , um eine Sekundärwallfahrt, die immer
dort entstanden ist, wenn der Weg zur Originalwallfahrtsstätte zu weit entfernt war und die Gläubigen nicht die Zeit und das Geld hatten, das Original aufzusuchen.
Freiheit und Prädestination
(2000)
Seit die neuzeitliche „Freiheit“ die Bühne der Weltgeschichte betrat, scheint dem Katholizismus ein reaktionärer Zug anzuhaften — reaktionär vor allem im Sinne von reagierend auf neue Paradigmen des Denkens und Lebens. Der Streit um Freiheit und Gnade hatte nicht nur zur Reformation geführt, sondern auch innerkatholisch eine Spaltung bewirkt. Die Jesuiten waren die Träger der katholischen Reaktion auf die neuzeitliche Herausforderung. Nach der Vollendung des neuzeitlichen Freiheitsdenkens im System Hegels war es die antimetaphysische Moderne, mit der ihr eigenen Weltlichkeit, welche die katholische Theologie in die Defensive drängte. Die Spannungen spitzten sich auch innerkatholisch zu, als im neunzehnten Jahrhundert die Neuscholastik als das Modell katholischen Denkens instauriert wurde. Die Kirche reagierte mit der Rückbesinnung auf die Metaphysik ihrer mittelalterlichen „Hoch-Zeit“. Nur um den Preis der anachronistischen Selbstghettoisierung gelang es ihr, der Neuzeit und der Moderne die Stirn bieten zu können. Was zunächst nur als ein theoretisches Problem erscheint, zog auch eine Reihe von persönlichen, existenziellen Tragödien nach sich. Die persönlichen Schicksale blieben nicht beschränkt auf die hohe Theologie, auch auf der lokalen Ebene gerieten Theologen zwischen die Fronten. Es sei dabei an ungezählte Christen erinnert, Priester und Laien, Theologen und Ordensleute, die an den Spannungen der Zeit litten und vielleicht auch daran zerbrachen. Hier ist nun eines weitestgehend unbekannten Priesters der Diözese Freiburg zu gedenken, in dessen Leben und Werk sich die Zerklüftungen der Moderne spiegeln und der versuchte, sie nach bestem Wissen und Gewissen zu überbrücken. Zuerst soll sein Lebenslauf vorgestellt werden, sodann wird ein Überblick über sein Werk gegeben, um schließlich zwei Kernpunkte seines Denkens systematisch darzustellen und abschließend Person und Werk zu würdigen.
Das Großherzoglich-badische provisorische Regierungs-und Kammerprotokoll vom 6. Juni 1807 hielt folgenden Sachverhalt fest: ,, ... dass nach der Verordnung des höchstseligen Kaisers Joseph alle überflüssigen Kapellen in Breisgau und Ortenau aufgehoben und ihr Vermögen zum Religionsfond gezogen werden, daher die Zahl, Besonderheit und Vermögensstand aller
überflüssigen Kapellen zu erheben und bei jeder die Bemerkung beizufügen sei, zu was für einen Gebrauch die Gebäude derselben bestimmt werden könnten."
Schutterns letzter Abt, Placidus III., entstammte dem Renchtal. Am 1. Mai 1745 wurde er in Oberkirch mit dem Taufnamen Philippus Jakobus geboren, die Eltern waren Franz Heinrich Bacheberle, Bürger und Kaufmann in Oberkirch, und Maria Eva Curtin. Philippus besuchte das Gymnasium des Klosters Schuttem, trat dort als Novize ein und erhielt am 17. März 1768 die Priesterweihe. Viele klösterliche Aufgaben wurden ihm übertragen, er war Professor der Sprachen und der Geschichte, Subprior, dann Prior bis zu seiner Wahl zum Abt, und Propst in Wippertskirch, einer dem Kloster gehörenden Propstei am Kaiserstuhl. Mit dem Benediktiner und Historiker Gallus Metzler vom Stift St. Gallen war er befreundet. Am 27. Juni 1786 trat der bisherige Abt Schuttems, Carolus Vogel, der seit 1751 regiert hatte, von seinem Amt zurück. Ihm folgte Placidus III.
Bacheberle, einstimmig vom gesamten Konvent zum neuen Klostervorsteher gewählt.
Um das Jahr 1190 begann man in Straßburg damit, die bereits
bestehende Bischofskirche als erweiterten Bau im spätromanischen Stil zu gestalten. Die Erneuerung erfasste zunächst das
Nord-, dann das Süd-Querhaus, wo sich um 1225 allmählich
unter dem Einfluss von aus Frankreich kommenden Meistern
frühgotische Formen durchsetzten. Um 1245 wurde der Bau des
Langhauses im neuen, gotischen Stil unternommen. Das bestehende Langhaus des Vorgängerbaus riss man ab. 1275 war dieser
Bauteil vollendet. Am 2. Februar 1276 wurden die Fundamente
gesetzt, am 25. Mai 1277 der Grundstein zur Westfront des Straßburger Münsters. Erwin von Steinbach begann im Auftrag des
Bischofs Konrad III. von Lichtenberg mit dem Bau der Fassade.
Nach Erwins Tod am 17. Januar 1318 übernahm dessen Sohn
Johannes die Fortführung der Arbeiten. Die Fassade sollte zwei
Türme erhalten, wie die französischen Vorbilder in Paris und
Reims. 1365 war sie bis zur Höhe der heutigen Plattform auf 66
Meter empor gewachsen. Dann erfolgte durch Meister Michael
von Freiburg 1383-88 der Bau eines Glockengeschosses zwischen
den beiden Türmen, sodass der heutige hohe, querriegelartige
Fassadenblock entstand. 1399 begann unter der Leitung von Ulrich Ensinger der Bau der achteckigen Freigeschosse des nördlichen Turms, auf die der Kölner Architekt Johannes Hültz 1429 bis
1439 den durchbrochenen Turmhelm aufsetzte. So wuchs das
Straßburger Münster zu einer Höhe von 142 m.
Am 18. März 1533 unterhielt man sich im Hause Luther über ein den Zeitgenossen offenbar allgemein bekanntes, wenngleich in mancherlei Hinsicht erkennbar rätselhaftes Phänomen. Folgt man der späteren Stilisierung des Tischgesprächs, war zunächst Philipp Melanchthon darauf zu sprechen gekommen: „Der Veitstanz ist nur eine teuflische Besessenheit.“ Martin Luther antwortete: „Das Gespinst nimmt immer mehr ab.“ Und Melanchthon stimmte ihm zu: „Der Satan verlegt sich schon auf eine neue Art von Täuschung“. Letzterer stammte bekanntlich aus Bretten, er konnte den sogenannten „Veitstanz“ daher aus seiner weiteren Heimat kennen. Im Sommer 1518, wenige Monate, nachdem Luther mit seiner Kritik an der kirchlichen Heilsvermittlung an die gelehrte Öffentlichkeit getreten war, hatten in Straßburg (und vereinzelt auch in Basel) Hunderte wochenlang auf den Straßen und Plätzen der Stadt getanzt. In Wittenberg wusste man davon nur vom Hörensagen. Immerhin aber sollte dies dazu genügen, dass gerade die Publizistik der Reformationszeit jenen merkwürdigen Begriff zu einem feststehenden Topos der deutschen Sprache hat werden lassen. Als vorgeblich historisches Beispiel für massenpsychologische Suggestionen aller Art, für die ekstatische Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung,
kennt darum auch der heutige Sprachgebrauch noch den „Veitstanz“, der irgendwo ausbricht bzw. den irgendjemand aufführt. Das Gespräch unter den Reformatoren zeigt nun, dass dieser Sanct veits tantz zu ihrer Zeit durchaus Breitenwirkung hatte. Und offensichtlich blieb er lange ein diskussionswürdiges Problem.
Alle drei auf dem Studientag in Bretten gehaltenen Referate haben, was ja schon für sich erfreulich und gar nicht selbstverständlich ist, zu lebhaften Diskussionen geführt. Im Einverständnis mit den Referenten ist gegen Ende der Veranstaltung verabredet worden, dass ich meine Anfragen an die beiden kirchengeschichtlichen Referate „zu Papier“ bringen solle, damit sie, zusammen mit diesen abgedruckt, auch den nicht an der Tagung beteiligten Leserinnen und Lesern des Jahrbuchs für badische Kirchen- und Religionsgeschichte zur Kenntnis gebracht werden können. Die Schwierigkeit ist nun, dass Dr. Stössel – aus Gründen, die ich nicht kenne – einen völlig anderen Text zur Veröffentlichung vorgelegt hat, als er ihn in Bretten vortrug. Ich werde deshalb kurz die Pointe seines Brettener Vortrages und meine darauf bezogenen Anfragen rekapitulieren müssen – sie waren ja überhaupt der Anlass für die genannte Verabredung –, um anschließend, ebenfalls kurz, auf den jetzt vorgelegten Text einzugehen. Auch der Vortragstext von Herrn Kollegen Ehmann hat sich, wenn mich meine Erinnerung an das in Bretten Vorgetragene nicht trügt, etliche Veränderungen, nicht nur in der Tonart, gefallen lassen müssen, ohne dass darüber meine in Bretten freilich nur angedeuteten Vorbehalte einfach gegenstandslos geworden wären.
Der Lied-Regionalteil des Evangelischen Gesangbuchs 1993 für Baden – Elsass und Lothringen – Pfalz
(2009)
In den „Grundsätzen für die Erarbeitung eines künftigen Gesangbuches“ von 1980, die als ein erster Schritt den beteiligten Kirchen mit der Bitte um Stellungnahme zugesandt worden waren, heißt es im achten Abschnitt unter Punkt 1: Das künftige
Gesangbuch im deutschen Sprachgebiet sollte – wie bisher – einen gemeinsamen Stammteil und daneben regionale Teile aufweisen und von Beiheften begleitet werden. Nach den Ausführungen zum Punkt 2 (gemeinsamer Stammteil) liest man in
Punkt 3: Regionale Gesangbuchteile sollen Lieder berücksichtigen, die nur in bestimmten Teilen des deutschen Sprachgebiets lebendig sind. Desgleichen Lieder, die einer bestimmten, nicht allgemein verbreiteten Frömmigkeitstradition entsprechen. Die regionalen Teile sollen kleiner sein als der Stammteil. Auch wäre zu begrüßen, wenn benachbarte oder überregional zusammengeschlossene Landeskirchen zu gemeinsamen Regionalteilen kommen könnten (z.B. die acht Gliedkirchen in der DDR). Auf diese Weise könnte die Zahl der Regionalteile im deutschen Sprachgebiet verringert werden. Die entwickelten Gesichtspunkte für den Charakter des neuen Gesangbuches sollen nicht nur für den Stammteil sondern auch für die Regionalteile gelten.
Das erste Tagebuch von 1957 benötigte gerade einmal einen Zentimeter im Bücherregal. Dann aber ging es in die Breite, mit der Nummer 57 auf 0,8 Meter. Was verbirgt sich hinter diesen Zahlen? Eine geschichtsträchtige Zeit, die unser Leben im geteilten Deutschland und das Sich-Wiederfinden ohne Mauer und Stacheldraht. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges schlossen sich die evangelischen Landeskirchen der vier Besatzungszonen zur ‚Evang. Kirche in Deutschland‘ (EKD) zusammen. ‚Zonengrenzen sind keine Kirchengrenzen‘ hieß ihr Motto. Damit war die EKD die einzige deutsche Großorganisation, deren Stimme auch im Ausland gehört wurde.“
Melanchthon 2010
(2011)
Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren – so hieß das Motto für das Melanchthonjubiläum 1997, ein kraftvoller Satz aus Melanchthons Rede Über die notwendige Verbindung der Schulen mit dem Amt des Evangeliums, der es seit dem
Jubiläum zum 500. Geburtstag zu einer erstaunlichen Verbreitung gebracht hat. 1997 wurde das Motto in einer Auflage von vier Millionen auf dem Revers der Jubiläumsmünze (in Kurzform: Zum Gespräch geboren) ganz handfest unter das Volk gebracht. Auch 2010 behielt dieses Motto in Gottesdiensten, Veranstaltungen, Zeitungsartikeln, Publikationen etc. seine Aussagekraft. So begann der Rundfunkgottesdienst des Deutschlandfunks in der Konstantin-Basilika in Trier zur Eröffnung des Melanchthonjahres am Reformationstag 2010 mit einer Dialogansprache: Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren. So hat Philipp Melanchthon das gesagt, immer wieder. Das war sein Lebensmotto. Dass der Wahlspruch Melanchthons nach Römer 8, 31 vielmehr lautet: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein, gerät zunehmend in Vergessenheit und scheint offenkundig in der zunehmend säkularisierten Welt immer weniger „anschlussfähig“ zu sein, so dass die Einladung, die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Gespräch sich immer mehr zur Signatur Melanchthons ausprägen. 1997 entfaltete sich das Jubiläum in vier thematischen Facetten, nämlich ‚Bildung‘, ‚Ökumene‘, ‚Politik‘ und ‚Europa‘. Mit der Überschrift des Jahres 2010 Reformation und Bildung wurde der Fokus eingeengt, zugleich aber auch die Möglichkeit eröffnet, das Melanchthonjahr 2010 in die Lutherdekade zu integrieren und mit einem historischen und zugleich aktuellen Proprium zu profilieren.
Metzgers Weg zur Friedensarbeit begann 1908 im Alter von 21 Jahren, als er in die „Deutsche Friedensgesellschaft“ eintrat. In der allgemeinen Kriegsbegeisterung meldete sich Metzger zu Beginn des Ersten Weltkrieges sogleich als Kriegsfreiwilliger, weil er diesen Krieg als „gerechten“ bewertete. Bis Sommer 1916 finden sich positive Beurteilungen des Krieges bis hin zu den „Segnungen“ des Krieges. Bei einer „Kaiserfeier“ am 22. August 1916 in Graz hielt er die Festrede zu „Kaiser und Vaterland“. Es ist deshalb Franz Posset zuzustimmen, wenn er feststellt: „Von einem Pazifismus Metzgers in jener Zeit zu sprechen, wäre verfehlt.“ Ausgesprochen pazifistische Gedanken lesen wir bei Metzger in der zweiten Hälfte des Jahres 1916, z.B. „Der Weltkrieg: Bankerott oder Triumph des Christentums?“ Es stellt sich deshalb die Frage: Was hat bei Metzger zu diesem Gesinnungswandel beigetragen? Welche Erfahrungen, Begegnungen, Einflüsse oder Überlegungen führten dazu, dass er zu einer neuen und theologisch begründeten pazifistischen Einstellung gefunden hat?
Nachdem die deutsche Zeitgeschichtsschreibung sich lange vor allem an den beiden deutschen Diktaturen abgearbeitet hatte, stößt seit einigen Jahren auch die ‚alte Bundesrepublik‘ auf ein wachsendes historiographisches Interesse. Die bis in die jüngste
Vergangenheit angebotenen Deutungen der westdeutschen Geschichte als Erfolgs-, Ankunfts- oder Wundererzählungen beschränken sich jedoch meist auf die Phänomene des Wandels, indem sie beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung oder die Institutionengeschichte in den Blick nehmen. Der Aufbau einer Staats- und Gesellschaftsordnung ist aber nicht nur eine Frage verfassungsrechtlicher Grundlegung und institutioneller Erneuerung, sondern umfasst auch den Bereich des politischen Bewusstseins. Die kulturell-ideelle Prägung bleibt in der bisher eingenommenen Perspektive jedoch oft unhinterfragt. Hierbei geht es auch um die Frage, wer dem sich konstituierenden Gemeinwesen ‚Bundesrepublik‘ eine intellektuell begründete Richtung gab.
Johanniter in Lobenfeld
(2011)
Regelmäßig im Herbst eines Jahres treffen sich die Johanniter des Bezirkes
(Subkommende) Kurpfalz im Kloster Lobenfeld zu einem Einkehrtag. Die
renovierte mehr als 800 Jahre alte Klosterkirche mit ihrem einladenden Gemeinderaum
im ehemaligen Kirchenschiff ist ein sehr geeigneter Ort für geistliches und
spirituelles Nachdenken über theologische und geistesgeschichtliche Themen sowie
über historische Stationen aus der Entwicklung des Johanniterordens.
In ganz Europa erfuhr die bruderschaftliche Bewegung ab dem 13., besonders
aber im 14. und 15. Jahrhundert einen Aufschwung. Straßburg stellte keinen
Sonderfall dar – die Zahl der Bruderschaften, gleich welcher Natur, wuchs stetig.
Den ersten Nachweis für eine Handwerksbruderschaft in Straßburg stellt eine
Urkunde über die Bruderschaft der Kürschnergesellen aus dem Jahr 1404 dar.
Danach sind im 15. und 16. Jahrhundert mindestens 25 weitere Handwerksbruderschaften
in der Stadt entstanden – unter ihnen die Bruderschaft der Zimmerleute.
Sie wurde am 29. November 1508 vom Stadtrat zugelassen und gründete
sich am Großen Spital, wo sie einen St. Anna-Altar in der St. Erhardskapelle bauen ließ.
Mit der Kirchenunion von 1821 wurden im Großherzogtum Baden die zuvor eigenständige reformierte Kirche, deren Hauptgebiet in der vormaligen Kurpfalz lag, und die lutherische Kirche, deren meiste Kirchenglieder in Altbaden lebten, zu einer neuen protestantisch-evangelischen Kirche vereinigt. Auf der Unionssynode gelang es, alle wichtigen Entschlüsse zu treffen, die für eine Vereinigung der Konfessionen notwendig waren. Eine Frage blieb allerdings offen: Die Entscheidung über den neuen, gemeinsamen Katechismus der unierten Kirche, da der von Friedrich Wilhelm Hitzig erarbeitete Entwurf zwar diskutiert, in der vorgelegten Form aber abgelehnt worden war. In der Zeit nach der Unionssynode entstand außerdem ein weiterer Katechismus: Der Prälat Johann Peter Hebel, der ein enger Freund Hitzigs war und als Revisor für dessen Katechismusentwurf wirkte, schrieb ebenfalls ein Unterrichtsbuch für die unierte Kirche. Im vorliegenden Artikel sollen die Katechismen von Hitzig und Hebel daraufhin verglichen werden, welche Kirchenlehre in ihnen entfaltet wird. Welche Schwerpunkte setzen beide Katechismen bei der Behandlung ekklesiologischer Themen? Und welche pädagogischen Ziele verfolgten die Autoren mit ihren Werken? Dafür sollen zunächst die beiden Katechismen getrennt auf die in ihnen vermittelte Ekklesiologie untersucht werden. Anschließend sollen die beiden Werke miteinander verglichen und
schließlich ein zusammenfassendes Fazit gezogen werden.
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, rationalistischer Bibelexeget und Theologe, der in Heidelberg den Vortrag zum Reformationsjubiläum am 31.10.1817 zu M. Luthers „Heidelberger Disputation“ (26.4.1518) hielt, zeichnete in sein Verständnis von „Denkgläubigkeit“ Luthers Disputationsthesen und sein Bild von Luther und der Reformation ein.
Nach (1.) einem Überblick über Paulus’ Leben und Werk, wird (2.) sein Säkularvortrag „Auch zu Heidelberg war Doktor Martin Luther“ dargestellt mit (2.1.) dem Blick auf Luthers „Heidelberger Disputation“ und (2.2.) Paulus’ Bild von Luther und
der Reformation. Es folgt (3.) eine Einordnung in den geistesgeschichtlichen Zusammenhang und eine kritische Wertung von Paulus’ denkgläubiger Interpretation von Luthers reformatorischem Rechtfertigungsglauben.
"Freut euch mit Jerusalem!"
(2023)
“[I]n dem jar Christe 1489 war ein gar großes jubileum ußgangen von dem päpstlichen stuel zue Rom, dergleichen in vil jaren nie geschehen. Und disse große gnadt war auch der statt Villingen verkindt.” Das schreibt Juliane Ernstin (1589 – 1665), die Verfasserin der Chronik des Konvents von St. Klara im Villinger Bickenkloster und dessen Äbtissin zwischen 1655 und 1665. Demnach hatte der Papst 1489 der Stadt Villingen die Feier eines stellvertretenden römischen Jubeljahrs gewährt. Soweit ich sehe, wird dieses Ereignis in keiner anderen Quelle erwähnt. Trotz dieses Umstands und obgleich das Jahr (keineswegs ein „rundes“) und der Ort für ein derartiges Ereignis ungewöhnlich und überraschend erscheinen mögen, waren solche Anlässe dennoch alltäglich und beliebt: In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, und schon zuvor, suchten eine Reihe von Städten um die Erlaubnis nach, das römische Jubeljahr bei sich zu feiern. Beispiele sind Augsburg und Ulm 1451, Erfurt 1488, Nürnberg 1489 sowie Hamburg und Lübeck 1503.
In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts, verstärkten sich die Spannungen in Theologie, Kirche und Gesellschaft. Überall war Unruhe zu spüren. Kirche und Gesellschaft befanden sich in einem fast fiebrig zu nennenden Zustand. Wie die geistlich-theologische und kirchenpolitische Großwetterlage beschaffen war, fand in den Diözesansynoden, heute würden wir sagen: in den Bezirkssynoden des Jahres 1846 ihren Niederschlag. Auf fast allen Synoden wurde das Verlangen nach Veränderung und Ausbau der Kirchenverfassung laut. Das Motto lautete: Mehr Beteiligung der Gemeinde, der Diözesansynoden und der Generalsynode in Leitung und Gestaltung der Kirche! Vor allem die Diözesen in den ehemals kurpfälzisch-reformierten Landesteilen taten sich mit deutlichen Forderungen hervor.
Ein weiteres wichtiges Thema war die Zuordnung von Schrift und Bekenntnis. Zwölf der siebenundzwanzig Synoden beschäftigten sich damit, und die, die sich damit befassten, lehnten allesamt eine stärkere Verpflichtung auf die Bekenntnisse mehr oder weniger entschieden ab. Dem Evangelischen Oberkirchenrat wurde dabei vorgeworfen, dass er in den Verlautbarungen und Erlassen der letzten Zeit die Bekenntnisbindung zu sehr betont habe.
Carl Ullmann (1796–1865)
(2016)
Carl Ullmann wurde im Jahre 1796 im damals noch kurpfälzischen Epfenbach geboren, wenige Jahre bevor durch Napoleon die territorialen Karten neu gemischt wurden und Dorf und Landschaft an Baden kam. In Epfenbach, einem Dorf im Übergang vom „kleinen“ Odenwald zum Kraichgau, war der Vater reformierter Pfarrer. Hier verbrachte das einzige Kind der Eltern, ein Töchterlein verstarb früh, seine Kindheitsjahre, bevor es dann nach Mosbach auf die Lateinschule und von dort für viele Jahre nach Heidelberg ging. In Heidelberg, wo der junge Carl Ullmann das Gymnasium besuchte, wohnte er als Gast und Pflegekind bei Johann Konrad Maurer, dem Kirchheimer Pfarrer, der bis zur Vollendung des Pfarrhausbaus in Kirchheim bei Heidelberg wohnte. Der junge Gymnasiast lebte jetzt in einer Stadt, die nach Jahren der Bedeutungslosigkeit unter badischer Ägide zu neuem Leben erwacht war. Ullmann war ein eifriger und sehr guter Schüler, nahm sich aber doch außerhalb des Schullebens immer wieder genügend Zeit, seiner Leidenschaft nachzugehen, dem Malen und Zeichnen. Inspirieren ließ er sich von der Ruine des Schlosses, von der Stadt, vom Neckartal und der Landschaft des „kleinen“ und „großen“ Odenwalds. Als die aus Köln stammenden Brüder Boisserée mit ihrer Sammlung spätmittelalterlicher Kunst vom Niederrhein 1810 nach Heidelberg kamen und sich im ehemaligen Anwesen der Grafen von Sickingen und Leiningen an der Nordseite des Karlsplatzes niederließen, war Ullmann auch dort häufiger Gast.
Zeugnisse aus schwerer Zeit
(2021)
Vielerorts wurde im Jahre 2020 an die letzte
Phase des Zweiten Weltkrieges (1939 – 1945) und
an die erste Nachkriegszeit erinnert. Gern bin ich
der Einladung von Herrn Prof. Edgar Tritschler
nachgekommen, wenig bekannte Dokumente aus
dem Dekanat Villingen den Lesern dieses Jahrbuchs vorzustellen. Am 17. Mai 1945, bald nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht (8.5.1945),
forderte Conrad Gröber (1872 – 1948, Erzbischof
von Freiburg 1932 – 1947) die Pfarrer der Erzdiözese Freiburg auf, Ereignisse in der Pfarrei vor,
während und nach der Besetzung zu schildern;
weiter sei zu berichten über Schäden an kirchlichen Gebäuden, über die allgemeine Lage und das Verhalten ehemaliger Nationalsozialisten.
Die in die Pflicht Genommenen verfügten über
große Freiheit; sogar zum Tabuthema „Vergewaltigungen“ sollten sie sich äußern!
Ende des 6. Jahrhunderts waren zwölf irische Mönche unter Führung Columbans auf den Kontinent gezogen, um dort das geschwächte Christentum durch die Gründung von Klöstern neu
zu beleben. Jahre später (612) trennte Gallus sich am Bodensee von seinem Meister Columban
und suchte mit Hilfe eines Landeskundigen einen Ort, an dem er als Einsiedler leben wollte.
Als er im Hochtal der Steinach zu Fall kam, sah er darin ein Zeichen, dass Gott ihm diesen Ort
bestimmt habe. Er steckte ein Kreuz aus Haselzweigen in den Boden, befestigte eine Kapsel
mit Reliquien daran und widmete sich an dem auf diese Weise geheiligten Ort dem Gebet und
Fasten. Bald sammelten sich Gleichgesinnte um ihn. So erzählt es Walahfrid, Mönch und Abt
im Kloster Reichenau (gestorben 849), gut zweihundert Jahre später. Auch in Schuttern, St. Trudpert
und andernorts liegen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte zwischen ersten Hinweisen auf eine
Einsiedelei und schriftlichen Quellen, die eine Mönchsgemeinschaft bezeugen.
Im Jahr 719, drei Generationen nach dem Tod des Gallus (vor 650?), wurde der Alemanne
Otmar Abt in St. Gallen. Zu seiner Zeit entwickelte sich die ehemalige Einsiedelei zu einem
bedeutenden Kloster, einem in sich abgeschlossener Ort mit Kirche, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden. Der heilige Gallus - heute würde man sagen das Kloster St. Gallen - erhielt zahlreiche, schriftlich bestätigte Schenkungen, vor allem im seinerzeitigen Bistum Konstanz und
damit auch im Breisgau. Im Namen des Klosters und im Gebet der Mönche lebte der einsame
Gottsucher weiter.
Am 17. Mai 1945, wenige Tage nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht (08.05.1945), forderte Erzbischof Gröber die Pfarrseelsorger der Erzdiözese auf, Ereignisse in der Pfarrei vor, während und nach der Besetzung sowie etwaige Schäden an kirchlichen Gebäuden zu schildern und über die allgemeine Lage zu berichten. Mit den Stichworten „Plünderungen, Vergewaltigungen, andere Schwierigkeiten“ war den in die Pflicht Genommenen große Freiheit eingeräumt; sogar zu einem Tabuthema durften, sollten sie sich äußern! Das Erzbischöfliche Ordinariat hat die Anordnung mehrfach wiederholt. Bis Ende 1947 sind mehr als tausend Berichte eingegangen, viele schon im Sommer 1945. Das ist bemerkenswert, weil der Briefverkehr nur langsam wieder in Gang kam – wegen kriegsbedingter Zerstörungen und Anordnungen der Besatzungsmächte (der Nordteil der Erzdiözese gehörte zur amerikanischen, der Südteil mit Hohenzollern zur französischen Besatzungszone). Man war erfinderisch bei der Übermittlung von Nachrichten.
Die evangelische Stadtkirche in Karlsruhe wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff stark zerstört und musste nach Kriegsende wieder aufgebaut werden. Auch ihr Geläut wurde neu konzipiert, und es wurden neue Glocken gegossen. Jedes Mal, wenn diese Glocken läuten, erinnern sie auch an Wilhelm Rumpf (1900–1964), der von 1934 bis 1964 Orgel- und Glockensachverständiger der badischen Landeskirche war. Mit der Schlagtonmelodie as – c' – es' – f' – as' vermachte Wilhelm Rumpf der evangelischen Stadtkirche den Anfang des kirchentonalen ‚Te deum laudamus’. Nach dem Krieg arbeitete er landesweit am Aufbau der zerstörten Geläute und Orgeln. In Karlsruhe hatte Rumpf von 1917 bis 1920 das Lehrerseminar besucht und zunächst als Volksschullehrer seine Karriere begonnen. Neben seiner Tätigkeit als Musiklehrer am Fichtegymnasium war er seit 1930 Organist an der Christuskirche, 1932 übernahm er den Bachverein, den er über dreißig Jahre lang leitete. Im Jahr 1933 wurde er zum Kirchenmusikdirektor ernannt. Er wechselte als Organist an die Stadtkirche und wirkte, als diese im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, vorübergehend bis 1959 auch an der Markuskirche.
Seit knapp 275 Jahren wird in der Pfarrei Heilig Kreuz in Steinach am ersten Sonntag im August eines jeden Jahres mit einem feierlich umrahmten Gottesdienst am Vormittag in der Heilig-Kreuz-Kirche der Erzbruderschaft ,,Maria Trost" gedacht.
Diese Erzbruderschaft in Steinach wurde am 10. Juni 1731 von dem damaligen Pfarrer Johannes Michael Lang, einem eifrigen Seelsorger und Marienverehrer, der ab März 1726 bis Oktober 1749 Geistlicher in Steinach war und 1759 in Pfohren bei Donaueschingen starb, ins Leben gerufen. Sie stand unter dem Schutz der hl. Monika, des hl. Nikolaus von
Tolentino und des hl. Augustinus. Als Erkennungszeichen und als Zeichen der Verehrung trugen die Mitglieder der Bruderschaft bei Versammlungen, Prozessionen und Gottesdiensten einen schwarzen Ledergürtel.
Es bedarf eines zweiten Blickes. Auf den ersten scheint das 1868 in Worms enthüllte Reformationsdenkmal Ernst Rietschels nämlich den Vorgaben nationaler, wenn nicht sogar nationalistischer Lutherinszenierungen punktgenau zu entsprechen. Die überragende Figur des Reformators legt durch ihre wuchtig-massive, auf Ernsthaftigkeit und Unerschütterlichkeit, auf Unbeugsamkeit und ‚siegesdeutsche‘ Zukunftsgewissheit abstellende Formgebung entsprechende Zuschreibungen nahe. Das gilt ebenfalls für ihre frontale Einrahmung durch die ‚in Erz gegossenen‘, mit blanken Schwertern gewappneten Abbilder der weltlichen Schirmherren des Reformationshelden, den Kurfürsten Friedrich der Weise und den Landgrafen Philipp von Hessen. Die ‚Einheit von Thron und Altar‘ findet in dieser personellen Reihung einen vom nationalliberalen Zeitgeist bereits kulturkämpferisch unterlegten, wehrhaften Ausdruck.
Im Codex 453 der Stiftsbibliothek St. Gallen findet sich auf p. 14, auf der in zwei
Spalten Listen von St. Galler Äbten sowie von Stiften und Klöstern aufgeführt sind, die
mit St. Gallen verbrüdert waren, am oberen Rand folgender zusätzlicher Eintrag:
Anno domini MCCXXV, V Nonis Mail, dominus R. episcopus Curiensis et abbas noster dedica uit ecclesiam S. Leonardi. Item eodem anno ecclesiam de herisou;e, capellam leprosorum, duas criptas
monasterii dedicavit.
Beim besagten Codex 453 handelt es sich um das so genannte jüngere Kapiteloffiziumsbuch, die Nachfolgehandschrift von Cod.Sang. 915. Das im 12. Jahrhundert
angelegte, 241 Seiten starke Werk war das wichtigste Buch für den Ablauf des mönchischen Alltags, weshalb dort alle Informationen, die für das Kloster von Bedeutung
waren, eingetragen worden sind: Verzeichnisse von Bischöfen, Äbten anderer Klöster
und verbrüderten Gemeinschaften (S. 2-18), Lesungen (S. 19-73), die Benediktsregel
(S. 73-125), ein Martyrologium (S. 125-204), ein Hilfsmittel zur Zeitrechnung (S. 205-211), St. Galler Annalen, d.h. eine nach Jahren geordnete Ereignisliste (S. 211-234) sowie
ein Einkünfteverzeichnis mit der Kopie zweier Urkunden (S. 236-241). Bis ins 15. Jahrhundertwurde der Codex mit verschiedenen Vermerken laufend ergänzt.
Am 10. Oktober 1661 (nach altem Kalender) starb Johann Balthas(ar) Fleiner, den der Historiograph des Schüpfergrundes Jakob Ernst Leutwein (1684–1763) in seiner 1761 beendeten Schüpfer Kirchengeschichte den zwölften Kaplan und siebten Pfarrer nannte. Auf den ersten Blick mag der Tod des Geistlichen in einem der „vielherrigen Dörfer“ Frankens keine besondere Aufmerksamkeit seitens der Geschichtsforschung beanspruchen, doch angesichts der herrschaftlichen Struktur ist diese Bewertung zu überprüfen. Der Schüpfergrund mit dem Hauptort Unterschüpf war Ganerbschaft und zugleich Beispiel für die „gestufte Aristokratie“ im alten Reich: Die Dienheim zu Angeltürn und die Ega sowie Stetten zu Kocherstetten waren der fränkischen Reichsritterschaft Ort Odenwald immatrikuliert, während die Hatzfeldt zwar gräfichen Standes waren, doch nicht dem fränkischen Reichsgrafenkollegium angehörten. Die konfessionelle Zugehörigkeit – Ega und Stetten zu Kocherstetten der Confessio Augustana, Dienheim zu Angeltürn und Hatzfeldt der Alten Kirche zugehörig – schuf darüber hinaus eine Situation, die Auseinandersetzungen um Macht und Status geradezu unausweichlich machte.
Jakob Ernst Leutwein, Pfarrer in Unterschüpf (1730-1763), überliefert in seiner spätestens 1755 abgeschlossenen „Schüpfer Kirchenhistorie“ das während einer Reise geführte Gespräch. Seinem Begleiter erzählte der Chronist, dass an der Spitze der
Geistlichkeit der 1632 erloschenen Herren von Rosenberg ein Superintendent gestanden hatte. Der Gesprächspartner kommentierte, es wäre aliquid inauditi, also völlig ausgeschlossen, dass adelige Herren einen Superintendenten hätten, ja es fehle ihnen dazu auch das Recht. In beiden Haltungen drückt sich unmissverständlich das Besondere dieser reichsritterschaftlichen Superintendentur aus – hier Leutweins Bewunderung für diese außergewöhnliche Einrichtung; dort der andere, die Existenz einer solchen Einrichtung bestreitend, damit ex negativo das Außergewöhnliche, ja Singuläre der Superintendentur in einer Adelsherrschaft betonend. Was hat es mit diesem Amt auf sich? Die Reformation bildete, wie allgemein bekannt, einen (nicht nur) religiösen Fundamentalprozess. Weit weniger ist im landläufigen Bewusstsein verankert, dass sich daran u.a. eine ganze Reihe rechtlicher Probleme anschloss.
Das Ius patronatus in Händen evangelischer Reichsritter, auf welches sie nach dem Augsburger Religionsfrieden ihre Kirchenherrschaft gründeten, ist eine altbekannte Erscheinung. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist aber die Tatsache, dass gelegentlich vom Ius episcopale oder den Iura episcopalia gesprochen wird. Damit stellt sich die Frage nach dem Inhalt dieses Begriffs. Wird er als Synonym für Patronat gebraucht? Drückt sich darin der Stolz auf die erlangte Kirchenhoheit aus? Oder ist er tatsächlich als Rechtsterminus zu verstehen? Am Beispiel eines Mikrokosmos, der Ganerbschaft Schüpf, wird eine Antwort auf diese Fragen versucht.
Einheit des religiösen Bekenntnisses im Sinne des Grundsatzes ‚religio vinculum rei publicae‘ war im Reich der Frühen Neuzeit bekanntlich Merkmal seiner ständischen Glieder, nicht des Reiches selbst. Dieses Diktum gilt gleichermaßen für diejenigen
Obrigkeiten, denen die Reichsstandschaft nicht zukam, nämlich die Reichsritterschaft. Mit Artikel 26 war sie in den Augsburger Religionsfrieden miteinbezogen worden, was § 28 des Osnabrücker Friedensinstrumentes festschrieb. Einem evangelischen
Reichsritter, der zudem über den Patronat gebot, kam folglich unbezweifelbar das Recht zu, seine Konfession und die seiner Untertanen zu bestimmen. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges bildete sich dafür in der juristischen Literatur mit Ius reformandi der Terminus aus, den das Osnabrücker Friedensinstrument (IPO) erstmals reichsrechtlich rezipierte.
Die geschichtliche Bedeutung des Augsburger Religionsfriedens „als die auf das Reich […] bezogene Lösung jenes universellen Problems, das eine gute Generation zuvor mit der Reformation aufgebrochen war“, ist unstrittig. Sein berühmter
Grundsatz ‚Cuius regio, eius religio‘ – wenn so auch erst 1612 von dem Greifswalder Juristen Joachim Stephani formuliert – prägte über ein Jahrhundert die konfessionelle Landkarte des Reiches. Der Religionsfrieden sprach den Reichsständen die
Entscheidung über das in ihrem Herrschaftsgebiet geltende Bekenntnis zu und dehnte damit den Landfrieden dauerhaft auf den religiös-kirchlichen Bereich aus. Der Blick der Forschung fokussierte sich denn auch auf geschlossene Territorien wie Sachsen, Württemberg u. a. m., was nicht zuletzt der günstigen Quellenlage geschuldet war. Hierzu hat Axel Gotthard zurecht angemerkt, dass der Religionsfrieden zwar den Religionsbann der Reichsstände komplettierte, für die „Schütterzonen“ des Reiches aber genug Fragen offenließ. Man darf hinzufügen, hätten seine Schöpfer auch nur den Versuch unternommen, all die offenen Fragen zu lösen, er wäre schwerlich auf den Weg gebracht worden. Zu diesen „Schütterzonen“ zählte nicht zuletzt Franken mit der Präsenz zahlreicher reichsritterschaftlicher Herrschaften. Für solche Räume findet sich im Zedlerschen Universallexikon den Begriff „Territorium non clausum“.
Ob Jesus nach seiner Geburt tatsächlich in einer
Krippe lag und wenn ja in welcher, ist nicht
bekannt. Der Brauch aber, sich die Menschwerdung von Gottes Sohn so vorzustellen und en
miniature zu inszenieren, ist seit der frühen
Christenheit lebendig. „Das Heilsgeschehen wird
handgreiflich fassbar“, sagte Alt-Dekan Kurt Müller
zur Eröffnung der Krippen-Ausstellung im Alten
Rathaus. Die Vernissage war aus Platzgründen ins
Franziskaner-Refektorium verlegt worden, das voll
besetzt war.
Wer in Bruchsal die Langentalsiedlung als Ausflugsziel für einen Sonntagsspaziergang wählt, sollte nicht den Hinweisschild unbeachtet lassen, der zum Feldkirchle hinweist. Der Weg führt zum Gewann Hirschmann, einem der schönsten Fleckchen Erde der Bruchsaler Gemarkung, wo in den Jahren 1903 bis 1908 der damalige Stadtpfarrer Josef Kunz das Kirchlein und die sechs Stationen zu Ehren der Muttergottes erbauen ließ. „Unter meinen verschiedenen Schöpfungen in Bruchsal, stelle ich das Feldkirchle mit den Stationen an erste Stelle. Es ist das mein Lieblingswerk gewesen und zugleich die Sprache meines religiösen wie sozialen Herzens". So schrieb Kunz in seinen Aufzeichnungen über seine vielfältige Arbeit. Weiter schreibt er: "Es bestand für Bruchsal kein religiöses Ausflugsziel in der Nähe; der schöne Michaelsberg ist zu weit entfernt und nur für rüstige Fußgänger erreichbar. Da legte ich im Jahre 1903 den Grund zu einem solchen und zwar im Gewann Hirschmann. Es war ein stilles liebliches Tälchen, abgelegen und durch einen Feldweg mit der Stadt verbunden." So entstand die Idee für das Feldkirchle, mit dem er folgende Überlegungen verband: Naturpoesie und Religion für Erfrischung, Gebet und Trost.
Als im Sommer des Jahres 2005 die heutige Tagung vorbesprochen wurde, da wussten wir noch nicht, dass das Thema dieses Vortrags — „Das Priesterseminar als Nachfolger der Benediktinerabtei“ — auch bald der Geschichte angehören würde, dass die letzte Seite in diesem Kapitel unseres Hauses bereits aufgeschlagen ist und dass bald ein neues Kapitel beginnen wird. Mit dem 31. August — also in gut sechs Wochen — schließt das Priesterseminar in St. Peter offiziell seine Pforten und wird mit dem Collegium Borromaeum in Freiburg vereinigt. Damit geht eine 164-jährige Tradition zu Ende. Um den damit verbundenen verschiedenen Facetten Rechnung zu tragen, soll in vier Schritten vorgegangen werden. Zunächst möchte ich aus der Perspektive des Regens etwas über das Priesterseminar in St. Peter und seine Aufgabe sagen. Ich möchte Sie gleichsam mit hinein nehmen in die Aufgabe, die ein Priesterseminar im Allgemeinen und das Flair, das dieses Seminar im Besonderen auszeichnet. In einem zweiten Schritt wird aufgezeigt, wie die alte Benediktinerabtei St. Peter, die ab 1806 entweder als Militärlazarett diente oder mit Ausnahme der Pfarrerwohnung einfach leer stand, 15 Jahre nach der Bistumsgründung anno 1842 zum Priesterseminar wurde und damit einem drohenden Abriss entging. In einem dritten Schritt wird beispielhaft auf zwei markante politische Ereignisse der vergangenen 164 Jahre eingegangen und danach gefragt, wie es dem Priesterseminar in diesen Phasen ergangen ist. Abschließend möchte ich kurz auf die jetzt anstehende Verlegung des Priesterseminars nach Freiburg eingehen.
Der monotone Rhythmus der Tage im Kalenderjahr wird gegliedert und mit Spannung geschmückt durch die aus der Bibel stammende Siebentagewoche, durch die Jahreszeiten, die Lebensalter, durch die Wetterlage, durch familiäre Ereignisse, politische Gedenktage und schließlich durch das Kirchenjahr mit seinen Festen und Gedenktagen sowie durch das zugehörige Brauchtum.
Wer meint, dass diese Frage mit Frömmigkeitsformen der Vergangenheit zu tun habe, den wird ein Blick ins Internet mit vielen Bildern und Texten belehren, dass der Herrgottswinkel zwar seit Jahrhunderten in katholischen Häusern eine Rolle spielt, aber
durchaus auch heute noch in vielen Wohnstuben zu finden ist. Meist in der Zimmerecke an der Fensterseite am Ende des
langen Familientisches ist das Kreuz aufgestellt, umgeben von Mariendarstellungen, von Heiligenbildern oder auch von Bildern verstorbener Angehöriger.
Die Feier der religiösen Feste ist in der Regel im Verlauf des Kirchenjahrs im jährlichen Rhythmus innerhalb der Kirchen erlebbar. Der öffentliche Raum, die Straßen und Plätze der Dörfer und Städte sind der Schauplatz des Fronleichnamsfestes in seiner unübersehbaren Gestalt der Fronleichnamsprozession.
Das war mindestens 1200 Jahre in der Kirchengeschichte nicht so. Am Anfang des 13. Jahrhunderts pflegten religiöse Frauenkreise in Brabant, Flandern und in der Wallonie besondere neue Formen der eucharistischen Frömmigkeit. Juliana von Lüttich, gestorben 1258, schaute in einer Vision die helle Mondscheibe mit einem dunklen Fleck am Rand. Die Deutung, die ihr dafür eingegeben wurde, war: Der Kirche fehlt ein Fest zur
besonderen Verehrung der Eucharistie: Ein solches Fest ordnete Bischof Robert von Lüttich 1246 für seine Diözese an
Verantwortlichen des Grünflächenamtes und deutete die Reliefs mit der Schrift auf den drei Seiten
der Stele. Dekan Kurt Müller, der die Texte entworfen hatte, sprach ein Segensgebet. Günter Rath,
der Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins, übergab das kostbare Werk der Wertschätzung und der Fürsorge der Öffentlichkeit, die
in großer Zahl an der Einweihungsfeier teilgenommen hatte. Von den üblichen, in den meisten
katholischen Kirchen zu entdeckenden 14 Kreuzwegstationen wurden drei ausgewählt:
Jesus wird zum Tod verurteilt.
Klein, noch unter der untersten Stufe steht wehrlos
der angeklagte, gefesselte Jesus. Fünf Stufen höher,
fast auf dem Richterstuhl sitzend wäscht Pilatus
nach gefälltem Urteil sich „in Unschuld" die
Hände. Der deutende Satz lautet:
DIE HANDLANGER
DAS UEBEL JEDER
EPOCHE
Eine Krippe (lat. Presepium) ist zunächst eine
im Fels gehauene Rinne oder eine aus Holz gezimmerte Vorrichtung zur Fütterung von Stalltieren.
Sprechen wir von einer „Weihnachtskrippe“,
dann wird der Satz lebendig aus dem Lukasevangelium: „Und sie gebar ihren Sohn, den
Erstgeborenen, wickelte ihn in Windeln und legte
ihn in eine Krippe, weil für sie kein Platz in der
Herberge war“. Von dieser originalen Krippe ist
verständlicherweise nichts erhalten geblieben. Die
Herkunft der seit dem frühen 5. Jahrhundert in
Maria Maggiore in Rom verehrten Holzkrippe ist
nicht verlässlich bekannt, obwohl ein paar
Brettchen davon sogar in die Reliquiensammlung
des Reichskleinodienschatzes aufgenommen worden waren.
Just im Jahr des 200sten Unionsjubiläums blicken die jüdischen Gemeinden hierzulande auf 1700 Jahre Präsenz nördlich der Alpen, beginnend im Köln des vierten Jahrhunderts. Eine zeitliche Koinzidenz, die neu nach der Beziehung der Kirche zum Judentum fragen lässt. Auch die badische Union hat sich in mühsamen Schritten erst befreien müssen von den alten überkommenen Mustern der Judenfeindschaft. Tiefgreifende Neuaufbrüche im christlich-jüdischen Verhältnis liegen in den 1980er Jahren. Es hat wohl die Spanne der 40 Jahre nach der Schoa gebraucht, bis es zu substanziell wirklich neuen Überzeugungen kam: Das wegweisende Synodalwort der badischen Landeskirche 1984 formulierte die nicht mehr zu hintergehende Einsicht in die Treue Gottes zu seinem Volk, die unverbrüchlich ist und in das Selbstverständnis
auch der christlichen Kirche eingezeichnet bleibt. Wurde in der christlichen Tradition die Kirche weithin als Nachfolgerin und Erbin eines abgetanen Judentums verstanden, so begegnet heute die Kirche – auch die badische – den jüdisch glaubenden Menschen als Partnerinnen und Partner unter dem weiten Bogen der Beziehung zu dem einen Gott.
Das Leben und Arbeiten im Kloster unterscheidet sich in vielen Bereichen vom Leben eines Berufstätigen mit Familie oder als
Single. Im Kloster gibt es keine getrennten Bereiche, d. h. wir sind Lebensgemeinschaft und Arbeitsgemeinschaft in einem. Diese Lebensform ist eine große Bereicherung aber auch eine Herausforderung, da wir denselben Menschen beim Beten und beim Essen, bei der Arbeit und in der Freizeit begegnen. Die meisten Menschen kennen ja die Trennung von Privat- und Berufsleben.
Der Nachlass des Prälaten Hans Bornhäuser fand, nachdem bereits 2008 kleinere Teile eines „Nachlasses Bornhäuser“ durch den verstorbenen Prälat i.R. Gerd Schmoll übergeben worden waren, im Februar 2013 mit der Übernahme des Hauptnachlasses von der Witwe Ilse Bornhäuser in Freiburg seinen Weg in das Landeskirchliche Archiv Karlsruhe.
Der Bestand beinhaltet 283 Verzeichnungseinheiten mit einem Umfang von insgesamt 1,9lfden. Metern und
einer Laufzeit von 1900 bis 1987. Er umfasst Dokumente aus dem beruflichen wie aus dem persönlichen Leben.
Hans Bornhäuser entstammte einer religiös geprägten Familie: Am 21. Februar 1908 wurde er als erstes Kind des Pfarrers
Wilhelm Bornhäuser und dessen Frau Helene geb. Gonser in Uiffingen bei Boxberg geboren. 1910 wurde der Vater an die Stiftsanstalten in Freiburg versetzt, wo Hans Bornhäuser seine Kindheit und Jugend verbrachte. 1926 nahm er das
Studium der Theologie, Philosophie und Geschichte an der Universität Marburg auf, wo sein Onkel Karl Bornhäuser als Theologieprofessor wirkte. Während seiner Studienzeit verbrachte Hans Bornhäuser einige Semester an der Theologischen Schule in Bethel und an der Universität Erlangen.
„Ein reiner Irrsinn“
(2014)
„Man kann nicht darüber hinwegsehen, dass im Elsass, wenn es um Religionsfragen geht, das ganze Land sich in zwei feindliche Lager spaltet. Und sogar Leute, die durch öffentliche oder andere Stellung, durch ihre Erziehung, den Rang, den sie in der Gesellschaft einnehmen, von diesen Einflüssen verschont sein sollten, verhalten sich wie die Anderen“. Diese Aussage des Präfekten Sers, eines Protestanten, vom Juli 1843, führt uns unumwunden in diese unfriedliche Welt ein. Es geht um die Simultankirchen, die von den Katholiken und den Lutheranern, seltener von den Calvinisten, zum Gottesdienst benutzt wurden.
Seit 1981 öffnet sich Schloss Bruchsal erstmals wieder im Hauptgeschoss für eine große Sonderausstellung. Zu sehen gibt es eine Vielfalt von Zeitzeugen, anhand derer bekannte und unbekannte Seiten der Säkularisation aufgeschlagen werden. Wer die prächtigen, lehrreichen und faszinierenden Stücke betrachtet, staunt, woher sie überall zusammengetragen wurden. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg veranstalten zusammen mit der Stadt Bruchsal die facettenreiche Präsentation beeindruckender Objekte, vor allem aus dem badischen, aber auch ausgewählte Beispiele aus dem württembergischen Gebiet. Der Blick auf die Säkularisationsjahre 1802-1806 - 200 Jahre danach - führt uns in eine spannende Phase der Geschichte des heutigen Baden-Württemberg. Eine der größten Umbruchzeiten, die es in der europäischen Geschichte gegeben hat, war in Gang. Der Name Napoleon steht für diese Zeit. Er hat die neue Ordnung eingeführt, zunächst in Frankreich, dann in ganz Mitteleuropa. Besitzungen und Rechtstitel der Klöster und geistlichen Herrschaften wurden in weltlichen Besitz umgewandelt. Neue Territorialgebilde entstanden. Schloss Bruchsal, als vorherige Residenz der Fürstbischöfe von Speyer war selbst ein Schauplatz der Säkularisation. Durch die Auflösung des kleinen eigenständigen geistlichen Staates verlor es seine zentrale Rolle als Hauptstadt.
Die Geschichte der Gründung des Klosters Mariental in Steinheim an der Murr ist
schon mehrfach thematisiert worden. Zu der von Berthold von Blankenstein und
seiner Gattin Elisabeth durchgeführten frommen Stiftung sind gleich mehrere
urkundliche Zeugnisse überliefert und doch wurde in der Literatur eine »eigentliche Gründungsurkunde« vermisst. In der Tat ist in einem Teil der einschlägigen
Dokumente von der geplanten, in anderen von der bereits vollzogenen Klostergründung die Rede. Gewissermaßen an der Schnittstelle zwischen beiden Gruppen steht jene, heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrte Urkunde, in der
die Stifter Berthold und Elisabeth von Blankenstein eine Reihe von Verfügungen
bezüglich ihrer Stiftung treffen. Einerseits wird in dem Stück eine bereits gegründete Kirche der Nonnen (ecclesiam sanctimonialium, quam ... fundavimus) erwähnt, andererseits wird deutlich, dass Kloster und Klausur noch nicht eingerichtet sind. Bestimmungen hinsichtlich der Klostervogtei, einem im Wortsinn grundlegenden Element der Klosterverfassung, sind ebenfalls hier zu finden. Dies lässt
vermuten, dass unsere undatierte Urkunde zwischen der von Bischof Heinrich
von Speyer am 31. Dezember 1254 ausgestellten Genehmigung für die Klostergründung und Klosterausstattung5 und der am 18. November 1255 vom Propst
von Beutelsbach auf Weisung des Papstes vollzogenen Inkorporation der Steinheimer Pfarrkirche mit allem Zubehör in das Kloster Mariental einzuordnen ist. Da
die Forschung heute bei Gründungsvorgängen allgemein von einem »gestreckten
Verlauf« ausgeht, dürfen wir das von Berthold und Elisabeth von Blankenstein
ausgestellte Dokument, in dem sich der Stifterwille manifestiert, durchaus als
»Gründungsurkunde« des Klosters Mariemal in Steinheim betrachten. Bemerkenswert ist, dass eine Bestimmung der Klostergründer mindestens drei Jahrhunderte überdauert hat: In der 1577 von der württembergischen Klosterhofmeisterei
aufgenommenen Beschreibung der Baulichkeiten im Klosterbezirk findet sich eine
Vorschrift hinsichtlich der Benutzung der Klostermühle in genau der Form, wie
sie 1255 festgelegt wurde.
Die protestantische Kirchengemeinde Sulzburg im Spiegel eines Visitationsberichts aus dem Jahre 1800
(2000)
Die Kirchenvisitation ist so alt wie die christliche Gemeinde. Bei den ersten Gemeinden wurde die Visitation von der Urgemeinde in Jerusalem wahrgenommen. Auch die Reisen des Paulus waren z. T. Visitationen, Besuche einer befreundeten
Autorität, aber auch Prüfungen und Kontrollen, die das Gemeindeleben fördern, stärken und - wenn nötig - befrieden sollten. ,,Visitationen sind eine eigentümliche Zwischenform zwischen brüderlichem Besuchsdienst und kirchenleitender Aufsicht über das Leben in den Einzelgemeinden," heißt es in einem großen Kirchenlexikon. Aus reformatorischem Geist wurden die Visitationen in den protestantischen Ländern zu einer kollegialen Aufsicht, die den Schwerpunkt auf Erziehung und Belehrung der Gemeindeglieder legte. Luthers Katechismen sind aus Visitationserfahrungen entstanden. Und im 18. Jahrhundert forderte der Superintendent von Dresden, daß im Rahmen der Visitationen mit allen erwachsenen Gemeindemitgliedern ein
Katechismusexamen abgehalten werden solle.
Den freiwilligen Wechsel der Deutschen aus dem demokratischen Staat, der Weimarer Republik hieß (1919-1933), in die nationalsozialistische Diktatur können wir heute nur noch verstehen, wenn wir in die Geschichte blicken. Daß ein sehr großer Teil der Menschen, die den christlichen Kirchen, der evangelischen wie der katholischen, angehörten, diesen Übergang begrüßt hat, wollen wir nicht gerne hören und mögen wir nicht glauben. Es ist aber so, und es läßt sich auch erklären. Während kirchentreue Katholiken bis 1933 durch die offiziellen Erklärungen ihrer Kirche auf Distanz zur NSDAP als Partei gehalten wurden, waren die Protestanten, die keine hierarchisch-autoritäre Kirche kennen, zunächst anfälliger. Als aber die NSDAP begann, unmittelbar in das kirchliche Leben einzugreifen und sich in Glaubensfragen einzumischen, entstanden in den protestantischen Kirchen unbeugsame Widerstandsgruppen, denen auch Menschen angehörten, die sich den NS-Ideen zunächst geöffnet hatten. Die Widerstandskraft der „Bekennenden Kirche" hat die NSDAP bis zu ihrem Ende nicht überwinden können.
Die Hofkreuze von Hofstetten
(2003)
Die Hofkreuze in Hofstetten sind Hochkreuze und tragen alle einen Christus-Korpus. Geht man der Geschichte und den Inschriften der Kreuze nach, entdeckt man, dass viele Leute, meistens Bauern, Hofkreuze aus Dankbarkeit, zur Erinnerung an Menschen, als Mahnmal, als Gotteslob, zum Schutz vor Seuchen und Blitzeinschlägen oder in Verbindung mit einem
Gelübde errichtet worden sind. Heute werden keine Hofkreuze mehr gebaut, weil viele Menschen nicht mehr so religiös eingestellt wie früher sind. Allerdings entdeckt man am Straßenrand oft Kreuze, die an einen Unfall erinnern und die Vorbeifahrenden mahnen sollen.
Eligius, auch Eulogius genannt, zählte einst zu den populärsten Kirchenheiligen,
dessen Verehrung sich nicht nur in zahlreichen Patrozinien und ikonographischen Darstellungen, sondern auch in einem reichen religiösen Volksbrauchtum niedergeschlagen
hat. Der Schwerpunkt seiner Verehrung befindet sich in Nordfrankreich und Belgien,
doch von hier aus breitete sich sein Kult über ganz Europa aus. Auch im deutschen Südwesten und im Bodenseegebiet sind zahlreiche Spuren der Eligiusverehrung überliefert.
Wer war der Heilige, wie hat sich seine Verehrung verbreitet? Welche Kultzeugnisse hat er im Bistum Konstanz hinterlassen und wie erklärt sich, dass Eligius im Unterschied zu vielen unbekannt gebliebenen fränkischen Heiligen so populär geworden ist?
Die drei Protagonisten dieser Tagung sind im Abstand jeweils eines halben Jahrhunderts geboren: Friedrich Reiser 1401, Jakob Wimpfeling 1450, Sebastian Franck 1499. Wimpfeling ist Reiser und wohl auch Franck nie begegnet, aber Wimpfeling
wusste von Reiser, und Franck wusste von Wimpfeling. Als Reiser 1458 in Straßburg als rückfälliger Ketzer verbrannt wurde, besuchte der junge Wimpfeling die Lateinschule seiner Heimatstadt Schlettstadt. Erst vierzig Jahre später interessierte ihn jene Ketzerverbrennung aus einem nicht bekannten Grunde sehr. Sein Freund Geiler von Kaysersberg stellte 1497 in Straßburg Nachforschungen über „diesen Friedrich“ an und übermittelte das Ergebnis nach Speyer, wo Wimpfeling damals als Domprediger wirkte. Vier Jahre später machte Wimpfeling, der inzwischen in Straßburg lebte, von den Informationen Geilers Gebrauch im zweiten Buch seiner Schrift „Germania“, mit der er beim Rat der Stadt dafür warb, dass dieser zum Wohle Straßburgs ein Gymnasium für die 15- bis 20jährigen als Ausbildungsstätte für die künftige Führungsschicht einrichten möge. Diese sollte einmal mit derselben Weisheit regieren, die der Stra?burger Rat schon in früheren Zeiten bewiesen habe. Wimpfelings Aufzählung vorbildlicher Maßnahmen schockierte damals nicht, sie entsprach vielmehr gängiger Regierungslehre.
Seit einiger Zeit beschäftigt sich in St. Georgen ein
Gremium bestehend aus Vertretern verschiedener
Gruppierungen damit, Spuren des ehemaligen
Klosters St. Georgen sichtbar zu machen. Eine
zweiwöchige Veranstaltung in der Lorenzkirche,
der ehemaligen Leutekirche des Klosters, war
der Anfang. Vorträge und musikalische Veranstaltungen ergänzten die Ausstellung von Gegenständen und Bildern.
Das 1084 gegründete Benediktiner-Kloster des heiligen Georg hatte eine wechselvolle Geschichte.
Von seiner großen Bedeutung im 12. und 13. Jahrhundert zeugen nur noch alte Urkunden und Akten.
Als Württemberg die gesamte Schirmvogtei über
das Kloster besaß, führte Herzog Ulrich zwangsweise den evangelischen Glauben in St. Georgen
ein und vertrieb die Mönche. Nach einer kurzen
Zwischenstation in Rottweil bauten diese ihre Besitzung in Villingen zu einem Kloster aus. Es hieß
nun „Kloster St. Georgen, dermalen zu Villingen".
Nach der Zerstörung der Klostergebäude in
St. Georgen im Jahre 1633 wurden diese nie mehr
aufgebaut. Nachdem die Ruinen noch über 200
Jahre lang das Ortsbild bestimmten, führten
Brandunglücke und die rasche Entwicklung des
Ortes im 19. Jahrhundert zum fast vollständigen
Verschwinden der Klosterüberreste. Dies machte es
für die Veranstalter sehr schwierig, Klosterspuren
aufzuzeigen. Einzige greifbare Zeugen aus der
St. Georgener Klosterzeit sind am Ort ein paar
Grabplatten von Erbbegräbnissen, einige Steine
von der Klosterkirche und ein kleiner Rest der ehemaligen Klostermauer.
Am 22. Juni 1914 schreibt der 77jährige Albert Helbing, Exzellenz und wirklicher Geheimrat und seit 1903 Präsident des
Evangelischen Oberkirchenrats der badischen Landeskirche, an seinen Schwager Heinrich Spengler: Ob für mich auch noch einmal eine kurze Zeit der Ruhe hienieden anbrechen wird? Ich sehne mich oft unaussprechlich danach. Aber es scheint fast, als ob mir dieses Glück nicht sollte beschieden werden. Vom 8.-16. d.M. war ich wieder in Eisenach, fand bei meiner Rückkehr viel Arbeit und Sorgen und stehe nun vor der Generalsynode, die voraussichtlich kein sonderliches Vergnügen aber jedenfalls eine große Anstrengung sein wird. Das ist nun die achte, die ich erlebe, die dritte als Präsident und diese zum
größten Teil [mit] neuen erstmals gewählten Mitgliedern. Indes – Deus providebit. Schon drei Jahre zuvor zeigte der damals 74jährige Amtsmüdigkeit und wollte zurücktreten. Aber seine Tochter schreibt ihm: Deinen Rücktritt würde ich in erster
Linie für Dich bedauern. Die Tätigkeit würde Dir doch sehr fehlen. Doch darüber werden wir jedoch miteinander reden. Offenbar hast Du wieder Unannehmlichkeiten haben müssen. Und so bleibt der greise Kirchenpräsident weiter im Amt in der Blumenstraße in Karlsruhe, dem sogenannten Roten Haus. Im Jahr 1907 hatte er den unter seiner Regie erbauten Dienst- und Wohnsitz der badischen Kirchenleitung bezogen. Seit 1906 verwitwet lebte er dort in unermüdlicher Tätigkeit, stets aufs äußerste bedacht, alle Fäden in der Hand zu behalten und die Zügel nicht zu verlieren. Einer seiner Gegner auf der Linken, der Mannheimer Pfarrer Ernst Lehmann, hat seine Amtszeit nach seinem Tod und nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit dem ambivalenten Begriff der „Ära Helbing“ gekennzeichnet, die an ihm hängen geblieben ist.
Die Arbeit befasst sich mit der Neuordnung der „Vereinigten Evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens“ nach Kriegsende. Sie basiert darauf, dass sich zwischen 1933 und 1945 in Freiburg Widerstand gegen das totalitäre Regime früh organisierte, und will zeigen, wie sich der Freiburger Widerstand auf den Wieder- und Neuaufbau der badischen Landeskirche ausgewirkt hat. 1945 waren einzig der Landesbischof und zwei Oberkirchenräte noch verfassungsgemäß besetzt, Bischof D. Julius Kühlewein und die Oberkirchenräte Dr. Otto Friedrich und Gustav Rost. Um nach dem Krieg die Ordnung wiederherzustellen beschloss der Evangelische Oberkirchenrat (EOK) im Juli 1945, die Zuständigkeit des Erweiterten Oberkirchenrates (ErwOKR), die 1934 im Verlauf der Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche an den EOK übertragen worden waren, wieder herzustellen. Verfassungsgemäß musste der ErwOKR dafür zunächst mit Hilfe der Landessynode neu gebildet werden. Da nach 1934 jedoch keine verfassungsgemäße Landessynode mehr bestand, wurde dem Landesbischof die Ernennung aller sechs (zuvor waren es vier) Mitglieder des ErwOKR übertragen.
Es gibt verschiedene Wege, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Einer davon ist der Zugang über Biographien. Ob ich die Vergangenheit geistesgeschichtlich oder sozialgeschichtlich deute, ob ich nach Verfassungen, Gesetzen oder Bekenntnissen frage, immer ist der Mensch der Agierende und der Reagierende, Täter und Opfer. Er ist Träger neuer Ideen und Verteidiger der alten. Er findet Verhältnisse von seinen Vorfahren vor und gestaltet neu für seine Nachkommen, er ist Kind seiner Zeit und gleichzeitig prägt er seine Zeit. Was ich intellektuell sezieren und unterscheiden kann, fließt zusammen in der Existenz eines Menschen. In einer Biographie muss darum beides zum Ausdruck kommen: was der Mensch vorfindet und was er selbst beiträgt. Nun gibt es einen Faktor, der den Menschen in doppelter Hinsicht prägt, der seine Verhältnisse, die Bedingungen, die er vorfindet, mitbestimmt, und gleichzeitig seine körperlichen, seelischen und geistigen Fähigkeiten bedingt: die Familie. Neben der „Biographie“ eines Einzelnen ist darum auch die „Oikographie“ einer Familie, eines Geschlechts, von Interesse, vor allem dann, wenn Familien Geschichte geprägt haben. Betrachtet man die Geschichte der badischen Landeskirche, dann sind es bestimmte Namen, die unter den Pfarrern, später auch Pfarrerinnen, immer wieder auftauchen, seit dem 16. Jahrhundert begegnen uns beispielsweise die Familien Fecht, Hitzig, Sachs oder Eisenlohr und bis in die heutige Zeit hinein Bender, Kühlewein oder Schmitthenner. Nicht immer sind Vater und Sohn gleichermaßen bedeutsam in ihrem Beitrag für die Geschichte, nicht immer folgt der Sohn dem Vater in das geistliche Amt, manchmal sind es erst Enkel oder Urenkel, und nicht immer übernimmt der Nachkomme automatisch die theologische Position seiner Vorfahren, oft muss er sich nicht nur mit dem theologischen Erbe seiner Zeit, sondern mit dem theologischen Erbe der Väter auseinandersetzen, um eine eigene Position zu finden. Und dennoch findet man immer wieder auch das Familientypische.
Eine Familie, die unsere badische Kirche und Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert geprägt hat, ist die Familie Frommel. Zahlreiche Theologen, Künstler und andere Gelehrte hat sie hervorgebracht. Der vorliegende Aufsatz porträtiert den ersten Pfarrer der Familie, Johann Christoph Frommel (1724-1784), und macht durch kurze Lebensskizzen einiger seiner Nachkommen beispielhaft deutlich, wie stark Pfarrfamilien vom 18. bis 20. Jahrhundert kulturprägend und –tragend waren.
Pfarrer gefeuert! Er taufte keine Babys, so die Schlagzeile der Bildzeitung am 11. Februar 1969 über die Vorgänge um den Kieselbronner Pfarrer Johannes Weygand, die ganz im Stil der Zeitung natürlich vereinfachte und verkürzte, jedoch zielgenau die Problemstellung formulierte: Pfarrer gefeuert! – Es geht zum einen um das kirchliche Dienstrecht. Er taufte keine Babys. – Zum anderen geht es um die kirchliche Lehre und Praxis der Taufe. Sündiger Seelenhirte oder Möbelschreiner? – Ein Pfarrer, der sein eigenes Kind nicht tauft, so überschrieb die Zeit bereits zwei Monate zuvor, am Nikolaustag 1968, ihren etwas differenzierteren Artikel über die Geschehnisse in Kieselbronn und bezog sich auf eine Aussage Weygands, lieber wieder in seinem erlernten Handwerk weiterzumachen als wider seinen Glauben zu handeln: lieber rechtschaffener Möbelschreiner als sündiger Pfarrer. Damit soll Weygands Gewissensbindung gezeigt werden, die mit den Worten „Hier stehe ich und kann nicht anders“ mit derjenigen Martin Luthers auf dem Reichstag zu Worms verglichen wird – und mit der Beschreibung der
Stimmungsänderung von Kirchenleitung und Gemeinde in der Beurteilung Weygands durch die Ausrufe „Hosianna“ zu „Kreuziget ihn“ gar mit dem Schicksal Christi.
Mein Großvater war übrigens auch in der Mission…“ – diesen Satz höre ich immer wieder, wenn die Rede auf die Basler Mission kommt. Den Großvater kann man wahlweise auch ersetzen durch einen Urgroßvater, Großonkel, oder gleich beide
Groß- oder Urgroßeltern. Dieser Satz schafft eine Verbindung, in der mitschwingt, dass eine Familie geprägt ist durch so eine Beziehung zur Mission, auch wenn diese Beziehung bereits vor zwei Generationen entstand. Während meiner Forschungszeit stellte sich dann meist im weiteren Gesprächsverlauf heraus, dass mein Gegenüber seine familiären Wurzeln im Württembergischen hatte. Bei mir ist das genauso – mein Großvater war Basler Missionar und kam ganz klassisch aus Württemberg. Wie sich das gehört. Die Basler Mission und Württemberg, das gehört einfach zusammen. Als ich als Pfarrerin an den badischen Kaiserstuhl kam, war mein Erstaunen dann groß, als ich beim Thema „Basler Mission“ gerade bei der älteren Generation oft leuchtende Augen und verständnisvolles Kopfnicken erlebte. Die Verbundenheit der ländlichen Gemeinden mit der Basler Mission war hoch, wie sich nach und nach herausstellte und ist es zum Teil immer noch. Noch bis dieses Jahr wurde beispielsweise in Bötzingen am Kaiserstuhl die Halbbatzenkollekte eingesammelt, jetzt nur noch von einem Sammler, aber noch 1994 sammelten drei Sammler annähernd 1000 D-Mark im Jahr. „Wir sind Mitglied der Basler Mission“, so drückte es eine Frau aus der Gemeinde aus. Andere erzählten mir von Ausflügen zum Missionsfest nach Basel und dann auch von der Verwandtschaft, die „in der Mission“ war. Auch wenn man bei Baden nicht sofort an die Basler Mission denkt, bestehen also beim zweiten Hinschauen durchaus einige spannende Verbindungen – auf emotionaler, aber zum Teil auch auf finanzieller und organisatorischer Ebene. Im Folgenden möchte ich das Verhältnis der Basler Mission zu Baden unter drei verschiedenen Gesichtspunkten beleuchten, institutionell, räumlich und personell. Ich konzentriere mich dabei auf das 19. Jahrhundert.
Hebel als Theologe
(2010)
Den Eröffnungsvortrag am 9. Juli hielt Schuldekan Dr. Uwe Hauser aus Müllheim. Er sprach über das Thema „Wir aber hielten ihn fest mit ausdauerndem Mute“. Von der Wandelbarkeit und Vielgestaltigkeit der Theologie Johann Peter Hebels. Die Ausführungen Hausers sollen im Folgendenden referiert werden. (1. Vorbemerkung) Hebel ist durch und durch Theologe (gegen Klaus Oettinger, der ihn als „Physikotheologen“ oder Paul Katz, der ihn als „rationalistischen Supranaturalisten“ qualifiziert).
Fides Heidelbergensis
(2015)
Ob Luther tatsächlich die 95 Ablassthesen an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen hat, wie Melanchthon 1546 in seiner Historia Lutheri beschreibt, oder ob man aus der Tatsache, dass Luther diese Thesen auch an Erzbischof Albrecht von
Mainz und Magdeburg als für Wittenberg zuständigen Ortsbischof gesandt hat, schließen kann, der „Thesenanschlag“ sei eine spätere Legendenbildung, kann hier auf sich beruhen bleiben. Ich würde aus der Aufforderung an diejenigen, die nicht
anwesend sein und mündlich mit uns debattieren können, dieses in Abwesenheit schriftlich zu tun, schließen, dass Luther von Anfang an zweigleisig fuhr, um eine möglichst breite Diskussionslage zu schaffen; denn die Angelegenheit war ihm offensichtlich so wichtig, dass er um der Kirche willen, amore et studio elucidande veritatis, die strittigen Fragen nicht auf sich beruhen lassen konnte, sie aber auch nicht im Alleingang beantworten wollte.
Ein historischer Schritt
(2009)
Als die Synode der Evangelischen Landeskirche in Baden am 3. Mai 1984 eine Erklärung zum Thema „Christen und Juden“ abgab, geschah dies nicht ohne intensive Vorarbeit vor allem durch den Studienkreis „Kirche und Israel“. Im öffentlichen
Bewusstsein tritt sie oft hinter der vier Jahre älteren Erklärung der Rheinischen Kirche zurück. Umso erfreulicher ist es, dass der 2007 verstorbene Baseler jüdische Gelehrte Prof. Ernst Ludwig Ehrlich bereits 1984 in einem Vortrag auf dem Münchener Katholikentag anerkennend darauf hinwies.
Allgemein gilt Dietrich Bonhoeffer als Entdecker der Mündigkeit. Er hat diesen Gedanken in seiner Tegeler Haft in Briefen an seinen Freund Eberhard Bethge entwickelt. In einem Brief vom 8. Juni 1944 setzt er sich mit der Art auseinander, wie die
Kirchen auf die mündig gewordene, selbstsichere Welt reagieren. Zunächst hatte er auf die etwa seit dem 13. Jahrhundert beginnende Bewegung in der Richtung auf die menschliche Autonomie verwiesen und die Attacke der Apologetik auf die Mündigkeit der Welt u.a. als unvornehm bezeichnet, weil hier ein Ausnützen der Schwäche eines Menschen zu ihm fremden, von ihm nicht frei bejahten Zwecken versucht wird. In Auseinandersetzung mit den theologischen Hauptrichtungen des 20. Jahrhunderts fordert er eine Interpretation der „mythologischen“ Begriffe, die nicht die Religion als Bedingung des Glaubens voraussetzt. Bonhoeffer war sich des Fragmentarischen dieser Gedanken bewusst. Er wurde beim Schreiben seiner Briefe im Tegeler Gefängnis mehrfach unterbrochen. Damit ist diese Aufgabe den nachfolgenden Generationen aufgetragen; denn das Wahre, das er erkannt hat, muss weitergedacht, wahrscheinlich nie zu Ende, aber immer wieder von neuem durchdacht werden. In einem Brief vom 30. Juni 1944 setzt er sich mit dieser Frage, insbesondere mit der Art auseinander, wie die Kirche in den Menschen Sündenbewusstsein zu erzeugen versuche, um ihnen die Heilsbedeutung Jesu deutlich zu machen.
In jüngster Zeit wurden die Nachlässe der badischen Pfarrer Ernst Lehmann (1861–1948) und seines Sohnes Kurt Lehmann (1892–1963) sowie der mit ihnen verwandten Karlsruher Komponistin, Pianistin und Dichterin Clara Faisst (1872–1948) im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe erschlossen und damit für eine zielgerichtete Recherche nutzbar gemacht. Dabei weisen diese drei Nachlässe eine bemerkenswerte Geschichte auf, die nun im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe ihren Abschluss
gefunden hat. Als Luise (Liesel) Lehmann, die zweite Frau von Kurt Lehmann, im Jahre 1996 hochbetagt aus ihrer Wohnung in M 1,1 in Mannheim in ein Seniorenstift umziehen musste, konnte sie nur Weniges mitnehmen. Wertvolle Bände aus der Bibliothek Kurt Lehmanns wurden verschenkt, der größte Teil der Bibliothek konnte jedoch als „Ernst und Kurt Lehmann-Gedenkbibliothek“ von Pfarrer Dr. Johannes Ehmann gesichert und erschlossen werden und in der Konkordienkirche einen neuen Standort erhalten. Splitter aus der Bibliothek Kurt Lehmanns, vor allem Kleinschrifttum zum Kirchenkampf, gelangten auch in die Landeskirchliche Bibliothek in Karlsruhe. Einer sehr viel größeren Gefährdung war hingegen das persönliche Schriftgut aus dem Besitz von Kurt Lehmann ausgesetzt, vor allem Korrespondenzen, Manuskripte und Fotos, die für die Vernichtung frei gegeben waren. Der weitaus größte Anteil dieser Unterlagen konnte glücklicherweise durch Dr. Udo Wennemuth, der seinerzeit mit der Fertigstellung seiner Geschichte der evangelischen Kirche in Mannheim beschäftigt war und auch in Kontakt zu Liesel Lehmann stand, gerettet und zunächst im Kirchengemeindeamt Mannheim in einem völlig ungeordneten Zustand gelagert werden. Als Wennemuth im Mai 1999 die Leitung des Landeskirchlichen Archivs
übernahm, wurde der Bestand als Nachlass Ernst und Kurt Lehmann in das Landeskirchliche Archiv nach Karlsruhe übergeben.
Als vor drei Jahren die für genealogische Recherchen einschlägigen Findmittel, die Bestände 155. Filme, Kirchenbücher; 045.02, Familienbücher sowie Badische evangelische Ortssippenbücher als PDF-Dokumente auf der Website des Landeskirchlichen Archivs (www.archiv.ekiba.de) veröffentlicht wurden, erwies sich diese Onlinestellung schnell als eine für potentielle Archivbenutzer äußerst nützliche Arbeitshilfe für den häuslichen Schreibtisch: Diese Findmittel beantworten dem genealogisch Recherchierenden etliche Fragen nach der Überlieferung, dem Standort, der Laufzeit usf. der von ihm gesuchten Quellen bzw. Literatur. Einzige Voraussetzung dafür ist ein Internetzugang. Auch den Mitarbeitenden des Archivs erbrachte die Erstellung dieser Findbücher eine immense Erleichterung der täglichen Arbeit. Gleiches sollte nun auch für die bisher in Papier- bzw. Karteikartenform vorliegenden Findmittel der beiden wichtigsten Bestände des Landeskirchlichen Archivs, der Spezial- und Generalakten, umgesetzt werden. Im Frühsommer 2013 wurde ein bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für eine solche Retrokonvertierungsmaßnahme gestellter Antrag bewilligt und mit der Eingabe der Daten in die Archivsoftware AUGIAS begonnen. In diesem Zusammenhang wurden offensichtliche Fehler der alten Repertorien bereinigt (z. B. Doppel- und Fehlsignaturen; fragwürdige Aktentitel und Laufzeiten), eine Fehlbestandsliste angelegt, Akten aus dem Zwischenarchiv und der Registratur übernommen sowie eine Neuordnung der Aktenzeichen nach dem derzeit gültigen Aktenplan vorgenommen.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 war ein außerordentliches Interesse des Staates an den Kirchenbüchern entstanden. Deren Auswertung hatte das fatale Ziel, die „Rassezugehörigkeit der Volksgenossen“ über Abstammungsnachweise festzustellen, damit „sich die Volksgemeinschaft im nationalsozialistischen Staat konstituieren konnte.“ Kein Vierteljahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde am 7. April 1933 das so genannte Berufsbeamtengesetz erlassen, das von den Staatsbediensteten den Nachweis der „arischen“ Herkunft verlangte. Mit
diesem Gesetz wurde es ermöglicht, jüdische und politische unliebsame Beamte in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen. In den Folgejahren wurden zahlreiche Durchführungsbestimmungen erlassen, die auch Richter, Lehrer, Hochschullehrer und Notare als Beamte im Sinne dieses Gesetzes benannten und schließlich auch Angestellte und Arbeiter des Öffentlichen Dienstes, aber auch der Reichsbank und Reichsbahn einbezogen. Der Nachweis der „arischen“ Herkunft wurde durch beglaubigte Abschriften christlicher Taufen und Trauungen von Eltern und Großeltern aus den Kirchenbüchern erbracht und in einem „Ahnenpass“ eingetragen (s. Abb. 1 bis 3). War ein solcher Nachweis nicht zu erbringen oder belegte der Kirchenbuchauszug Informationen über die Taufe eines Juden, so war die „Nichtdeutschblütigkeit“ ermittelt. Die
„Rassezugehörigkeit“ wurde also durch die Konfession der Vorfahren nachgewiesen – ausschlaggebend war demnach nicht, ob es sich um „bekennende“ Juden handelt, sondern ob sich unter den Vorfahren auch Konvertiten befinden.
In 2Mose 20,8 heißt es: Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Unter Kaiser Konstantin löste der Sonntag den Sabbat als arbeitsfreien Ruhetag ab (321 n.Chr.). Im Mittelalter galt der sonntägliche Gottesdienst als Kirchengebot. Heute ist der Sonntag verfassungsmäßig geschützt. Die einschlägige Bestimmung lautet: Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Es handelt sich um Art. 139 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, der sog. Weimarer Reichsverfassung. Diese Vorschrift ist gemäß Art. 140 GG – neben anderen Artikeln der Weimarer Reichsverfassung, den sog. Weimarern Kirchenartikeln – Teil des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland geworden. Sowohl der Gedanke der Sabbatruhe, der Unterbrechung der Arbeit, als auch derjenige des Gottesdienstes wird aufgenommen, auch wenn nicht von „Gottesdienst“, sondern von „seelischer Erhebung“ die Rede ist. Bei der Einbringung hob der Berichterstatter, der Abgeordnete Mausbach von der Zentrumspartei, hervor, die Vorschrift schütze die öffentliche Sitte und die christliche Tradition und Religionsausübung. Die großen geschichtlichen Bestandteile der Kultusausübung enthielten aber auch wertvolle Freiheitsrechte für die Einzelnen, und gerade diese Seite der Sonntagsruhe, die Schonung der Freiheit und der sozialen Gleichwertigkeit aller Klassen, sei darin angesprochen.
900 Jahre Sankt Märgen
(2018)
Die Gemeinde Sankt Märgen beging das Gründungsjubiläum des bis 1806 am Ort bestehenden Klosters mit einer historischen Ausstellung. Das genaue Gründungsdatum ist nicht bekannt, doch es war um das Jahr 1118, dass Bruno, der Propst des Straßburger Domkapitels, im Schwarzwald ein Kloster gründete, das er der Gottesmutter Maria weihte.
Im Jahr 1523 versammelten sich etwa 3 000 Menschen unter der Kanzel des
Straßburger Münsterpfarrers Mathis Zell, der im Sinne Luthers predigte. Am 1.
Dezember desselben Jahres erließ der Magistrat ein Mandat, in dem er befahl,
daß auf allen Kanzeln nur das heilige Evangelium und die Lehre Gottes gepredigt
und alles, was zum Unfrieden diene, vermieden werden solle. Nur die Lehre
Gottes sollte verkündet werden und was die Liebe zu Gott und dem Nächsten
förderte. Einige Jahre später, im Januar des Jahres 1529, versammelte der Magistrat
300 Schöffen, d.h. die Vertreter der Zünfte und ließ abstimmen, ob die
letzten Messen, die in Straßburg noch gefeiert wurden, eingestellt werden sollten
und zu welchem Zeitpunkt. Eine Zweidrittelmehrheit sprach sich für die sofortige
Einstellung aus. Damit war Straßburg eine evangelische Stadt geworden.
Katholisches in Karlsruhe
(2015)
Am Anfang stand ein Akt der Toleranz. Schon in seinem Privilegienbrief vom 24. September 1715, im ersten Paragraphen, versprach Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) allen neu Zugezogenen, »die einer der im Heiligen Römischen Reich verbreiteten Religionen angehören«, in seiner neuen Hauptstadt Karlsruhe Aufnahme und Förderung »in ihrem Handel und Wandel«. Die von dem lutherischen Landesherrn den Angehörigen anderer christlicher Bekenntnisse, Reformierten und Katholiken, aber auch jüdischen Neubürgern gewährte Religionsfreiheit hatte bekanntlich durchaus auch pragmatisch-politische Gründe, galt es doch, der neuen Stadt wie dem ganzen, stark entvölkerten Land möglichst zahlreiche neue Einwohner zuzuführen.
Mennoniten im Kraichgau
(2018)
Am 22. April 2017 fand auf Einladung des Mennonitischen Geschichtsvereins und des Heimatvereins Kraichgau die Tagung "Schweizer Brüder in fremder Heimat -Mennoniten im Kraichgau" im Sinsheimer Gemeindehaus statt. Die mit etwa einhundert Personen, die auch aus den USA angereist waren, gut besuchte Veranstaltung stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Astrid von Schlachta und Diether Götz Lichdi sowie der organisatorischen Leitung von Hartmut Glück. Die Tagung spannte den Bogen von der Lokalgeschichte zur allgemeinen Geschichte, von den Herkunftsgesellschaften in der Schweiz über die Einwanderung in den Kraichgau im 17. Jahrhundert und die Weiterwanderungen in Süddeutschland und den USA, bis zu den inneren Konflikten der Einwanderer und deren politischen
Anpassungsbemühungen im Dritten Reich.
Der Kraichgau war wie die linksrheinische Pfalz bis zum 30-jährigen Kriege fast ganz täuferfrei geworden. Die Verfolgung hatte in den Ländern des Kurfürsten und des Speyerer Bischofs nach 1529 mit Hinrichtungen begonnen und war mit Austreibungen weitergeführt worden. Ein Großteil der damaligen Kraichgauer Täufer folgte den hutterischen Missionaren und wanderte nach Mähren und in die Slowakei aus. Der dreißigjährige Krieg hatte den Kraichgau fast entvölkert und dabei auch die vielen kleinen Herrschaften nicht verschont. Nur etwa 20-30% der ursprünglichen Bevölkerung hatten überlebt.
Sich mit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen bedeutet, eine „Geschichte, die noch qualmt“, zu betrachten, wie die Historikerin Barbara Tuchman einmal den Gegenstand der jüngsten Zeitgeschichte metaphorisch umschrieben hat.
Folgt man der klassischen Definition von Hans Rothfels, so umfasst die Zeitgeschichte jene Jahrzehnte, die von einer noch lebenden Generation von Zeitzeugen bewusst miterlebt und mitgestaltet worden ist. Danach sind wohl die meisten hier Anwesenden Zeitzeugen der Kirchengeschichte der 1990er Jahre. Die kirchliche Zeitgeschichte unterscheidet sich von der übrigen Kirchengeschichtsforschung u. a. durch den Zugriff auf eine besondere Quellengattung: die Auskünfte der Zeitzeugen. Durch Interviews können Detailinformationen, atmosphärische und biographische Hintergründe sowie zeitgenössische Deutungsmuster ermittelt werden. Die Kommunikation zwischen Zeitzeugen und Historikern bietet
viele Chancen, sofern die strukturell unterschiedlichen Rollen der beiden akzeptiert werden. Der Zeitzeuge gibt innerhalb seines partikularen Erfahrungshorizonts seine subjektive Wahrnehmung von zeitgeschichtlichen Ereignissen wieder. Während der Zeitzeuge Geschichte erinnert, will der Historiker sie erforschen. Gebunden an wissenschaftliche Standards und kontrolliert von einer Fachöffentlichkeit analysiert er auf einer breiten Quellenbasis multiperspektivisch historische Ereignisse, Strukturen und Prozesse. Die neunziger Jahre sind bislang von der kirchlichen Zeitgeschichtsforschung allenfalls gestreift worden. Grund hierfür ist die zumeist 30jährige Sperrfrist für kirchliche und staatliche Akten, die für diesen Zeitraum noch nicht abgelaufen ist. Dennoch lassen sich anhand publizierter Quellen erste geschichtswissenschaftliche Streifzüge durch dieses Jahrzehnt unternehmen.
Beschäftigt man sich mit Gerhard Ritter und dem deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, so werden zwei Sachverhalte schnell deutlich: Zum einen war Ritter einer der wenigen deutschen Historiker, die sich am Widerstand gegen das
nationalsozialistische Gewaltregime beteiligten, und zum anderen war er einer der ersten deutschen Historiker, die nach Kriegsende über den Widerstand publizierten. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit beiden Facetten des Themas und arbeitet dabei vor allem das konservative sowie das christliche Moment in Ritters Denken und Handeln heraus.
Über Jahrhunderte hat das Kloster Lobenfeld nicht nur optisch das Bild des gleichnamigen Dorfes bestimmt. Doch war das im 15. Jahrhundert reformierte Benediktinerkloster Bursfelder Convention nicht nur Hort der Frömmigkeit und geistigen
Zurückgezogenheit, der weltlichen Abgeschiedenheit, schlichtweg des Strebens nach christlicher Vollkommenheit, sondern auch gleichzeitig zutiefst weltlich verwurzelt. Hatte das Kloster doch hoheitliche und grundherrliche Rechte über seine
Untertanen, also über Menschen. Und es verfügte über recht ansehnlichen Grundbesitz. Es besaß neben einzelnen Gütern und verschiedenartigen Formen von Gefällen die Kompetenz, Pfarrer einzusetzen, sowie hoheitliche Rechte über einzelne Dörfer. Die Verwaltung dieses Besitzes oblag einem Bediensteten des Klosters, einem Verwalter und Steuereinnehmer, dem sog. Schaffner. Im Gegensatz zu anderen Klöstern gab es anscheinend für Lobenfeld nicht den sonst üblichen Klostervogt.
Diese Funktion lag beim Pfalzgrafen als Schutzherrn. Vermutlich bestellte er (bei Bedarf?) einen adligen Pfleger und Verweser, wie etwa 1482 Albrecht von Venningen, der damals das Dorf Eschelbronn besaß.
Trotz der Abgeschiedenheit des Tales Harmersbach sind auch hier die Auswirkungen der Reformation zu spüren gewesen.
Wegen der dürftigen Quellenlage, unter anderem verursacht durch den großen Stadtbrand in der benachbarten Reichsstadt
Zell a. H. 1543, und wegen der Vernichtung zahlreicher Unterlagen in Stadt und Tal durch Feuer, das marodierende Soldaten
1643 während des Dreißigjährigen Krieges gelegt hatten, kann man die Versuche religiöser Umbrüche nur ansatzweise rekonstruieren.
Meine sehr verehrten Damen, meine sehr verehrten Herren,
liebe Gengenbacher Bürgerinnen und Bürger.
Ich freue mich, immer wieder in Gengenbach zu sein, und heute
ganz besonders, da mir der Festvortrag zum 100-jährigen Bestehen des Historischen Vereins angetragen wurde. Diesem Wunsch
bin ich gerne nachgekommen.
Gengenbach, meine Bürger und Bürgerinnen, ist ein Juwel,
und dieses Juwel sollten Sie pflegen. Sie haben die glückliche Situation, dass die Geschichte Ihnen etwas geschenkt hat, was vielen Städten nicht vergönnt ist. Und Sie sollten daran denken,
auch mit dem Eingriff in die Bausubstanz behutsam umzugehen.
Sie sollten sich vielleicht darüber Gedanken machen, dass eigentlich das Ziel erreicht ist, und dass weitere Eingriffe nur noch schaden können. Halten Sie Ihr Juwel in Ehren. Es ist Ihr Kapital, es
ist das Kapital der Stadt.
Wenige Monate bevor Schwester Eva Maria die
Leitung des Klosters St. Ursula in Villingen an die
neue Superiorin Schwester Roswitha abgeben hat (siehe
auch den Bericht „Im Kloster ist auch Gegenwart
Geschichte“ in diesem Heft) verfasste sie zusammen
mit Heinrich Schidelko einen Bericht, in dem sie ihre
Lebenserinnerungen aufzeichnete. Anmerkung der
Redaktion: Wir sind dankbar, diesen Bericht im vorliegenden
Jahresheft „Villingen im Wandel der Zeit“
veröffentlichen zu dürfen.
Da ich nun ein fortgeschrittenes Lebensalter
erreicht habe, möchte ich aus meinem Leben und
dem des Klosters St. Ursula erzählen. Meine
Lebenserinnerungen sind im Jahr 2011 von Herrn
Schidelko bei mehreren Treffen im Kloster aufgezeichnet
und von mir anschließend gegengelesen
worden. Sie geben meine persönlichen Erinnerungen und mein Wissen über die Geschichte des
Klosters wieder.
Sebastian Franck (1499–1542)
(2012)
In einer 1545, etwa drei Jahre nach Sebastian Francks Tod, publizierten Vorrede zu einem Ehetraktat des Hamburger Pastors Johann Freder beteuerte Luther, er habe bey leben Sebastiani Francken nichts wollen wider jhn schreiben (S. 171). Denn ich solch bösen Menschen zu hoch veracht und allzeit gedacht, sein schreiben würde nichts gelten bei allen vernunfftigen, sonderlich bey Christen leuten, und von sich selbst in kurtz untergehen, wie ein Fluch eines zornigen bösen Menschen. Im Folgenden malt Luther sein Feindporträt weiter bildkräftig aus. Franck, das böse lesterlich maul (S. 172) wird mit einer unfletigen Saw (ebd.) verglichen, und Luther fühlt sich bei ihm erinnert (S. 174) an die schendlichen fliegen, die bei uns zu weilen in der natürlichen noth auff dem heimlichen gemach wollen in den hindern kriechen, und in derselben Rosen
und feinen Blumen sich weiden und jr honig saugen, Und darnach herfur fliegen, wenn sie den russel und fusse daselbst besuddelt haben, wollen sie uns im angesicht, auff der nasen, auff den augen, backen, maul, an dem ehrlichsten Ort sitzen, als kemen sie aus einem wolriechenden lustgarten oder einer Apoteken.
Ich möchte im Folgenden drei ausgewählte Ergebnisse meines Buches „Möge Gott unserer Kirche helfen!“ Theologiepolitik, ,Kirchenkampf’ und Auseinandersetzung mit dem NS-Regime: Die Evang. Landeskirche Badens, 1933–45 (Stuttgart 2015)
zur Diskussion stellen: Erstens, die Intaktheitsthese, zweitens die Neubewertung der Wiederausgliederung der Landeskirche aus der Reichskirche, drittens die Bedeutung der Stärke des aus der kirchlich-positiven Vereinigung hervorgegangenen Bekenntnismilieus im Kirchenkampf vor und nach Einrichtung der Finanzabteilung 1938. Lassen Sie mich wie schon in meinem Vortrag aus Anlass der Buchvorstellung in der Christuskirche am 18. Oktober letzten Jahres nochmals ausdrücklich zweierlei feststellen: Zum einen etwas zur Motivation. Ich habe mit der Studie keinerlei geschichts- oder erinnerungspolitische Agenda verfolgt, vielmehr ein rein zeitgeschichtliches Interesse. Es handelt sich um Ergebnisse eines DFG-Projekts, das der Kollege Jochen-Christoph Kaiser, Fachbereich Ev. Theologie/Kirchengeschichte der Philipps-
Universität Marburg, und ich als Neuzeit- und Allgemeinhistoriker der Universität Karlsruhe im sogenannten KIT eingeworben und durchgeführt haben. Um hier kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Unser Anliegen und Interesse ist es, die kritische Aneignung der NS-Geschichte zu befördern, und zwar durch eine Differenzierung der Bewertung an einem konkreten Beispiel. Dies wird für die Glaubwürdigkeit zeitgeschichtlicher Vermittlung immer wichtiger, weil wir Zeithistoriker mit einiger Sorge beobachten, dass mit wachsendem Abstand zur NS-Zeit eine oft kenntnisarme, rein moralische Ex-post-Betrachtung einem kontextualisierenden Verständnis des nationalsozialistischen Zivilisationsbruchs vor allem bei Jüngeren zunehmend im Weg steht, die darauf mit Indifferenz und Ablehnung reagieren. Der Historiker ist weder ein anklagender Staatsanwalt noch ein verteidigender Advokat oder gar spruchfällender Richter, sondern ein rückwärts gewandter Prophet vorletzter Dinge, der versucht, Menschen in ihrer Zeit zu verstehen.
Alemannische Legendare (l.)
(1973)
Bis heute finden sich in vielen katholischen Haushalten, auch dort, wo wenig
gelesen wird, jene Bücher, die in der Reihenfolge des Kalenders die Legenden
der Heiligen enthalten. Jene Folianten, von denen der Erzähler in dem Roman
„Halbzeit" des Wasserburger Schriftstellers Martin Walser schreibt: ,,Meine
Mutter saß steif vor der großen Legende, ihrem einzigen Buch, in dem sie
seit eh und je las ... in jener Haltung eben, in der jemand, der nicht viel liest,
vor einem Buch sitzt, und dazu noch vor einem solchen in Schweinsleder
gebundenen Heiligenbuch ... Sie wollte an jedem Tag ihre Begegnung mit
dem Heiligen haben, der wirklich an diesem Tag dran war."
Zwischen der Durchsetzung der Reformation unter Ottheinrich 1556 und der Veröffentlichung des Heidelberger Katechismus 1563 liegt für die Kurpfalz ein etwa siebenjähriges Ringen um die konfessionelle Identität des neuen evangelischen Kirchwesens. Das Land wandelt sich in dieser Zeit von einer Schaubühne der großen innerreformatorischen Lehrstreitigkeiten zu einem eigenständigen Akteur im konfessionspolitischen Kräftespiel der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Besonders
fassbar wird diese Wandlung anhand einer Momentaufnahme aus dem Sommer 1560. Zeitzeugenberichte verschaffen zuerst einen Eindruck von den Protagonisten und Frontstellungen dieser Zeit. Das entstandene Bild soll dann zweitens in den Kontext
der politischen und der kirchlichen Entwicklungen in der Kurpfalz seit 1556 eingebunden werden. Drittens wird nach der Bedeutung der Momentaufnahme für den Weg zum Heidelberger Katechismus zu Fragen sein.
Zwei Jahre vor dem berühmt gewordenen Kirchentag in Wittenberg erschien 1846 in den Fliegenden Blättern aus dem Rauhen Hause zu Horn bei Hamburg ein Artikel über die Innere Mission in Baden, in dem – wahrscheinlich – Johann Hinrich Wichern schrieb: Baden steht zwischen Württemberg, den Cantonen Basel und Zürich und dem Elsaß eigenthümlich isolirt da, in Beziehung auf die freie Association zu praktisch christlichen Zwecken in unmittelbarster Nähe. Während in den genannten, Baden umgebenden, Ländern Vereine und Anstalten christlicher Liebe aller Art blühen und zunehmen, kommt aus Baden uns kaum eine Kunde von verwandten Unternehmungen zu. Diese Klage über mangelnden missionarischen und diakonischen Einsatz dürfte kaum mit dem Hinweis auf Wicherns defizitäre Kenntnisse zu entkräften sein, galt er doch als überaus gut informierter Fachmann, wie die in der genannten Zeitschrift abgedruckte Auflistung badischer Werke der Inneren Mission zeigt. Die badischen Entwicklungen der Inneren Mission und der „Diakonie“ verfolgte Wichern spätestens seit den frühen 1830er Jahren. Seit dieser Zeit pflegte er auch direkte Kontakte zu Badenern.
Bei einem Überblicksbeitrag wie diesem wird schmerzlich bewusst, dass es bislang keine Gesamtdarstellung des Themas gibt. Dabei ist die Landeskirche reich an Beispielen aus allen Zeiten. An dieser Stelle können nur mit einigen Fallstudien Leitgedanken des Kirchenbaus der letzten beiden Jahrhunderte dargestellt werden.
Ein lateinischer Text aus der Frühzeit des Klosters Weingarten wurde bislang als
»kurze Skizze der Klostergeschichte« oder als »Gründungsgeschichte Weingartens« deklariert. Von historischer Seite ist er kaum beachtet worden, vor allem wohl, da seine
Entstehungszeit schwer zu bestimmen ist und da er zudem im Württembergischen Urkundenbuch erst spät und an versteckter Stelle ediert wurde. Er verdient aber schon allein deswegen besondere Aufmerksamkeit, da es sich um einen der ältesten Texte zur
Geschichte der Welfen handelt.
Im vorliegenden Beitrag soll der Text durch Abdruck aus der ältesten Handschrift
und durch Übersetzung zugänglicher gemacht werden. Dabei wird vor allem auch seine
Intention untersucht: Handelt es sich tatsächlich um einen historischen oder nicht viel
mehr um einen juristischen Text? Jedoch wird, in Anlehnung an W. Krallert, der Titel
»Darstellung der älteren Klostergeschichte« beibehalten, um keine Verwirrung durch einen neuen Titel zu stiften. Außerdem sind Fragen nach der Funktion des Textes für das
damalige Kloster und nach seiner Relevanz für die Welfengeschichte zu beantworten.
Obgleich wenig von ihr bekannt ist, gehört Heilika von Finstingen, Gemahlin des Geroldseckers Walther I. zu den wichtigsten Menschen der Lahrer Geschichte: denn die heutige evangelische Stiftskirche sowie das städtische Alten- und Pflegeheim
Spital verdanken ihre Existenz im Grunde dem letzten Willen dieser Frau, der uns durch eine am 30. November 1259 in Straßburg ausgestellte Urkunde überliefert ist. In dieser heißt es, dass die Verstorbene zu ihrem eigenen und ihrer Familie Seelenheil die Gründung einer Pflegeeinrichtung für zwölf Arme erbeten habe. Als Walter von Geroldseck diese testamentarische Verfügung seiner Gattin Heilika in die Tat umsetzte, indem er die Armenpflege durch Augustinerchorherren aus dem elsässischen Obersteigen verrichten ließ, legte er das historische und geistige Fundament für die institutionelle Sicherung der christlichen Caritas im Lahrer Raum. In dieser Zeit war an die spätere Bedeutung der Stiftskirche und des Spitals freilich noch nicht zu denken. Beide Einrichtungen, welche das Leben der Stadt Lahr über Jahrhunderte hinweg „für Seelenheil und Bürgerwohl“ maßgeblich prägten, sind aber über lange und geschwungene historische Pfade hinweg aus der klösterlichen Niederlassung der Augustinermönche am Gestade der Schutter hervorgegangen, weshalb sie in diesem Jahr ihr gemeinsames 750-jähriges Jubiläum mit einem bunten und umfangreichen Festprogramm mit über neunzig Veranstaltungen unterschiedlichster Art feiern.
Die beiden landesgeschichtlichen Institute in Freiburg und die Katholische Akademie der Erzdiözese veranstalteten im Jahr 1993 Gedenkfeiern zum 900-jährigen Bestehen der Abtei St. Peter auf dem Schwarzwald. Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Vorträge wurden veröffentlicht. Das Jubiläum bezog sich auf die Gründung des Klosters durch Herzog Bertold II. im Jahr 1093 in unmittelbarer
Nähe seines Herrschaftssitzes, der Burg Zähringen bei Freiburg im
Breisgau. 220 Jahre früher feierte dagegen die Abtei selbst bereits im August und Oktober 1773 ihr 700-jähriges Bestehen. Der damalige Abt Philipp Jakob Steyrer verfasste aus diesem Anlass eine Chronik St. Peters, die er mit einer Genealogie seiner Stifter und einem Bericht über die Gründung im Jahr 1073 durch
Herzog Bertold I. in dem nahe seines Herrschaftssitzes auf der Limburg gelegenen Weilheim unter Teck eröffnete. Scheint hier eine in St. Peter gepflegte alte Klostertradition auf, wie Sönke Lorenz meinte? Diese Frage wurde bei den Jubiläumsfeiern im Jahr 1993 nicht thematisiert. Ihr soll im folgenden anhand der Quellen nachgegangen werden.
Die Zittauer Fastentücher
(2009)
Zittau sollte für Gäste unter anderem der Ausgangspunkt für die Reise auf der „Via Sacra“ sein, da es zwei Zeugnisse sakraler Kunst bietet, die einzigartig sind: die beiden Fastenstücher.
Mit dem Großen Fastentuch aus dem Jahre 1472 und dem Kleinen Fastentuch von 1573 besitzt die Stadt Schätze von europäischer Bedeutung. Fachleute betrachten das Große Fastentuch neben dem Teppich von Bayeux als eines der eindrucksvollsten Textilwerke der europäischen Überlieferung.
Das Kleine Fastentuch steht dem großen Tuch in seinem kulturgeschichtlichen Rang nicht nach, ist es doch ein Kunstwerk, das in seiner Gestaltung einmalig in Deutschland ist. Der liturgische Gebrauch von Fasten- oder Hungertüchern in der christlichen Kirche des westlichen Abendlandes war im Mittelalter üblich und weit verbreitet.