360 Soziale Probleme und Sozialdienste; Verbände
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In der Stuttgarter Zeitung vom 27. Juli 2016 schrieb Ingmar Volkmann: »Eine
Flüchtlingskrise hat Europa fest im Griff. Eine riesige Zahl von Wirtschaftsflüchtlingen macht sich auf eine äußerst ungewisse Reise in der Hoffnung auf
eine bessere Zukunft. Die einen wagen die beschwerliche Etappe zu Fuß, andere
mit dem Schiff. Auf den Booten brechen Krankheiten aus und fordern viele
Opfer. Im Flüchtlingslager von Ismajil an der Donau angekommen, müssen sich
die Auswanderer direkt in Quarantäne begeben. Im Lager herrschen erschreckende
hygienische Zustände, zahlreiche Epidemien wüten. Ein Teil der Flüchtlinge
wird ihr gelobtes Land nie erreichen. Die, die es aber schaffen, schicken denen,
die diesen Schritt noch nicht gewagt haben, beinahe enthusiastische Nachrichten
aus der neuen Heimat.«
Diese Schilderung könnte eine Zustandsbeschreibung der aktuellen Flüchtlingslage sein. Es ist jedoch ein Bericht über die Situation vor 200 Jahren. 1816 und 1817
führte der Fluchtweg jedoch im Gegensatz zu heute in andere Richtungen,
nämlich vor allem nach Osten. Zentraleuropa steckte damals mitten in einer
dramatischen Wirtschaftskrise. Württemberg war besonders schlimm betroffen
und wurde zeitweilig als das Armenhaus Europas bezeichnet. Schuld daran waren
die jahrelangen Kriege der napoleonischen Zeit sowie mehrere Missernten.
Seit 1812 waren die Sommer nass und kalt. Am schlimmsten war das Jahr
1816, das bekanntermaßen als »Jahr ohne Sommer« in die Geschichte einging.
Man spricht heute sogar von einer sogenannten Kleinen Eiszeit, wie sie zuvor
um 1400 stattgefunden hatte. Dies hatte zur Folge, dass ganze Bevölkerungsschichten verarmten und ein Massenexodus einsetzte. In den ersten vier Monaten
des Jahres 1817 sollen, so der Historiker Daniel Krämer, 17 000 Menschen legal
aus dem Königreich Württemberg ausgewandert sein.
Einen der bedeutendsten Kunstschätze der Ortenau birgt die ehemalige Klosterkirche in Schuttern: das mittelalterliche Mosaik mit der Darstellung der biblischen Geschichte von Kain und Abel. Im März 2013 hatte die Verfasserin die Ehre, es restauratorisch begutachten und reinigen zu dürfen. Diese Maßnahme und die dabei gemachten technologischen Beobachtungen am Mosaik sind Gegenstand dieses Beitrags. Archäologie, Geschichte und Kunstgeschichte kommen
ebenfalls zu Wort, werden aber nicht im Detail ausgeführt, da sie bereits von berufener Seite behandelt wurden und werden.
Herzog Eberhard Ludwig verlieh seiner »Ludwigsburg« am 3. September 1718 die
Stadtrechte und erhob die junge Stadt gleichzeitig in den Rang der 2. Residenz- und 3. Hauptstadt seines Landes. Der Herzog hatte es offensichtlich eilig, Stuttgart
zu verlassen, obwohl die jüngste Stadt Württembergs zu diesem Zeitpunkt weder
ein Rathaus noch einen Marktplatz, auch keine Stadtkirche besaß, von einem
Friedhof ganz zu schweigen. Der Friedhof war wohl das Allernötigste, was gebraucht wurde, denn bereits ein Jahr später wurde er angelegt, während das Abstecken des Marktplatzes, der Bau der Stadtkirche und vor allem die Einrichtung
eines eigenen Rathauses wesentlich länger auf sich warten ließen.
In der einschlägigen Ludwigsburg-Literatur wird die Geschichte des Marktplatzes,
der Stadtkirche und des Rathauses eingehend gewürdigt, während der Friedhof
nur mit knappen Notizen eher am Rande erwähnt wird. Eigentlich verwunderlich, verbergen sich hinter Friedhöfen doch nicht nur geheimnisvolle Geschichten,
die die Phantasie beflügeln oder dem abendlichen Besucher leise Schauer über
den Rücken jagen, sondern auch ganz reelle geschichtliche Ereignisse, die eng
mit der Geschichte der Stadt verbunden sind. Über allen historischen Fakten
sollte aber nicht vergessen werden, dass hinter der Geschichte eines Friedhofs,
mehr als hinter allen anderen Stadtgeschichten, vor allem schmerzvolle, unglückliche oder tragische Geschichten von Menschen stehen, die nicht dokumentiert
und archiviert wurden und deshalb unerwähnt bleiben müssen. Friedhöfe sind
ein Spiegelbild der Kultur und des Geistes einer Stadt. 300 Jahre Ludwigsburger
Friedhofsgeschichte sind es deshalb wert, genauer betrachtet und gewürdigt zu
werden.