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„‚Wir haben die Kirche gesehen.‘ Das war der beherrschende Eindruck, von dem Erzbischof Schäufele erfüllt war, als er nach dem Abschluss des Konzils nach Freiburg zurückkehrte.“ Die Kirche, die der Freiburger Erzbischof in Rom während des II. Vaticanums (1962-1965) sehen konnte, war in vielfacher Hinsicht in Bewegung geraten. Teilweise schon lange gärende Entwicklungen konnten mit dem Konzil eine lehramtliche Anerkennung erhalten, neue Entwicklungen wurden damit
ermöglicht. Als universalkirchliche Zusammenkunft der Bischöfe der katholischen Kirche machte das II. Vaticanum konkret sichtbar, dass diese in und aus Ortskirchen besteht. Wenn in diesem Sinn die Konzilsväter Stimme ihrer Diözese auf dem Konzil und Stimme des Konzils in ihrer Diözese sind, so gilt dies auch für Erzbischof Hermann Schäufele und Weihbischof Karl Gnädinger, die als Freiburger Konzilsväter am II. Vaticanum teilnahmen.
Zwei Jahre vor dem berühmt gewordenen Kirchentag in Wittenberg erschien 1846 in den Fliegenden Blättern aus dem Rauhen Hause zu Horn bei Hamburg ein Artikel über die Innere Mission in Baden, in dem – wahrscheinlich – Johann Hinrich Wichern schrieb: Baden steht zwischen Württemberg, den Cantonen Basel und Zürich und dem Elsaß eigenthümlich isolirt da, in Beziehung auf die freie Association zu praktisch christlichen Zwecken in unmittelbarster Nähe. Während in den genannten, Baden umgebenden, Ländern Vereine und Anstalten christlicher Liebe aller Art blühen und zunehmen, kommt aus Baden uns kaum eine Kunde von verwandten Unternehmungen zu. Diese Klage über mangelnden missionarischen und diakonischen Einsatz dürfte kaum mit dem Hinweis auf Wicherns defizitäre Kenntnisse zu entkräften sein, galt er doch als überaus gut informierter Fachmann, wie die in der genannten Zeitschrift abgedruckte Auflistung badischer Werke der Inneren Mission zeigt. Die badischen Entwicklungen der Inneren Mission und der „Diakonie“ verfolgte Wichern spätestens seit den frühen 1830er Jahren. Seit dieser Zeit pflegte er auch direkte Kontakte zu Badenern.
Im ersten Band des Jahrbuchs für badische Kirchen- und Religionsgeschichte hat Prälat Gerd Schmoll als Zeitzeuge berichtet, wie er Krieg und Nachkriegszeit und die Kirche in dieser Zeit erlebt hat. Wie schon oft stellte sich mir die Frage: Wie habe eigentlich ich dies alles erlebt, 1929 in Mannheim geboren und dort aufgewachsen, zuerst als Kind, dann als Mädchen, und noch später als Heranwachsende, als Frau? Wie vermag ich heute in der Rückschau dies zu sehen? Ich bin viereinhalb Jahre älter als Gerd Schmoll und habe fast immer in Mannheim gelebt und auch gearbeitet, wobei allerdings die nicht einmal zwei Jahre, die ich aus Kriegsgründen in St. Blasien verbringen musste, von nachhaltiger Bedeutung für mich waren. Viereinhalb Jahre Altersunterschied kommen für die Zeit des „Dritten Reiches“ und der Nachkriegszeit geradezu einem Generationen-Unterschied gleich. So will ich es wagen, will einiges von meinem Erleben oder Erspüren versuchen zu benennen.
Sehr geehrte Frau Lehmann, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass die Evangelische Stadtkirchengemeinde Durlach gemeinsam mit der Evangelischen Erwachsenenbildung Karlsruhe und Durlach und dem Freundeskreis Pfinzgaumuseum/Historischer Verein Durlach des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht mit einer außerordentlich eindrucksvollen Veranstaltungsreihe gedenkt. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe bin ich gern heute zu Ihnen nach Durlach gekommen. Dies gibt mir die Gelegenheit, öffentlich und im Namen unserer Evangelischen Landeskirche in Baden zu jener schweren Schuld zu stehen, die unsere Kirche in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft auf sich geladen hat. Darum ist es mir ein besonderes und persönliches Anliegen, Ihnen, verehrte Frau Lehmann, die Grüße unserer
Kirchenleitung zu überbringen und sie in ihrem Namen um Vergebung zu bitten für das, was die badische Kirchenleitung Ihrem Vater an schwerem Unrecht zugefügt hat.
Die Nachlässe von Adolf Schmitthenner und Karl Ludwig Schmitthenner sind Teil des Familienarchivs Schmitthenner, einer badischen „Pfarrerdynastie“, die ohne Unterbrechung seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Dienst der evangelischen Kirche
in Baden tätig ist. Die Nachlässe wurden im August 2004 von Pfarrer i. R. Werner Schmitthenner als Dauerleihgabe an das Landeskirchliche Archiv übergeben. Bei der Übergabe hatte der Nachlassgeber seiner Zeit freilich nur von einem „Konvolut Predigten“ Adolf Schmitthenner gesprochen, das sich bei der Bearbeitung viel differenzierter als Doppelnachlass erwies, da er durch Datierung und Handschrift zwei von einander deutlich zu unterscheidende Teile enthält.
Von 1748 an bis in das zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hinein waren im lutherischen Landesteil der evangelischen Kirche in Baden die Auserlesenen Biblischen Historien von Johann Hübner als Schulbuch in Gebrauch, von 1824 bis 1855 waren es in der nunmehr unierten badischen Landeskirche die Biblischen Geschichten von Johann Peter Hebel. Was geschah und was gab es in der Zwischenzeit? In der vielfachen Literatur zu Hebels Biblischen Geschichten wird häufig die Biblische Geschichte für Kinder des bayerischen katholischen Theologen und Jugendschriftstellers Christoph von Schmid, welche damals in den katholischen Teilen Badens verbreitet war, zum Vergleich herangezogen; das hängt mit der Vorgeschichte von Hebels Spätwerk während der Jahre 1813 bis 1818 zusammen. Auch wird immer wieder an Hübners Biblische Historien aus dem 18. Jahrhundert erinnert.
Der etwas umständliche Vortragstitel verbindet eine Person, eine Stadt und ein religiös-historisches Phänomen miteinander. Das ist durchaus beabsichtigt, und ich hoffe, zeigen zu können, dass alle drei Faktoren in der Tat zusammengehören. Balthasar Hubmaier muss nach allem, was wir wissen, eine charismatische Persönlichkeit gewesen sein – ein authentisches Porträt von ihm ist nicht bekannt; das häufig wiedergegebene Bildnis ist ein Phantasieprodukt aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Dreimal hat Hubmaier in kurzer Zeit begeisterte und überzeugte Anhänger hinter sich geschart: in Regensburg, in Waldshut und in Nikolsburg (heute Mikulov in Tschechien). Er war der weitaus bedeutendste Theologe unter den Täuferführern der ersten Generation.
Formal sind die lutherische und die reformierte Traditionslinie des Protestantismus in der unierten Evangelischen Landeskirche in Baden gleichrangig. Gerne und oft wird auf Martin Luther rekurriert. Kommt aber Johannes Calvin ins Spiel, neigt man rasch zur Distanzierung oder verbittet sich eine Identifizierung. Als jüngst im Calvin-Jahr 2009 die Pfarrstelle der einzigen Johannes-Calvin-Gemeinde in Deutschland, die in Mannheim-Friedrichsfeld besteht, ausgeschrieben wurde, sah man sich offenbar veranlasst, Missverständnissen vorzubeugen: [D]er Name [weist] nur [!] auf die Gründung des Ortes durch vertriebene Hugenotten im Jahre 1683 hin und bedeutet keine besondere, reformierte Prägung. Eine entsprechende Erklärung war bislang noch in keiner Ausschreibung der zahlreichen Luthergemeinden in badischen Landen zu lesen gewesen. „Luther“ steht also für das gemeine evangelische Kirchentum, „Calvin“ für eine Sonderform, so scheint doch gefolgert werden zu können. Das
„reformierte Erbe“ wird aktuell wenig dokumentiert; so finden sich im Schlagwortregister der Homepage der badischen Landeskirche wohl die Aufrufe „lutherische Kirche“ und „unierte Kirche“, nicht jedoch „reformierte Kirche“.
Am 17. Juli 1998 wurde im Schloss von Gomaringen das Gustav-Schwab-Museum eingeweiht. Die Festrede hielt Hermann Bausinger, Nestor der empirischen Kulturwissenschaftler. Den Text der Rede findet man in Bausingers
Essay-Band »Ein bisschen unsterblich. Schwäbische Profile«, und zwar unter
dem zunächst etwas merkwürdig erscheinenden Titel »Kein schwäbischer
Schmollwinkel. Wie dick war Gustav Schwab?« [1]
Die Dauerausstellung im Gomaringer Schloss soll 2010 erweitert werden,
und der Verfasser übernahm es, hierzu Recherchen zu den Vorfahren und der
Familie von Gustav Schwab durchzuführen.
Bei Schlossführungen in Ludwigsburg und der Solitude erfährt der staunende
Besucher nicht nur etwas über die Mätressen des Herzogs, sondern auch über
die Vielzahl seiner natürlichen Kinder. Vage Angaben beginnen bei über 100,
nach oben bestehen keine Grenzen.
Man erzählt sich, dass alle Rothaarigen von ihm abstammen sollen, wie
Baron von Bühler bei Schlossführungen berichtet und nicht zuletzt sollen alle
Bewohner auf den Fildern von Herzog Carl Eugen abstammen.
Gerhard Raff erwähnte, dass sogar Prof. Decker-Hauff blaues Blut gehabt
habe und Decker-Hauff soll einmal gesagt haben, dass die Anzahl seiner
Nachkommenschaft eine Zahl in vierstelliger Höhe erreicht haben soll. Weiter
zitiert Raff Prof. Peter Lahnstein, der geschrieben habe, dass der Herzog in
unzähligen Stundenliebschaften sein Land mit Bastarden übersät habe.
Andreas Abel schreibt über die Nachkommen des Regierungsrats Feuerlein:
»Zu den offenen Geheimnissen Württembergs gehört die Tatsache, dass
Carl Eugen etwa 300 illegitime männliche und etwa eben so viele weibliche
Nachfahren gezeugt hat.« [2]
Über die Mätressen des Herzogs berichtet u. a. auch Susanne Dieterich in
ihrer Publikation »Liebesgunst. Mätressen in Württemberg«.
Die Kirchenbücher im Herzogtum Württemberg, dem größten Territorium
des nachmaligen Königreichs, dessen Gebiet bis zum heutigen Tag den größten
Teil der Landeskirche bildet, gehen auf das Jahr 1557/58 zurück. [1] In der Visi -
tationsordnung vom 2. Februar 1557 wurde von Herzog Christoph die Führung von Taufbüchern angeordnet. [2] Diese werden auch in der 1559 erschie -
nenen Großen Württembergischen Kirchenordnung erwähnt, denn hier wird
den Visitatoren aufgetragen, den »Catalogum mit den getaufften Kindern« zu
überprüfen. [3] Im Gegensatz zur Einführung der Taufbücher [4] ist ein Erlass für
die Anlegung von Registern der Eheschließungen und Beerdigungen, also der
Führung von Ehe- und Totenbüchern, die alsbald nach den Taufbüchern beginnen, nicht bekannt. [5] In den meisten Fällen wurden diese drei ursprünglichen
Sparten der kirchlichen Register in einem Band eingetragen, der in kleinen
Gemeinden oft hundert und mehr Jahre seinem Zweck diente. Später wurden
dann für jedes der drei Register eigene Bände angelegt.
Die »Orthopädenfamilie Heine« war bereits vor 40 Jahren Thema eines Beitrags in dieser Zeitschrift und wurde auch in der heimatkundlichen und medizingeschichtlichen Literatur, auf die hier nicht eingegangen werden kann, des
Öfteren abgehandelt. [1] Sie umfasst im engeren Sinne fünf Nachkommen des
Bierbrauers Joseph Heine (1732 –1820) in Lauterbach im Schwarzwald, nämlich einen Sohn, drei Enkel und einen Urenkel, die als bedeutende Praktiker
und Wissenschaftler in der mitteleuropäischen Medizingeschichte ihre Spuren
hinterlassen haben. Unter ihnen bildet Jakob Heine (1800 –1879) insofern eine
Ausnahme, als er der Stammvater einer zahlreichen, gesellschaftlich bedeutenden und jetzt noch blühenden Nachkommenschaft ist. [2]
Man kann es nicht anders sagen: die Lektüre von Heideggers “Sein und Zeit” versetzt heute noch in innere Unruhe, in ein forttreibendes Suchen und bestürzendes Für-Wahr-Halten. Es gilt Hegels Satz, Philosophie sei ihre Zeit, in Gedanken gefasst. Auch heute noch, rund 80 Jahre nach Erscheinen des Werks. Gerade für Historiker im Blick auf den Zweiten Weltkrieg und die Nazi-Zeit.
Heidegger repräsentiert wie wenige die geistige Aristokratie des damaligen Deutschland, er ist der große Exponent einer Philosophie, die ohne den Fundus und die Tradition deutscher Philosophie undenkbar ist. Er ist ein Deuter seiner Zeit mit internationaler Ausstrahlung, ein Meister aus Deutschland. Und doch ist er abgestürzt in die Gläubigkeit an einen Zeitenbruch 1933.
Erziehung als Politikum
(2009)
Einen Vorwurf könnte Franz Sales Wocheler heute nicht mehr aufrecht halten: Er
könnte nicht mehr von den »blinden groben Überlingern« reden, die den Wert seiner Büchersammlung weder kennen noch ihn kennen lernen wollten. Dies nämlich schrieb
Wocheler 1833 an seinen Freund Ignaz Heinrich von Wessenberg in Konstanz, als er sich
bei ihm für ein Buchgeschenk bedankte. Nein, so scheint es heute nicht mehr zu sein:
die Überlinger wissen heute wohl zu schätzen, dass ihre Leopold-Sophien-Bibliothek
von großem kulturhistorischem Wert ist, zu dem Wocheler mit der Schenkung seines
Buchbestandes den Grundstein gelegt hat. Mit dem 175jährigen Jubiläum dieser wertvollen Büchersammlung soll deren Geschichte einerseits ebenso wie die Erinnerung
an ihren größten Gönner andererseits im Gedächtnis der Nachwelt lebendig erhalten
werden. Dies in seiner Bedeutung vor dem Hintergrund der allgemeinen politischen und
geistesgeschichtlichen Entwicklungen dieser Zeit zu würdigen, soll im Folgenden versucht werden.
Am Abend des 7. Dezember 1815 erreichten mehrere Kutschen Konstanz und
zielten auf die Markstätte, genauer gesagt, auf das Hotel »Goldener Adler«. Daraus entstiegen eine ehemalige Königin und ein kaiserlicher Prinz sowie deren kleiner Hof. Sie
hieß Hortense Bonaparte (1783-1837), geborene de Beauharnais, Ehefrau von Louis
Bonaparte (1778-1846), Königin von Holland im Exil, mit dem Titel der Herzogin von
Saint-Leu versehen, Tochter aus erster Ehe der Kaiserin Josephine (1763-1814 ), Adoptivtochter und Schwägerin Kaiser Napoleons I. (1769-1821) und seine Erbin. Bei dem Prinzen
handelte es sich um ihren jüngsten Sohn, Charles Louis Napoleon Bonaparte (1808-1873),
den Neffen Napoleons I. Vom ehemaligen Ruhm schien an beiden nichts mehr zu haften. Die Königin war erschöpft und durchgefroren und ihre Begleiter fühlten sich auch
kaum wohler. Ferdinand Mayer, der Wirt des »Adler«, vermietete ihnen im zweiten Stock
seiner Herberge das einzige einigermassen annehmbare Appartement. Mit letzten Kräften stieg Hortense die Wendeltreppe empor; dort angekommen, konnte sie endlich aufatmen: Sie waren im Grossherzogtum Baden, dies war ihr endgültiges Asyl; hier durften
sie bleiben.
Von Hexen und Heiligen
(2009)
Von Hexen und Heiligen soll die Rede sein - von Frauen, die in Schillers Leben und Werk von großer Bedeutung sind. Sein ideales Frauenbild entspricht dem des 18. Jahrhunderts, so, wie er es in der "Glocke" anschaulich schildert. Man könnte sich vorstellen, dass heute noch so mancher Herr der Schöpfung diesen Frauentyp wieder zurückwünscht. Ganz entscheidend für die Erziehung und Entwicklung des von Geburt an sensiblen und kränklichen Knaben ist seine Mutter, eine rechtschaffene, fromme Frau, von früh bis spät auf den Beinen, nimmermüde. Ihr sind der Haushalt und die Erziehung der Kinder anvertraut, da der Vater aus beruflichen Gründen meistens abwesend ist. Sie hat im Hause das Sagen, ihre Arbeit ist die einer Dienerin.
Zu 300 Jahren Ludwigsburger Stadtgeschichte gehören auch die Geschichten ihrer Kirchen. Konfessionen und Religionen gestalten das Leben in einer Stadt wesentlich mit, da Kultus und Kultur zusammenwirken. Dass sie als Kirchen hier gleich zu
Beginn im Plural genannt werden, ist zwar aus heutiger Sicht selbstverständlich, keineswegs jedoch aus den Anfängen der Ludwigsburger Geschichte. Als Schloss und Stadt Ludwigsburg heranwuchsen, war das Herzogtum Württemberg ein evangelisches Gemeinwesen lutherischer Prägung. Dies hatte die Reformation seit 1534 so entwickelt und wurde in der Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 und dem Landtagsabschied von 1565 festgeschrieben, gültig als das Grundgesetz des evangelischen Württemberg bis zum Königreich 1806 und prägend weit darüber hinaus. So hatten seit der Reformation alle Landesbeamten in sämtlichen Dienstbereichen die so genannte Konkordienformel, die in Tübingen entstandene Bekenntniseinigung der Lutheraner, bei Dienstantritt zu unterzeichnen. Eine Trennung von Staat und Kirche gab es nicht, Bürgergemeinde und Kirchengemeinde waren eines, die Kirchenleitung eine herzogliche Behörde und der Herzog das Oberhaupt seiner Landeskirche, die damit die Form einer Staatskirche besaß. Dazu kam, dass Württemberg seit dem Tübinger Vertrag von 1514 eine ständische Verfassung hatte, was den Vertretern der Landstände, zu denen die Ehrbarkeit, die Städte und die Vorsteher der großen Klöster gehörten, eine große Machtstellung in der Landespolitik einräumte. Auch nach der Reformation waren unter den insgesamt 83 Mitgliedern des württembergischen Landtags 14 evangelische Prälaten als Leiter der Klosterschulen. Somit hatte die Landeskirche auf diesem Weg starken Einfluss auf die Landespolitik, notfalls auch gegen den Herzog, obwohl dieser Kirchenoberhaupt war! Ob diese Machtposition dem Auftrag der Kirche Jesu Christi, die das Evangelium frei und unabhängig auszurichten hat, dienlich war, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.
Eberhard Ludwig, der Erbauer von Schloss Ludwigsburg und der Gründer der Stadt Ludwigsburg, der erste Barockherzog Württembergs, war ein auf Ehre und Ruhm bedachter, glanzvolle höfische Repräsentation liebender Fürst. Noch kein Jahr alt, verlor er im Frühsommer 1677 seinen Vater, Herzog Wilhelm Ludwig. Die Regierung des noch immer unter den Nachwirkungen des Dreißigjährigen Krieges, einer der schrecklichsten Katastrophen unserer Geschichte, leidenden Landes übertrug nach einigem Zögern Kaiser Leopold I. Friedrich Carl, dem jüngeren Bruder des so jäh dahingerafften Herzogs, einem tüchtigen Offizier, politisch begabten, durchsetzungsfähigen jungen Fürsten. Der nunmehrige Herzogadministrator Friedrich Carl und Herzoginwitwe Magdalena Sibylla, eine weltgewandte, tiefreligiöse Frau, die sich auch als geistliche Liederdichterin hervortat, teilten sich in die Erziehung des kleinen Eberhard Ludwig und seiner drei Schwestern, von denen die jüngste erst nach dem Tod des Vaters das Licht der Welt erblickt hatte. Hierbei kam es zu manchen Spannungen. Diese hielten sich indes in Grenzen, weil Friedrich Carl in den fortwährenden Kriegen des Reichs gegen das expansive Frankreich Ludwigs XIV., des Sonnenkönigs, immer wieder längere Zeit im Feld stand und er dann die Erziehung seines Neffen und seiner Nichten gänzlich der Schwägerin überlassen musste.
Der im Schwarzwald gelegene Ort Gutach wurde im späten 19. J ahrhundert zu einer kleinen, jedoch ziemlich bekannten Malerkolonie. Als deren Gründer gilt Wilhelm Hasemann (1850-1913), der sich hier 1880 niederließ. Etwas später stießen noch andere Maler dazu, u. a. Curt Liebig (1868-1936) und Fritz Reiss (1857-1916). Die Schönheit der malerischen
Landschaft und gewisse kulturelle „Exotik" wirkten jahrzehntelang, wie es scheint, magisch anziehend auf viele Künstler, nicht nur aus dem südwestdeutschen Raum. Zu den „Verzauberten" gehörte auch das Ehepaar Oskar und Gertel Hagemann.
Oskar Hagemann (1888-1985) war einer der wichtigsten deutschen Porträtmaler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seinen ersten Mal- und Zeichenunterricht bekam er in Baden-Baden beim Pionier der deutschen Werbekunst Ivo Puhonny (1876-1940). 1906 schrieb er sich in die Zeichenklasse des Malers Ludwig Schmidt-Reutte (1863-1909) an der Kunstakademie in Karlsruhe ein. Ein Jahr später wechselte er in die Klasse von Walter Conz (1872-1947), besuchte gleichzeitig den Malunterricht bei Ludwig Plock (1871-1940) und wurde 1908 Meisterschüler bei Wilhelm Trübner (1851-1917), der ihn wohl auch am meisten stilistisch beeinflusste. Nach Beendigung seines Studiums heiratete Hagemann 1912 die aus Karlsruhe stammende Künstlerin Gertel (Gertrud) Stamm (1891-1939). Sie studierte bei Arthur Kampf (1864-1950) an der Berliner Kunstakademie, war eine Hinterglasmalerin und eine ausgezeichnete Scherenschnittkünstlerin. Ihr Interesse für diese raffinierte Sparte der Kunst entwickelte sich bei ihr bereits in der Jugendzeit. 1908 lernte sie während eines Urlaubes in Hiddensee an der Ostsee den bekannten Scherenschnittkünstler Ernst Penzoldt (1882-1955) kennen, mit dem sie mehrere Jahre im Briefwechsel stand und Scherenschnitte austauschte. Sie schuf in dieser Technik diverse Motive als Einzelbilder und Illustrationen für Bücher und veröffentlichte ihre Werke u. a. in der Zeitschrift „Der Kunstwart" und in der Mappe „Schattengeist", herausgegeben 1912 von Ferdinand Avenarius im Callwey-Verlag.