430 Germanische Sprachen; Deutsch
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Beschäftigt man sich als Dialektologe mit dem Bodenseeraum, sieht man sich
sogleich vor einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten. Da ist einmal die Frage der
dialektalen Zugehörigkeit des Gebietes: läßt es sich in seiner Stellung zwischen
dem Schwäbischen und dem Südalemannischen (Schweizerdeutschen) einem
dieser beiden Teilräume des Alemannischen zuordnen, oder ist es nur ein Übergangsgebiet,
oder handelt es sich um ein eigenständiges Sprachgebiet, und wenn
ja: welches sind dann die besonderen Charakteristika dieser Sprachlandschaft?
Der Bodenseeraum ist bekanntermaßen Grenz- und Übergangszone so wichtiger
Lauterscheinungen der deutschen Mundarten wie der "neuhochdeutschen
Diphthongierung", der Entrundung der gerundeten Palatal vokale, der k- Verschiebung
und der Zweisilberdehnung in offener Silbe (bllöe, hüs/bleiba, hous 'bleiben,
Haus'; müslmfs 'Mäuse', xind/khind 'Kind' und stiiba/stüba 'Stube'). Aber diese
Dinge sind vielfach in Fluß gekommen. Wir stehen somit in einem Problemraum
ersten Ranges und mitten in der Gliederungsproblematik des gesamtalemannischen
Sprachraums.
Nachdem der Historische Sprachatlas des deutschen Südwestens aufgrund von
Urbaren des 14. und 15. Jahrhunderts (HSS), über dessen Vorgeschichte und
und Arbeitsweise an anderen Stellen schon berichtet wurde, unmittelbar vor
dem Abschluß steht, sollen hier einige Überlegungen angestellt werden darüber,
welche theoretische Position dieser Atlas innerhalb der neuerdings auch in der
deutschsprachigen Linguistik immer häufiger betriebenen Graphematik-Diskussion
einnimmt, da jede linguistische Beschäftigung mit historischen Quellen
eine graphematische Theorie impliziert. Auch frühere Arbeiten aus dem Bereich
der historischen Sprachgeographie und der historischen Dialektforschung
überhaupt sollen mit in die Überlegungen einbezogen werden, da der genannte
Atlas einerseits der Herkunft nach ganz in der Tradition der regionalen
Sprachgeschichte steht, andererseits die ernstzunehmende Theorie-Diskussion
ohne die empirischen Arbeiten dieser Tradition gar nicht denkbar wären. Der
Blick wird sich hauptsächlich auf das Alemannische richten, nicht nur aus
gegebenem Anlaß, sondern auch deswegen, weil in diesem Raum unbestritten
die empirische Sprachgeschichtsforschung in besonderer Weise vorangetrieben
worden ist.
Mit Erscheinen des „Kleinen Dialektatlasses" (= KDA), erarbeitet vom Autorenteam H. Klausmann, K. Kunze und R. Schrambke im Jahre 1993, wurde erstmals ein vollständiger Überblick über das „Alemannische und Schwäbische in Baden-Württemberg" (so der Untertitel) gegeben. Die meisten der 88 Übersichts-, Laut- und Wortkarten mit über 200 Einzelgrenzlinien (= Isoglossen) beruhen auf den neuesten Sprachmaterialien des „Südwestdeutschen Sprachatlasses". Die über eine Million umfassenden Einzeldaten dieses von Dialektologen als SSA abgekürzten Kleinraumatlasses wurden in direkter Methode von geschulten Feldforschern (= Exploratoren) vor Ort erhoben und in einem speziell für das Alemannische entwickelten Umschriftsystem, dem sogenannten Teuthonista-Transkriptionssystem niedergeschrieben. Der SSA wurde seit 1974 am Arbeitsbereich für Geschichtliche Landeskunde und Badisches Wörterbuch der Universität
Freiburg i. Br. vorbereitet und erscheint seit 1989 in Lieferungen a 50 Karten. Der „Kleine Dialektatlas" faßt nun bereits wichtige Ergebnisse seines ,großen Bruders' zusammen und stellt sie übersichtlich und für mundartinteressierte Laien anschaulich dar. Der nachfolgende Aufsatz über die Mundarten des Schwarzwaldes beruft sich in weiten Teilen auf diesem
vom Alemannischen Institut herausgegebenen Atlas. Bei der Beschreibung der wichtigsten Mundartgrenzen wird auf dessen zahlreiche Karten verwiesen. So bedeutet z.B. die Abkürzung KDA 31, daß die gerade besprochene Mundarterscheinung auf dieser Karte im „Kleinen Dialektatlas" zu finden ist. Die Kurzform z.B. SSA Il/20.00 verweist auf die bereits erschienenen
Karten des „Südwestdeutschen Sprachatlasses".
Kippenheimer Jüdischdeutsch
(2005)
Die Sprache der bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Südwestdeutschland, dem Elsass und der Schweiz lebenden Juden wird in der wissenschaftlichen Literatur als „ Westjiddisch", in genauerer Differenzierung bisweilen auch als „Südwestjiddisch" bezeichnet. Dieses Jiddische wird im 20. Jahrhundert vom so genannten Jüdischdeutschen abgelöst, worunter wir hier in diesem Beitrag eine der deutschen Standardsprache angenähertere Sprachvariante auf der Basis des Westjiddischen verstehen. Das Westjiddische selbst unterschied sich vom Ostjiddischen, das heute gleichbedeutend mit Jiddisch ist, in bestimmten lautlichen und lexikalischen Eigenheiten, deren wichtigste in dem Westjiddischen Sprachatlas von Beranek und dem Language and Culture Atlas of Ashkenaszic Jewry festgehalten sind.
Anlass zum Thema dieser Miszelle ist die Sorge, dass die Diskussion des Problemkreises „galloromanisches Substrat im Schwarzwald" von Historikern und Archäologen als „ungelöst" oder „unlösbar" abgebrochen bzw. beiseite geschoben wird. Zuletzt äußerte sich dazu Meinrad Schaab, ausgehend von der - nach ihm - lediglich im Zartener Becken gesicherten Namen-, Siedlungs- und Bevölkerungskontinuität. Im Übrigen bleibt Schaab skeptisch abwartend. Zur philologischen Argumentationsweise findet er keinen adäquaten Zugang. Irritationen verursachen ihm die Ortsteilnamen (Zinkennamen) zwischen Elz und Kinzig: ,,Aber romanische Namen gibt es auch anderwärts im Schwarzwald, und ausgerechnet in von der Siedlungs- und Bodenausstattung her kaum frühdatierbaren Tälern, Ortsteilen und Einzelhöfen, zu denen natürlich auch keine frühe schriftliche Überlieferung vorliegt. Man wird sie kaum allein aufgrund philologischer Merkmale als Rückzugssiedlungen der von den Alemannen verdrängten römischen Provinzialbevölkerung einstufen können. Aber auch die Deutung als durch Bergbauspezialisten oder bäuerliche Kolonisten erst im Hochmittelalter angelegte Siedlungen ist keineswegs erwiesen, und die Deutung auf Bergbau geht oft auch nicht auf." Misstrauen gegenüber philologischer
Argumentationsweise hatte Bruno Boesch schon 1962 gesät, als er warnte, „in einer so komplexen, viele Wissenschaften berührenden Frage dem philologischen Scharfsinn unbeschränkte Vollmachten einzuräumen". Leider ist eine Auseinandersetzung mit jüngeren germanistischen und romanistischen Arbeiten von Seiten der Mittelalterhistoriker und auch sonst, ausgeblieben. Wolfgang Haubrichs hat jüngst dem Problem der Romania submersa im Westen und Süden der Germania eine knappe Zusammenfassung gewidmet. Da heißt es: ,,Auf der Ostseite des Oberrheins sind die Kontinuitätszeugnisse [d. h. antik-frühmittelalterliche Namenkontinuität, = Verf.] noch spärlicher. Für das badische Schwarzwaldvorland und den Mittleren Schwarzwald sind einige Lehnwortareale dingfest gemacht worden; im Schwarzwald Gruppen von Ortsnamen, die auf galloromanische Lehnwörter zurückgehen dürften."
Sprachen sind „die Systeme von Einheiten und Regeln, die den Mitgliedern von Sprachgemeinschaften als Mittel der Verständigung dienen", so wird Sprache in Wikipedia definiert. Also dient Sprache der Verständigung innerhalb einer sozialen
Gruppe. Häufig sind Sprachgrenzen auch Landes- oder Staatsgrenzen. In diesem Sinne grenzt Sprache ein und auch aus. Es
gibt Zugehörige und Nichtzugehörige. Aber auch Sprache passt sich sozialen und politischen Veränderungen an. Sprecher innerhalb einer sozialen Gruppe passen sich vor allem dann an und übernehmen diese Sprache, wenn sie sich gegenüber anderen sozialen Gruppen abgrenzen und den inneren Zusammenhalt verstärken wollen. Ein typisches Beispiel ist die Jugendsprache oder der Gassenjargon. Sie oder er dient dazu, sich bewusst von der Sprache der Erwachsenen oder Eltern abzugrenzen und damit sich nur unter sich verständigen zu können.
Im nachfolgenden Aufsatz leite ich die Entwicklung der Dialekte allgemein und der im Neckar-
Odenwald-Kreis gesprochenen von der Entwicklung der deutschen Sprache ab.
Ich beginne mit der These, dass die Dialekte aussterben. Ich weiß mich mit dieser Feststellung
zum Teil im Widerspruch zahlreicher Experten. Dennoch gibt es untrügliche Anzeichen
für die Richtigkeit der These. Unsere Dialekte erleiden das gleiche Schicksal wie viele Sprachen
dieser Erde, auch in Deutschland. Die UNESCO hat das in umfangreichen Arbeiten dokumentiert.
(siehe weiter unten)
Dessen ungeachtet werden Dialekte noch immer gesprochen. Die Mehrheit der Deutschen
benutzt – mehr oder weniger bewusst – den angestammten, überlieferten Dialekt als Muttersprache.
»Mehrheit« heißt, dass die Deutschen statistisch mehrheitlich über 40 Jahre alt sind,
und die sprechen in der Regel ihren Dialekt. Dieser wandelt sich allerdings, was dargestellt wird.
Was versteht man im Elsass unter Regionalsprache? Darauf gibt es unterschiedliche und widersprüchliche
Antworten. Auffallend ist, dass es in den heute gängigen Definitionen üblich geworden
ist, die deutsche Herkunftssprache nicht mehr beim Namen zu nennen. So wurde z. B.
die traditionelle Bezeichnung Elsasserditsch durch elsässisch ersetzt. Diese Vermeidungsstrategie
hat historische, kulturelle und sozialpsychologische Hintergründe, die im Folgenden analysiert
werden. Im Gegensatz hierzu plädiert der Autor für eine Definition von Regionalsprache,
die sich aus zwei sprachlichen Komponenten zusammensetzt, die er als Einheit betrachtet:
Aus der gesprochenen elsässischen Mundart und dem Standartdeutschen als Referenzsprache.
Badener und Badenser
(2013)
Der Badener gerate "in Wallungen", "wenn er sich als Badenser titulieren lassen muss", heißt es in einem Kommentar des "Badischen Tagblatts" vom 21. April 2012, und ähnliche Äußerungen findet man öfter. So sagte kürzlich im SWR-Fernsehen der Freiburger Filmemacher Pepe Danquart, der auch in Berlin und Hamburg lebt: "Man wird ja ständig als Badenser beschimpft . […] Das kommt von den Schwaben." Öfter zitiert wird der Karlsruher
Abgeordnete Franz Gurk, der vor Jahren im Stuttgarter Landtag einem Heilbronner Abgeordneten damit gedroht habe, ihn künftig als Heilbronnser zu bezeichnen. Andere Einwohner Badens sind in dieser Beziehung gelassener, empfinden aber den Ausdruck Badenser aber doch als unzutreffendes,
als falsches Wort.
"Bi uns cha me au alemannisch schwätze“.
So steht es auf dem kleinen blauen „Bäpperli“,
das zum Markenzeichen der Muettersproch-
Gsellschaft geworden ist und das dem Verein
einen festen Platz in der heimatverbundenen,
südbadischen Vereinslandschaft eingebracht
hat.
Das war nicht immer so. Die Muettersproch-
Gsellschaft war bei ihrer Gründung ein
zartes Pflänzchen, das gepäppelt werden musste.
Anfang der 1960er-Jahre traf sich ein
Arbeitskreis von alemannischen
Mundartdichtern,
dessen Motor der aus Sulzburg
stammende Hubert
Baum war. Mit zu dem
Dichterzirkel gehörten Karl
Kurrus (Endingen), sowie
Richard Gäng (Freiburg),
der Hausacher Eugen Falk-
Breitenbach und der Stühlinger
Hans Matt-Willmatt
sowie die Dichterinnen Ida
Preusch-Müller (Müllheim),
die Elsässerin Lin Ritter-
Potyka, die aus Obereggenen
stammende Lina Kromer, sowie Hedwig
Salm und Gertrud Albrecht (beide Freiburg).
Der Landesverein Badische Heimat hat zusammen mit der Muettersproch-Gsellschaft das Alemannische Wörterbuch für Baden herausgegeben, das als Band 2 seiner neuen Schriftenreihe soeben erschienen ist. Ich vertrete den Präsidenten des Landesvereins, Herrn Dr. Sven von Ungern-Sternberg, der zu seinem großen Bedauern heute verhindert ist. Die Aufnahme dieser Buchvorstellung in die Alemannische Woche in Oberried lag auch deshalb nahe, weil Herr Bürgermeister Franz-Josef Winterhalter auch Präsident der Muettersproch-Gsellschaft ist. Auch für diese bin ich kein Fremder, ich bin schon fast seit ihrer Gründung Vereinsmitglied.
Unter der Überschrift "Badische Sonne im Herzen" gab der Wahlberliner Kabarettist Tilman Birr am 8. März 2012 der "Badischen Zeitung" ein Interview. Er wurde gefragt, ob sich "die Freiburger auf den ein oder anderen Badner-Witz einstellen" müssten. Birr verneinte das: "Das liegt daran, dass ich den badischen Dialekt nicht imitieren kann. Dann sollte man es besser lassen." Recht hat er, denn außer dem sogenannten "Badischen Akkusativ" des Interviewers ("auf ein Badner-Witz einstellen") hätte er sich da noch andere Probleme eingehandelt. Die von ihm verwendete Bedeutung von "badisch" steht nicht einmal im "Badischen Wörterbuch".