720 Architektur
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Als die Badische Landesbibliothek 22 Jahre nach ihrem Untergang endlich ein eigenes Gebäude beziehen konnte, um ihren Lesern in komfortabler Weise Literatur und Informationen zur Verfügung zu stellen, zählte der Bibliotheksbestand
immerhin wieder 327 000 Werke. Damit hatte er das Vorkriegsniveau beinahe wieder erreicht: Als die Bibliothek in der
Nacht vom 2. auf den 3. September 1942 im Bombenhagel auf Karlsruhe untergegangen war, hatte sie bei einem Verlust von 365 000 gedruckten Bänden nahezu einen Totalschaden erlitten. Allein die rechtzeitig an sichere Orte ausgelagerten Handschriften, Inkunabeln und sonstigen wertvollen Stücke waren gerettet worden, außerdem die zufällig gerade ausgeliehenen Titel und schätzungsweise 13 000 Bücher, die den Brand überstanden hatten.
Ein neues Staatstheater
(2015)
Kultur braucht Räume. An Theatergebäuden lässt sich im Besonderen ablesen, welchen Stellenwert sie in einer Stadt und in einer Region besitzt. Die Häuser sind die Raum gewordenen Indikatoren für die Lebensart einer Stadt. Die Theater-Architektur mit ihren ganz eigenen Erfordernissen hat in den vergangenen Jahrhunderten nicht nur die Technik des künstlerischen Zweckbaus, sondern mit ihrer eindrucksvollen Gestaltungskraft das kulturelle Leben und das Gesicht der Städte stark beeinflusst. Theater gehören zu den markantesten Gebäuden einer Stadt, bereits die Wahl des richtigen Ortes stellt die Bauherren vor eine wesentliche Herausforderung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deutsche Bauleute unterhalten sich in diesen Tagen mit Vorliebe über des Kanzlers Schröder neue Bleibe in Berlin, über die neue „Kanzlerkathedrale“, über die „in Beton gegossene Wagneroper“, wie z. B. im „Bonner General-Anzeiger“ zu lesen war. Unser heutiges Thema verdient sicher ähnliches Interesse: „Betonbauten als Kulturdenkmale“ - für viele bis heute nur ein Ärgernis, für andere schon lange eine Herausforderung, mit drängenden Fragen nach den Möglichkeiten ihrer Erhaltung und einer neuen, sinnvollen Nutzung. Heute geht es hier in Karlsruhe um den beispielhaft sanierten Gebäudekomplex des Zentrums für Kunst und Medientechnologie, dessen Kürzel ZKM schon lange eine eigene Dynamik entfaltet. Dieser frühe Stahl-Beton-Skelettbau nach den Plänen des schwäbischen Industriearchitekten Philipp Jakob Manz (1861-1936) ist in seinem neo-klassizistischen Stil und seinen 10 Lichthöfen und der enormen Längenausdehnung von 312 Metern das mit Abstand größte Bauwerk Karlsruhes, zur Bauzeit 1915-18 sogar herausragend in ganz Deutschland.
Wer die Evangelische Stadtkirche am Karlsruher Marktplatz sieht, kann kaum ahnen, welch eine lange und bewegte Entwurfs- und Baugeschichte dieses Gebäude hat. Sage und schreibe 24 Jahre waren vergangen, als die Glocken am Pfingstsonntag 1816 zur Einweihung des Gotteshauses
riefen. Friedrich Weinbrenner hatte sich bereits in seiner Lehrzeit 1791/92 in Berlin mit der Frage nach der Gestalt dieser Kirche beschäftigt und eine größere Zahl an Entwürfen gefertigt. Bei der späteren Ausführung des Kirchengebäudes indes musste der Baumeister einen steinigen Weg beschreiten. Aus finanziellen Gründen sah er sich vielfach gezwungen, bei der Realisierung auf übliches Baumaterial zu verzichten und sich mit Ersatzlösungen zu begnügen. Hinzu kamen leidige Auseinandersetzungen mit dem vorgesetzten Finanzministerium. Doch nach dem beharrlichen Widerstand Weinbrenners stellte sich der Großherzog zuletzt auf dessen Seite.
Gebaute Geschichtsfälschung
(2011)
Einem städtischen Platz gegenüber zu bauen, den die Geschichtsbücher als Musterbeispiel seiner Epoche kennen, ist ein Privileg, das sich nur selten bietet; entsprechend groß sind Herausforderung und Verpflichtung, sich in die Geschichte einzuschreiben. Manchmal aber geht das sehr schnell. Als die Karlsruher Volksbank 2007 ihr Gebäude beim Marktplatz an den Hamburger Investor Newport verkaufte, sollte das Eckhaus des Architekten Erich Schelling aus den Jahren 1952-58 für
»großflächigen Einzelhandel« umgebaut und dafür eine tragfähige bauliche Lösung bei einem Wettbewerb im Rahmen eines »kooperativen Verfahrens« gefunden werden, eine Regelung, die allerdings von der Architektenkammer ausdrücklich bemängelt wurde.
Karlsruhe – die Fächerstadt, viel bestaunt als der Entwurf eines idealen Miteinander von Schloss und Stadt, von Fürst und Bürger, von Badenern und Fremden, von Menschen verschiedenen Glaubens. Von so traumhafter Art, wie es uns als Vision des Markgrafen Karl Wilhelm in der Legende von der Stadtgründung erzählt wird. Man wird nachdenklich und möchte fragen: In wessen Kopf entstand dieser Plan? Woher kam die brillante Idee zu dieser auf der ganzen Welt einzigartigen Gestaltung einer Hauptstadt? Woher die Kraft zu ihrer Verwirklichung? Allen Respekt der einzigartigen Leistung eines jungen Regenten, sich kurzer Hand ein neues Landes- und Lebenszentrum, seine fürstliche Residenz mit Schloss und Stadt zu erschaffen: als eine neue friedliche Heimat für ihn, den Fürsten, und für die verjagten und verarmten Menschen seines in Kriegen verelendeten Landes. Neben seinen Erfahrungen des Krieges, die seine Friedenssehnsucht stärkten, und äußeren Umständen wie der Zerstörung seines Lands und seiner Residenz Durlach sowie den Streitigkeiten mit der Durlacher Bürgerschaft, die den Gedanken einer neuen, zeitgemäßen Residenz förderten, war die Ausführung dieser Pläne offensichtlich von theologischen Reflektionen bestimmt.
Wie kann sich ein kommunales Kunstmuseum an einem Stadtjubiläum beteiligen? Mit einer Ausstellung bedeutender historischer Künstler, die am Ort studierten wie Emil Nolde oder Otto Modersohn, mit Künstlern, deren familiäre Wurzeln
in der Stadt liegen wie Lyonel Feininger oder mit international renommierten Malern, die hier tätig waren wie Karl Hubbuch,
Georg Baselitz, Markus Lüpertz oder Per Kirkeby? Zu allen Genannten zeigte die Städtische Galerie Karlsruhe in den letzten drei Jahrzehnten umfangreiche Schauen. Seit ihrem Bestehen widmet sie sich aber auch in unregelmäßigen Abständen der Baugeschichte der Stadt, vorwiegend aus Zeiten, als die Architekten ganzheitlich planten: von der Gebäudehülle bis zu Alltagsgegenständen wie Möbel, Geschirr oder gar das Kleid der Hausherrin. An diese Tradition knüpfen wir nun im Jubiläumsjahr an und stellen das Werk des Architekten Friedrich Weinbrenner (1766–1826) in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten.
Neben der Dammerstock-Siedlung im Karlsruher Stadtteil Rüppurr (Entwurf Walter GROPIUS und Otto HAESLER) gehört der heute als Naturschutzzentrum genutzte Gebäudekomplex der ehemals „Städtischen Vogelwarte" im so genannten Rheinpark Rappenwört zu den markantesten architektonischen Vorzeigeobjekten aus der Bauhaus-Zeit. Der in seinem formalen Aufbau in Teilen an die Meisterhäuser in Dessau erinnernde multifunktionale Gebäudekomplex stammt vom Architekten im Hochbauamt der Fächerstadt, Walter MERZ (1897-1963), der zusammen mit Alfred FISCHER und Fritz RÖSSLER auch an der Ausführung von drei Einfamilien-Reihenhausgruppen in der Dammerstock-Siedlung beteiligt war.
Am 25. August 2018 luden die Erinnerungsstätte Ständehaus und die Stadtbibliothek Karlsruhe
zu einem »Fest für Alle« in das Neue Ständehaus ein. Dieses war 25 Jahre und drei Tage
zuvor am 22. August 1993 auf dem Restareal des 1944 bei einem Luft angriff schwer getroffenen
ersten Deutschen Parlamentsgebäudes eingeweiht worden. Zur Geschichte des Neuen Ständehauses
hatte das Stadtarchiv die kleine Ausstellung »25 Jahre Neues Ständehaus. Fotos und
Fakten« zusammengestellt. Die Besucherinnen und Besucher erwartete den ganzen Tag über
ein buntes Programm. Im Ständehaussaal sprachen der Karlsruher Oberbürgermeister Dr.
Frank Mentrup, die Leiterin der Stadtbibliothek Andrea Krieg und Dr. Ernst Otto Bräunche,
Leiter von Stadtarchiv & Historische Museen Karlsruhe unter dem Motto »Vergangenheit trifft
Gegenwart für die Zukunft« über 25 Jahre Neues Ständehaus. Die folgenden Ausführungen
orientieren sich an dem Trialog im gut besuchten Ständehaussaal.
Noch in den achtziger Jahren war der sogenannte Hallenbau A selbst unter Karlsruhern kaum ein Begriff. Obwohl mit seinen
312 Metern Länge, 54 Metern Breite und 25 Metern Höhe mit Abstand größer als alle öffentlichen Gebäude der Stadt, fristete er als Teil des Geländes der Industriewerke Karlsruhe-Augsburg ein weitgehend unbeachtetes Dasein, zur Brauerstraße hin versteckt hinter ausgedehnten Werkhallen, auf der Westseite an der Lorenzstraße begrenzt von einem wenig attraktiven, ungeordneten Gebiet mit kleinen Gewerbebetrieben zwischen verwilderten Kleingärten. Der ungepflegte Zustand mit bröckelndem Putz und schmutzigen Fenstern trug außerdem dazu bei, dass der riesige, langgestreckte Baukörper von denen, die ihn überhaupt wahrnahmen, als Schandfleck angesehen wurde, der möglichst bald aus dem Stadtbild verschwinden sollte.