780 Musik
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Dolor d'amore
(2010)
„Wessenberg und die Kirchenmusik“ — das scheint ein überschaubares und leicht zu bewältigendes Thema zu sein, ganz gleich, wo man den Schwerpunkt setzt. Da wäre einmal die Frage danach, wie Wessenberg die zeitgenössische Kirchenmusik hier zu Lande beeinflusst und geprägt hat. Die Antwort ist einfach und bekannt. Vor bald 30 Jahren hatte beispielsweise Wolfgang Hug schon konstatiert: „Die kirchenmusikalischen Verhältnisse waren in den ersten Jahrzehnten der Freiburger Erzdiözese ganz entscheidend von den Reformimpulsen geprägt, die Wessenberg ihnen gegeben hatte.“ Wessenbergs Wirken hatte also weit über das Ende seiner Amtszeit hinaus wirkende Folgen. Zum anderen könnte man danach fragen, wie Wessenbergs persönliches Verhältnis zur Musik, zur Kirchenmusik insbesondere, gewesen sei. Hierzu hat kürzlich Michael Bangert eine, so scheint es, durchaus konsensfähige Antwort gegeben, wenn er vermutet, Wessenberg habe zeitlebens „keinen kreativ gestaltenden Zugang zur Musik gefunden“.
Seit 1819 war Johann Peter Hebel (1760–1826) als erster Prälat der sich formierenden unierten Landeskirche des Großherzogtums Baden nicht nur deren Vertreter in der Ersten Kammer der Ständevertretung, sondern faktisch auch ihr ranghöchster Geistlicher. In dieser Funktion stand es in seinem Aufgabenbereich, zu Fragen des gottesdienstlichen Lebens, der Lehre und des christlichen Unterrichts Stellung zu nehmen. Dies hat er u. a. in zwei Gutachten getan, in denen er sich über die Einführung einer neuen Biblischen Geschichte und die Einführung eines neuen Gesangbuches äußerte.
Badens Präsenz
(2009)
Im 57. Jahr nach der Gründung Baden-Württembergs und im 100. Jahr der Existenz des Landesvereins
Badische Heimat halten wir es für selbstverständlich, dass unsere Zeitschrift der Frage der
aktuellen Präsenz Badens nachgeht: Wo und wie ist Baden in Baden-Württemberg auch heute
(immer noch) präsent?
Die Frage nach der Präsenz Baden ist auch eine Frage der politischen Deutungskultur. Nur wenn
sich Baden in Baden-Württemberg selbstbewußt positioniert, wird es weiterhin präsent sein. Zu
dieser Präsenz gehört unserer Ansicht nach vor allem Wahrnehmbarkeit. Nur was kontinuierlich
wahrgenommen wird, existiert auch im Bewusstsein der Menschen und trägt zu ihrer Identitätsbildung
bei.
Die Redaktion der Badischen Heimat beginnt zum Jubiläum in diesem Heft eine Serie von
Beiträgen, die die Präsenz Badens an einzelnen Beispielen darzustellen versucht. Wir stellen drei
Institutionen vor, die vom Ursprung her badisch sind und ganz wesentlich auch heute noch zur
badischen Identität beitragen: Das Generallandesarchiv als Hüter der Quellen und Sachwalter der
badischen Geschichte, die Badische Landesbibliothek mit ihren Handschriften als badisches Kulturerbe
von Rang und das Badische Landesmuseum mit der Ausstellung regionaler Kultur Badens im
Dialog. An erster Stelle der Serie „Badens Präsenz“ steht natürlich das Badnerlied, das bei vielen
Anlässen gesungen, bis auf den heutigen Tag das Zugehörigkeitsgefühl zu Baden ausdrückt.
Der Lied-Regionalteil des Evangelischen Gesangbuchs 1993 für Baden – Elsass und Lothringen – Pfalz
(2009)
In den „Grundsätzen für die Erarbeitung eines künftigen Gesangbuches“ von 1980, die als ein erster Schritt den beteiligten Kirchen mit der Bitte um Stellungnahme zugesandt worden waren, heißt es im achten Abschnitt unter Punkt 1: Das künftige
Gesangbuch im deutschen Sprachgebiet sollte – wie bisher – einen gemeinsamen Stammteil und daneben regionale Teile aufweisen und von Beiheften begleitet werden. Nach den Ausführungen zum Punkt 2 (gemeinsamer Stammteil) liest man in
Punkt 3: Regionale Gesangbuchteile sollen Lieder berücksichtigen, die nur in bestimmten Teilen des deutschen Sprachgebiets lebendig sind. Desgleichen Lieder, die einer bestimmten, nicht allgemein verbreiteten Frömmigkeitstradition entsprechen. Die regionalen Teile sollen kleiner sein als der Stammteil. Auch wäre zu begrüßen, wenn benachbarte oder überregional zusammengeschlossene Landeskirchen zu gemeinsamen Regionalteilen kommen könnten (z.B. die acht Gliedkirchen in der DDR). Auf diese Weise könnte die Zahl der Regionalteile im deutschen Sprachgebiet verringert werden. Die entwickelten Gesichtspunkte für den Charakter des neuen Gesangbuches sollen nicht nur für den Stammteil sondern auch für die Regionalteile gelten.
"Glockenspiel für Villingen"
(2009)
Es war schon ein ganz besonderer Höhepunkt als Abschluss des Festjahres der 1000-Jahr-Feier zur Verleihung des Markt- und Münzrechts an Villingen: Am 25. September 1999 wurde mit einem spektakulären Guss mehrerer Bronzeglocken auf dem Münsterplatz der über 375 Jahre in Villingen wirkenden Glockengießerdynastie Reble/Grüninger die angemessene Referenz erwiesen.
1580 gründete der 1552 in Villingen geborene Hans Reble (auch Rebele oder Raeblin) eine Glockengießerei. Er goss 1601 die einst berühmte große Glocke des Münsters zur Erinnerung an die über 2.000 Pest-Toten des Jahres 1592. Leider wurde sie 1908/09 zum Umguss für ein neues Geläut eingeschmolzen. Der 1624 geborene Johann Joachim Grieninger, Sohn des Hammerschmieds Veit Grieninger, heiratete 1645 die verwitwete Tochter seines Meisters Christoph Reble, von dem er im gleichen Jahr die Gießerei übernahm, die er dann 1676 seinem Sohn Matthäus Grieninger übergab. Die Glockengießerei war ununterbrochen im Besitz der Familie Grieninger (später Grüninger), bis sie 1948 von Villingen nach Strass bei Neu-Ulm umsiedelte.
Attouchements für 2 Flöten
(2008)
Die Geschichte des Musizierens und Tanzens während des ersten Jahrtausends weist
insbesondere in den Zeiten vor der Christianisierung beträchtliche Lücken auf. Für
viele Regionen fehlt noch jede Orientierung, die mehr erschließt als die Registrierung vereinzelter Funde von Instrumenten. Ein wegweisendes Unternehmen wie die
1993 in Besançon gezeigte und in einem Katalog umsichtig kommentierte Ausstellung „Le Carnyx et la Lyre. Archéologie musicale en Gaulle celtique et romain“
fehlt für die Gebiete rechts des Rheins. Es sei daher der Versuch vorgelegt, die ältesten Dokumente zur Geschichte des Musizierens bei den Alamannen in dieser Region
zusammenzutragen und ansatzweise auszuwerten. Anlass hierzu bietet ein im Winter 2001/2002 auf einem merowingerzeitlichen Friedhof von Trossingen (Kreis Tuttlingen) geborgenes Grab (Grab 58), in dem man eine Holzkammer mit einem Toten
fand, dem zur Rechten ein Schwert und zur Linken eine Leier beigegeben ist. Diese
um 580 zu datierende reiche Fundstelle dokumentiert die Kombination einer Waffe
mit einem Zupfinstrument als auszeichnende Attribute eines damaligen Kriegers. Da
zudem auf der Vorderseite der Leier bewaffnete Krieger in Ritzverzierung vollflächig dargestellt sind, manifestiert dieser Fund markant den Bezug beider Geräte als
klassenbezogen auszeichnende Merkmale eines höheren Sozialstatus.
Unter Hinweis auf früher gegründete Bruderschaften der Trompeter, Pfeifer, Lautenschläger und Spielleute in den Bistümern Konstanz und Straßburg wurde 1458 in Stuttgart eine Bruderschaft zu Ehren der Gottesmutter eingerichtet und am Samstag
vor dem Sonntag Misericordias Domini von Graf Ulrich V. (mit dem Beinamen der Vielgeliebte) bestätigt. Es dürfte in der Grafschaft Württemberg die erste Ordnung für Berufsmusiker gewesen sein, die damit einen festen Platz in der Gesellschaft erhielten. Einige Bestimmungen scheinen offenbar den Sinn gehabt zu haben, den Mitgliedern das Ansehen rechtschaffener Bürger zu geben. Über die Art der Berufsausübung wird wenig gesagt, es heißt aber, »es soll keiner in der Bruderschafft Juden dienen zu Hochziten oder anderem«. Abgesehen von dem spätmittelalterlichen Antisemitismus, der sich darin zeigt, erfahren wir immerhin, dass es sich bei den Mitgliedern dieser Bruderschaft um jene Leute handelte, die bei Hochzeiten zum Tanz aufspielten. Daraus entwickelte sich im folgenden Jahrhundert ein Berufsstand, den Riemanns Musiklexikon »eine feste Institution in Städten jeder Größe seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts« nennt. Die Bezeichnung schwankte, in Württemberg sprach man auch von Stadtmusikanten, hauptsächlich aber von Stadtzinkenisten. Ein Zink oder Zinken war ein Blasinstrument aus Horn oder aus mit Leder umwickeltem Holz mit einem Trompetenmundstück und sieben Grifflöchern. Man darf allerdings die Berufsbezeichnung nicht missverstehen. Was diese Leute praktizierten, nannten sie selber »Instrumental-Musik-Kunst«. Darunter verstanden sie die Beherrschung von nicht nur einem Instrument, sondern von möglichst vielen. Einer der Marbacher Zinkenisten hinterließ 13 verschiedene Arten von Instrumenten, insgesamt 27 Stück.
Wir können davon ausgehen, dass er die meisten davon auch spielen konnte.
Die Aktenbestände aus alten Zeiten bestehen zumeist aus Anordnungen der Obrigkeit und dem Nachweis ihrer Durchführung oder anderen Reaktionen der nachgeordneten Behörden und Personen. Selten wird „die Stimme des Volkes“ unmittelbar aktenkundig. Dies aber ist der Fall in einer Akte über die Einführung des neuen Gesangbuchs für die Deutsch-reformierten Gemeinden der Kurpfalz im Jahr 1785. Darin befindet sich als Abschrift ein sechs Seiten umfassendes, an die in Mannheim residierende Landesregierung der Kurpfalz gerichtetes Schreiben, das energisch gegen die bevorstehende Einführung des neuen Gesangbuchs protestiert. Es fällt vor allem auf durch die große Zahl von 138 Unterschriften, höchstwahrscheinlich von Gemeindemitgliedern, sowie durch die temperamentvolle und selbstbewusste Art, in der die von unterschiedlichen Perspektiven bestimmten Argumente vorgetragen werden. Als Dokument einer freien Meinungsäußerung seitens des Kirchenvolks und als Beitrag zur Geschichte des Gesangbuchs in der Kurpfalz soll es an dieser Stelle im Wortlaut zusammen mit einem knappen Kommentar veröffentlicht werden.