610 Medizin und Gesundheit
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Wer geglaubt hat, das Virus trifft nur alte Menschen, hat sich geirrt. Wer geglaubt hat, eine hochgebildete, zivilisierte Gesellschaft brächte genug Geduld, Disziplin und Vernunft auf, um mit erfolgversprechenden Gegenmaßnahmen die Pandemie rasch und nachhaltig zu stoppen, hat sich geirrt. Die Folge dieser und weiterer Irrtümer ist noch nicht absehbar. Das Virus grassiert und an Schuldfiguren fehlt es nicht: Bill Gates, Hillary Clinton, die Bundesregierung, die jüdische Weltverschwörung oder die geheime Herrschaft versteckter Reptilien. Masken werden als Maulkörbe verhöhnt, Billigflugtourismus und Saufpartys gelten als Menschenrechte. Auf Straßen und Plätzen wird ohne Masken und Abstand nach Rechtsaussen demonstriert, weil angeblich das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit abgeschafft sei.
Das Jahr 2020 neigt sich langsam dem Ende zu; es sind zwar nur noch wenige Wochen, aber trotzdem entscheiden sich in dieser kurzen Zeit noch maßgebende Dinge, die den Kurs unserer globalen Zukunft vorerst lenken werden. In Anbetracht all der Nachrichten und Ereignisse, die es in den letzten Monaten zu erfahren gab, scheint die Erinnerung an den Jahresbeginn schon fast surreal - ich war zu Jahresbeginn noch auf einem Konzert: mit ganz vielen Menschen, die dicht an dicht standen, alle in einer Halle waren und dazu auch noch die gleiche Luft geatmet haben! Eine Erinnerung, die aktuell nicht vorstellbar und auch gedanklich kaum auszuhalten ist. Die Erfahrung der Corona-Pandemie hat sich beispielsweise in der Wahrnehmung von Menschenansammlungen und allgemein Körperkontakt niedergeschlagen: Schaut man sich heute einen Film an, in dem eine größere Menge an Menschen zu sehen ist, kann man seit der ersten Lockclown-Erfahrung gedanklich schon beinahe eine
Stimme „Corona!“ rufen hören.
Nie ist mir Stille so laut vorgekommen, wie in den ersten Frühlingsmonaten des Jahres 2020. Konnte man im Januar und Februar noch von einem laut summenden Getöse sprechen, verstummt die Welt im März nach einem lauten Paukenschlag vollends. Wörter wie „Lockdown“, „Risikogebiet“, „Maskenpflicht“, „Homeoffice“ und „Pandemie“ finden ihren Weg in die deutsche Alltagssprache, später auch in den Duden. Geschäfte und Restaurants schließen, offen hat nur noch was „systemrelevant“ ist. Zuhause bleiben lautet das gängige Credo, Straßen und Bahnen sind wie leer gefegt. Bis wir wieder aus dem Dornröschenschlaf erwachen, werden einige Monate vergehen. Dinge, die stets selbstverständlich schienen, sind plötzlich nicht mehr möglich. An diesem Punkt möchte ich ansetzen und mich mit der Frage beschäftigen: Trotz aller Entbehrungen - was hat uns die Pandemie gelehrt?
Am 1. Dezember 2011 wurde das Deutsche Tuberkulose-Museum im Rohrbacher Schlösschen feierlich eröffnet, an einem Ort, der für dieses Projekt prädestiniert ist. Das Schlösschen war die Keimzelle des Tuberkulosekrankenhauses Rohrbach und der jetzigen Thoraxklinik Heidelberg. In seinen Räumen wurden seit 1920 tuberkulosekranke Kriegsheimkehrer betreut, sodass das Tuberkulosemuseum gleichsam als Fortsetzung einer Tradition verstanden werden kann. Die Materialien des Museums stammen vorwiegend aus dem 2010 von Fulda nach Heidelberg verlegten Deutschen Tuberkulose-Archiv, ergänzt durch Objekte der Thoraxklinik Heidelberg. Ausschlaggebend für diesen Ortswechsel waren zwei Gründe: Zum einen waren die Bestände des Archivs, das 1996 von dem Fuldaer Pneumologen Dr. Robert Kropp gegründet wurde, so weit angewachsen, dass die dortigen beengten Räumlichkeiten eine ansprechende Präsentation nicht mehr zuließen. Zum anderen wurde die Anbindung an eine Universität angestrebt, um eine wechselseitige wissenschaftliche Nutzung zu ermöglichen, von der bisher nur eingeschränkt Gebrauch gemacht wurde.
Die erste Jahreshälfte 1974 dürfte vielen vor allem durch die politischen Skandale auf internationaler und nationaler Ebene in Erinnerung geblieben sein: dem Rücktritt des spionagegeschädigten Bundeskanzlers Willy Brandt im Mai des Jahres und der Watergate-Affäre mit der anschließenden Abdankung des US-Präsidenten Nixon. Manch einer mag sich auch nostalgisch an Deutschlands Auftritt als große Fußballnation zurückerinnern, als man Anfang Juli 1974 die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land gewinnen konnte. Doch noch zu Anfang jenes Jahres rauschten andere Themen durch den Blätterwald der Boulevardpresse: Da gab es einen smarten jungen Israeli namens Uri Geller, der in Wim Thoelkes Sendung „3 x 9" auftrat, auf ungewöhnliche Art und Weise Uhren reparierte, Schlüssel unbrauchbar machte und dafür sorgte, dass sich in Deutschlands Küchenkommoden die Gabeln verbogen. Und es trat ein Mann ins Rampenlicht, der Tausende von Leuten
dazu brachte, in ein Dorf am Rande des Schwarzwalds zu fahren und ihn zu konsultieren: Josef Weber, der „Wunderheiler von Schutterwald".
Zu Seuchen und Pandemien
(2023)
Im Medizinstudium lernt man, dass eine Pandemie eine sich ausbreitende Infektionskrankheit ist, welche sich zeitlich begrenzt über Ländergrenzen hinweg verbreitet. Im Gegensatz zu einer Epidemie, welche örtlich begrenzt abläuft. Wohingegen eine Endemie örtlich begrenzt und zeitlich unbegrenzt verläuft. Eine Pandemie wirkte früher ein bisschen wie der Stoff, aus denen Katastrophenfilme gemacht werden. Dennoch waren sich Experten einig, dass mit Pandemien zu rechnen ist. Deshalb wurde der nationale Influenza-Pandemieplan vom Robert-Koch-Institut im Jahr 2017 aktualisiert. Es gibt genug Zitate aus der Fachwelt und der Politik, in denen vorher von einer Pandemie gewarnt wurde.
Leben unter dem Sondergesetz
(2006)
„Man hat ihnen die Berufe genommen, das Besitztum gestohlen, sie durften nicht erben oder vererben, sie durften nicht auf Parkbänken sitzen oder einen Kanarienvogel halten, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, keine Restaurants, keine Konzerte, Theater oder Kinos besuchen, für sie galten bestimmte Rassengesetze, ihnen wurden sämtliche staatsbürgerlichen Rechte entzogen, die Freizügigkeit wurde ihnen genommen, ihre Menschenrechte und ihre Menschenwürde in den Staub getreten, bis sie in Konzentrationslager deportiert wurden und in die Gaskammern kamen. Es waren Raubmorde, die das nationalsozialistische Regime an ihnen verübte, nur ein Teil konnte entkommen." So beginnt eines der grundlegenden Werke zur Geschichte der deutschen Judenverfolgung: Es dokumentiert alle Gesetze und Verfügungen, Erlasse, Befehle und Anordnungen, die zumeist in aller Offenheit, in der Öffentlichkeit und im Namen der Öffentlichkeit gegen die Juden formuliert und verwirklicht worden sind. Es waren allein im „Altreich" 1973 Sonderrechte, deren Umsetzung den deutschen Juden das Leben erschwerte, jene Maßnahmen im Osten nicht mitgezählt. Manche dieser Erlasse und Gesetze galten nur auf Landesebene, andere hatten nur für bestimmte Verwaltungseinheiten Gültigkeit. Doch die meisten betrafen alle deutsche Juden.
Die Psychiatriereform in der Bundesrepublik Deutschland wird gewöhnlich mit den 1970er Jahren, besonders mit dem Bericht der Enquête-Kommission von 1975 in Zusammenhang gebracht, der die Grundlage für entscheidende Veränderungen darstellte. Damit befand sich die BRD, mitbedingt durch die NS-Vergangenheit der deutschen Psychiatrie, im Rückstand gegenüber dem westlichen Ausland. Noch 1973 – im Zwischenbericht der Enquête-Kommission – wurde die Situation der Psychiatrie als „brutale Realität“ gebrandmarkt: Fast ausschließlich große, geschlossene, fern von den bewohnten Zentren gelegene Landeskrankenhäuser waren für die Aufnahmen der psychisch Kranken zuständig. Einige erreichten Bettenzahlen von über 1000. 59% der Patienten lebten hier bereits länger als zwei, 31% länger als 10 Jahre. In den heruntergekommenen Anstalten führten die Patientinnen und Patienten ein von der Gesellschaft kaum beachtetes, wenn nicht vergessenes, zumindest fast vollkommen ausgegrenztes Leben, und dies unter gänzlich unzumutbaren Umständen: 39% von ihnen waren in Räumen mit 11 oder mehr Betten untergebracht.
Zecken sind die wichtigsten Überträger human- und
veterinärmedizinisch relevanter Krankheitserreger in
Europa. Es gibt seit einiger Zeit Indizien dafür, dass
die Verbreitung und die Populationsdichte einiger medizinisch
und ökonomisch wichtiger Zeckenspezies in
Mitteleuropa zunehmen. Die Gründe dieses Wandels
werden kontrovers diskutiert. Sie beruhen offenbar auf
Faktoren wie dem Klimawandel und der geänderten
Landschaftsnutzung sowie auf menschlichen Verhaltensänderungen.
Von Studien aus Nordamerika ist
jedoch bekannt, dass die Populationen der Wirbeltier-
Wirte** eine große Rolle in der Dynamik der Zecken
und der zeckenübertragenen Krankheiten spielen, d.h.,
dass das Pathogen-Zecke-Wirt-System als Einheit
betrachtet werden muss. Auch in Europa scheint es
dementsprechend nicht möglich zu sein, ohne Informationen,
insbesondere über Nagetiere, Veränderungen
in der Häufigkeit und der Ausbreitung von Zecken und
zeckenübertragenen Krankheiten des Menschen darzustellen.
Gleiches gilt für die Entwicklung und die Einführung
effektiver Präventions- und Kontrollstrategien.
Obwohl in den letzen Jahrzehnten sehr viel über Zecken
in Europa publiziert wurde, gibt es bislang keine
gut konzipierte Langzeitstudie, in der die Beziehung
zwischen der Populationsdynamik der Wirbeltier-Wirte
von Zecken, den Zecken selbst und den von ihnen
übertragenen Pathogenen zufriedenstellend dokumentiert
wird. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, welche
grundlegenden Informationen zum Verständnis der
Ökologie der in Mitteleuropa vorkommenden Zecken,
ihrer Wirte und der von ihnen übertragenen Pathogene
fehlen.
Coronajahr 2020, ein Virus erobert die Welt, Ansichten aus Lahr und Umgebung, Zurück zur Normalität?
(2021)
Angeblich bedeutet das chinesische Schriftzeichen für Krise auch gleichzeitig Chance. Ob das so ist, habe ich nicht überprüft, Richard von Weizäcker hat das in einer Rede einmal gesagt. Es ist auf jeden Fall ein schönes Bild, das mir gefällt. Anfang des Jahres hat niemand geahnt, was in diesem Jahr auf uns zukommen wird. Alles lief normal. Also so, wie wir glauben, dass es „normal" ist oder sein sollte. Eine Krise in Form einer Pandemie erschütterte dann unseren Planeten. Und die meisten nahmen und nehmen es dankenswerterweise ernst. Längst haben wir das Verständnis und den Glauben an das verloren, was in den USA geschieht oder in Brasilien. Nebenbei brennt der Urwald wieder mehr denn je. Stoff für mindestens eine Verschwörungstheorie. Die sind ja gerade schwer in Mode. Ich denke an die Bilder von Bergamo, das Bild von dem Massengrab, das sie in New York mit Baggern aushoben, um Sarg an Sarg darin zu stapeln. Ich denke an den Bericht eines Arztes in einer Straßburger Klinik, verzweifelt, erschöpft. Ich höre das erste Mal das Wort „Triage“. Ich denke an den Hollywood-Streifen „Pearl Harbour“, als die Krankenschwester den verletzten Soldaten mit dem Lippenstift Zeichen auf die Stirn malt, über Leben und Tot entscheiden muss, weil man nicht mehr allen helfen kann. Straßburg, ein paar Kilometer
von uns weg, nicht Hollywood!